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Jugendmedienschutz: Eine Online-Konsultation

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Jugendmedienschutz: Eine Online-Konsultation

Kai Burkhardt | 9 Kommentar(e) www.carta.info

Es ist eine Ironie der Technikgeschichte, dass die Zukunft des Internets, seine Ordnung und Regulierung teilweise durch den lange belächelten Jugendschutz entschieden werden könnte.

Ein Aufruf zur Beteiligung.

15.07.2011 |

Der siebzehnjährige Berliner Bahadir muss die nächsten anderthalb Jahre psychisch behandelt werden. Eine Clique von zwanzig Jugendlichen hatte ihm im März 2011 im U-Bahnhof Osloer Strasse schwere Kopfverletzungen zugefügt. Grund: Er wollte seine Freundin verteidigen, die im Internet Opfer von anonymen Beleidigungen und Verleumdungen geworden war. Die Täter waren Schulkameraden.

Bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt sind gegen die Seite iSharegossip sechzig

Strafanzeigen eingegangen. Die Seite iSharegossip, die mittlerweile nicht mehr zugänglich ist, war hauptsächlich dazu genutzt worden, Mitschüler und Jugendliche psychisch zu

terrorisieren. Wenn man bedenkt, dass quasi alle Schüler Internetnutzer sind, erscheint die Zahl nicht groß. Doch nach einer Forsaumfrage geben 36 Prozent aller Jugendlichen an, schon einmal Opfer von Cyberattacken gewesen zu sein und das wäre eine immens hohe Zahl.

Es ist eine Ironie der Technikgeschichte, dass die Zukunft des Internets, seine Ordnung, Regulierung und Durchlässigkeit, ausgerechnet durch den lange belächelten

Jugendschutz entschieden wird. Genau das aber wird passieren. Während nämlich andere Probleme wie Internetpiraterie oder Datenschutz zumindest manchmal auch

digitalkommunistische oder Robin-Hood-artige Betrachtungsweisen erlauben, hört bei Kindern und Jugendlichen der Spaß auf.

Für Politiker gilt dies besonders, denn es gibt keine härtere Opposition als besorgte Eltern.

Vereine wie „Mütter gegen Krieg“ oder „Mütter gegen Atomkraft“ sind für Politiker weitaus unangenehmer als die parlamentarische Opposition. Die „madres de la plaza mayo“ umrunden seit 1977 jeden Donnerstag in stillem Protest den Platz vor dem Regierungssitz.

Man braucht nicht viel Empathie, um sich vorzustellen, was der jeweilige Präsident dabei empfindet. Nach dem Supergau von Tschernobyl brachen alle gut gemeinten

Kommunikations- und Beschwichtigungsstrategien in sich zusammen, als besorgte Väter und Mütter auf die Strasse gingen. Eine politische Klasse, die den Schutz von Kindern und Jugendlichen nicht gewähren kann, ist am Ende.

Davon abgesehen gibt es in Deutschland ein Verfassungsrecht, das Kindern und Jugendlichen die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit garantiert. Die meisten sind sich darin einig, dass frei zugängliche Pornographie und aggressives cyberbullying diese Entwicklung beeinträchtigen.

Wie also ist dem Problem beizukommen?

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Die Bundesländer, die in Deutschland für Medien zuständig sind, haben die undankbare Aufgabe, dieses Problem zu lösen. Bei der Suche nach einer Antwort, die irgendwo zwischen der ägyptischen Lösung (Abschalten des Internets) oder der chinesischen (Filtertechniken und psychologischer Druck auf Netzseitenbetreiber) einerseitts und einer umfassenden

Liberalisierung andererseits liegen muss, stoßen sie jedoch erwartungsgemäß an Grenzen.

In seiner heutigen Form kann das international strukturierte Internet kaum von

nationalstaatlicher Seite reguliert werden. Aber da weder von der Europäischen Union noch von irgend einer anderen Seite in absehbarer Zeit ein Vorstoß zu erwarten ist, fällt das

Problem an die Nationalstaaten zurück. Eine mögliche Lösung wäre, das Internet insgesamt zu nationalisieren, was in schleichenden Prozessen schon vollzogen wird. Aber will man das?

Eine Alternative könnte sein, die Nutzer selbst stärker an der Lösung zu beteiligen. Auch dies geschieht zum Teil schon. Selbsthilfegruppen installieren Instrumente wie we rate it, die eine Alterskennzeichnung der Seiten durch die Nutzer ermöglichen. Ein Selbstversuch der

Aktivistengruppe AK Zensur hat allerdings ergeben, dass achtzig Prozent der Nutzer falsche Altersempfehlungen geben – jedenfalls wenn man die Kategorien des analogen

Jugendmedienschutzes zum Maßstab nimmt. Ist die sogenannte Schwarmintelligenz, also die gemeinsame Aufmerksamkeit und Beratung aller Internetnutzer, vielleicht gar nicht in der Lage, einheitliche, objektive Kategorien zu entwickeln?

Vielleicht hilft die viel beschworene Medienkompetenz. Der einzige Ort, an dem ein ganzer Jahrgang von Jugendlichen erreicht werden kann, ist jedoch die Schule und der fehlt es an technischen und pädagogischen Vorraussetzungen. Die finanzielle Ausstattung von Schulen müsste erheblich aufgestockt werden, wenn man schnelle Abhilfe erwartet. Wir müssten darüber streiten, wieviel uns das wert ist.

Zu allem Überfluss haben wir es mit Problemen zu tun, die aus der analogen Welt weitgehend unbekannt und infolgedessen auch unerforscht sind. Die Frage ist allerdings: Haben wir Zeit, jahrelang Daten zu erheben, während Kinder und Jugendliche gleichzeitig den Gefahren des Netzes ausgeliefert bleiben?

Bleiben am Ende vielleicht doch nur immer feinere Filterprogramme, die heute schon von Providern und privaten Unternehmen angeboten werden?

Das sind ernsthafte Fragen, die eine breite Diskussion verdient hätten. Sie sind komplex und man benötigt etwas technischen Sachverstand zu Funktionsweisen des Internets, um in die Diskussion einzusteigen. Die Schlichtungsgespräche in Stuttgart, aber durchaus auch die Diskussion um die gescheiterte Novelle des Jugendmedienschutzstaatsvertrages haben gleichwohl gezeigt, dass in der Bevölkerung teils verblüffendes Detailwissen vorhanden ist und stille Beobachter ohne Amt und Beruf zahlreiche neue Gesichtspunkte in die Diskussion einbringen konnten. Was aber ist der geeignete Weg, dieses Wissen abzurufen?

Die politische Klasse experimentiert seit den Stuttgarter Gesprächen mit verschiedenen Formen der Bürgerbeteiligung und auch Nordrhein-Westfalen gehört zu den Ländern, die versuchen, breitere Schichten an der Diskussion zu beteiligen. Niemand wird bestreiten, dass diese Online-Konsultationen bislang noch Experimentalcharakter haben. „Wir lernen im Vorwärtsgehen“, wie der zuständige Staatssekretär Marc Jan Eumann formulierte.

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Eine der nun initiierten Plattformen zum Jugendmedienschutz ist www.jugendmedienschutz- gestalten.de, die an eine Veranstaltung auf dem Medienforum NRW anschließt und vom Autor dieses Textes mitbetrieben wird.

Es ist der Sache übrigens nicht besonders zuträglich, die Beteiligung an der Diskussion zu verweigern, weil das Design des Angebotes nicht gefällt. Die Diskussion wird ohnehin nicht auf einer einzigen Seite stattfinden und kann sich für alle nachvollziehbar mal hierhin, mal dorthin verlagern. So ist die Natur des Internets und das ist gewiss kein Nachteil. Die Hauptsache ist, dass die Diskussion überhaupt noch einmal in Gang kommt.

Eine „verbriefte Wirkung“, wie sie der Medienpädagoge Jürgen Ertelt fordert, kann man von einer Bürgerkonsultation freilich nicht erwarten. Entscheiden müssen am Ende, so lange man die Verfassung nicht ändert, eben doch die Landtage. Was die Länder jedoch leisten werden, ist eine eingehende Prüfung der Beiträge und daran werden sie sich messen lassen. Die Laufzeit der Konsultation hat die Staatskanzlei in Düsseldorf bis zum 7. August um drei Wochen verlängert.

Kai Burkhardt ist Mitarbeiter beim Institut für Medien- und Kommunikationspolitik gGmbH.

Das Institut betreibt die Site www.jugendmedienschutz-gestalten.de. Beiträge sind dort herzlich willkommen.

9 Kommentare

1. Sophie E. | 18.07.2011 | 23:46 | permalink

Die Politik hat entsprechende Schritte in den vergangenen Jahren verpennt, jetzt ist es zu spät für solche Regulierungsversuche; Jugendschutzfilter würden zwangsläufig zur staatlichen Medienzensur mißbraucht werden, was unserer dieser Tage ausgehöhlten Demokratie den Todesstoß versetzen könnte – in Form unzähliger kaum spürbarer Nadelstiche. Seht euch nur einmal an, welchen Skandal wir gerade jetzt im Hinblick auf die britische Regierung erleben, Stichworte Murdoch – Cameron. Meint ihr, das läuft bei uns anders? Wie verbunden die Medien mit der Politik sind, welche sich wiederum von der Wirtschaft auszahlen lässt – darüber informieren große deutsche Tageszeitungen und deren Netzausgaben heute nur noch auf Lobbybefehl, oder wenn sie selbst einen triftigen Grund sehen, der “Konkurrenz” zu schaden, ihre eigene Unschuld darzustellen. Eine echte journalistische Ethik kann sich dieses Land leider nicht leisten, deswegen ist freie Meinungsäußerung (von unten) unsere letzte Bastion der Freiheit. Das Internet darf in keinster Weise zensiert werden.

Was die Jugend angeht, so sind die Generationen Y und Z bereits in einem

irreversiblen Maße geschädigt, aber auch bereichert worden. Jetzt versucht man, die Bereicherung unter Vorsatz des Schutzes vor Beschädigung wegzunehmen. Ich finde, Sexualerziehung und die Vermittlung von Fairness gehört ins Repertoire der Eltern.

Der Konsum von harter Pornographie sowie das weitverbreitete E-Bullying kann eh nicht mehr rückgängig gemacht werden. Proxyserver umgehen nationale Schranken, die Kids haben eine weitaus höhere Technikkompetenz als wir Erwachsenen. In Sachen Wertevermittlung / Medienkompetenz sollten wir, die wir noch aus Büchern

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gelernt haben, im ständigen Dialog bleiben. Und vielleicht zuallererst selber aufhören, frei verfügbare Pornographie zu konsumieren; Vielleicht einmal über das

Konkurrenzprinzip sinnieren, wie wir es tagtäglich im Job reproduzieren. Die Heuchelei wird langsam unerträglich.

2. maci | 19.07.2011 | 09:01 | permalink

Die Jugend kommt an alles heran was sie möchte.Es gibt immer Mittel und Wege…

3. Alex | 20.07.2011 | 23:49 | permalink

Die Jugendschutzdebatte ist in ihrem Grundsatz sicherlich wichtig, doch wie bereits Sophie E. geschrieben hat, ist die Technikkompetenz der jungen Generation so hoch (bzw. die Umgehungsmöglichkeiten sind so einfach), dass jegliche Sperren

fehlschlagen werden.

Daher erscheinen mir eine Schulung der Medienkompetenz und eine zentrale, einfach verwendbare Beschwerdestelle gegen verfassungswidrige Internetangebote für

angebracht. Letztere könnte zumindest gegen die härtesten Fälle vorgehen, die über das Urteil “jugendgefährdend” hinausgehen. Es muss dabei zur Beseitigung der eigentlichen Website, nicht zu einer Sperrung, kommen.

4. lilatier | 21.07.2011 | 11:33 | permalink psychisch behandelt?

nicht eher psychologisch oder gar psychiatrisch?

maybe?

5. Martin / Wandkamin.net | 23.07.2011 | 13:13 | permalink

Ich glaube auch, dass es nicht darum gehen sollte Sachen zu verbieten oder zu sperren, da das was gesperrt wird immer noch attraktiver macht – so ist leider der Lauf der Dinge!

Inwiefern eine Schulung Sinn macht – davon bin ich auch noch nicht so überzeugt ich glaube die Kinder und Jugendlichen müssen einen Teil der Konsequenzen auch selbst erfahren, die sie damit anrichten können, allerdings muss dafür gesorgt werden (in der Erziehung), dass diese nicht zu groß ausfallen.

6. Uwe | 28.07.2011 | 20:50 | permalink

Was die ganze Diskussion mal wieder zeigt, ist, dass das Internet nicht für Kinder und Jugendliche geeignet ist. Filter sind schön, funktionieren aber nicht. Komerziell gesponserte Einstiegsportale wie “fragfinn” sind kein Schutz und keine Lösung. Es braucht eben Fähigkeiten bei den Nutzern, die kein Kind und kein Jugendlicher altersgemäß haben kann. Demnach müssen wir begreifen: Medienkompetenz beginnt mit Medienabstinenz! Dabei ist nicht die Frage, ob es bisher anders ist, sondern wie wir es für die Zukunft gestalten können. Die Computer müssen wieder raus aus den Grundschulen und die sinnvolle Einführung des Internets darf erst im Jugendalter stattfinden. Alles andere ist Augenwischerei. Und solange dass die Politik und die

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Gesellschaft nicht begreift, werden wir noch viele virtuelle und reale Opfer unter Kindern und Jugendlichen zu beklagen haben, leider.

Ausführliches hierzu können Sie auch auf meiner Webseite: http://www.erziehung- zur-medienkompetenz finden.

7. Laura | 01.08.2011 | 20:32 | permalink

Man kann es doch eh schon nicht mehr verhindern. Als ich Kind war gab es kein Internet und keine Brenner, da war noch alles einfacher zu kontrollieren. Der einzige VHS stand im Wohnzimmer.

8. Kaffee | 03.08.2011 | 11:48 | permalink

Irgendwann wird das Leben noch stärker im Internet ablaufen. Soziales Verhalten wird hier enorm manipuliert, Grenzen aus dem Internet(die es ja kaum gibt) werden in den Alltag übertragen. Skrupellosigkeit und Fehlverhalten werden verharmlost und falsch wahrgenommen. Selbst enge Zusammenarbeit mit der Polizei verbessert dies nicht. Die Jugend hat bereits das Rad ins rollen gebracht und man muss zuschauen.

Nicht nur neue Plattformen, sondern auch Facebook & Co. verändern schon heute das soziale Empfinden und Denken enorm. Das Verlangen im Rampenlicht zu stehen steigt und lässt Sitte & Moral untergehen.

9. Daniel Deutsch | 09.08.2011 | 10:51 | permalink

1. Ich war gestern an unserem Regierungssitz, da umkreisten gar keine Mütter irgendein Gebäude. Welcher Regierungssitz, wird ja im Artikel nicht erwähnt.

2. Kinder werden dadurch geschützt, indem Eltern sich kümmern, was die Ableger im Netz treiben.

3. Jugendliche müssen nur vor Gewalt geschützt werden, jedoch im selben Maße online wie in der richtigen Welt.

Bei Gewalt in der Schule kümmert sich auch kein Jugendschützer.

4. Dass Pornographie Jugendlichen Schaden zufügt, entspringt der Phantasie der Alten uns ist eine Variante des üblichen “Diese Jugend heutzutage, wir damals…”

Dafür gibt es wissenschaftliche Untersuchungen, die das Gegenteil erbrachten, was Jugendschützeer, was immer auch das ist, uns weismachen wollen.

5. Sitte und Moral gehen in den Augen der Alten schon immer unter, auch vor 1.000 Jahren.

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