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TÜRKISCHE ÜBERSETZUNGEN ZWEIER EUROPÄISCHER GESCHICHTSWERKE AUS MUHAMMAD ^ALI'S ÄGYPTEN: BOTTA'S „STORIA D'ITALIA&#34

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(1)

,der Flüchtling (...) 1,73 m groß und glatt rasiert [war], schwarze Haare, große braune Augen, etwas wulsüge Lippen und gelblich gebräuntes Gesicht [hatte] (...) Bei der Flucht trug er roten Fez, schwarzen abgerundeten Jackettanzug, dunkelgesu-eifte Hose und schwarze Lackschuhe mit gelbem Einsatz (...) Kurz nach seiner Flucht gelang es ihm sich Barmittel zu verschaffen.

Es ist damit zu rechnen, daß er auch weiterhin strafbare Handlungen verübt (...) Eingehendste Fahndung und Festnahme dringend erboten'.

Die Arciiive und Süßheims Tagebuch schweigen darüber, ob er wirklich

gesucht und festgenommen worden ist. Wie die meisten seiner hier erwähnten

Landgenossen ist er bald wieder in die Anonymität der Geschichte zurück¬

getreten.

TÜRKISCHE ÜBERSETZUNGEN ZWEIER EUROPÄISCHER

GESCHICHTSWERKE AUS MUHAMMAD ^ALI'S

ÄGYPTEN: BOTTA'S „STORIA D'ITALIA" UND

CASTERA'S„HISTOIRE DE CATHERINE"

Von Johann S&auss, München

Die Übersetzungstädgkeit in Ägypten unter der Herrschaft Muhammad

"All's hat bisher vor allem im Hinblick auf die Übertragungen ins Arabische in

der wissenschaftlichen Forschung Beachtung gefunden, was angesichts der

zentralen Bedeutung dieser Übersetzungen für die arabische Renaissance (nah-

da) zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht verwundem darf. In weitaus gerin¬

gerem Maße gilt dies für die Übersetzungen ins Türkische, die in diesem Zeit¬

raum in den Dmckereien von Bulaq und Alexandria erschienen sind.

Die frühen türkischen Dmeke aus Ägypten sind bisher zwar schon mehr¬

fach repertorisiert worden, allerdings in nicht befriedigender Weise, insbeson¬

dere, was Autorschaft, Entstehungszeitpunkt und Vorlage der Übersetzungen betrifft^.

1 Grundlegend: öamäl ad-DIn a5-Sayyäl: Ta'rif at-targama wa 1-haraka al-laqäfiyya ft Mijr Muhammad 'Ali, Kairo 1951. Enthält arab.-frz. Übersetzungsproben sowie eine Liste der edierten Werke. Nicht zuverlässig sind jedoch die meist von Perron, bzw. Heyworth-Dunne übernommenen Angaben zu den türkischen Übersetzungen.

2 A. Perron: Lettre ä M. Mohl sur les 6coles et rimprimerie du Facha d'Egypte, in: Joumal Asiaüque, 1Ve serie, 2 (1843), S. 5-23. Die S . 31-61 abgedmckte Liste stammt jedoch nicht von Perron, sondem von T.X. Bianchi, dereine von Dantan, dem ersten Dragomann des frz.

Generalkonsulats angefertigte Liste ergänzte (op. cit. S. 22, Anm. 1). 'AH Efendi Hilmi ad- Dägistänl: Al-kutub at-turkiyya al-mahfüza bil-kutubt)äna al-^idrwiyya al-mijriyya, Kairo

(2)

Übersetzungen zweier Geschichtswerke aus Mutiammad'AlI's Ägypten 245

Im folgenden möchte ich zwei türkische Übersetzungen europäischer Ge¬

schichtswerke vorstellen, die aus verschiedenen Gründen besondere Auf¬

merksamkeit verdienen: in dem einen Fall, dem erstmals 1244/1829 in Bulaq

gedruckten „Tarih-i Katerine"^ handelt es sich um die älteste, in Ägypten

gedruckte Übersetzung eines europäischen Geschichtswerkes ins Türkische

(die jedoch, wie wir noch sehen werden, wesentlich früher entstanden ist), in

dem anderen, der in der Literatur als Jtalya Tarihi"^ angeführten, 1249/1833 in

Alexandria erschienenen Übersetzung von Botta's Storia d'Italia, erfolgte die

Übersetzung aus dem Italienischen, ein Vorgang, der so bald keine weiteren

Nachfolger fmden sollte'.

Die Verwertung abendländischer Geschichtsquellen ist bei den Osmanen

zwar nicht die Regel, kann jedoch auf eine lange Tradition zurückblicken*. Eine

systematische Üt)ersetzungstätigkeit setzte jedoch erst zu Beginn des 19.

Jahrhunderts ein, für die literarische Übersetzung bildet sogar erst das Jahr 1859

das Stichdatum'. Frühere Übersetzungen haben diesen gegenüber später kaum

noch Beachtung gefunden*.

Wenngleich die Zahl der Übersetzungen historischer Werke ins Türkische,

der Sprache der Führungsschicht im Ägypten Muhammad "All's, anfängUch die

der Übersetzungen ins Arabische übersteigt', so ist deren Zahl doch auffällig gering'". Dies scheint auf den ersten Bhck umso verwunderlicher, als im Prinzip

ein ungeheuerer Nachholbedarf vorauszusetzen wäre. Dieser Mangel findet

jedoch seine Erklärung, wenn man die Beweggründe betrachtet, die der damals

einsetzenden Übersetzungstätigkeit zugrundeliegen: Es sind in jedem Falle

1306. S. özege: Eski harflerle basilmi; türk^e eserler katalogu, 5 Bde., Istanbul 1971-79.

Fihrist al-majbü'ät at-turkiyya al'ulmäniyya allaü qtanat-hä Där al-kutub al-qaumiyya mundu insä'i-hä 'äm 1870 hatta nihäyat 'äm 1979,2 Bde., Kairo 1982.

3 s. „Perron", S. 37, Nr. 49, S. 38 Nr. 61, Özege, op.cit. Bd. II. Nr. 10359.

4 s. „Perron", op.cit. S. 41, Nr. 80, Özege Nr. 9568.

5 Die Sayyäl'sche Liste verzeichnet ausschließlich Übersetzungen aus dem Französischen.

Bei Perron heißt es (S. 5f.): „le plus grand nombre traduits du frangais, et quelques-uns de l'anglais".

6 s. Bernard Lewis: The Use by Muslim Historians of non-Muslim Sources, in: Historians of die Middle East, ed. B. Lewis und P.M. Holt, London 1962, S. 180-192.

7 Mit der Übersetzung von Fdnelon's „A ventures de T616maque" durch Yusuf Kämil Pasa (ersch. 1862). s. G. Akmci: Türk-Fransiz Kültür ilijkUeri (1071-1859), Ankara 1973.

8 Die einschlägigen türkischen Literaturgeschichten erwähnen sowohl TK als auch IT mit keinem Wort. In der „Yeni Türk Edebiyaü Antolojisi", ed. M. Kaplan et al., Istanbul 1974, ist S. 125-27 unter der Rubrik „Baü'ya ve dünya'ya a^ihj" ein Abschnitt über Peter d. Gr.

aus TK abgedruckt.

9 Dies gilt für den Zeitraum von 1822-1842. s. J. Heyworth-Dunne, Printing and Translation under Muhammad 'All of Egypt, in: JRAS (1940), S. 325-349, va. S. 334 f.

10 Neben der Sioria Botta's und Castdra's Histoire wurden bis 1834 nur noch die Mimoires du Due de Rovigo und das Mimorial de Sainte Hiline in Teilen übersetzt (s.a. im fol¬

genden).

(3)

praktische, an deren Spitze militärische Erfordernisse stehen. Den Übersetzem

der vorhegenden Werke war die eigentliche historische Dimension fremd: ihr

Interesse war, wie auch die Art der Übersetzung zeigt, weniger ein andqua-

risches denn ein politisch-praktisches. In beiden Fällen handelt es sich auch um Zeitgeschichte (hier trügt z.T. der Titel), den bedrohlichen Aufstieg Rußlands

unter Katharina II. bzw. die Entwicklung Italiens seit der französischen

Revolution. Ziel war, in die „muamelät-i politikiyye" (TK) der europäischen Staaten Einblick zu gewinnen, ihre „betrügerischen Ränkespiele" {dek u desise-

i duru§amiz; TI, S. 3) zu durchschauen 11. Yakovaki Efendi, der Übersetzer

Castera's, zitiert den persischen Spmch: "Ärifan bäyad nigah därand ?art-i

haram rä, piStar az düstän dänand häl-i du^manän". Es ist vor allem der

gewaltige Eindmek der napoleonischen Untemehmungen, der den gemein¬

samen Hintergmnd fast aller historischen Übersetzungen aus dieser Periode

bildet.'^ Ja, es scheint sogar, als habe sich der Name „Bonaparte" als so zug¬

kräftig erwiesen, daß nicht nur das „Memorial de Sainte H61öne" und die

Memoiren des Due de Rovigo als „Tarih-i (Napolyon) Bonaparte" erscheinen

mußten, sondem sogar Botta's Storia im Istanbuler Nachdmck von 1876 mit

„näm-i diger: Bonaparte tarihi" angeführt wird.

Die Vorlagen

Gemeinsames Kennzeichen der Vorlagen für unsere beiden Übersetzungen

ist die Tatsache, daß es sich in beiden Fällen um „Best-seller" der damaligen

Zeit handelte, wohingegen der historiographische Wert dieser Werke heute eher

gering eingeschätzt wird.

Jean Henri Castera's (1749-1838) „Histoire de Catherine II, Imperatrice de

Russie" erlebte zahlreiche Auflagen und wurde u.a. ins Deutsche, Englische,

Holländische und Dänische übersetztDabei handelt es sich bei dem Verfasser

nicht um einen professionellen Historiker, sondem einen „laborieux traducteur"

(Quörard), der vor allem als Übersetzer aus dem Englischen hervortrat'". Seine 11 Bezeichnend ist, daß zu den allerersten Übersetzungen in Ägypten die von Machiavelli's

,J'rincipe" gehört (ins Arabische Übersetzt von RafäTl Anfün Zä^ür, ersch. 1240/1822).

S.M. Nallino: Intomo a due traduzioni arabe de! „Principe" del MachiaveUi, in: OM XI (1931), S. 604-18.

12 Einen zweiten Schwerpunkt bilden geschichtl. Darstellungen Russlands.

13 s. „Catalogue de la secüon des Russica ou 6crits sur la Russie en langues 6trang6res" der

„Bibliothöque imperiale publique de St. P6tersbourg", 2 Bde., St. Petersburg 1873, Bd. I, S. 204 f.

14 s. J.-M. Qu6rard: La France Iitt6raire ou dictionnaire bibliographique des savants ... Paris oJ.,Bd. II,S. 77. U.a. übersetzte Cast6ra auch die Geschichte des Osmanischen Reiches von W. Eaton ins Französische. Über Castfira s. den Artikel von J. Domergue im „Dictionnaire de biographic franfaise",ed.M.Pr6vostundRomand'Amat, Bd. VII,Paris 1954, S. 1384 f.

(4)

Übersetzungen zweier Geschichtswerke aus Mutiammad'Ali's Ägypten 247

Geschichte Katharinas der Großen, neben einigen Dichtungen das einzige

eigenständige Werk aus seiner Feder, eine gut dokumentierte, für das 18. Jh.

typische Hof- und Diplomatengeschichte, erschien zum ersten Mal 1796

anonym in 2 Bänden in Paris. Der Verfasser hatte ursprünglich die Absicht

gehabt, sie dem Zeitgeschmack entsprechend in das Gewand eines fiktiven

Briefwechsels eines englischen Gesandten zu kleiden, rückte jedoch nach dem

Tod der Kaiserin von seinem Vorhaben ab. Vorlage für die türkische Über¬

setzung ist die bereits 1798 erschienene zweite, erweiterte Fassung in 3 Bd.

(nach der im folgenden zitiert wird).

Auch die „Storia d'Italia dal 1789 al 1814" von Carlo Botta (1766-1837), welche zum ersten Mal 1824 in 3 Bänden in Paris erschien, fand beim Publikum

enthusiastische Aufnahme, wurde innerhalb kurzer Zeit vierzehnmal nach¬

gedruckt und auch ins Französische übersetzt. Aber auch hier urteilt die

historische Kritik heute eher streng, bezeichnet Botta's Art der Geschichts¬

schreibung als Rückschritt, nicht nur gegenüber der aufklärerischen des 18.

Jahrhunderts, sondem sogar gegenüber der humanistischen: bekannt ist des

Verfassers Abneigung gegenüber der Archivarbeit und seine grenzenlose

Bewundemng für Tacitus". Im Gegensatz zu Castera, der wohl nie fran¬

zösischer Botschafter in Russland gewesen war, wie die Herausgeber der

türkischen Ausgabe behaupten'*, erlebte Botta die von ihm geschilderten Er¬

eignisse z.T. als unmittelbar Beteiligter. Auch wenn seine Bewundemng für

Napoleon später in Haß umschlug, so bekleidete er doch bis zu dessen Sturz

hohe Ämter, die vom Regimentsarzt bis zum Abgeordneten reichen. Diese en¬

ge Beziehung des Verfassers zu dem „in der ganzen Welt Geheul hervor-

mfenden Bonaparte" {velveleendaz-iaktäristiharolan Bonaparte, IT, S. 3) mag

für die Übersetzer auch eine besondere Anziehung ausgeübt haben. Nach ihrer

Auffassung enthält dieser „tarih" schließlich Nachrichten über alle Revo¬

lutionen (ihtilaf) und Kämpfe in den Ländem Europas, die sich dort zwischen

1204/1789 und 1229/1813/4 vollzogen haben.

15 Über Carlo Botta s. den Artikel von G . Talamo im „Dizionario biografico degli italiani", Bd.

13, Rom 1971, S. 364-371 (mit ausf. Bibliographie)

16 TK (Vorbemerkung auf dem Umschlagsblatt), Ausgabe von 1246/1830, nach der im fol¬

genden zitiert wird: „Moskov diyannda mukim bulunan Kastera näm Fransa elgisinin Moskov devleti hakkmda cem'etdi^ larihinin lercümesidir". In Cast6ra's Vorwort ist lediglich von einem Aufenthalt „dans le nord" (1, iij) die Rede, der es ihm gestattet habe, in eine umfangreiche diplomatische Korrespondenz, der Grundlage für seine Darstellung, Einsicht zu nehmen.

(5)

Die Übersetzer und ibre Übersetzungen

Die besondere Qualität der Übersetzung von Castera's Histoire durch den

Pfortendolmetsch lakobos Argyropulos, bei den Osmanen als Yakovaki Efen¬

di bekannt, war auch den Zeitgenossen nicht verborgen geblieben. Cevdet, der

den „Tarih-i Katerine" unter seinen Quellen aufzählt (wobei er zwar den frz.

Verfasser, nicht aber den Übersetzer erwähnt)", spricht von einem ,/neshur tarihge", den er neben einer Reihe von weiteren, zuerst in Ägypten gedruckten Werken verwendet".

Auch die griechischen Biographen versäumen es nicht, auf dieses Über¬

setzungswerk besonders hinzuweisen, den „Tariki Rusi (sie!)" der auf so ele¬

gante Weise übertragen wurde, daß diese Übersetzung bis zum heutigen Tage

zu den allerbedeutendsten Büchem der Türken gezählt wird"". An anderer Stelle heißt es, daß das Werk als stilistisches Muster noch immer in den Schu¬

len gelesen werde*.

Über lakobos Argyropulos existieren nur verstreute Nachrichten. Fest¬

steht, daß er nach verschiedenen Ämtem als Sekretär des griechischen Patriar¬

chen, Gesandten der Pforte in Berlin (1804), Flottendolmetsch (Derya tercü-

mani) und Kapukethüda von Andros schließlich 1812 zum Pfortendolmetsch

aufstieg, ein Amt, das er bis 1815 bekleidete und durch Intriguen von M. Sutzos

wieder verlor. Nach dem Ausbmch des Griechischen Aufstandes (1821) kam er

erst nach Qomm und Ankara, daraufhin nach Bursa in die Verbannung, wo er

bis 1829 verblieb. Von der Pforte als Vemeter für die Friedensverhandlungen

mit Rußland nach Petersburg entsandt, benutzte er die Gelegenheit zur Flucht

nach Griechenland. Bis zu seinem Tode 1850 lebte er in Athen. Er übersetzte

17 Cevdet, Tarih^ Bd. I, Istanbul 1309, s. 5: „Katerine tarihi": Rusya imparatorigesi Kate¬

rine'nin tefasil-i ahvalini mübeyyin Kastera näm müellifin kaleme almif me-hur tarihgedir Ici fransizcadan türkceye tatf olmmu^dur.

18 So die Werke al-öabartl's, NTqQla at-Tuik's (S. 9), wie auch das unter dem Titel „Tercüme- i Tarih-i Napolyon Bonaparte" (Cevdet spricht von „Tezkire-i Ponaparte (sie!)) und

„Napolyon Bonaparte'nin sergüzefti" (s. Özege Nr. 129, Al-kutub at-turkiyya, S. 185) gednickes Memorial de Sainte Hiline.

19 E. Stamatiades, Biographiai tön Hellenön Megalön Dierm&neön tu Othomaniku kratus,

Athen 1865 (Nachdruck Thessaloniki 1973), S. 164-67; „iiexd xcCTautti?

Y^acpupÖTTiTog, üxne Kai HEXpi toü vüv . . . e^aKoXouOei oüaa ev tmv \iäKKo\

TtepiOTtouSixcrxcov ßißA.iQ)v xcbv ToüpKcov". (166)

20 So in der kurzen Lebensbeschreibung seines Sohnes Manuel Argyropulos, bei S. Lampros:

Argyropuleia, Aüien 1910, S. 113-18. "xpT|aineiX)V)aav exi xat vüv cix; TrpoTüTcov TOupKiKfic; cruyypaqrni; eig xä xoupKiKä o^oXela (114)

In türkischen biographischen Werken finden sich so gut wie keine Angaben über Yakovaki Efendi. In Mehmed Süreyya's „Sicill-i osmanf IV, Istanbul 1311, S. 872 wird neben Handjdri (Hangerli) auch Yakovaki Bey(!) und seine Übersetzung des TK erwähnt, ohne allerdings weitere Angaben zu machen.

(6)

Übersetzungen zweier Geschichtswerke aus Muhammad'Ali's Ägypten 249

angeblich auch Vergil und Montesquieu ins Neugriechische, doch ist davon,

ebenso wie von seinen Memoiren, nichts erhalten geblieben^'.

Trotzdem geht man nicht fehl, wenn man Yakovaki Efendi mit B. Lewis als

eine „Schlüsselfigur"^^ der Übersetzungsbewegung zu Beginn des 19.

Jahrhunderts bezeichnet. In seiner Familie war ohnehin die Gelehrsamkeit,

insbesondere die Kenntnis der orientalischen Sprachen, beheimatet: sein älte¬

rer Bruder Lukas erhielt ob seiner Kenntnisse sogar von den Osmanen den eh¬

renden Beinamen ,//oca"". Schenkt man den Angaben Hammers^ Glauben

(und viele Anzeichen sprechen dafür), dann waren es auch die Gebrüder Argy¬

ropulos, die unter dem Pseudonym „Seid Mustafa" jene t)erühmte Diatribe de

L'ingenieur sur l'etat actuel de l'art militaire, du genie et des sciences ä

Constantinople", die zur Unterstützung der Reformen Selims lü. gedacht war,

verfaßten. Yakovaki Ef. war es auch, der Mahmud Raif's französisch

geschriebene Geographie übersetzte, die 1804 unter dem Titel „El-icalet ül-

co§rafiyye" in Üsküdar gedruckt wurde". (Yakovaki Efendi's bemer¬

kenswerte geographische Kenntnisse stechen im übrigen auch bei der Über¬

setzung der Histoire de Catherine ins Auge.). Im Auftrag Hur§id Paschas über¬

setzte er in der Verbannung in Bursa militärische Fachbücher, die dann seine

Freilassung bewirkten. Um welche es sich dabei handelte, ist allerdings unbe¬

kannt^.

Beim TK handelt es sich gleichfalls um ein Auftragswerk. Obgleich die

Übersetzung erst 1829 in Bulaq gedruckt wurde, ist sie doch weitaus früher

entstanden. Zahlreiche Hinweise im Text erlauben den Schluß, daß Yakovaki

Efendi sie noch während seiner Amtszeit als Pfortendolmetsch anfertigte, zu

einem Zeitpunkt, als Napoleons Sturz noch bevorstand^. Wir wissen nicht, wie

und warum diese Übersetzung, die auf Wunsch einiger „hochgestellter

Persönlichkeiten des osmanischen Staates" (bazi rical-i Devlet-i aliyye

21 S. auch den Artikel von D. KatapherSs in: Ch. Patses (ed.), Megale Enkyklopaideia Neo- hellenikes Logotechnias 11, Athen oJ. S. 400 (mit weiteren Literaturangaben).

22 ,Jcey figure" s. B. Lewis: The Muslim Discovery of Europe, New York - London 1982, S.

314, Anm. 22.

23 Stamatiades, op, cit., S. 165.

24 GOR III, S. 588.

25 s. Adnan Adivar: Osmanli Türklerinde Ilim, Istanbul 1943, S. 188. Bei Özege als „Cedid Atlas tercümesi" aufgeführt (I, Nr. 2844), Dieser Übersetzung wird auch von Manuel Argyropulos erwähnt: „£weYpa\)/e Toupiacm piav TEOTpacpiav eKSoOeiaav |i£xa toü ätA.(xvxo5 m xoü ZouA.xdvou Iz\v^. (S. 114)

26 s. S. Lampros, op. cit., S. 115.

27 So wird S. 179 (Ausgabe von 1246/1830) in der „/iaj(ye"der Vertrag von Bukarest erwähnt (1812), der „gegen sene" abgeschlossen worden sei. S. 60 steht zu lesen, Napoleon habe

„yedi sene mukaddem" die Ordnung des Deutschen Reiches ausgelöst (=1806; Reichs¬

deputationshauptschluß). Andere Angaben sind unbestimmter (S. 152, S. 64, S. 60) und legen als „terminus ante quem" für die Entstehung der Übersetzung das Jahr 1813 fest.

(7)

talebilef^^ entstanden war, nach Ägypten kam und dort erst 15 Jahre später

gedruckt wurde. Fest steht somit nur, daß sie kein originäres Werk der ägyp¬

tischen Übersetzerschule ist. Wie bei den meisten in Bulaq gedruckten Werken

zeichnen auch im TK zwei Personen für den Text verantwortlich: der Über¬

setzer Yakovaki Efendi und ein „MusahMh", der Ämedl Sa"dulläh SaTd. (Er

fungierte auch als „Musahhih" des 1246 in Bulaq gedruckten Geschichts¬

werkes von Väsif). Im Gegensatz zu dem, was die Übersetzungslisten seit

Perron suggerieren^', enthält nicht erst die 2. Auflage den Hinweis auf diesen

„Musahhih". Eine Textkritik aufgrund der Drucke ist somit nicht möglich, da

beide Auflagen im Text identisch sind, und sich nur durch das Format und die

Verbesserung einiger typographischer Irrtümer unterscheiden*'. Einschnei¬

dende Veränderungen im Text durch den Musahhih sind nicht anzunehmen, da

die zum größten Teil anachronistischen ha§iyes unverändert beibehalten

wurden. Wir gehen also im folgenden stillschweigend davon aus, daß es sich in

erster Linie um das Werk Yakovaki Efendis handelt.

Sein Verfahren

Yakovaki Efendi oganisert die von Castera gelieferte Vorlage völlig neu.

Der Inhalt der drei Bände wird, wie er in der Vorrede bemerkt'', gestrafft, die Übersetzung selbst in zwei Teile gegliedert, wobei Teil 2 eine Art Landeskun-

28 TK, auf dem Vorschlagsblatt. Hinfällig ist die Annahme Babingers, (in: GOW, S . 310, Anm.

1) die Übersetzung sei erst in der Verbannung in Bursa entstanden, welche auf ein Mißverständnis der Notiz auf dem Vorschlagsblau zurückzuführen ist. Eine Bestätigung liefert auch die Notiz auf der Handschrift, die in „Istanbul kütüpaneleri tarih-cografya yazmalan kataloglan", Istanbul 1943, S. 325 erwähnt wird, und nach der die Übersetzung 1229/1813 beendet wurde.

29 Auf „Perron"/Bianchi, der sein Verzeichnis aufgrund eines „Catalogue 6crit en arabe" (S.

25) erstellte, ist es zurückzuführen, daß besümmte Irrtümer über diese beiden Werke in der Literatur tradiert werden: so die Behauptung, erst die 2. Auflage von TK (1246) erhalten den Hinweis auf den „Musahhih", wie auch die, der IT sei aus dem Französischen übersetzt.

Sowohl Heyworth-Dunne als auch Sayyäl und B. Lewis haben diese Angaben ungeprüft übemommen. Sayyäl, der offenbar mit den türkischen Dmeken nicht viel anzufangen wußte, schreibt S. 167 „öäküfaki (sie!) Arg^rübülo" sei „mutargäm bid-diwän al-l)idlwr' gewesen. Der erwähnte „Fihrist al-mafbü'ät. .." behauptet sogar vom TI („Ta'rilj Ijäliyya")

„lam yu'lam mu'allifu-hu" (11, S. 325).

30 Genauere Untersuchungen sind nur aufgmnd von Handschriften vergleichen möglich. Vgl.

hierzu die Angaben bei B.Flemming in: Verzeichnis der orientalischen Handschriften in Deutschland, Band Xlll, 1 „Türkische Handschriften", Wiesbaden 1968, S. 95f.

31 TK, S. 3 heißt es, der Übersetzer habe „das erwähnte Buch als Grundlage genommen und es um etUche überflüssige Ausdrücke (hafviyäi) reduziert".

(8)

Übersetzungen zweier Geschichtswerke aus Muliammad'Ah's Ägypten 251

de des Russiscben Reiches darstellt, mit den für die Osmanen interessanten

Kapitel über Geographie, Verwaltung, Institutionen, Erbfolgeordnung etc'^.

Zur Erklärung von als fremd, bzw. schwierig eingestuften Termini (hierzu

zählen auch die Namen von Ländem und Staaten) macht er ausgiebig von der

Möglichkeit von Randbemerkungen ( ha^iye) Gebrauch (teilweise auch in Form

von Einschüben im Text selbst). In der Art eines Sachregisters stellt er diese dem Text sogar voraus.

Die Geschichte selbst wird bis zum Regiemngsantritt Alexanders 1. (1801)

fortgeführt. Für diese Ergänzungen zieht Yakovaki Efendi auch weitere Quel¬

len zu Rate. Namentlich genannt wird (S. 198) ein englischer Autor N-W-Q

(verschrieben statt T-W-Q), hinter dem sich Wilham Tooke verbirgt, der neben

einer erheblich erweiterten Übersetzung der 1. Auflage von Castdra's Histoire auch selbst einige umfangreiche Werke zur mssischen Geschichte verfaßte",

und der Franzose Q-l-L-R-Q, i.e. Gabriel Nicolas Giere, genannt Leclerc, der,

langezeit in mssischen Diensten stehend, als Autor und Übersetzer von Russica hervorgetreten ist'". Daneben werden auch im Hauptteil öfters Informationen hinzugefügt, die „weiteren fränkischen Büchem" (sair-i kütüb-i ifrenciyye)

entnommen wurden.

Die Übersetzungsweise

Für einen Übersetzer, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein Werk aus einer

westeuropäischen Sprache ins Osmanische übemägt, stellen sich zweierlei

Vermittlungsprobleme:

a) das sprachliche b) das inhaltliche''.

32 Es sind dies die folgenden Abschnitte:

1. Zikr-i ahval-i mülk-i Rusya ve mikdar-i ahali 2. Z.-i suret-i idare-i devlet-i Rusya 3.

Beyan-i kuvvet-i benriyye ve bahriyye-i d.-i Rusya 4. Beyan-i varidät u masrufat-i d.-i Ru¬

sya 5. Vasf-i sikke-i ka|'id 6. Zikr-i ahval-i ma'ädin 7. Vasf-i talimhaneha 8. Beyan-i veraset- i mülk u devlet

33 Über den Rev. William Tooke 81744-1820), der zeitweilg Kaplan der angUkanischen Kirche in Kronstadt war, siehe den Artikel im ..Dictionary of National Biography" Bd. 57.

London 1899. S. 49 f . Cast6ra schreibt (I. iv f.) über ihn": ... 1' un de ceux ä qui je dois le plus pour la statistique de la Russie".

34 S. Qudrard. op. cit. Bd. V, S. 50. Interessanterweise hat Leclerc wiederum Tooke's mo¬

numentale Geschichte Rußlands unter Katharina d. Grossen ins Französische übertragen.

Castera äußert sich über eine ..Histoire de Russie" des ..trfes diffus Leclerc" sehr abfällig, sie sei .,si confus que personne ne l'a jm lire". (1, vi). Welche Werke der genannten Autoren Yakovaki Efendi im einzelnen heranzog, ist aufgrund des sehr freien Umgangs mit den Vorlagen nur schwer zu bestimmen.

35 Mit ganz ähnlichen Problemen sah sich ein Übersetzer wie Antoine Galland konfrontiert

(9)

Die osmanische Schriftsprache unterschied sich zu diesem Zeitpunkt von

einer europäischen durch einen wesentiichen Punkt: klaffte in den meisten

europäischen Sprachen kein bemerkenswerter Unterschied zwischen geschrie¬

bener und gesprochener Sprache (zumindest in den gebildeten Kreisen), war das

Medium der osmanischen Schriftsprache stilistisch gebunden. Für einen

Historiker war zwangsläufig der „hohe Stil" (fasih türkce) der anstrebenswerte,

d.h. eine mit persischen und arabischen Elementen vollgestopfte Sprache. Die

bereits er-wähnte „Eleganz" der Yakovaki'sehen Übersetzung entstand durch

einen fast übermaßigen Gebrauch des Hendiadyoin, arabischer adverbialer

Bildungen, Metaphern usw. Die ,,clarte" des französischen Vorbilds übte kei¬

nen Einfluß auf die Sprache des Übersetzers aus. Es nimmt nicht wunder, daß

Cevdet dieses Werk in eine Reihe mit anderen historiographischen Werken

stellt.

Von diesem „Zwang" des Übersetzers legt die hasiye auf S. 80, wo von der

Pockenschutzimpfung des Zarewitsch die Rede ist, besonders anschaulich

Zeugnis ab (Castöra II, S. 45): die Schutzimpfung gegen Pocken war den Tür¬

ken bekannt'* und hierfür der Ausdruck „gigek a^ilama" geläufig (was wiede¬

rum, wie das Frz. „inoculation" - „Okulieren", ursprünglich für das Okulieren

von Gewächsen gebraucht wurde). In der osmanischen Hochsprache fehlte für

dieses relativ neue Phänomen, wie Yakovaki Efendi feststellt, der entspre¬

chende arabische Terminus (gigek täbir olunur illetin a§i maddesi nevzuhur

edügine binaen, lisan-i fasih ül-beyan-i arabda gigek a^damasina mahsus lugat

bulunmaz.). Daher übertrug der Übersetzer den arabischen Terminus „talqlh"

(der für das Okulieren von Bäumen „escar asilamasi" verwendet wurde), in

einem Verfahren, das in der Sprachwissenschaft als „calque" bekannt ist, analog auf die Impfung, wodurch der „hohe Stil" gewahrt, gleichzeitig aber auch ein

Terminus kreiert wurde, der bis in die neueste Zeit verwendet wurde (telkihi

cedert neben gigek a§m).

Damit sind wir auch bei der Frage der Terminologie angelangt. Wiewohl es

sich beim Osmanisch-Türkischen um eine vollausgebildete Kultursprache

handelte, mußte sie doch in der Berührung mit dem Westen noch gewisse

Bereiche hinzugewinnen. Die Frage der Terminologie ist bei der Übersetzung

technischer und naturwissenschaftlicher Texte (die gleichfalls in Ägypten in

großer Zahl arabisch und türkisch gedruckt wurden) zweifelsohne akuter. Bei

einer historischen Übersetzung kommt hierfür in erster Linie die (den Osmanen

und sein Vorgehen ist durchaus dem Yakovaki Efendis analog. Auch der kürzte in seiner Übersetzung von „Tausendundeinenacht" erheblich und paßte seine sehr freie Über¬

setzung dem Publikumsgeschmack an. Stilistisch ging er allerdings den umgekehrten Weg und entfernte alle orientalischen Schnörkel aus seiner Übersetzung.

36 vgl. hierzu Cevdet, Tarih 1, S. 233. Sein Exkurs (istitrad) über die Pockenimpfung verweist im übrigen auf Lady Montagu (S. 237), die in ihren Briefen über Impfungen in Edime, deren Zeuge sie wurde, berichtet.

(10)

Übersetzungen zweier Geschichtswerke aus Mutiammad'AU's Ägypten 253

fremde) Nomenklatur der Administration, der Ränge und Titel in Frage.

Neologismen im politischen Wortschatz, die die Französische Revolution

schuf, spielen im TK noch eine geringere Rolle. Für den Übersetzer stehen in

der Hauptsache folgende Verfahren zur Auswahl:

a) die Übemahme des fremden Ausdmcks

b) die freie Übersetzung

c) die Lehnübertragung („calque") d) die Paraphrase

e) Auslassen!

ad a) Fremdwörter sind bei Yakovaki Efendi fast immer von einer Erklä¬

mng begleitet (... täbir olunur xxx, ... yäni xxx). Traditionell ist die Vorliebe für italianisierende Formen: „ufigyaF' - „officier", was auch für Orts- und Personennamen gilt: ,JF'äezibasi" - „Pays bas", „Frangesko" - „Fran^ois",

„5erco"-„Serge" (merkwürdig: „Yuzepo" (?) - „Joseph") etc., daneben auch griechische: „Büyük Frederikos " - „Friedrich d. Große", Onikinci Karolos" -

„Karl XII." Bekanndich haben sich hier später die französischen Formen durch¬

gesetzt, (siehe auch d) )

ad b) „Ba^ceneral" - „Marechal", „kanunname" - „instmction", etc.

ad c) vgl. das zu „telkih" Gesagte. Ansonsten selten.

ad d) d) ist verbunden mit a) die bevorzugte Übersetzungsweise: Kabineto yäni halvethane-i hass dedikleri ricalin meclisi". Deudich hervor tritt Yakovaki

Efendi's Bemühen, einen vertrauten osmanischen Begriff anzuführen. So re¬

sümiert er etwa den Unterschied zwischen bral und imparator (S. 9, hasiye),

nachdem er Etymologie („imparator mäna-yi lugavisi „emir" demekdir") und die Geschichte des Begriffs „imparator" geklärt hat, folgendermaßen: kiral lafzi

melik, imparator melik ül-müluk mänasinda istilah olmu^dur.

Aus den obigen Ausfühmngen wird deudich, wie geschickt es der Über¬

setzer versteht, den Text in einem für den türkischen Leser vertrauten Gewand

erscheinen zu lassen. Hinzu kommt die äußere Aufmachung: die (in Klammem

gesetzten) Kapitelüberschriften sind in der n-aditionellen persischen Diktion verfaßt. Große Sorgfalt verwendet der Üijcrsetzer auf geographische Bezeich¬

nungen, für die er fast immer, soweit vorhanden, das im islamischen Bereich

gebräuchliche Äquivalent findet'*. Die christliche Zeitrechnung ist gmnd¬

sätzlich auf Hidschradaten umgerechnet. Ähnliches gilt für den Geldwert euro¬

päischer Münzen, wobei er sich auch hisorischer Verändemngen bewußt ist.

Selbst die Stellung der Osmanen und ihres Reiches gegenüber den nicht-mus-

37 in A. Handjöri 's „Dictionnaire Franfais-Arabe-Persan et Turc", Moskau 1841, Bd. II, S. 623 wird „ufigyal" als „türkisches" Synonym für „asker zabiii" genannt.

38 Irrtümlicherweise bezeichnet er allerdings den aus Genf stammenden Berater Peters d.

Großen, Lefort, als „Cenevizli", d.h. „Genuese".

(11)

limischen europäischen Herrschem, die eine festgelegte Nomenklatur er¬

heischt, wird von Yakovaki Efendi skmpulös beachtet. Während das Osma-

nenreich (Devlet-i aliyye) wie auch die Padischahe, sobald sie im Text vor¬

kommen, die entsprechenden Epithete erhalten (ebed-i müddet, ebediyyet ül-

istikrar etc.), verwendet er für nicht-muslimische Persönlichkeiten ausschlie߬

lich das Adjektiv „mesfur" (das nach Zenker „gewöhnlich eine gewisse Ge¬

ringschätzung" ausdrückt), und „hälik", bzw. „heläk" (statt ,/m" oder meta¬

phorischen Ausdrücken), welche ebenfalls (nach Zenker) „insbesondere Fein¬

den im Kampfe und Ungläubigen, Nichtmohammedaner(n)" vorbehalten sind.

Die inhalüiche Adaptiemng benifft schließlich auch den Textumfang.

Yakovaki Efendi's „Übersetzung" von Castera's namen- und detailreicher Ge¬

schichte des Lebens am Zarenhofe machte Kürzungen unumgänglich, um das

nur mit den osmanischen Verhältnissen vertraute Lesepublikum nicht zu

ermüden. Jene Teile, die vom ständigen Auf- und Abstieg der Favoriten han¬

deln, ebenso die im engeren Sinne kulturellen Leistungen Katharinas II. findet

man in Yakovaki Efendis Übersetzung nicht wieder (so wird etwa der Besuch

Diderots in Petersburg nicht erwähnt.). Hier hat sich der Übersetzer ganz die

Perspektive seiner Auftraggeber zu eigen gemacht, denen in erster Linie an ei¬

ner Darstellung der politischen Geschichte gelegen war.

Es stellt sich die Frage, ob angesichts dieser resümierenden Übersetzungs¬

weise auch tendenzielle Abändemngen zum Ausdmck kommen.

Trotz der beschriebenen Kürzungen werden im TK viele Teile aus Ca¬

stera's Histoire relativ wortgetteu übersetzt. Dies gilt, und hier zeigt sich das

Gespür des Historikers, vor allem für dokumentarische Zeugnisse wie Reden,

Manifeste, Briefe etc. Diese werden meist wörtlich übersetzt und z.T. als „suret"

eingeführt'". Mit der osmanischen Geschichte wohlvertraut, ergänzt Yakovaki

Efendi in Fällen, wo die osmanisch-türkischen Beziehungen angesprochen

werden, auch die Namen der (bei Castera nicht genannten) beteiligten

osmanischen Persönlichkeiten. Die in der französischen Vorlage oft recht ver¬

stümmelt wiedergegebenen türkischen, persischen und tatarischen Namen gibt

er korrekt wieder. Irrtümer in seiner Vorlage merkt er kritisch an'"'. Die ohnehin

zahlreichen Berühmngspunkte der mssischen und osmanischen Politik in

diesem Zeitraum treten in Yakovaki Efendis Übersetzung noch deutlicher

hervor. Die Gefahr einer mssischen Expansion, die in der Erobemng Kon-

stanünopels gipfeln würde - fällt ein solcher Satz, versäumt es der Übersetzer nicht, ein „maazallah" vorzuschieben - ist für den Leser unüljerhörbar. Aber

39 So der Brief Friedrichs d. Großen (Castdra I, S . 339, Anm . 2), in dem er sein Urteil über den Zaren Peter zum Ausdruck bringt (TK, S. 39).

40 TK, S. 148 (über russisch-persische Auseinandersetzungen) folgt ein Exkurs, der mit den Worten beginnt „Bu maddede müellifin sehvi olmak gerekdir.."

(12)

Übersetzungen zweier Geschichtswerke aus Mubammad'AU's Ägypten 255

auch die Politik dem Osmanischen Reich freundlich gesonnener Staaten wie

Frankreich wird mit kritischen Anmerkungen versehen"'.

Wie verhält sich der Übersetzer in Fällen, wo die Verhähnisse im Os¬

manischen Reich in düsteren Farben geschildert werden? Zensiert er seine

Vorlage?

Hierzu ist zu bemerken, daß aus Castera's Darstellung ein gewissses Wohl¬

wollen gegenüber den Osmanen spricht, ja zuweilen hebt er deren Vertrags¬

treue im Vergleich zu europäischen Mächten rühmend hervor. Yakovaki Efendi

überträgt jedoch auch diejenigen Stellen, in denen von Unordnung und

Unfähigkeit die Rede ist, allerdings wird die Aussage in vielen Fällen duch die

bereits erwähnten Eigentümlichkeiten des Stils sowie die obligatorischen Epi¬

thete gemildert. Kann man also im negativen Sinne nicht von einer Verfäl¬

schung der Vorlage sprechen, so ist andrerseits eine positive Tendenz, die die¬

se Übersetzung verfolgt, nicht zu übersehen: während Castera die Epoche

Peters d. Großen bewußt nur kursorisch behandelt sehen will"^, legt Yakovaki

Efendi auf diesen Anschnitt besonderen Wert: zu ähnlich sind die Probleme,

denen sich „DeliPetro " und die reformerischen Zeitgenossen im Osmanenstaat, zu denen mit Sicherheit auch Yakovaki Efendi zu zählen ist, gegenübersahen:

Hier die unbotmäßige Truppe der Stt-elitzen dort die der Janitscharen. Die Mo-

demisierang der See- und landstreitkräfte war gleichermaßen das Anliegen

Peters d. Großen wie Sehms III. und später Mahmuds II. Vielleicht stand auch

der Sultan hinter jenen „rical", auf deren Bitte hin die Übersetzung entstand.

Yakovaki Efendi's „Tarih" ist daher in doppelter Hinsicht ein „kitab-i

ibretnüma ", wie in der Vorbemerkung steht, es zeigt nicht nur die rhetorisch als

„ahval ve ahbar ve kavanin-i mefsedetmedar" bezeichneten Zustände in

Europa, sondem für die scharfblickenden Leser, die „erbab-i basiret", wird bei

der Lektüre klar, daß vieles darin Gezeigte auch für das Staatswesen des

Osmanenreiches exemplarische Bedeutung hat)en könnte.

Botta's Storia d'Italia

Das zweite Übersetzungswerk, das ebenfalls unter Muhammad "All in

Ägypten gedmckt wurde, hat bisher in der Literatur noch weniger Beachtung

41 S. 165 wird Castera durch eine „ha^ye" zurechtgerückt mit dem Hinweis, daß sich die Haltung Frankreichs, nachdem es durch die napoleonischen Eroberungen Nachbar des Os¬

manenreiches geworden sei, seine freundliche Haltung geändert habe.

42 Castera 1, S. 40: ,J-a vie de Pierre ler est trop connue pour que j'entreprenne d'en reiracer ici les 6v6nements"., dagegen TK, S. 5: „... devlet-i mezkürenin elyevm me-hur olan nizam Ii heyeti mesfur Deli Petro dedikleri Qarin vaktindan bida u §üru olunmagin, mersumun evza u atvarmi beyan igün ziyadece tc^sil olunmak läzim geldi".

43 S. 5 als „tälimsiz ve itaatsiz asker" beschrieben.

(13)

gefunden als der TK, der zumindest der Aufmerksamkeit der Zeigenossen nicht entgangen war.

Es kann hier nicht die Aufgabe sein, eine detaillierte sprachliche Analyse dieser Übersetzung zu liefem. Der Stil der Übersetzung unterscheidet sich nicht

wesentlich von dem Yakovaki Efendi's. Für die Erforschung der Entwicklung

des politischen Wortschatzes im Osmanisch-Türkischen bietet sie jedoch rei¬

ches Material. Botta, der unter dem Eindmek der Französischen Revolution

stand, bringt in seine Storia oftmals Reflexionen über die Vorzüge der ver¬

schiedenen Staatsformen wie Demokratie und Aristokratie ein, deren türkische

Wiedergabe sowohl Möglichkeiten als auch Grenzen der ägyptischen Über¬

setzer aufzeigt"".

Die Übersetzer

Bei der Übersetzung der Storia d'Italia dal 1789 al 1814, deren zwei Bän¬

de 1833 in Alexandria erschienen, handelt es sich um ein originäres Werk der

ägyptischen Übersetzerschule, die in den Jahren der Herrschaft Muhammad

"All's emsig am Werke war. Von dieser Betriebsamkeit legt auch die Tätigkeit

Hasan und Aziz Efendi's Zeugnis ab, von denen im selben Jahr (1834) wie der

IT eine weitere Übersetzung erschien, die der Memoires du Due de Rovigo,

einer wichtigen Quelle zur Geschichte Napoleon Bonapartes. Auffällig ist hier

der relativ kurze Abstand zwischen dem Erscheinen des Original werkes (1828)

und dem der Übersetzung in der Dmckerei des Saray von Ra's at-Tin in

Alexandria. Die in diesem Falle an der Übersetzung beteiligten beiden Per¬

sonen, der eigentliche Übersetzer Hasan Efendi und der „Musahhih" Aziz

Efendi wurden, da sie des Italienischen kundig waren, von Ibrahim Pascha mit

dieser Aufgabe betraut. Abgesehen von ihrer Eigenschaft als Diwansekretäre ist

über die beiden Verfasser nur wenig bekannt. Mit weiteren Übersetzungen sind

sie nicht hervorgetreten.

Der „Italya tarihi"

Die Vorrede zum IT wirft ein bezeichnendes Licht auf Geist und Atmos¬

phäre der Reformen, die sich zu diesem Zeitpunkt in Ägypten vollzogen. Sie

beginnt mit einem Lobpreis des Herrschers, des „Ferman-ferma-yi Misir ve

Arabistan ", Muhammad "AlT, sowie seiner von Tag zu Tag deutlicher wer- 44 Die Termini „Aristokratie" und „Demokratie" werden beibehalten (aristokrasiya, demo-

krasiya); der erste Begriff wird S. 40 in einer „ha§iye" folgendermassen erklärt: „Aristo¬

krasiya bir hükümetin usulüdiirki her nekadar näm-i cumhuriyetden ibaret ise de, beyzadelerin hükümetine ahali müdahale edemezler".

(14)

Übersetzungen zweier Geschichtswerke aus Mutiammad'AU's Ägypten 257

denden Erfolge aufgrund der Reformen nach europäischen Prinzipien (usul-i

düvel-i Avrupa üzere), die sich in erster Linie auf Reformen im militärischen

Bereich erstrecken, zu denen aber auch Aufwendungen für den Druck „zahl¬

reicher wertvoller Bücher" (nige nige kütüb-i nefise) gehören, die die für die

Ausbildung der Soldaten unerläßlichen Kenntnisse in der Kriegskunst vermit-

tehi. Dem Vorbild seines Vaters nacheifernd, fördere auch Ibrahim Pascha, der

sich der „hinterhältigen Politik" der europäischen Mächte bewußt ist, den Druck von historischen Werken, die die dortigen Vorgänge genau schildern.

Die beiden Bearbeiter waren ihrer Aufgabe jedoch nur z.T. gewachsen. An

eine Neustrukmrierung der umfangreichen Storia hatten sie offenbar nicht ge¬

dacht. Zudem kam ihnen die auch der traditionellen osmanischen Historiogra¬

phie vertraute chronologische Ordnung des Werkes entgegen.

Entgegen den Ankündigungen in der Vorrede sind von den 3 Bänden des

italienischen Originals nur die ersten 7 Bücher des ersten Bandes, die die

Ereignisse bis 1796 behandeln, übersetzt worden (Ähnliches gilt im übrigen

auch für die Übersetzung der Memoires du Due de Rovigo). Eine Fortsetzung

war offenbar geplant, denn es ist ein Schreiben Hasan Efendis an Ibrahim

Pascha erhalten, in dem er ihm mitteilt, daß er die Übersetzung des verblei¬

benden Teils des IT fertiggestellt habeDieser ist jedoch, wie auch der Rest der Memoires, nie im Druck erschienen.

Die Übersetzung

Wie Yakovaki Efendi machen auch Hasan und Aziz Efendi von der Mög-

lichkei der hasiye Gebrauch, allerdings in weitaus geringerem Umfang; im

zweiten Buch der Übersetzung fehlen sie ganz. Ihre Erläuterungen zu Begriffen wie „inquisitori", „ministio", „gesuiti", „monte di pietä" (Pfandhaus)"* etc. sind jedoch größtenteils recht dürftig und verraten keine tiefergehenden Kenntnise.

Von der Benutzung weiterer Quellen ist nicht die Rede, so daß diese Erklärun¬

gen möglicherweise auf mündlichen Nachrichten beruhen, eine Form der Infor¬

mationsbeschaffung, die bei den ägyptischen Übersetzem nicht unbekannt ist.

Trotz mancher Mißverständnisse (so wird etwa „radicali" mit „edebsizler" ,

„rh barbari" init „zalim ve gaddar bazi kirallar" übersetzt) und eigenwilliger Interpretationen (Gesuiti" wird u.a. volksetymologisch mit „cüzv-i "Isamäna- sindadir" erklärt)"' bleibt die sprachliche Leistung der Übersetzer beachtlich,

45 Sayyäl, op. ciL S. 127

46 Die iiaUenischen Termini werden beibehalten. Auch Personennamen erscheinen grund- sätzUch in der italienischen Form, z.B. „Ikinci Cuseppe" .Joseph II."

47 S. z: ... bunlar dünyayi memlekei bimemlekei devr ederek, re'y ül-ayn her ne mäsahede edebitirler ise, Papa näm Büyük Papas' a lahrir ve lerUm ve Papalar dahi ana göre hareket ve lanzim ederler imi^".

(15)

vor allem auch angesichts eines Originals, dessen kunstvoller, am Lateinischen

geschulter Periodenbau auch an das Verständnis des europäischen Lesers

Anforderungen stellt. Dabei auftretenden Schwierigkeiten sind die Übersetzer nur in seltenen Fällen ausgewichen. Ihre Paraphrasen stützten sie mit persischen

und arabischen Maximen, ohne allerdings auch hier immer den Sinn zu treffen.

Ein abschheßendes Urteil über die beiden Übersetzungen muß zu dem

Schluß kommen, daß die Übersetzung der Storia d'Italia emem Vergleich mit

der Leistung des polyglotten Pfortendolmetsch Yakovaki Efendi nicht stand¬

hält. Die Art und Weise allerdings, in der die beiden ägyptischen Übersetzer in

eine Welt eindrangen, die - anders als das Russische Reich unter Katharina II.

- der ihrigen so völlig fremd war, muß unseren Respekt und vielleicht sogar

unsere Bewunderung herausfordern.

(16)

SEKTION 6: IRANISTIK

Leitung B. Sciileratli

EIN PERSISCH-TÜRKISCHES

ZÄHLSYSTEM BEIM WÜRFELSPIEL*

Von Jost Gippert, Berlin

0.1. Es gehört zu den sicheren Erkenntnissen der historischen Sprachwis¬

senschaft, daß die Grundzahlwörter einer Sprache dem ältesten Stratum in¬

nerhalb des Wortschatzes angehören und deshalb in besonderem Maße dazu

geeignet sind, sprachvergleichenden Untersuchungen zu dienen. Die ererbten

Zahlwörter erweisen sich normalerweise auch dann als besonders resistent,

wenn sich die inteme Struktur des Zählsystems durch äußere Einflüsse, sog.

sprachliche Interferenzen, verändert. So ist z.B. im Laufe der französischen

Sprachgeschichte das ererbte Dezimalsystem des Lateinischen zumindest teil¬

weise durch ein Vicesimalsy stem abgelöst worden, zur Bildung der Zahlen nach

dem neuen Muster wurden jedoch die ererbten Zahlwortformen verwendet: frz.

quatre v/n^f „achtzig" steht zwar dem echt lat. octogintä gegenüber, enthält aber dennoch die lat. Elemente quattuor „vier" und viginti „zwanzig".

0.2. Nur im seltensten Falle läßt sich nachweisen, daß eine Sprache ihr

Zahlwortsystem komplett, d.h. einschließlich der tatsächlichen Wortformen,

aus einer anderen Sprache entlehnt hat. Solches gilt z.B. für das heudge Ja¬

panische, wo die ererbten Kardinalia weitgehend durch ihre chinesischen Ent¬

sprechungen verdrängt worden sind; man vgl. die folgenden Formen':

♦ Geringfügig überarbeitete Fassung meines Vortrags beim DOT in Würzburg am 24.9.85 - Für wertvolle Auskünfte danke ich meinen Freunden A. Erdemir und N. Rastegar sowie meiner Frau Sonja.

1 Zum Japan, cf. z.B. S. Elissöef, E.O. Reischauer, T. Yoshihashi, Elementary Japanese, Pt.

2, Cambridge/Mass., '1971, 26 f.; zum Chin. M. Piasek, Elementargrammaük des Neuchinesischen, Leipzig 1957,40 f.. Die rekonstruierten Formen (in vereinfachter Dar¬

stellung) nachB. Karlgren, Analytic Dictionary of Chinese and Sino-Japanese, Paris 1923 (Neudr. Taipei 1975)

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