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Ende des libanesischen „Nationalpakts“?

Wie die internationale Gemeinschaft den Neubeginn im Libanon unterstützen kann

von Bernhard Trautner und Mark Furness,

Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

Die aktuelle Kolumne

vom 17.08.2020

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Ende des libanesischen „Nationalpakts“?

Wie die internationale Gemeinschaft den Neubeginn im Libanon unterstützen kann

Die aktuelle Kolumne von Bernhard Trautner und Mark Furness, 17.08.2020, ISSN 2512-9074

© German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

Der Libanon darf nach der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut nicht scheitern. Soweit sind sich die Menschen im Libanon und auch die Internationale Gemeinschaft einig.

Diese Eintracht hat viele Gründe: Die Libanes*innen wollen endlich einen funktionierenden Staat anstatt ein Land, in dem Müllabfuhr und Sicherheit fehlen. Das Land hat über eine Mil- lion Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Libanon ist zudem Drehscheibe und regionaler Stützpunkt für viele Unterstüt- zungsmaßnahmen und internationale Hilfsorganisationen.

Der Abtritt der Regierung signalisiert allerdings keinen Neu- start und eine politische Erneuerung wird nicht automatisch erfolgen. Seit der Unabhängigkeit des Landes 1943 haben die bisherigen Regierungen den Staat vor allem als Beute betrach- tet. Bereits in der Verfassung des Landes wurde das konfessi- onelle Proporzsystem zementiert, das trotz seiner Bezeich- nung als „Nationalpakt“ verhindert hat, dass eine am nationa- len Ganzen orientierte politische Klasse entsteht. Das konfes- sionelle System, das mit der Machtteilung nach dem Bürger- krieg zwischen Sunnit*innen, Schiit*innen und Christ*innen den Frieden sicherte, hat sich immer weiter ausdifferenziert – zugunsten einer Klientelpolitik und erheblicher wirtschaftli- cher und politischer Korruption.

Es ist ein Dilemma: Einerseits benötigt internationale Wieder- aufbauhilfe legitime, staatliche Partner. Das gilt gerade, wenn es darum geht, nachhaltige Strukturen aufzubauen, wie die li- banesischen Demonstrant*innen ja nicht erst seit der Kata- strophe in Beirut fordern. Schon, um einen Kreditvertrag mit den internationalen Finanzinstitutionen für Wiederaufbau- hilfe zu unterzeichnen, bedarf es einer nationalen Regierung, die pro forma hierfür die Verantwortung übernimmt.

Andererseits: Je größer die Unterstützungszusagen der Inter- nationalen Gemeinschaft für den Libanon werden, desto grö- ßer wird, zusammen mit der nicht zu vernachlässigenden Wirtschaftsleistung des Landes, der zu verteilende Kuchen für die politische Führung. Wie schon in den Jahren zuvor ist zu befürchten, dass die konfessionellen Führungen sich nur zu- sammenraufen, um Neuwahlen zu erreichen und eine weitere Technokraten-Regierung einzusetzen. Außenminister Maaß hat richtigerweise bei seinem Besuch zum Kriterium für die

staatliche Wiederaufbauhilfe erhoben, dass die politische Führung die Anliegen der Bevölkerung endlich ernstnimmt.

Die Katastrophe bietet gleichwohl auch eine Reformgelegen- heit für das Land. Dabei ist vorsichtiges Handeln geboten.

Zum Beispiel könnte die Verantwortung für die soziale Grund- sicherung im Land von den Konfessionsgruppen – und vo- raussichtlich gegen ihren Widerstand – weg in eine gesamt- staatliche Aufgabe überführt werden. Das von internationa- len Gebern finanzierte und gemeinsam von Welternährungs- programm (WEP) mit der lokalen Verwaltung umgesetzte System der direkten finanziellen Grundsicherung von Flücht- lingen und Aufnahmegemeinden könnte auf die libanesische Gesellschaft ausgedehnt und sukzessive stärker vom libanesi- schen Staat selbst finanziert werden. Das wäre gerechter und auch effizienter als die weitgehend ungezielten Subventionen von Nahrungsmitteln oder Kraftstoffen, wie sie aktuell die meisten Regierungen in der nahöstlichen Region verteilen.

Für Libanons internationale Partner ist Umsicht angesagt. Für die jetzt zu leistende Not- und Übergangshilfe sind staatliche Strukturen zunächst nur bedingt notwendig. Aufgrund der Syrienkrise sind neben dem WEP viele andere Internationale Organisationen, wie etwa das Kinderhilfswerk UNICEF, im Land. Ihre Aktivitäten im Bildungsbereich sind zwar bislang eng mit der libanesischen Regierung abgestimmt. Doch be- stehen auf Verwaltungsebene hinreichend Kontakte, die zum Beispiel die Bedarfsermittlung, Projektplanung und Finanzie- rung für die Rehabilitierung von Schulen in Beirut stemmen könnten.

Bewährt hat sich auch die Unterstützung über private Träger:

Organisationen wie etwa die Deutsche Welthungerhilfe rei- chen Spenden und Zuwendungen an vertraute, lokale Partner im Land weiter und stehen ihnen bei der Projektentwicklung und -umsetzung zur Seite. Hilfreich ist hierbei, dass der Liba- non über eine relativ freie Zivilgesellschaft und einen im regi- onalen Vergleich hohen Grad an Meinungsfreiheit verfügt, die auch eine gewisse Kontrolle über die Mittelverwendung si- chert.

Die katastrophale Explosion in Beiruts Hafen hat deutlich ge- zeigt, wie lebensgefährlich der marode, konfessionell seg- mentierte ‘Nationalpakt‘ geworden ist. Ein neuer Gesell- schaftsvertrag muss von der libanesischen Gesellschaft selbst kommen, und Deutschland und andere internationale Partner müssen bereit sein, die lokalen, zivilgesellschaftlichen Akteure zu unterstützen: Sie sind die Träger der politischen Erneue- rung und Wächter darüber, dass der Wiederaufbau zu einem echten Neubeginn führt.

„Ein neuer Gesellschaftsvertrag muss von

der libanesischen Gesellschaft selbst

kommen, und Deutschland und andere

internationale Partner müssen bereit sein,

die lokalen, zivilgesellschaftlichen Akteure

zu unterstützen.”

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