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(1)

Prominente Autoren

und Werke der letzten 20 Jahre

Katrin Gillwald

AG Sozialberichterstattung Berlin, Dezember 1990

(2)

Vorbemerkung zur Einordnung der Arbeit

Die Verfasserin ist M itglied der Arbeitsgruppe Sozialberichterstattung am W issen­

schaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Die Tätigkeit der Arbeitsgruppe ist auf der letzten Seite nach diesem Bericht beschrieben. Stichwortartig handelt es sich dabei um eine Dauerbeobachtung des sozialen Wandels und der W ohlfahrtsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, teilweise im internationalen Vergleich. Unter dem Begriff

"prospektive Sozialberichterstattung" werden auch handlungsrelevante Vorstellungen zu künftigen Entwicklungen untersucht. D er vorliegende Bericht dient dazu, einen exemplarischen Überblick über Zukunftsvorstellungen prom inenter U.S.-am erikani­

scher Futurologen der letzten 20 Jahre zu gewinnen.

Dank

Die Verfasserin dankt Anke Gessner für eine diesem Bericht zugrundeliegende Auswer­

tung des Social Science Citation Index sowie Dr. Walter Spielmann von der Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg, Dr. Robert Coppock von der National Academy of Sciences in W ashington und insbesondere Christian Holst für Unterstützung bei der Literaturbeschaffung sowie W olfgang Seifert für Unterstützung bei der technischen H erstellung des M anuskripts. Einen D ank an dieser Stelle auch an Mme. Annie Palm antier von der Zeitschrift fu tu rib le s für Hinweise zu deren Liste D es grands classiques, Detlef Landua für eine Analyse von Daniel Beils Buch The Coming o f Post- Industrial Society und Martin Diewald für Kommentare zum Konzept für diese U nter­

suchung.

Gewidmet

Roland Habich und Ralf Lippke, die beide wissen warum.

(3)

Zusammenfassung

Dies ist ein B ericht über 22 prom inente M onographien der U.S.-am erikanischen Zukunftsforschung aus den letzten 20 Jahren. In seinem ersten Teil werden technische und thematische Charakteristika der Werke vorgestellt, im zweiten Einzelheiten der methodologischen und inhaltlichen Abarbeitung. D er dritte Teil enthält einen Überblick über Vorstellungen der Autoren von der Zukunft und ihre strategischen Empfehlungen.

D er Analyse zufolge ist der wesentliche Beitrag der Autoren ein breites Spektrum gedanklicher Innovationen, Interpretations- und Bewertgunsvorschläge zur Exploration und Gestaltung der Zukunft. Während auf genereller Ebene weitgehend miteinander zu vereinbarende Annahmen über Problemlagen und Entwicklungstendenzen bestehen, sind übereinstimmende Aussagen im Detail nicht zuletzt aufgrund methodologischer Grenzen der Zukunftsforschung eher zufällig.

Abstract

This publication is a report on twenty-two prominent monographs that have appeared in the past twenty years in the field o f American futures studies. The first part conveys technical and thematic characteristics o f the workd, with second part focusing on methodological details and the treatment of the sugbject matter. The third part contains an overview o f the images that the authors have o f both the future and the actors likely to be relevant. According to this analysis, the authors o f the studies make an important contribution by providing a broad spectrum of intellectual innovations and interpretive and evaluative suggestions for exploring and building the future. Whereas the authors' perceptions o f problems and developmental trends are largely compatible at a general level, agreement about details tends to be random, not least because of methodological limitations experienced in futures studies.

(4)

Inhalt

Seite

Einführung

1

1 Zukunft als Forschungsgegenstand

6

1.1 Anliegen, geographische und zeitliche Reichweite 6

1.2 Problemlandschaften 10

2 Umgang mit Zukunftsfragen

21

2.1 Theoretische, methodische und Datengrundlagen 21

2.2 Einzelne Themen und Themenkarrieren 31

3 Ansichten über Weg und Ziel

39

3.1 Vorstellungen von der Zukunft 39

3.2 Akteure, Strategien und die Rolle der Zeit 47

4 Zusammenfassung und Kommentare

53

5 Bibliographischer Anhang

60

5.1 Annotierte Bibliographie 60

5.2 Sonstige verwendete Literatur 74

Vorletzte Seite:

Kurzsteckbriefe der analysierten Werke

(5)

Verzeichnis von Tabellen und Abbildungen

Seite Tabelle 1: Prom inente A utoren und W erke der U .S.-am erikani­

schen Zukunftsforschung, chronologisch 4

Tabelle 2: Untergliederung der W erke nach geographischen Reich­

weiten und Argumentationsstilen 9

Tabelle 3: D er grundlegende, langfristige kom plexe Trend, nach

Kahn/Wiener 14

Tabelle 4: Merkmale vor-industrieller, industrieller und post-indu­

strieller Gesellschaften, nach Bell 17

Tabelle 5: 10 Megatrends, nach Naisbitt 19

Tabelle 6: Untergliederung der W erke nach zeitlicher Reichweite

und methodischem Instrumentarium 24

Tabelle 7: Kanonische Variationen des grundlegenden, langfristi­

gen komplexen Trends, nach Kahn/Wiener 28

Tabelle 8: Berufsverteilung in Prozenten, von 1968 (faktischer

Stand) bis 1980 (Projektion) für die U.S.A., nach Bell 37 Tabelle 9: Beispiele von Indikatoren zur Abbildung von Fortschrit­

ten in Richtung auf eine zukunftsfähige Wirtschaft, nach

Brown 40

Tabelle 10: Post-Industrielle Gesellschaft, nach Kahn/Wiener 44 Tabelle 11: Werte von Gesellschaften im Übergang zur Zukunftsfä­

higkeit gegenüber früheren Stadien der Entwicklung,

nach Brown 49

Tabelle 12: Prom inente A utoren und W erke der U .S.-am erikani­

schen Zukunftsforschsung, Kurzsteckbriefe 75 Abbildung 1: Schema des globalen ökologischen G esam tsystem s,

nach McHale 12

Abbildung 2: Neo-malthusianisches Weltmodell, nach Forrester 25 Abbildung 3: Konstruktionsschema für sieben Scenarien, nach

Hawken/al. 29

(6)

Zukunftsforschung aus den U.S.A. - Prominente Autoren

und Werke der letzten 20 Jahre

Katrin Gillwald

Einführung

Um Vorstellungen zu entwickeln über die moderne Zukunftsforschung, ihre Leistungsfähigkeit und Grenzen, ist die Lektüre von W erken U.S.-amerikanischer Autoren in besonderer Weise geeignet. Sie haben nicht nur zu deren konzeptionel­

lem und methodischem Fortschritt entscheidend beigetragen, sondern auch weltweit wirksame gedankliche Impulse hervorgebracht. Seit dem Zweiten Weltkrieg sind in der Zukunftsforschung der U.S.A. rege Aktivitäten entfaltet worden, die fallweise Resonanz auch bei einer Leserschaft außerhalb professioneller Zirkel fanden.

D iese A ktivitäten konzentrierten sich zunächst auf Technologieprognosen, namentlich für M ilitär und Raumfahrt. Unter den damit beschäftigten "Denkfabri­

ken" {think tanks) nahm die bereits gegen Ende des Krieges gegründete RAND- Corporation, m it Beraterfunktionen unter anderem für Luftwaffe und Verteidi­

gungsministerium der U.S.A., eine maßgebende Stellung ein.

Die zentrale Rolle der Militär- und Raumfahrttechnologie während der 1950er und frühen -60er Jahre läßt sich aus den weltpolitischen Verhältnissen der N ach­

kriegszeit, dem Rüstungs- und Prestigew ettlauf zwischen den Superm ächten U.S.A. und Sowjetunion und der Stimmung eines "Kalten Krieges" zwischen Ost und W est erklären. Die Verfügbarkeit m odernster W affensystem e erschien den beteiligten Regierungen als beste Voraussetzung künftiger Friedenssicherung. In den U.S.A. verursachte außerdem Sputnik, der erste von sowjetischen W issen­

schaftlern und Technikern 1957 in eine Weltumlaufbahn gesetzte Satellit, ein natio­

nales Traum a und wurde zum Inbegriff notw endiger V erstärkung der eigenen Initiativen. D er Verfasser eines der renommiertesten frühen Methodenbücher für die

(7)

Zukunftsforschung, Erich Jantsch, ging deswegen zu Recht davon aus, daß bereits in den 70er Jahren die Prognose möglicher technologischer Erfindungen durch eine planvolle Steuerung technologischer Entwicklungen ersetzt sein würde (1967:75).

Gerade die sich abzeichnenden außerordentlichen technologischen Möglichkei­

ten waren aber auch ein Grund dafür, die Zukunftsforschung der U.S.A. in den 60er Jahren über die Grenzen technologischer Belange hinaus auf gesellschaftliche Fragen zu lenken. Einer der Pioniere dieser Umorientierung, John McHale (1978), hat die Ansatzpunkte dafür beschrieben. Das waren einerseits die zunehmend bewußt werdenden potentiellen Gefahren der Großtechnologie für M ensch und Um w elt sowie allgem ein die Auswirkungen technologischen W andels auf das gesellschaftliche Leben, woraus sich ein Bedarf an (vorsorglicher) Technologiefol­

genabschätzung ergab. Andererseits bewirkten die zunehmenden Erfolge technolo­

gischer Forschung eine Wiederbelebung des seit der Zeit der Aufklärung traditions­

reichen Verständnisses von der Plan- und Steuerbarkeit auch gesellschaftlicher und politischer Vorgänge.

D ieser neuen Generation der - nach wie vor technologieaufgeschlossenen, jedoch im wesentlichen auf anderweitige Existenzfragen gerichteten - Zukunftsfor­

schung ist der vorliegende Bericht gewidmet. Es handelt sich hierbei um eine Lite­

raturstudie nach 1965 veröffentlichter M onographien m it Untersuchungen von Zukunftsperspektiven und Projektionen künftiger Lebensverhältnisse. Die Analyse soll einen Überblick über die Anliegen, Themen, Thesen und Zukunftsentwürfe der jeweiligen Autoren, ihre Vorstellungen von erfolgreichen Akteuren und Strategien

sowie die von ihnen verwendeten Theorien, Methoden und Daten geben.

Auswahl und Analysemethode

Die Auswahl der W erke erfolgte nach dem landläufigen Erfolgskriterium bran- chenintemer Selbstselektion - Häufigkeiten ihrer Zitierung bzw. Empfehlung. Die Referenzen dafür waren (gegen Ende 1989 vorgenommene) Häufigkeitsauszählun- gen von Nennungen in den Zeitschriften F utures (England) und The Futurist (U.S.A.). Dafür wurde der Datenbank-Service des Social Science Citation Index in Anspruch genommen, der alle Jahrgänge ab 1974 umfaßt. Außerdem wurden eine Bibliographie D es grands classiques aus der M ärz-Nummer 1984 der Zeitschrift futuribles (Frankreich) ausgewertet und das Ergebnis einer Umfrage unter - vor­

(8)

nehmlich nordamerikanischen - Hochschullehrern, die Lehrveranstaltungen über Zukunftsforschung durchführen (Gappert/Buser 1989). Von der futuribles-Biblio- graphie wurden alle U.S.-amerikanischen Titel übernommen, von den Auswertun­

gen der anderen beiden Zeitschriften und der Umfrage Titel oberhalb - zugunsten der Handhabbarkeit des Materials gesetzter - bestimmter Häufigkeitsschwellen.

Das Ergebnis dieses Auswahlverfahrens ist eine Liste von 22 Monographien, die die Grundlage der folgenden Erörterungen darstellen. Es handelt sich dabei, dies wird zu berücksichtigen bleiben, nicht etwa um einen repräsentativen Quer­

schnitt der U.S.-amerikanischen Zukunftsforschung. Die folgenden Beobachtungen beziehen sich auf Arbeitsweise und Argumente von Erfolgsautoren mit nur schwer­

lich einschätzbarer Generalisierbarkeit.

Die entsprechenden Werke sind, chronologisch geordnet, in Tabelle 1 a) (S. 4) aufgeführt. Sie sind gemeint, wenn im weiteren pauschal von "den vorliegenden W erken" oder "der W erkauswahl", und ihre Verfasser, wenn von "den Autoren"

die Rede ist. Tabelle 1 enthält in Teil b) über die 22 M onographien hinaus infor­

mationshalber auch Angaben über einen Reader (Bell 1969), eine annotierte Biblio­

graphie (Marien 1976), eine Berichtsserie (Brown/al. 1984 ff.) und drei verglei­

chende Darstellungen von Zukunftsliteratur (Cordell McHale 1981, Hughes 1985, Jones 1980), die als ähnlich prom inent einzustufen, aber nicht Gegenstand der Analyse sind. Es zeigt sich, daß der Hauptteil der prominenten M onographien auf die 60er und 70er Jahre entfällt, während die Berichtsserie wie auch mehrheitlich die zusammenfassenden Darstellungen aus den 80er Jahren stammen.

Die inhaltliche Aufarbeitung des Materials wurde nach teilweise standardisier­

tem Raster in Form qualitativer Inhaltsanalysen vorgenommen, deren Vorzüge und Schwächen als bekannt vorausgesetzt werden dürfen. Die Analysekategorien wur­

den nach Maßgabe vorfindlicher Sachverhalte zusammengestellt und untergliedert.

Versuche statistisch-quantitativer Auswertungen sind mit Rücksicht auf die geringe Fallzahl und die Art des Auswahlverfahrens unterblieben. A uf individuelle W ürdi­

gung und Kritik in diesem Zusammenhang ist gleichfalls verzichtet worden; dieser- halb sind die annotierte Bibliographie von Marien (1976) und der von ihm heraus­

gegebene, monatlich erscheinende Future Survey zu empfehlen.

(9)

Tabelle

1: Prominente Autoren und W erke der U.S.-amerikanischen Zukunfts­

forschung, chronologisch;

in Klammem Erscheinungsjahr und Titel deutscher Übersetzungen

a) Monographien - Gegenstand der Analyse

1967 Kahn/Wiener, The Year 2000 (1968 Ihr werdet es erleben) 1968 Chase, The M ost Probable W orld

1968 Michael, The Unprepared Society 1969 Drucker, The A ge o f D iscontinuity 1969 McHale, The Future o f the Future 1970 Brzezinski, Between Two Ages

1970 Illich, Celebration o f Aw areness (1970 Almosen und Folter) 1970 McHale, The Ecological Context (1974 Der ökologische Kon­

text)

1970 Toffler, Future Shock (1970 Der Zukunftsschock)

1971 Forrester, World D ynam ics (1972 Der teuflische Regelkreis) 1972 Brown, World W ithout Borders

1972 Kahn/Bruce-Briggs, Things to Come (1972 Angriff auf die Zu­

kunft)

1972 McHale, World Facts and Trends

1972 Meadows/al., The L im its to Growth (1972 Die Grenzen des Wachstums)

1973 Bell, The Coming o f P ost-Industrial Society (1975 Die nach­

industrielle Gesellschaft)

1976 Kahn/al., The N ext 200 Years (1977 Vor uns die guten Jahre) 1977 Leontief/al., The Future o f the W orld Economy

1980 Bamey/al., Global 2000 (1980 Global 2000) 1980 Toffler, The Third W ave (1980 Die Dritte Welle) 1981 Brown, Building a Sustainable Society

1982 Hawken/Ogilvy/Schwartz, Seven Tomorrows 1982 Naisbitt, Megatrends (1984 Megatrends) b) Zusammenfassende Darstellungen und eine Berichtsserie - nicht Gegenstand der Analyse

1969 Bell, Toward the Year 2000

1976 Marien, Societal D irections and Alternatives 1980 Jones, Options fo r the Future

1981 Cordell McHale, Ominous Trends and Valid Hopes

1984ff. (Serie) Brown/al., The State o f the W orld (1987 ff. Zur Lage der Welt) 1985 Hughes, World Futures

(10)

Die Ergebnisse der Analyse werden in den folgenden Abschnitten zusammen­

fassend und vergleichend dargestellt, unter Einbeziehung zahlreicher D etailbe­

schreibungen und Zitate. Soweit vorhanden, wurden die deutschen Übersetzungen (mit amerikanischem und deutschem Publikationsjahr) zitiert, in den anderen Fällen die englischsprachigen Originaltexte. Ausführlichkeit und Quellentreue entsprechen der Absicht, ein möglichst plastisches Bild von den jew eiligen W erken zu vermit­

teln. Deren zusammenfassende und vergleichende Darstellung läuft - angesichts der Vielfalt des Materials - auf eine Wechsel- und ausschnittweise Berücksichtigung der Arbeiten in den einzelnen Textabschnitten entsprechend ihren Schwerpunkten und Besonderheiten hinaus. Im Anhang sind deswegen eine annotierte Bibliographie (Abschnitt 5.1) und eine Zusammenstellung von Kurzsteckbriefen der 22 Werke (vorletzte Seite) zu finden. Sie erlauben eine Rückkopplung auf die individuelle Konzeption und Gedankenführung der einzelnen Autoren.

(11)

1 Zukunft als Forschungsgegenstand

1 .1 Anliegen, geographische und zeitliche Reichweite

In seinem begleitenden Kommentar zu The Year 2000 von Kahn/Wiener (1967) beschreibt Bell neben raschen Veränderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse die Einführung von Handlungs- und Entscheidungskonzepten in Theorien sozialen W andels, eine Verbesserung prospektiver Methoden und die Verbreitung systemi­

schen Denkens in den Sozialwissenschaften als der Entwicklung einer modernen, gesellschaftsorientierten Zukunftsforschung förderliche Voraussetzungen. "All dies führt uns," so Bell, "auf die Schwelle eines alten, beharrlichen Versuchs des M en­

schen: unsere Zukunft zu wählen." (Bell 1968:416) Die Prominenz der U.S.-ame- rikanischen Zukunftsforschung beteiligt sich hieran mit thematisch, geographisch und zeitlich umfassenden Beiträgen wie auch persönlichem Engagement, das selbst im Argumentationsstil typischen Niederschlag findet.

Anliegen und Argumentationsstil

Die Zukunft wählen ist Aufgabe der Gegenwart. Die vorliegenden W erke ent­

halten zw ar eine Fülle von Trendanalysen und -projektionen einschließlich Zukunftsvorstellungen m ehr oder weniger hypothetischer Art. Das ist, dem Text­

um fang nach, der dominierende Teil der Arbeiten. Das eigentliche Anliegen der Autoren besteht aber darin, vor solchem Hintergrund Verständnis für mögliche Op­

tionen auf Zeit und für notwendige Weichenstellungen in der Gegenwart im H in­

blick auf die Zukunft zu vermitteln. Kahn/Wiener stellen in The Year 2000 (1967), eindeutig au f gegenw ärtiges H andeln gem ünzt, die L eistungsfähigkeit der Zukunftsforschung zur Unterstützung dauerhaft erfolgreichen Managements dar - durch eine Förderung der Vorstellungskraft, des Vermögens einer Früherkennung von neuen V erhaltensm ustem und Krisen, der R eaktionsgeschw indigkeit auf ungewöhnliche neue Situationen.

M ehrheitlich verfolgen die Autoren mit ihren Arbeiten ein - wie Donald N.

Michael in The Unprepared Society (1968) feststellt, unter Zukunftsforschern ver­

breitetes - Anliegen: aktive Einmischung in die W ahl der Zukunft. Eine Beschäfti­

(12)

gung m it ihr habe, so Michael, üblicherweise politische Beiklänge: "... the desire to influence present actions and the beliefs upon which they are based in order to make preferred futures more likely ..." (1968:5).

In diesem Sinn schreiben etwa Kahn/al. über Entwicklungsmöglichkeiten in prekä­

ren globalen Existenzbereichen im Verlauf von The N ext 200 Years: ”... wir halten den Großteil der heute bestehenden und in der mittleren Zukunft auftauchenden Problem e für Übergangsphänomene. W ir haben uns darauf beschränkt, ein Szena­

rium für die nächsten 200 Jahre zusammenzustellen, das diese Problemkreise in ein neues Licht rückt. Ohne Prophezeiungen machen zu wollen, zeigt das Szenarium doch, daß es - im Prinzip - Lösungsmöglichkeiten gibt." (1976/1977:9)

A uf die U.S.A. bezogen und forscher heißt es in M egatrends von Naisbitt:

"Dieses Buch beschreibt ... die Verhältnisse, die zu berücksichtigen sind, wenn m an die großen Entscheidungen fürs Leben trifft: Was man studieren soll, welches der beste Weg zu dem angestrebten Job ist, wie und wo man sein Geld investieren soll ..." (1982/1984: 22 f.).

Die beiden zitierten Arbeiten sind Beispiele im englischen Sprachgebrauch als self-fulfilling prophecies, auch self-fulfilling fo reca sts eingeführter "sich selbst erfüllender Prophezeiungen (Prognosen)". Sie und ihr Gegenstück, self-destroying prophecies, auch self-defeating forecasts, deutsch "sich selbst widerlegende Pro­

phezeiungen (Prognosen)", werden von Martino folgendermaßen definiert: "A self­

fulfilling forecast is one which comes true only because it was made; a self-defea­

ting forecast is one which fails to come true only because it was made." (1972:12) Ein typisches Beispiel bei voraussichtlichen Problemen ansetzender Argumen­

tation, zu deren Einsicht und Lösung das Buch beitragen soll, ist World Without Borders von Brown: "There is risky thinking afoot in the United States, particularly in the wake o f Vietnam, that we can in fa c t be isolationist, that we can consume a third o f the world's resources but not concern ourselves with its problem s o f poverty and social injustice ..." (1972:xi f.) Ähnlich entwickelt Toffler die bedingte Prognose von gesellschaftsweiten Zukunftsschocks in den Industrieländern: "Wenn der Mensch ... nicht sehr bald die Fähigkeit erlangt, das Tempo der Veränderungen auf individueller und auch auf gesellschaftlicher Ebene zu beeinflussen, werden wir nicht m ehr imstande sein, uns auf die neuen Gegebenheiten einzustellen, und es wird zu einer Katastrophe kommen." (1970/1970:10)

(13)

Neben A bhandlungen sich selbst erfüllender oder sich selbst widerlegender Prognosen um faßt die Auswahl auch W erke ohne erkennbare Grundstimmung.

Dazu gehört unter anderem Seven Tomorrows für die U.S.A. von Hawken/al.

Begründung: "Optimism and pessim ism are not arguments. They are opposite fo rm s o f the same surrender to sim p licity.... The book is based on our b elief that human choices can make a difference ... because human history is partially the p ro ­ duct o f choices among alternative possibilities." (1982:4) Eine gleichfalls auf die Untersuchung von Optionen beschränkte Herangehensweise reklamieren Kahn und W iener für ihre Arbeit über weltpolitische Entwicklungen in The Year 2000: "Wenn wir zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf kommende Ereignisse ebenso unvorbereitet sind und ebensowenig Verständnis für die Probleme aufbringen wie 1929, 1941 und 1947, ist es wahrscheinlich, daß wir nicht nur einige sehr unangenehme Über­

raschungen erleben werden ..." (1967/1968:351)

Die vorliegenden W erke sind vergleichsweise problemlos einem der drei Argu­

mentationsstile zuzuordnen (s. Tabelle 2, S. 9). Das läßt sich auch bis in Details der Abhandlungen weiterverfolgen, so daß diese Differenzierung bei vielen der weite­

ren Erörterungen eine Rolle spielt. Dabei werden sachlich hinreichend treffende sprachliche Vereinfachungen verwendet: "(Zweck)optimistisch" und "(zw eckpessi­

mistisch" für die sich selbst erfüllenden bzw. sich selbst widerlegenden Prognosen, für die übrigen "(zweck)neutral". Auf die Reihenfolge des Erscheinens der Werke als Differenzierungsm erkm al wird mangels Masse und Zeitreihencharakter der Auswahl nur in offenkundigen Fällen eigens hingewiesen.

Geographische Reichweite

Wie die Zitate im vorangegangenen Abschnitt zeigen, hat prominente Zukunfts­

forschung der U.S.A. nicht mit regionalen, kommunalen oder lokalen Fragen zu tun. Von den 22 Monographien sind vielmehr 14 im wesentlichen global, die übri­

gen acht im wesentlichen national, auf Verhältnisse in den U.S.A. insgesamt, ange­

legt. "Im wesentlichen" heißt hierbei, daß einige Autoren globaler Studien auch auf nationale U.S.-amerikanische Belange eingehen und umgekehrt die meisten Auto­

ren national orientierter Studien sich auch mit Entwicklungstendenzen der Industrie­

länder im allgemeinen sowie mit internationalen Fragen befassen. D er hohe Anteil global orientierter Studien unter den Werken läßt sich aus der traditionellen geo-

(14)

politischen Bedeutung der U.S.A. erklären. Verschiedene der Autoren betonen unter Berufung auf seine W eltgeltung ausdrücklich die dem Land obliegende V er­

antwortung für supranationale Angelegenheiten.

Neben dem Argumentationsstil ist für die vorliegenden Auswahl die geographi­

sche Reichweite der Werke das zweite wesentliche Unterscheidungsmerkmal. Die Skizze der Problemlandschaften (im folgenden Abschnitt 1.2) zeigt seine formale Gesichtspunkte weit übersteigende Bedeutung; die entscheidenden Zukunftsfragen der U.S.A. sind aus der Zusammenschau dieser Arbeiten typisch andere als die ent­

scheidenden Zukunftsfragen der Welt als ganzer. Tabelle 2 enthält eine Kategorisie- rung der Auswahl nach geographischen Reichweiten und Argumentationsstilen und damit das zentrale Raster dieser Analyse.

Tabelle 2:

Untergliederung der Werke nach geographischen Reichweiten und Argumentationsstilen

Geographische Reichweite Global orientierte Studien

National orientierte Studien

Argumentationsstil

zweckpessimistisch Chase (1968)

Forrester (1971) Brown (1972) Meadows/al. (1972) Bamey/al. (1980)

Michael (1968) Toffler (1970)

zweckneutral Kahn/Wiener (1967) Bell (1973)

McHale (1969) Hawken/al.(1982) Brzezinski (1970)

Kahn/Bruce-Briggs (1972)

McHale (1970) McHale (1972)

zweckoptimistisch Kahn/al. (1976)

Leontief/al. (1977) Brown (1981)

Drucker (1969) IUich (1970) Toffler (1980) Naisbitt (1982)

(15)

Zeitliche Reichweite

Für wenig mehr als die Hälfte, zwölf, der vorliegenden Werke wird ein generel­

ler Zeithorizont explizit angegeben. E r erstreckt sich in sechs Fällen auf die näch­

sten 20 Jahre, meist genau auf die Zeit in 20 Jahren. Das ist, einer bei Flechtheim (1987:42) zitierten Klassifikation zufolge, die mittelfristige Zukunft. Jeweils drei weitere Autoren nennen über 20 bis zu 50 Jahren als Zeithorizont (längerfristige Zukunft) bzw. von mehr als 50 Jahren (ferne Zukunft). Die drei am längsten ange­

legten W erke sind globale Studien und reichen bis zum Jahr 2100 (Forrester 1971 und Meadows/al. 1972) bzw. bis zum Jahr 2176 (Kahn/al. 1976).

Bei den zehn W erken, für die ein genereller Zeithorizont nicht ausdrücklich definiert wird, beschränken die Autoren sich keineswegs auf Gegenwartsbetrach­

tungen oder Analysen von nur kurzfristiger Geltungsdauer. Die darin entwickelten Perspektiven sind entweder fallweise mit konkreten mittelfristigen Zeitangaben ver­

sehen (etwa Brzezinski 1970) oder als m ittelfristig interpretierbar (Illich 1970, Toffler 1970, Naisbitt 1982), andere behandeln Zusammenhänge, für die eine län­

gerfristige Gültigkeit unterstellt werden kann (Brown 1972, 1981, M cHale 1969, 1970, 1972, Toffler 1980).

Einschlägige Zukunftsforschung ist demnach nicht kurzfristig angelegt. Sie läuft, im Gegenteil, auf eine Relativierung aktueller bzw. nicht mehr beeinflußbarer Konstellationen hinaus. A uf diese Weise schaffen die Autoren gedankliche Frei­

räume für Weichen Stellungen auf noch offene, gegebenenfalls wünschenswertere neben den denkbaren und möglichen (de Jouvenel 1964) Entwicklungen. Erst so erhält die Idee einer tatsächlichen Wahl der Zukunft ihren Sinn.

1.2 Problemlandschaften

A uf nationaler Ebene sind dominierendes Them a Erscheinungsform en und Problempotential des technologischen und sozialen Wandels, vornehmlich in den U.S.A.. A uf globaler Ebene stehen Aspekte der W elt als interdependentem System im Vordergrund. Dabei ergeben sich Schwerpunktbildungen bei geo-politischen und geo-ökologischen Fragen. Den Autoren geht es ausnahmslos nicht nur um uni-

(16)

sektorale Trends bzw. um Analysen und Projektionen jew eils nur bestim m ter gesellschaftlicher oder globaler Detailfragen. Selbst, wenn begrenzte Themen im Vordergrund stehen, werden diese in weitgefaßtem Kontext ihrer Rahm enbedin­

gungen abgehandelt.

Geo-ökologische Fragen

Hauptanliegen McHales (1969,1970,1972) ist die zweckneutrale Vermittlung vom Bild eines interdependenten globalen M ensch-Um welt-System s. McHale beschreibt - und visualisiert vor allem auch (s. A bbildung 1, S. 12) - dessen Zusammenhänge bis in planetare und molekulare Dimensionen. Seine These: durch naturwissenschaftlich-technischen Fortschritt erheblich erweiterte Möglichkeiten des Eingriffs in den Naturhaushalt werden folgenschwerer; Chancen dieses Fort­

schritts im ausgehenden 20. Jahrhundert als insoweit prekärer Phase der M ensch­

heitsentwicklung sind - so argumentiert auch Brown (1972) - zunehmende Bedeu­

tungslosigkeit geographischer Distanzen, sich ausweitende internationale Verflech­

tungen und die Möglichkeit, globale Existenzprobleme dauerhaft zu überwinden.

Zeitgleich und übereinstimmend im Anliegen mit McHale, ähnlich pessimistisch bezüglich der ökologischen Zukunftsprobleme, aber ohne dessen oder Browns optimistische W ende argumentiert Forrester in World Dynamics (1971). Forrester und seine Arbeitsgruppe entwickelten ein computergestütztes Simulationsmodell zur Erforschung dynamischer Strukturen sozialer Systeme auf globaler Ebene. Mit die­

sem als "Weltmodell" in die Methodengeschichte der Zukunftsforschung eingegan­

genen Instrument wurden quantitative Interaktionsanalysen im W eltmaßstab mög­

lich. Die aus Rechnerdurchläufen bis zum Jahr 2100 abgeleitete Botschaft ist in zwei Sätzen zusammenfaßbar und alarmierend: Bei fortdauerndem exponentiellem globalem W irtschafts- und Bevölkerungswachstum wird das W eltversorgungssy­

stem im Verlauf des nächsten Jahrhunderts zusammenbrechen. Eine Drosselung des W irtschaftsw achstum s und eine Kontrolle der Bevölkerungsentw icklung sind unumgänglich, um eine Katastrophe zu vermeiden.

(17)

Abb. 1:

Schema des globalen ökologischen Gesamtsystems, nach McHale

H U M A N SYSTEM S Technological

M a te ria l, m e c h a n ic a l, p h y s ic a l and c h e m ic a l t o o ls , tech n jg u e sj_

o rga n i zed _£yslgm £ o f to o ls and processes.

E?d£3C tipn, P r o d u c tio n ^ T ra n sporta_t i o n , C o n im u n jc a tio n etc.

Psychosocial In te rp e rs o n a l.

(a n d in te r e n v iro n ) r e la tio n expressed in in d iv id u a l a n d c o lle c tiv e p a tte rn s o f b e h a v io r;

s p c ia ljn s titu tio n s - k in s h ip , re lig io u s , p o lit ic a l, e c o n o m ic , p r o d u c tiv e , re c re a tiv e , e tc .;

s y m b o lic and id e o lo g ic a l syste m s-a rts, scie nce, p h ilo s o p h y , e tc .

Biophysical P h y s.i o lo g ic a l and m e ta b o lic processes; th e o rg a n ic U fe ^ y d e s - b ir t h , a g ing, d e a th - in d iv id u a ls g e n e ra tio n s , and p o p u la tio n s , e tc .

E N V IR O N SYSTEM S Atmosphere

A ir b o r n e sp o re s, p o lle n , d u s t,

A i r , w a te r , r a d ia n t e n e rg y a n d gas cy c le s .

Terrestrial (L ith o s p h e re ) P la n t a n d a n im a l o rg a n ic p o p u la tio n s . R o c k , m in e ra l d e p o s its a n d c ycle s.

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Oceans (H y d ro s p h e re ) P la n t a n d a n im a l o rg a n ic p o p u la tio n s . W a te r, m in e r a l d e p o s its a n d cy c le s .

E x te r n a ) h u m a n In te r n a l h u m a n

m e ta b o lis m m e ta b o lis m

A ir b o r n e spores,

p o lle n , d u s t A TM O SPH ER E A i r , w a te r , r a d ia n t

e n e rg y and gas c y c le s

o H U M A N SYSTEM S

Technological Psychosocial Biophysical

M a te ria l, m e c h a n ic a l, p h y s ic a l, and c h e m ic a l to o ls , £ te c h n iq u e s ; o rg a n iz e d s y s te m s o f to o ls a n d a

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PhysioloQicaJ_and m e ta b o lic , processes;

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p o p u la tio n s , e tc.

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P la n t a n d a n im a l o rg a n ic p o p u la tio n s

T E R R E S T R IA L (L ith o s p h e re )

R o c k , m in e ra l d e p o s its a n d c y c le s

P la n t a n d a n im a l

o

o rg a n ic p o p u la tio n s

OCEANS (H y d ro s p h e re )

W a te r, m in e ra l d e p o s its a n d c y c le s

1 ? ^

Quelle: McHale, John (1972) World Facts and Trends. New York/London: Macmillan/Collier- Macmillan. Second Edition, S. 11.

(18)

Konzeptionell beruht das W eltmodell auf Arbeiten des englischen Ökonomen Thomas Robert Malthus (1766-1834) über Nahrungsmittelengpässe bei steigenden Bevölkerungszahlen. Forrester erweiterte den Ansatz von Malthus auf den m ittler­

weile umfangreicheren Komplex fortgeschrittener Industriekultur und begrenzter Belastbarkeit sämtlicher für Bevölkerung und W irtschaft erforderlicher natürlicher Ressourcen. In dieser Form bildet er seither das Grundgerüst der global orientierten sogenannten "neo-malthusianischen" Zukunftssstudien (u. a. Meadows/al. 1972, Leontief/al. 1977, Bamey/al. 1980, Brown 1981; teilweise Brown 1972 und bereits Chase 1968).

The Lim its to Growth (Meadows/al., 1972), auf der Grundlage von Forresters M odell durchgeführt, m it denselben Aussagen in breiten Leserkreisen verständli­

cherer Darstellung, führte zu weltweit heftigen Kontroversen. Nicht nur methodi­

sche Kritik wurde erhoben (vgl. Kahn/al. 1976, Pestei 1988). Vor allem das mehr­

heitlicher Interpretation zufolge weltweit verordnete wirtschaftliche Nullwachstum wurde mit Entrüstung quittiert (vgl. Oltmans 1973, Jones 1980).

Für die mit den Weltmodellen aufgeworfenen globalen ökologischen Fragen ist eine Entwarnung indes bislang nicht gegeben. Das U.S.-amerikanische sogenannte

"Weltmodell der Regierung" (Barney/al. 1980) und die von Cordell McHale (1981) vier weiteren zusammenfassend besprochenen W eltmodelle, die Dokumentation von Brown in Building a Sustainable Society (1981) und die von ihm herausgege­

bene Berichtsserie State o f the World (1984 ff.) zeugen, im Gegenteil, von unver­

m indert hohem Problem druck. O ptim istische Autoren wie Brown (1981) und Leontief/al. (1977) setzen, unter bestimmten Bedingungen, auf W ege aus der Krise. Kahn/al. (1976) halten sogar eine umweltneutrale Entwicklung weltweiten materiellen Überflusses für denkbar.

Geo-politische Fragen

Gegenstand der Erörterungen sind hauptsächlich politische und m ilitärische Belange, daneben ökonom ische und technologische Fragen. V orherrrschende Annahmen über die Zukunft sind Sklerotisierungstendenzen in kommunistischen Systemen (Brzezinski 1970), Prestigeverlust der Sowjetunion (Kahn und Mitarbei­

ter 1967, 1972), wahrscheinliche Fortführung oder weitere Bereinigung ost-west­

(19)

licher Koexistenz (alle oben erwähnten Autoren und Brown 1972) bei Ausbreitung gemischtwirtschaftlicher Systeme in West und Ost sowie weltweiter Auflösung von Nationalstaaten zugunsten supranationaler Vereinigungen (Chase 1968).

Behandelt werden auch Erscheinungsformen und Problem e des globalen öko­

nomisch-technologischen Ungleichgewichts (die oben erwähnten Autoren mit der Ausnahme von Chase 1968, zusätzlich Leontief/al. 1977). W ährend Kahn und Mit­

arbeiter von steigenden (1967) bzw. gleichbleibenden (1972) globalen Einkom ­ m ensunterschieden ausgehen, behandeln Brzezinski (1970), Brown (1972) und Leontief/al. (1977) Möglichkeiten und Bedingungen für deren Abbau.

Gemeinsames Kennzeichen der mit geo-politischen Fragen befaßten Werke ist deren Einbettung in ausführliche soziale und kulturelle Erörterungen. Oft zitiert werden dazu die W erke von Kahn und M itarbeitern (1967, 1972, 1976), deren Kernstück eine umfassende Trendprojektion ist (vgl. Tabelle 3).

T ab elle 3: Der grundlegende, langfristige komplexe Trend, nach Kahn/Wiener

"Es besteht ein grundlegender, langfristiger komplexer Trend in folgenden Punkten:

1. Anwachsen der sensualistischen (empirischen, weltlichen, diesseitigen, humanistischen, pragmatischen, utilitaristischen, auf Verträgen beruhenden, epikureischen oder hedonisti­

schen und ähnlichen) Kulturkreise

2. Bürgerliche, bürokratische, leistungsorientierte, demokratische (und nationalistische ?) Eliten

3. Vermehrung der wissenschaftlichen und technologischen Kenntnisse

4. Institutionalisierung der Veränderungen, vor allem in der Forschung und bei der Entwick­

lung und Verbreitung neuer Methoden

5. Weltweite Industrialisierung und Modernisierung 6. Wachsender Wohlstand und (neuerdings) mehr Freizeit 7. Bevölkerungszunahme

8. Verstädterung und (in einiger Zeit) Entstehung riesiger Stadtlandschaften 9. Abnehmende Bedeutung der primären und (neuerdings) der sekundären Berufe 10. Bildung und Erziehung

11. Zunahme der Möglichkeiten zur Massenvemichtung 12. Beschleunigtes Tempo von Veränderungen

13. Wachsende Universalität des komplexen Trends"

Quelle: Kahn, Herman/Anthony J. Wiener (1968) Ihr werdet es erleben. Voraussagen der Wissen­

schaft bis zum Jahre 2000. Wien/al.: Fritz Molden. S. 22.

(20)

Einzelgesellschaftliche Fragen: Technologischer und sozialer Wandel

Bei den Beobachtungen und Projektionen von Erscheinungsformen technologi­

schen und sozialen Wandels in den U.S.A. (bzw. auch in anderen Industrieländern) findet man Parallelen zu der zitierten Trendbeschreibung von Kahn/Wiener. Anders als von Kahn und Mitarbeitern werden diese Phänomene jedoch durchweg als ein­

schneidende, teils krisenhafte, teils sogar epochemachende Entwicklungen darge­

stellt. Deren hauptsächliche, auf einzelgesellschaftlicher Ebene relevante, Merkmale sind danach beschleunigtes Veränderungstempo (auch "Zeitkompression", Zeit als neuer Knappheitsfaktor), erhöhte Komplexität und Interdependenz, die zentrale Rolle von W issen, W issenschaft und (speziell Computer-) Technologie, sowie zunehmende Erfordernisse von Umlemen und Anpassung im wirtschaftlichen, so­

zialen und politischen Bereich. Bei hoher Übereinstimmung in den aufgegriffenen Fragen bestehen insbesondere unterschiedliche Auffassungen über Begleiterschei­

nungen der Veränderungsprozesse und deren Bewertung. Typisch nicht nur für jeweils einen der Argumentationsstile, sondern auch für unterschiedliche Auditorien - und alle drei zu W eltruhm gelangt - sind hierfür Future Shock von Toffler (1970), The Coming o f Post-Industrial Society von Bell (1973) und M eg a tren d s von Naisbitt (1982).

Toffler faßt seine - zw eckpessim istischen - A nalysen und Projektionen in Future Shock (1970) zusammen als sich verbreitende Tendenzen von a) rascher Vergänglichkeit, b) potenzierter Neuartigkeit und c) ausufemder Vielfalt.

Im einzelnen weist er hin auf:

a) die Platz greifende M entalität einer Wegwerfgesellschaft im Umgang mit materiellen Gütern, räumliche Mobilität m it Zügen von Nomadentum, zum Normalfall werdende bruchstückhafte Sozialbeziehungen, grassierende Informationsobsoleszenz und steigende Durchlaufrate von Wirklichkeitsvor­

stellungen, sowie in Verwaltungen und Organisationen sich herausbildende enthierarchisierte, reformfreudige und projektorientierte Arbeitsstile einer

"Adhocratie";

b) überproportionale Zunahme naturwissenschaftlich-technischer Erfindungen, wachsendes Tempo beim Ersatz eingefahrener durch neuartige Gebräuche und Verhältnisse, den Wandel familiärer Muster eingeschlossen, unterstützt durch eine innovative Wissenschaft und psychische Gratifikationen propagie­

rende Konsumgüter- und Dienstleistungsindustrie;

c) hochgradige Differenzierung des - damit unübersichtlich werdenden -

Warenangebotes, explosionsartige Vermehrung von beruflichen und Freizeit-

(21)

Subkulturen, Multiplizierung und Diversifizierung von Lebensstilen bei kurz­

lebigeren Wertsystemen, angeführt von style settem und ausgestattet durch florierende life style factories.

Die Vielzahl und Geschwindigkeit der damit verbundenen Veränderungen, so Toffler, sei Q uelle potentieller psychischer Probleme, inadäquater psychischer Reaktionen und Über-Simplifizierung - geeignet, massenhafte Desorientierung zu bewirken: einen gesellschaftsweiten Zukunftsschock. Future Shock hat weltweit eine breite Leserschaft gefunden und in den U.S.A. - ganz im Sinne von Tofflers abschließender Zukunftsvision darin (vgl. S. 46) - eine zeitweilige regelrechte Zukunftseuphorie bewirkt. Im Argum entationsstil Toffler verwandt, w ar nach Michael als Reaktion auf Komplexitäts- und Manipulationstendenzen in The Unpre­

pared Society (1968) nicht etwa mit Zukunftseuphorie, sondern mit allseitigen W iderständen gegen institutionelle Veränderungen, mit öffentlicher Politisierung und B evölkerungsunruhen zu rechnen. B rzezinski, in dem U .S.A .-Teil von Between Two Ages eher pessimistisch als neutral, vermutete als Begleiterscheinung des sozialen Wandels trotz zunehmender Chancengleichheit gesellschaftliche Frag­

m entierung und den Unruheherd bei einer " ... relatively small minority o f the restless youth ..." (1970:100).

Bell, neutraler Beobachter des sich abzeichnenden sozialen W andels, erklärt W issenschaftlichkeit und W issen zum Fundam ent einer neuen Phase des Fort­

schritts in Industrieländern. Anhand seiner Einschätzung nach prototypischer Trends in den U.S.A. entwickelt er das Konzept von The Coming o f Post-Indu­

strial Society (1973). Sie folgt der vor-industriellen und der industriellen Phase und hebt sich in entscheidenden Merkmalen von beiden ab (vgl. Tabelle 4, S. 17). Die auf W irtschafts-, Sozialstruktur und politische Ordnung konzentrierten Ausarbei­

tungen sprechen für einen Bedeutungszuwachs von Dienstleistungs-, insbesondere von Informations- und Wissensproduktion; eine Einführung neuer, wissenschaft­

lich fundierter, Technologien bei Ersatz empirischer (trial and error) durch theorie­

geleitete Forschungsmethoden; ein zunehmendes Gewicht technischer und wissen­

schaftlicher Eliten in der Politikformulierung. Übergangsprobleme vermutet Bell vor allem in Fragen der Macht- bzw. Privilegienverteilung und bei der Konsensbil­

dung. Die mit diesem Buch eingeführte Sammelbezeichnung hochentwickelter m o­

derner Industriegesellschaften als "post-industriell" hat sich weltweit in der W issen­

schaft durchgesetzt.

(22)

Tabelle

4: Merkmale vor-industrieller, industrieller und post-industrieller Gesellschaften, nach Bell

Vorindustrielle Gesellschaft

Industrielle Gesellschaft

Postindustrielle Gesellschaft

Regionen Asien

Afrika Lateinamerika

Westeuropa Sowjetunion Japan

Vereinigte Staaten

Wirt- Primär Sekundär Tertiär Quartär

schaftl.

Sektor

(Extraktive Industrien) Landwirtschaft Bergbau Fischerei Waldwirtschaft

(Güter­

produktion) Verarbeitung Fertig­

produktion

(Dienstleistungen)

Verkehr Banken

Erholung Versicherungen

Quintär Gesundheit Ausbildung Forschung Regierung

Wichtigste Bauer angelernter technische und akademische

Berufs- Bergmann Arbeiter Berufe

gruppen Fischer

ungelernter Arbeiter

Ingenieur Wissenschaftler

Grundlage der Tech­

nologie

Rohstoffe Energie Information

Entwurfs­

prinzip

Spiel gegen die Natur

Spiel gegen die techni­

sierte Natur

Spiel zwischen Personen

Methodo- "Common Empirismus abstrakte Theorie: Modelle, logie sense",

Erfahrung

Experiment Simulation, Entscheidungs­

theorie, Systemanalyse

Zeitper- Orientierung Ad-hoc- zukunftsorientierte

spektive an der Vergan­

genheit; Ad- hoc-Reaktio- nen

Anpassung, Voraus­

berechnungen

Voraussage

Axiales Traditionalis- Wirtschafts- Zentralität und Kodifikation

Prinzip mus; Begren­

zung von Boden und Ressourcen

Wachstum;

staatl. oder private Kon­

trolle der In­

vestitionsent­

scheidungen

des theoretischen Wissens

Quelle: Bell, Daniel (1975) Die nachindustrielle Gesellschaft. Frankfurt/New York: Campus.

Tabelle 1-1 "Allgemeines Schema des sozialen Wandels", S. 117.

(23)

Die Optimisten unter den Autoren streichen die Vorteile sozialen W andels und die Chancen hochentwickelter Industriegesellschaften heraus, wobei in Überein­

stimmung mit Bell W issen und (Computer-) Technologie eine zentrale Rolle spie­

len. In Tofflers, durch computergestützte Flexibilisierung des Arbeits- und Privat­

lebens bestimmter, Third Wave (1980) wird auch das von Bell benutzte Phasen­

schem a des langfristigen sozialen W andels zugrundegelegt. Nach Darstellung Tofflers sind verschiedene im Zuge der Third Wave aufkommende Lebens- und W irtschaftsformen als R ückgriff auf (modifizierte) M uster der Ersten W elle, der agrarischen Zivilisation, einzustufen. Die zentrale Rolle von W issen demonstrierte bereits 1969 Drucker in The Age o f Discontinuity anhand technologischer, wirt­

schaftlicher und administrativer Projektionen. Wichtigste Neuerung war danach ein erheblicher gesellschaftlicher Bedeutungszuwachs praktisch verwertbarer wissen­

schaftlicher Erkenntnisse (knowledge, gegenüber der zweckfreien, reinen W issen­

schaft) als Quelle von Macht und Reichtum.

Eine aktualisierte, vor allem um basisdemokratische Elemente sowie Ausfüh­

rungen über Sozialstruktur, Lebensstile und U.S.-amerikanische Binnenmigration erweiterte Version der Vorstellungen Druckers ist Megatrends von Naisbitt (1982).

Im M ittelpunkt seiner - speziell in Wirtschaftskreisen äußerst populären - Betrach­

tungen steht der Bedeutungszuwachs von Informationen und Informationsverarbei­

tung gegenüber Geld als strategischem wirtschaftlichem Kapital. Bei zunehmender Verbreitung von Computertechnologie als wichtigstem Beispiel einer hochgradig technisierten Arbeitswelt gibt es eine seiner Einschätzung nach praktikable high- tech/high-touch-Symbiose: "Je mehr Hochtechnologie, desto größer das Bedürfnis nach Persönlich-M enschlichem " (1982:79). Naisbitt faßt seine Analysen in 10 Merksätzen zusammen (s. Tabelle 5, S. 19).

Thematisch enger und in der Argumentation polemischer als die übrigen Auto­

ren, nimmt die Schriftensammlung Celebration o f Awareness von Blich (1970) eine Sonderstellung in dieser Werkauswahl ein. Das Leitmotiv der einzelnen Beiträge ist eine Beanstandung des Exports von technischen und institutionellen Errungenschaf­

ten der reichen Industrieländer, speziell der U.S.A., in die Entwicklungsländer, für deren meiste Bevölkerung sie weder erschwinglich noch kulturell verträglich seien.

(24)

Tabelle 5:

10 Megatrends, nach Naisbitt

"1. Obwohl wir weiterhin fest davon überzeugt sind, in einer Industriegesellschaft zu leben, sind wir in Wirklichkeit auf dem Wege zu einer Gesellschaft, die auf Erstel­

lung von Informationen und deren Verbreitung basiert

2. Wir bewegen uns dabei quasi in dualer Richtung von technischer Hochleistung, kombiniert mit menschlich-psychologischen Bedürfnissen, indem wir bei jeder neuen technischen Entwicklung abwarten und darauf reagieren, wie sie vom menschlichen Standpunkt aus ankommt

3. Wir können uns nicht länger den Luxus leisten, in einem isolierten, uns selbst genügenden nationalen Wirtschaftssystem zu operieren; wir müssen vielmehr aner­

kennen und berücksichtigen, daß wir Teil eines globalen Wirtschaftssystems sind.

Wir haben dabei bereits begonnen, die Idee fallenzulassen, daß die Vereinigten Staa­

ten die industrielle Führungsnation der W elt wird und bleiben muß, während wir uns anderen, neuen Aufgaben zuwenden.

4. Wir müssen uns von einer Gesellschaft, die sich von kurzfristigen Überlegungen und kurzfristigem Renditedenken leiten läßt, zu einer Gesellschaft mit wirtschaftli­

chem Planungsdenken über viel längere Zeitspannen wandeln.

5. In unseren Städten und einzelnen Staaten, in kleinen Organisationen und Unterab­

teilungen, bis hin zu kleinsten Grüppchen und Einzelpersonen haben wir die Fähigkeit der Innovationen und der Verwirklichung von Ideen entdeckt - von ganz unten, vom Einzelindividuum aus.

6. Wir gehen in allen Aspekten unseres Lebens mehr und mehr dazu über, uns statt auf behördlich-staatliche Hilfe auf uns selbst zu verlassen.

7. Wir sind dabei zu entdecken, daß der Rahmen einer repräsentativen Demokratie in einer Ära, in der Informationen augenblicklich mit anderen geteilt werden, obsolet zu werden beginnt, veraltet ist und einfach nicht mehr in die Zeit paßt.

8. W ir geben unsere Abhängigkeit von hierarchischer Struktur zugunsten eines eher inform ellen Infomationsnetzes auf. Dies wird insbesondere für säm tliche Geschäftsuntemehmungen wichtig werden.

9. Mehr und mehr Amerikaner werden im Süden und Westen der Vereinigten Staaten leben, aus den alten Industriestädten und -Staaten des Nordens und insbesondere Nordostens wegziehen.

10. Von einer eng denkenden Entweder-Oder-Gesellschaft mit beschränkter Wahlmög­

lichkeit werden wir uns explosionsartig zu einer breitest denkenden Gesellschaft mit höchst breitgefächerten Wahlmöglichkeiten ausweiten."

Quelle: Naisbitt, John (1984) Megatrends, 10 Perspektiven, die unser Leben verändern werden.

Bayreuth: Hestia 1984. S. 11 f.

Die im Zentrum seiner Abhandlung stehende und seinem Dafürhalten nach ver­

fehlte Kirchen- und Schulpolitik in lateinamerikanischen Ländern weitet Illich aus auf eine generelle Kritik der Verfassung von Amtskirche und Bildungswesen. Die positive Wendung erhält dieses Werk durch den Titelbeitrag. Es ist ein Aufruf nicht n u r zum A ufbrechen solcher und ähnlicher, Illich zufolge ü berholter,

(25)

w irtschaftlicher und gesellschaftlicher Ordnungen. Sondern es ist vor allem ein A ufruf zur Feier der eigenen Kräfte, der Entdeckungsfreude, des Lebens von Ver­

änderungen, gegen die seelische Verkrüppelung, gegen Autorität, Privilegien und Bevorzugung, eine Feier der gemeinsamen Freude an einer neuen Welt, an "... des Menschen Menschlichkeit" (1970/1970:13).

(26)

2 Umgang mit Zukunftsfragen

2.1 Theoretische und methodische Grundlagen

Theoriebezug der Werke

Nur zwei unter den 22 Autoren erheben ausdrücklich den Anspruch, mit ihrer Arbeit zur Theorienbildung beizutragen. Toffler bezeichnet sein Buch Future Shock als eine "... umfassende neue Theorie der Anpassungstechnik ..." (1970/1970:11), Forrester nennt sein M odell in World Dynamics eine "... theory o f behavior and interaction.” (1971:67; keine wörtliche Übersetzung in der deutschsprachigen Ver­

sion). W enngleich bei manchen anderen der Autoren Beiträge zur Formulierung von Theorien etwa sozial-ökologischer Art oder von Theorien des sozialen Wandels durchaus identifizierbar wären, ist Theorienbildung für sie kein Thema. Umgekehrt ist auch der explizite R ückgriff auf verfügbaren Theoriebestand in den W erken mäßig. Von etwa einem Drittel der Autoren wird ein theoretischer Bezug entweder nicht bzw. nicht erkennbar oder nur punktuell hergestellt und bleibt von illustratori- schem W ert. Bei den Arbeiten McHales (1969, 1970, 1972) und Meadows/al.

(1972) ist eine Anlehnung an die Systemtheorie bzw. die A rbeiten von Malthus (vgl. S. 13) offensichtlich, aber nicht dokumentiert.

Zu den wenigen Autoren, die sich mit Theorien auseinandersetzen, gehören Bell und Kahn. Bell diskutiert einleitend zu The Coming o f Post-Industrial Society (1973) Theorien der sozialen Entwicklung, unter anderem von Dahrendorf, Licht­

heim , Etzioni, Schum peter, W eber, Lenin, Marx, Aron, Saint-Sim on, Trotzki, Bumham, Djilas and Richta. Kahn und M itarbeiter (1967, 1972) stützen ihre Aus­

arbeitungen auf diverse Geschichtstheorien - genannt werden Schriften von Toyn­

bee, Spengler, Sorokin, Burckhardt und Gibbon (1967) bzw. Augustinus, Marx, Spengler und Toynbee (1972). W eder wird aber von den Autoren die Auswahl ihrer Referenzen begründet oder gegenüber alternativen Referenzen abgegrenzt, noch werden die beigezogenen Theorien im Verlaufe der Ausarbeitungen geprüft oder gegeneinander abgewogen. Sie dienen, wie Kahn/W iener (1967) schreiben,

(27)

eher heuristischen Zwecken bzw. als vorläufige Metaphern. In einem Kommentar zu ihrer grundlegenden, langfristigen kom plexen Trendprojektion heißt es bei Kahn/Bruce-Briggs:

"... daß Theorien (oder Intuitionen) zur Anwendung kommen, an die der Autor zufällig glaubt oder die er plausibel findet. Sollte sich daher die Analyse dann als wahr heraus­

steilen, so wird er nicht überrascht sein. Das kann ebenso auf Mehrfachtheorien ange­

wendet werden, auch wenn diese zueinander in Widerspruch stehen; der Autor ist sich in diesem Falle nicht sicher, welche Theorie richtig ist, er wird aber nicht überrascht sein, wenn sich entweder die eine oder die andere als richtig erweist." (1972/1972:66)

D ie A ffinität der Autoren zu Theorienbildung und -nutzung ist, mit anderen W orten, gering.

Methodologische Hilfskonstruktionen

Verbreiteter als theoretische Grundlagen sind methodologische Hilfskonstruk­

tionen. Beispiele hierfür sind historische A nalogien bei K ahn/W iener (1967), Kahn/Bruce-Briggs (1972), Bell (1973), Toffler (1980) und Brown (1981). Für Things to Come vonKahn/Bruce-Briggs etwa wird, zwecks Abschätzung weltpoli­

tischer und -militärischer Entwicklungen bis Ende dieses Jahrhunderts, eine ge­

schichtliche Parallele zwischen den Zeiträumen 1900-14 und 1953-65, von den Autoren so bezeichneter erster und zweiter Belle Epoque, herausgearbeitet. Anders als die erste Belle Epoque, deren Entwicklungen in den Ersten W eltkrieg führten, so ein Resümee über die mutmaßlichen Nachwirkungen der zweiten Belle Epoque,

" ... scheint eine Übereinstimmung darüber zu herrschen, daß die westliche Welt, (sic!) international eine Periode wirtschaftlicher und politischer Stabilität betritt."

(1972/1972:64) Kahn/Bruce-Briggs widmen der A usarbeitung dieser Analogie immerhin knapp zehn Seiten, warnen jedoch vor übertriebenen Erwartungen an die prognostische Unfehlbarkeit solcher Kunstgriffe: "Man kann ... damit keine Theo­

rie der geschichtlichen Unvermeidlichkeit oder Voraussage annehmen oder bewei­

sen. Sie erleichtert und vergrößert bloß die Kommunikation." (ebd.:54)

Bell ergänzt seine historische Analogie von den Phasen der M enschheitsentwick­

lung in The Coming o f Post-Industrial Society (1973) durch eine systematische Hilfskonstruktion, einem Konzept von axialen Prinzipien und axialen Strukturen.

D am it soll "... die Frage ... nach dem zentralen Prinzip, nach der Achse, um die

(28)

sich eine Gesellschaft dreht, gestellt und geklärt werden. Zu diesem Zweck versu­

chen w ir innerhalb eines konzeptuellen Schemas jene die ganze Organisation bestimmende Einrichtung, um die sich alle anderen Institutionen gruppieren, oder das b ew eg en d e Prinzip, das für alle anderen eine vorrangige Logik darstellt, herauszuarbeiten." (1973/1975:27 f.)

Das axiale Prinzip der post-industriellen Gesellschaft ist Bell zufolge theoreti­

sches W issen; U niversitäten, Forschungsorganisationen und w issenschaftliche Institutionen erhalten den Rang axialer Strukturen. In ähnlicher Weise wie Bell ver­

fährt Toffler bei seiner Konzipierung von The Third Wave. Als Ansatz dafür benutzt er eine, ins Deutsche unglücklich übersetzte, "Methode" der "Wellenkamm- Sozialtheorie": "Hierbei wird die Geschichte als eine ununterbrochene Wellenbewe­

gung betrachtet und die Frage gestellt, wohin uns der Kamm einer jeden W elle spült." (1980/1980:24) Grundlage von Tofflers Analysen und Projektionen ist ein

"...Code, eine Anzahl von Regeln und Prinzipien, die ... in allen Lebensbereichen ... Einfluß ausüben." (ebd.:58) In der sich dem Ende zuneigenden Zweiten Welle, der industriellen Zivilisation, waren das Standardisierung, Spezialisierung, Syn­

chronisierung, Konzentration, Maximierung und Zentralisierung. Die neue Zivilisa­

tion ist demgegenüber geprägt durch Entstandardisierung und De-Massifizierung, Entwicklung vielfältiger individueller Fähigkeiten und Anliegen, De-Synchronisa- tion, Netzwerke, Detail-im-Holismus-Denken und De-Zentralisierung.

Das verwendete methodische Instrumentarium

Angesichts schwacher Theorieorientierung zur Ordnung ihrer Beobachtungen ist es folgerichtig, daß die Autoren für deren Projektionen durchweg methodisch doppel­

gleisig verfahren bzw. Methoden mit "flächendeckender" Ergebnisorieritierung verwenden. Anderweitige methodische Entscheidungen sind stets mit einschrän­

kenden Kommentaren versehen. Tabelle 6 (S. 24) enthält eine Differenzierung der national und der global zugeschnittenen Werke nach dem jeweils gesetzten Zeithori­

zont und verwendeten methodischen Instrumentarium.

(29)

Tabelle 6:

Untergliederung der national und global zugeschnittenen W erke nach zeitlicher Reichweite und methodischem Instrumentarium

Zeitliche Reichweite Methoden

nicht definiert - 20 Jahre >20-50 Jahre >50 Jahre

Rechnergestützte Interaktionsanalysen

*Leontief/al .(1977)

Forrester (1971);

Meadows/al.

(1972)

Trendextrapolationen Chase (1968);

*Kahn/B.B.

(1972);

Bamey/al.

(1980)

*Kahn/Wiener (1967);

Bell (1973)

*Kahn/al.

(1976)

Scenarien *Brzezinski

(1970)

*Kahn/B.B.

(1972);

HawkenJal .(1982)

*Kahn/Wiener (1967);

* Leonti ef/al.

(1977)

*Kahn/al.

(1976)

Exploration von Innovationen und Diskontinuitäten

Toffler (1970);

Toffler (1980);

*Brown (1981);

Naisbitt (1982)

Michael (1968);

Drucker (1969)

sonst. Interdependenz­

analysen

Brown (1972)

*(1981);*Brze- zinski (1970);

ZZZZcA (1970);

McHale (1969, 1970, 1972)

Erläuterungen: Formalisicrungsgrad der Medhotden nimmt von oben nach unten ab; *Methoden- mix; national zugeschnittene Studien kursiv

Die Tabelle zeigt Übereinstimmungen zwischen geographischer und zeitlicher Reichweite und Typus der verwendeten Methoden. Die global zugeschnittenen W erke liegen im Zeithorizont oberhalb der national zugeschnittenen Werke. Sie werden auch zum höheren Anteil mit formalisierten Methoden durchgeführt.

(30)

Beispiele 1: Rechnergestützte Interaktionsanalysen

Das Weltmodell von Forrester (1971): Das Prinzip des Modells beruht auf einer quantitativen Beschreibung der einzelnen Systembestandteile - Bevölkerung, Kapi­

talinvestitionen, natürliche Ressourcen und U m weltbelastungen - au f globaler Ebene und deren Verknüpfung. Durch rechnergestützte Analysen von Interaktionen der Systembestandteile wurde die Entwicklung des Gesamtsystems unter Annahme konstanter und alternativer Parameter untersucht (vgl. Abbildung 2).

POLR

A b b .2 : Neo-malthusianisches Weltmodell, nach Forrester

Grundmodell, das den Rückgang der Bevölkerung bei abnehmenden natürlichen Ressourcen zeigt

Quelle: Forrester. Jay W. (1971) World Dynamics. Cambridge/Mass.: Wright Allen. S. 70

(31)

Das Input-Output-Modell von Leontief/al. (1977): Die Autoren berechneten die weltw eiten Produktions- und Konsum strukturen für die Jahre 1980, 1990 und 2000. Außer ihrem Basismodell mit dem Ergebnis einer gleichbleibenden Einkom­

menslücke zwischen Industrie- und Entwicklungsländern wurden anhand von alter­

nativen Scenarien Modelle durchgerechnet, die eine Verringerung der Einkommens­

lücke möglich erscheinen ließen.

Beispiele 2: Trendextrapolationen

D er grundlegende, langfristige komplexe Trend von Kahn und Mitarbeitern: Zu der von ihnen als "überraschungsfrei" apostrophierten Projektion (vgl. S. 14) erläutern Kahn/Wiener:

"Die Entwicklungsrichtungen bestehen aus dreizehn oder mehr engverbundenen Eigen­

schaften, die sich gegenseitig beeinflussen. ... Diese .. sehen wir ... als 'Verlän­

gerungen' abendländischer Entwicklungsrichtungen an, die schon seit Jahrhunderten bestehen und wahrscheinlich auch in den kommenden 30 Jahren anhalten werden.

Einige mögen freilich - wenigstens in der westlichen Welt - abklingen oder verschwin­

den." (1967/1968:53)

Chase untersucht die zehn seiner Einschätzung nach wichtigsten Einzeltrends (u. a. für Bevölkerung, Wirtschaft, Energie und Technologie) der Entwicklung von The M ost Probable World (1968). Über die Stichhaltigkeit seiner Annahmen äußert er sich ein einer Art argumentativem Spagat: "I have tried to hold fa cts and figures to the point o f establishing a trend beyond challenge, without bringing in all the relevant data.” (1968:viii) Bell (1973) versieht dagegen seine "sozialen Prognose"

genannte Extrapolation von Wirtschafts-, Technik- und Politiktrends bis zur post­

industriellen Gesellschaft m it einer klaren Einschränkung: "Das K o n zep t... i s t ...

keine Projektion der Gegenwart in die Z u k u n ft...; es ist vielmehr ... eine Fiktion, eine social science fictio n dessen, w a s ... sein könnte, wenn sich bestimmte Züge der fortgeschrittenen Industriegesellschaften mit der ihnen inhärenten Logik fort­

entwickeln." (1973/1975:10)

Einen ähnlichen Vorbehalt machen Bamey/al. für ihre pessimistischen globalen Ressourcen- und Umweltprognosen bis zum Jahr 2000: "Die Prognosen weisen also auf eine Zukunft, wie sie zu erwarten steht, wenn die Politik von heute ohne bedeutsame Veränderungen fortgeführt wird." (1980/1980:37). Die seitens der

Referenzen

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