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Der Energiepflanzenanbau gefährdet das Recht auf Nahrung

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Academic year: 2021

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Der Energiepflanzenanbau gefährdet das Recht auf Nahrung

Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass der Anbau von Energiepflanzen für Biokraftstoffzwe- cke für die Destabilisierung der Ernährungssiche- rung mitverantwortlich ist: Er verursacht Preisstei- gerungen und –schwankungen für Nahrungsmittel und schafft Anreize für eine veränderte Landnut- zung. Auch in Entwicklungs- und Schwellenlän- der werden in den letzten Jahren statt Nahrungs- und Futtermittel vermehrt Pflanzen wie Palmöl, Soja oder Zuckerrohr für die Verwendung als Bio- kraftstoffe angebaut. In den Entwicklungsländern kommt es dabei häufig zu sozialen Problemen, weil die Landnutzungsrechte der einheimischen Bevölkerung verletzt werden, ihnen das Land auf illegale Weise entzogen wird, sie unter Missach- tung menschen- und arbeitsrechtlicher Standards auf den Ländereien oft mit Löhnen unterhalb des Existenzminimums arbeiten müssen oder sie bei Eigenproduktion keine Preise bekommen, die ihre Kosten als Erzeugerinnen und Erzeuger ausrei- chend decken. Die Verletzungen dieser Standards sind in vielen Fällen dokumentiert.

Zwar existieren für den Anbau von Energie- pflanzen für Biokraftstoffe ökologische Nachhal- tigkeitskriterien, die auch zertifiziert werden. Sie haben jedoch entscheidende Lücken. So werden zum Beispiel indirekte Landnutzungsänderun- gen nicht berücksichtigt. Das heißt, der Anbau von Energiepflanzen auf zertifizierten Böden ver- drängt den Anbau von Pflanzen für die Nahrungs- mittelproduktion auf nicht-zertifizierte, wo keiner- lei Kriterien gelten. Die Zertifizierungssysteme allein greifen also zu kurz, um der Zerstörung von Natur, Artenvielfalt, Wassersystemen und Boden- qualität entgegenzuwirken. Hinzu kommt, dass die Mehrzahl der Biokraftstoffe bei einer umfas- senden Treibhausgasbilanzierung häufig sogar noch schlechter abschneiden als konventionelle Kraftstoffe. Dies gilt vor allem für Biodiesel, für den heimische Öle, die für die Kraftstoffprodukti- on genutzt werden, in der Nahrungsmittelproduk- tion durch billiges Palmöl ersetzt werden. Für die- ses Palmöl wird zum Beispiel in Indonesien der Regenwald abgeholzt und Moore trockengelegt – mit erheblichen Treibhausgaseffekten.

Entwicklungspolitische Perspektive der aktuellen Biokraftstoffpolitik

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Politischer Handlungsbedarf ist erforderlich Brot für die Welt setzt sich deswegen für eine Änderung der gegenwärtigen Biokraftstoffpolitik ein. Zentrale Forderungen dafür sind:

1. Die rechtsverbindliche und langjährige Fest- schreibung des Zehn-Prozent-Beimischungsziels der EU für Biokraftstoffe ist aus entwicklungs- politischen Gründen zu reduzieren. Angesichts des Fehlens von verbindlichen Sozialstandards, der erst ab 2020 vorgesehenen Berücksichtigung von indirekten Landnutzungsänderungen und der Probleme beim Aufbau und der Durchset- zung von robusten Zertifizierungssystemen in vielen Ländern sollte sich die neue Quote am jet- zigen Stand des Biokraftstoffverbrauchs im Ver- kehrssektor von ungefähr fünf Prozent orientie- ren.

2. Die Quote sollte ferner kombiniert werden mit Anreizsystemen, die fortgeschrittenen Biokraft- stoffen der zweiten und dritten Generation zur Marktfähigkeit verhelfen.

3. Biomasse, die von Flächen stammt, bei denen Landkonflikte und ungeklärte Landrechte an- hängig sind, können aufgrund der Risiken für besonders schutzbedürftige Bevölkerungsgrup- pen nicht auf die Quote angerechnet werden.

4. Indirekte Landnutzungsänderungen sollten an- gerechnet werden.

5. Effektive Umweltstandards müssen um Sozial- standards ergänzt werden, um die Einhaltung internationaler Verpflichtungen zu gewährleis- ten. Dazu gehört das Menschenrecht auf an- gemessene Nahrung, das Menschenrecht auf Wasser, die ILO-Kernarbeitsnormen, die ILO- Konvention 169 über die Rechte indigener und in Stämmen lebender Völker und schließlich der Prior Informed Consent mit betroffenen Bevöl- kerungsgruppen. Grundlage für diese Standard- setzung sind die freiwilligen Leitlinien des Zu- gangs zu Land, die 2012 von der internationalen Staatengemeinschaft verabschiedet wurden.

6. Die Programme zur Förderung des Energie- pflanzenanbaus in den Ländern des Südens müssen in nationale Strategien der Ernährungs- sicherung und in eine Flächennutzungsplanung eingebettet sein. Im Fall von Versorgungskrisen müssen sie flexibel anpassbar sein und die loka- len Preiseffekte und ihre Folgen für die Ernäh- rungssicherheit berücksichtigen.

7. Im Rahmen der Entwicklungszusammenar- beit können, neben der dringenden Förderung von erneuerbaren Energieträgern für die ar- men Bevölkerungsschichten, die Partnerländer unterstützt werden, Aspekte der Ernährungssi- cherung und Armutsbekämpfung in die Erar- beitung von biomasserelevanten Strategien und Gesetzen einfließen zu lassen.

Für Brot für die Welt ist eine Energiewende im Verkehrssektor der EU und anderer Länder integ- raler Bestandteil einer weiter gefassten, zukunfts- fähigen und nachhaltigen Mobilität. Im Rahmen dieser ist der verstärkte Einsatz von erneuerba- ren Energien – und hierbei wiederum auch der be- grenzte Einsatz von Biokraftstoffen – ein wichti- ges Element. Doch der Einsatz von Biokraftstoffen muss in einer Balance klimapolitischer, verkehrs- politischer, energiepolitischer und ernährungspo- litischer Anforderungen erfolgen.

Neben dieser Kurzfassung besteht noch eine Lang- fassung der Positionsbestimmung von Brot für die Welt zum Einsatz von Biokraftstoffen.

Impressum

Herausgeber Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst,

Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V., Caroline-Michaelis-Straße 1, 10115 Berlin

Telefon 030 65211 0, E-Mail info@brot-fuer-die-welt.de www.brot-fuer-die-welt.de

Autor Bernhard Walter

Redaktion Maike Lukow, Sonja Weinreich V.i.S.d.P. Klaus Seitz

Foto Florian Kopp

Layout Grafik-Atelier Reinhard Mang Druck RetschDruck, Nagold Gedruckt auf Recycling-Papier Art. Nr. 129 5 0164 0

November 2016, 2. Auflage Spenden

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