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Verständnis mathematischer Fachbegriffe in der Studieneingangsphase

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Academic year: 2021

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In F. Caluori, H. Linneweber-Lammerskitten & C. Streit (Hrsg.), Beiträge zum Mathematikunterricht 2015. Münster: WTM-Verlag

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Kathrin NAGEL, Kristina REISS, München

Verständnis mathematischer Fachbegriffe in der Studieneingangsphase

Beim Übergang von der Schule an die Universität treten insbesondere in mathematisch-naturwissenschaftlich geprägten Studiengängen Schwierig- keiten auf. Als besonders herausfordernd wird dabei die Mathematik ange- sehen. Gründe hierfür sind v. a. die Unterschiede zwischen Schul- und Hochschulmathematik. Besonders das mathematische Argumentieren ge- winnt in der wissenschaftlichen Mathematik an Bedeutung, während das Anwenden von Kalkülen eher in den Hintergrund tritt (Heinze & Reiss, 2004).

Um die Schwierigkeiten beim mathematischen Argumentieren zu untersu- chen, ist es notwendig, die dazu notwendigen Fähigkeiten zu analysieren.

Neben Metawissen über Beweisprozesse und Logik sind Problemlösekom- petenz und elaboriertes Fachwissen Voraussetzungen für mathematische Argumentation (Brunner, 2014). Mit der Elaboration von Fachwissen geht ferner ein Mindestmaß an Verständnis mathematischer Inhalte und Begriffe einher. Die Untersuchung des mathematischen Begriffsverständnisses von Studienanfängern soll daher im Fokus des vorliegenden Beitrags liegen.

1. Begriffsverständnis in der Mathematikdidaktik

Die Psychologen Anderson und Krathwohl (2001) definieren Verstehen allgemein als „construct meaning from instructional messages, including oral, written, and graphic communication“ (S. 70). Etwas spezifischer wird mathematisches Begriffsverständnis von Vollrath (1984) wie folgt defi- niert: „Verständnis kann man … als Ergebnis eines geistigen Prozesses, des Lernens ansehen. Das Lernen eines Begriffs ist dabei eine Zustandsände- rung im Denken [...]. [A]m Ende dieses Vorganges [besitzt der Lernende]

gewisse nachprüfbare Fähigkeiten …, die er zu Beginn … noch nicht be- saß“ (S. 11). Zum Verständnis eines Begriffs gehören nach Vollrath (2001) die Kenntnis der Begriffsbezeichnung (1), das Generieren von Beispielen (2), die Abgrenzung zu anderen Begriffen (3), die Kenntnis charakteristi- scher Eigenschaften (4) sowie die Einbettung in den Kontext (5).

An diese Theorie anlehnend wurde eine Studie entwickelt, die das Ver-

ständnis grundlegender mathematischer Fachbegriffe bezüglich der Aspek-

te (2), (3) und (4) abprüfen soll. Ziel dabei ist es, zunächst die Ausgangsla-

ge der Studierenden zu Beginn ihres Studiums in Bezug auf das mathemati-

sche Begriffsverständnis zu beschreiben.

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2. Studie zum Verständnis mathematischer Fachbegriffe

Die Studie beschäftigte sich mit den vier mathematischen Fachbegriffen Mittelsenkrechte, gleichschenkliges Dreieck, Vektor und seine Repräsen- tanten sowie lineare Unabhängigkeit, die bereits aus der Schule bekannt sind. Zu diesen vier Fachbegriffen wurden je fünf Aufgaben gestellt, bei denen jede der Aufgaben vier Teilaufgaben umfasste. Das Itemformat war offen, um die Studierenden bei der Beantwortung der Fragen nicht zu be- einflussen. Die Aufgaben sollten nacheinander bearbeitet werden – ent- sprechende Hinweise befanden sich auf den Testbögen und wurden zusätz- lich von den Testleitern kommuniziert. Für diesen Beitrag sind drei Aufga- ben der Studie relevant, da die anderen Aufgaben sich auf mathematische Sätze bezogen, die aus den jeweiligen Begriffen gebildet wurden.

Aufgabe 1 erforderte die Angabe eines Beispiels zu den gegebenen Begrif- fen, Aufgabe 2 eine Begründung, warum ein gegebenes Beispiel nicht zu diesen Begriff zählt, und Aufgabe 3 die explizite Angabe zweier wichtiger Eigenschaften dieses Begriffs.

Getestet wurden N=438 Studierende (männlich: N=362; weiblich: N=76;

M

Abiturnote

=1,71; SD

Abiturnote

=0,577) des Maschinenbaus und anderer Ingeni- eurwissenschaften in einem mathematischen Vorkurs des WS 2014/15. Die Teilnahme am Vorkurs und am Test war freiwillig. Die Bearbeitungszeit betrug 30 Minuten. Aufgrund der kurzen Bearbeitungszeit im Vergleich zur Anzahl der Items, wurde der Test in vier Gruppen aufgeteilt. In jeder Gruppe wurde ein Begriff aus allen Aufgaben entfernt, sodass jeder Teil- nehmer nur zu drei Begriffen die fünf Aufgaben bearbeiten musste. Dem- entsprechend wurden die Teilaufgaben zur Mittelsenkrechte von N=328, zum gleichschenkligen Dreieck von N=320, zum Vektor und seinen Reprä- sentanten von N=324 und zur linearen Unabhängigkeit von N=340 Teil- nehmerinnen und Teilnehmern bearbeitet.

3. Deskriptive Ergebnisse

Eine erste Codierung der Ergebnisse erfolgte auf einer dreistufigen Skala:

vollständig korrekte Antwort – korrekte und falsche Aspekte – falsche

Antwort. Eine Aufgabe wurde dann als gelöst angesehen, wenn die Ant-

wort vollständig korrekt war. Abbildung 1 zeigt die prozentualen Lösungs-

raten der Teilnehmer für die drei relevanten Aufgaben (Aufgaben 1 bis 3)

und für jeden Begriff.

(3)

654

Abb. 1: Prozentuale Lösungsraten der ersten drei Aufgaben für jeden Begriff

Die erste Aufgabe wurde von den Studierenden gut gelöst, die Lösungsrate lag bei den Items gleichschenkliges Dreieck und Vektor/Repräsentant bei über 80%. Die Lösungsraten bei den Items zur Mittelsenkrechten sowie zur linearen Unabhängigkeit waren dagegen etwas niedriger (69,1% und 69,2%). Aufgabe 2 wurde fast durchweg sehr gut gelöst, das Item zu Vek- tor/Repräsentant konnten jedoch nur 51,1% der Teilnehmer korrekt beant- worten. Auffällig sind auch die niedrigen Lösungsraten bei Aufgabe 3. Bei dieser Aufgabe wurde lediglich das Item zum gleichschenkligen Dreieck gut gelöst, die prozentuale Lösungsrate lag bei 70,5%. Eine detailliertere Analyse der Antworten zur Aufgabe 3 zeigt Abbildung 2.

Abb. 2: Detaillierte Analyse der Antworten für Aufgabe 3

Aufgabe 3 erforderte die explizite Angabe zweier wichtiger Eigenschaften eines Begriffs. Auffällig ist, dass die Hälfte der Studierenden der Mittel- senkrechten zwar eine richtige, aber auch eine falsche Eigenschaft zuwies.

Des Weiteren lösten 70,5% der Teilnehmer das Item zum gleichschenkli- gen Dreieck korrekt. Die Aufgaben zu Vektor/Repräsentant sowie zur line- aren Unabhängigkeit fielen den Studierenden eher schwer. Bei diesen bei- den Items konnten nur etwa 28% zwei korrekte Eigenschaften angeben.

39,5% der Teilnehmer wiesen den Vektor/Repräsentanten sogar nur falsche Eigenschaften zu.

0%

100%

Aufgabe 1: Beispiel angeben.

Aufgabe 2: Begründen, warum etwas nicht unter

diesen Begriff fällt.

Aufgabe 3: Zwei Eigenschaften angeben.

Lösungsraten in Prozent

Mittelsenkrechte Gleichschenkliges Dreieck

Vektor/Repräsentanten Lineare Unabhängigkeit

40,9% 70,5%

28,1% 27,6%

2,1%

8,5%

4,6% 26,2%

50,0% 10,7%

22,5%

17,1%

5,8% 10,3%

39,5% 19,1%

0%

50%

100%

Mittelsenkrechte Gleichschenkliges Dreieck

Vektor/

Repräsentanten

Lineare Un- abhängigkeit Aufgabe 3: Angabe zweier Eigenschaften

(mind.) zwei richtige Eigenschaften nur eine richtige Eigenschaft

(4)

655

4. Diskussion

Die Studierenden konnten vielfach korrekte Beispiele zu den Begriffen an- geben (Aufgabe 1). Zur linearen Unabhängigkeit konnten allerdings nur 69,2% der Teilnehmer treffende Beispiele nennen. Dies kann mit der hohen Komplexität des mathematischen Fachbegriffs erklärt werden. Nicht plau- sibel erscheint zunächst die verhältnismäßig niedrige Lösungsrate der Mit- telsenkrechten bei Aufgabe 1. Eine genauere Analyse zeigt hier, dass einige Studierende die Höhe eines Dreiecks mit der Mittelsenkrechten verwech- selten. Im Gegensatz dazu beantworteten jedoch 86,5% das Item zur Mit- telsenkrechten in Aufgabe 2 korrekt. Hier zeigt eine genauere Untersu- chung, dass die Wahl des konkreten Beispiels, das die Studierenden von dem Begriff abgrenzen sollten, ungeschickt war. Dieses Item konnten lei- der auch Studierende korrekt lösen, die die Mittelsenkrechte mit der Höhe verwechselten. Die Items zum Vektor/Repräsentanten in den Aufgaben 2 und 3 wurden von wenigen Studierenden korrekt beantwortet. Dies könnte daran liegen, dass sowohl in Schulbüchern als auch im schulischen Mathe- matikunterricht die Begriffe Vektor und Repräsentant nach der Einführung oft synonym verwendet werden (Tietze, Klika & Wolpers, 2000). Die Er- gebnisse der Studie weisen außerdem darauf hin, dass eine Diskrepanz zwi- schen explizitem und implizitem Wissen vorliegen könnte. Während das Lösen der Aufgaben 1 und 2 implizit mit den Eigenschaften der Begriffe möglich war, mussten in Aufgabe 3 diese explizit angegeben werden. Die Lösungsraten lagen bei den Fachbegriffen Mittelsenkrechte, Vektor/Reprä- sentant und lineare Unabhängigkeit unter 50%. Weitere Analysen sollen den Bezug zum Verständnis mathematischer Sätze (Aufgaben 4 und 5) her- stellen, um den Einfluss auf mathematisches Argumentieren zu analysieren.

Literatur

Anderson, L. W., & Krathwohl, D. R. (2001). A taxonomy for learning, teaching, and assessing – A revision of Bloom‘s taxonomy of educational objectives. New York:

Longman.

Brunner, E. (2014). Mathematisches Argumentieren, Begründen und Beweisen: Grund- lagen, Befunde und Konzepte. Berlin Heidelberg: Springer.

Heinze, A., & Reiss, K. (2004). The teaching of proof at the lower secondary level – a video study. Zentralblatt für Didaktik der Mathematik, 36(3), 98-104.

Tietze, U.-P., Klika, M., & Wolpers, H. (2000). Mathematikunterricht in der Sekundar- stufe II. Didaktik der Analytischen Geometrie und Linearen Algebra. Braunschweig:

Vieweg.

Vollrath, H.-J. (1984). Methodik des Begriffslehrens im Mathematikunterricht. Stuttgart:

Klett.

Vollrath, H.-J. (2001). Grundlagen des Mathematikunterrichts in der Sekundarstufe.

Heidelberg Berlin: Spektrum Akademischer Verlag.

Abbildung

Abb. 2: Detaillierte Analyse der Antworten für Aufgabe 3

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