• Keine Ergebnisse gefunden

Rechnergestützte Interaktionsanalysen

Im Dokument Katrin Gillwald (Seite 30-35)

Das verwendete methodische Instrumentarium

Beispiele 1: Rechnergestützte Interaktionsanalysen

Das Weltmodell von Forrester (1971): Das Prinzip des Modells beruht auf einer quantitativen Beschreibung der einzelnen Systembestandteile - Bevölkerung, Kapi­

talinvestitionen, natürliche Ressourcen und U m weltbelastungen - au f globaler Ebene und deren Verknüpfung. Durch rechnergestützte Analysen von Interaktionen der Systembestandteile wurde die Entwicklung des Gesamtsystems unter Annahme konstanter und alternativer Parameter untersucht (vgl. Abbildung 2).

POLR

A b b .2 : Neo-malthusianisches Weltmodell, nach Forrester

Grundmodell, das den Rückgang der Bevölkerung bei abnehmenden natürlichen Ressourcen zeigt

Quelle: Forrester. Jay W. (1971) World Dynamics. Cambridge/Mass.: Wright Allen. S. 70

Das Input-Output-Modell von Leontief/al. (1977): Die Autoren berechneten die weltw eiten Produktions- und Konsum strukturen für die Jahre 1980, 1990 und 2000. Außer ihrem Basismodell mit dem Ergebnis einer gleichbleibenden Einkom­

menslücke zwischen Industrie- und Entwicklungsländern wurden anhand von alter­

nativen Scenarien Modelle durchgerechnet, die eine Verringerung der Einkommens­

lücke möglich erscheinen ließen.

Beispiele 2: Trendextrapolationen

D er grundlegende, langfristige komplexe Trend von Kahn und Mitarbeitern: Zu der von ihnen als "überraschungsfrei" apostrophierten Projektion (vgl. S. 14) erläutern Kahn/Wiener:

"Die Entwicklungsrichtungen bestehen aus dreizehn oder mehr engverbundenen Eigen­

schaften, die sich gegenseitig beeinflussen. ... Diese .. sehen wir ... als 'Verlän­

gerungen' abendländischer Entwicklungsrichtungen an, die schon seit Jahrhunderten bestehen und wahrscheinlich auch in den kommenden 30 Jahren anhalten werden.

Einige mögen freilich - wenigstens in der westlichen Welt - abklingen oder verschwin­

den." (1967/1968:53)

Chase untersucht die zehn seiner Einschätzung nach wichtigsten Einzeltrends (u. a. für Bevölkerung, Wirtschaft, Energie und Technologie) der Entwicklung von The M ost Probable World (1968). Über die Stichhaltigkeit seiner Annahmen äußert er sich ein einer Art argumentativem Spagat: "I have tried to hold fa cts and figures to the point o f establishing a trend beyond challenge, without bringing in all the relevant data.” (1968:viii) Bell (1973) versieht dagegen seine "sozialen Prognose"

genannte Extrapolation von Wirtschafts-, Technik- und Politiktrends bis zur post­

industriellen Gesellschaft m it einer klaren Einschränkung: "Das K o n zep t... i s t ...

keine Projektion der Gegenwart in die Z u k u n ft...; es ist vielmehr ... eine Fiktion, eine social science fictio n dessen, w a s ... sein könnte, wenn sich bestimmte Züge der fortgeschrittenen Industriegesellschaften mit der ihnen inhärenten Logik fort­

entwickeln." (1973/1975:10)

Einen ähnlichen Vorbehalt machen Bamey/al. für ihre pessimistischen globalen Ressourcen- und Umweltprognosen bis zum Jahr 2000: "Die Prognosen weisen also auf eine Zukunft, wie sie zu erwarten steht, wenn die Politik von heute ohne bedeutsame Veränderungen fortgeführt wird." (1980/1980:37). Die seitens der

Autoren von Global 2000 benutzte Bezeichnung ihrer Studie als "Weltmodell der Regierung" ist übrigens ungenau, sofern man als Weltmodell nach dem Vorbild von Forrester (1971) eine von vornherein integriert angelegte Interaktionsanalyse ver­

steht. Global 2000 ist eine harmonisierte Fassung von Sektoralprognosen seitens verschiedener an dem Projekt beteiligter U.S.-Behörden (1980/1980:35).

Beispiele 3: Scenarien

Scenarien sind systematisch variierte Modellvorstellungen über die Entwicklung der Zukunft und werden typischerweise in mehreren Parallel-Versionen erarbeitet. Die Urheberschaft dieser Methode wird Herman Kahn zugeschrieben, der sie schon in den 1950er Jahren während seiner Tätigkeit in der RAND-Corporation für militäri­

sche Analysen benutzt hat. Die Verwendung von Scenarien beschreiben Kahn /W iener folgendermaßen: "Die Szenarien, die eine hypothetische Folge von Ereig­

nissen darstellen, sollen die Aufmerksamkeit auf kausale Prozesse und Entschei­

dungsmomente lenken. Sie beantworten zwei Arten von Fragen: 1. Wie mag eine hypothetische Situation Schritt für Schritt zustande kommen? und 2. Welche Alter­

nativen gibt es in jedem Stadium für jeden Teilnehmer, um den weiteren Prozeß zu verhindern oder in eine andere Richtung zu lenken?" (1967/1968:21)

In dieser Art diskutieren Kahn/Wiener drei Gruppen von Varianten ihrer m ehr­

fach erwähnten grundlegenden etc. Trendprojektion: Eher integriert, eher intro­

spektiv und stärker desintegriert. Sie beschreiben sie in acht "kanonischen Variatio­

nen" und begründen diese Bezeichnung folgendermaßen: "Wir haben alle diese W eltmodelle 'kanonisch' genannt, weil wir ihre Charakteristika absichtlich mehr nach Gesichtspunkten methodischer Bequemlichkeit als auf der Basis realistischer Kriterien ausgesucht und sie außerdem in eine mehr oder weniger vergleichbare Form gebracht haben." (1967/1968:239) In Tabelle 7 (S. 28) sind die kanonischen Variationen stichwortartig zusammengefaßt.

Tabelle 7:

K anonische Variationen des grundlegenden, langfristigen kom ­ plexen Trends, nach Kahn/Wiener

"A. Eher integriert:

Verhältnismäßig friedliche, wohlhabende Weltmodelle mit Rüstungskontrolle, intensiven Kontakten zwischen den Nationen und politischer Zusammenarbeit oder sogar Integration bei allen oder zumindest fast allen großen und kleinen Mächten

1. Stabilität oder Erhaltung des Status quo wird angestrebt 2. Entwicklungs- und Auslandshilfe

B. Eher Introspektiv:

Weltmodelle, die fast ebenso friedlich und wohlhabend sind, aber mit geringer Waffenkon­

trolle oder allgemeiner Zusammenarbeit 3. Abgeschwächter Kommunismus

4. Geschwächte demokratische Moral und etwas kommunistische Dynamik 5. Dynamisches Europa und/oder Japan

C. Desintegration:

Weltmodelle mit Unruheherden und Gewaltanwendung, doch ohne große zentrale Kriege 6. Geschwächter Kommunismus

7. Dynamischer Kommunismus und Abbau der demokratischen Moral 8. Dynamisches Europa und/oder Japan"

Quelle: Kahn, Herman/Anthony J. Wiener (1968): Ihr werdet es erleben. Voraussagen der Wissen­

schaft bis zum Jahre 2000. Wien/al. Fritz Molden. S. 239.

The N ext 200 Years (Kahn/al. 1976) gilt als Standardwerk der A rbeit m it Scenarien. Ein plastisches Beispiel für ihre Konstruktions weise sind Überlegungen in diesem Buch zu einer auf Dauer hinreichenden Nahrungsmittelversorgung der wachsenden W eltbevölkerung. Die D enkm odelle beziehen sich auf m ehr oder weniger konventionelle Entwicklungen von Nahrungsmitteltechnologie und K on­

sumgewohnheiten. W eitreichendstes Ergebnis: Es bestünde die M öglichkeit, auf unkonventionellem W ege kraft "immer raffinierterer Technologien" (1976/1977 : 171) unkonventionelle Nahrungsmittel zu produzieren: "... Nahrung aus fast jedem organischen Material einschließlich Holz, Blättern, Zellulose, Erdöl und auch aus dem organischen Abfall der Städte und der L andw irtschaft.. " (ebd.:155). Aller­

dings: "Die Geschmacksgewohnheiten der Menschen müßten allmählich den neuen Produkten angepaßt werden." (ebd.:172)

Hawken/al. erzeugen Seven Tomorrows (1982) über vier Faktoren: Wirtschaft, Energie- und Nahrungsm ittelversorgung sowie Klimaverhältnisse. Die Autoren variieren sie entlang einer W ertekonfiguration von Leistung, Schlichtheit und Überleben (achievement, fru g a l und survival values). Abbildung 3 zeigt das Kon­

struktionsschema, m it der Official Future ("wie gehabt") auf der Leistungsachse und den übrigen Modellen mit erzwungener (survival) bzw. freiwilliger (frugal) Einschränkung in der Lebenshaltung bei unterschiedlichen Systembedingungen.

A b b . 3: Konstruktionsschema für sieben Scenarien, nach Hawken/al.

Growing supplies The Official Future

Quelle: Hawken/al. (1982) Seven Tomorrows. Toward a Voluntary History. Toronto/al.: Bantam.

S. 29.

Im Dokument Katrin Gillwald (Seite 30-35)