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Verwaltungsgericht Trier Urteil vom

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Hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einem Asylsuchenden 16 Monate lang keine Möglichkeit zur Stellung eines förmlichen Asylantrags im Sinne des § 14 Abs 1 AsylG eingeräumt, so muss es sich, wenn der Asylsuchende nach 13 Monaten Untätigkeitsklage auf Bescheidung seines Asylantrags erhebt, so behandeln lassen, als ob der förmliche Asylantrag innerhalb von drei Monaten nach Äußerung des formlosen Asylgesuchs gestellt worden sei.

Bei einer derartigen Untätigkeitsklage, bei der keine Veranlassung zur Aussetzung des Verfahrens nach § 75 Satz 3 VwGO besteht, ist das Verwaltungsgericht nicht verpflichtet, im Wege des so genannten Durch- entscheidens über den geltend gemachten Asylanspruch zu entscheiden. Vielmehr kommt nur eine Verpflich- tung der Beklagten zur Fortführung des Asylverfahrens und Bescheidung des Asylantrags in Betracht.

(Amtliche Leitsätze) 5 K 3658/15.TR

Verwaltungsgericht Trier Urteil vom 21.03.2016

In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Flüchtlingsrechts (Eritrea)

hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier am 21. März 2016 durch Richter am Verwaltungsgericht ... als Einzelrichter

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verpflichtet, das Asylverfahren des Klägers fortzuführen und über den von ihm gestellten Asylantrag zu entscheiden.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

T a t b e s t a n d :

Der Kläger, der seinen Angaben zufolge 1982 geboren und eritreischer Staatsangehöriger ist, begehrt eine Bescheidung des von ihm am 28. Oktober 2014 bei der Polizeiinspektion ... geäußerten Asylgesuchs. Bei dieser Gelegenheit wurden ihm eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender und eine als

„Wichtige Mitteilung“ überschriebene „Belehrung nach § 20 Abs. 2 AsylVfG“ ausgestellt.

Nachfolgend meldete der Kläger sich am 30. Oktober 2014 bei der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Trier und wurde von dieser am 16. Dezember 2014 unter Bezugnahme auf § 50 Asylverfahrensgesetz – AsylVfG – der Stadtverwaltung ... zugewiesenen.

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Ein von der Beklagten – bereits unter dem Aktenzeichen 5840762-224 – für den 24. März 2015 vorgesehener Termin zur persönlichen Asylantragstellung wurde von dieser am 13. März 2015 aus organisatorischen Gründen aufgehoben, ohne dass dem Kläger seitens der Beklagten nachfolgend – wie angekündigt – ein neuer Termin mitgeteilt wurde; auf entsprechende Nachfrage seiner Prozessbevollmächtigten vom 1. Juli 2015 reagierte die Beklagte nicht.

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Alsdann beantragte der Kläger im Oktober 2015 bei dem erkennenden Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend, die Beklagte zu verpflichten, seinen Asylantrag förmlich entgegenzunehmen, zu registrieren und zu bescheiden. Diesen Antrag lehnte die erkennende Kammer mit Beschluss vom 9.

November 2015 – 5 L 3321/15.TR – ab und begründete ihre Entscheidung damit, dass der Kläger keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht habe.

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Daraufhin hat der Kläger am 1. Dezember 2015 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass die Beklagte ge- mäß Art. 6 Abs. 1 der in Deutschland nicht fristgerecht umgesetzten Richtlinie 2013/32/EU – Asylverfahrens- richtlinie – verpflichtet gewesen sei, seinen Asylantrag spätestens drei Arbeitstage nach Einreichung des Asylgesuchs zu registrieren. Da sie dem nicht nachgekommen sei, müsse sie sich so behandeln lassen, als ob er – der Kläger – den Asylantrag Ende Oktober 2014 gestellt habe. Von daher habe die Beklagte seinen Asylantrag bislang ohne zureichenden Grund nicht bearbeitet und beschieden, so dass die Klage als Untätigkeitsklage im Sinne des § 75 VwGO zulässig sei und in der Sache Erfolg haben müsse.

.

Am 28. Januar 2016 bestimmte die Beklagte alsdann für den 19. Februar 2016 einen Termin zur Aktenanlage und erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers, der durchgeführt wurde.

.

Der Kläger, der sich ebenso wie die Beklagte, die eine generelle Einverständniserklärung abgegeben hat, mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hat, beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, sein Asylverfahren fortzuführen und den von ihm gestellten Asylantrag zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

das Verfahren auszusetzen und eine angemessene Frist für die Entscheidung festzusetzen, und ersichtlich hilfsweise, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass im Asylrecht Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage sei, dass der Asylbewerber vor Klageerhebung bei der Beklagten einen Antrag im Sinne des § 24 Abs. 4 AsylG auf Mitteilung gestellt habe, bis wann voraussichtlich über seinen Asylantrag entschieden werde. Daran fehle es vorliegend.

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Im Übrigen verweist sie darauf, dass eine Anhörung gerichtlich nicht einklagbar sein. Unabhängig davon liege ein zureichender Grund für die bislang nicht erfolgte Bescheidung des Asylantrags des Klägers vor, so dass das Verfahren für eine angemessene Zeit auszusetzen sei. Die Zahl der Asylanträge sei seit dem Jahr 2008 exorbitant gestiegen und die vorübergehende Erhöhung der Verfahrensdauer gegenwärtig unvermeidlich sei.

Den damit verbundenen Herausforderungen im Asylbereich werde durch organisatorische Umverteilungs- maßnahmen und Priorisierungsentscheidungen Rechnung getragen. Derzeit würden vorrangig Asylverfahren aus dem Westbalkan, aus Syrien, Irak und Altfälle aus den Jahren 2013 und älter bearbeitet. Außerdem bemühe man sich derzeit um die Einstellung neuer Mitarbeiter.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 2. Februar 2016 den Rechtsstreit dem Einzelrichter übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die vorgelegte Verwaltungsakte.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungs - gerichtsordnung - VwGO – ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist zulässig und begründet; die Beklagte ist zur Fortführung des Verfahrens und zur Entscheidung über den Asylantrag des Klägers verpflich- tet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Die Klage ist in dem gemäß § 77 Abs. 1 Asylgesetz – AsylG – maßgebenden Zeitpunkt der jetzigen Entscheidung als Untätigkeitsklage im Sinne des § 75 VwGO zulässig.

Nach Satz 1 dieser Bestimmung ist eine Klage zulässig, wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist.

Allerdings bestimmt § 75 Satz 2 VwGO u.a., dass eine Klage nicht vor Ablauf von drei Monaten seit dem Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes erhoben werden kann, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist.

Vorliegend sind seit der Stellung des Asylantrags des Klägers mehr als drei Monate vergangen, ohne dass die Beklagte bislang eine Entscheidung getroffen hätte. Dass der Kläger bei der Beklagten vor mehr als drei Monaten einen Asylantrag gestellt hat, ergibt sich aus Folgendem:

Gemäß § 13 Abs. 1 AsylG liegt ein Asylantrag vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers, der gemäß Abs. 3 der Norm u.a. bei der Polizei kundgetan werden kann, entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm Verfolgungsmaßnahmen

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der in dieser Vorschrift genannten Art drohen. Allerdings regelt § 14 Abs. 1 AsylG in Einklang mit Art. 6 Abs.

1 der im Zeitpunkt der Äußerung des Asylgesuchs durch den Kläger geltenden Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft, die vom Grundsatz her zum 21. Juli 2015 durch die im wesentlichen inhaltsgleiche Bestimmungen des Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des inter- nationalen Schutzes ersetzt wurde, die Formalien, die bei der Antragstellung zu beachten sind. Des Weiteren bestimmt nunmehr Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU – anders als die vorherige Richtlinie –, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass eine Person, die einen nach Abs. 1 der Norm spätestens innerhalb von 6 Arbeitstagen nach Antragstellung bei der zuständigen Behörde zu registrierenden Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, tatsächlich die Möglichkeit hat, diesen so bald wie möglich förmlich zu stellen.

Demnach ist, da ein Ausnahmefall des § 14 Abs. 2 und 3 AsylG nicht vorliegt, der Asylantrag persönlich bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der für die Aufnahme des Ausländers zuständigen Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist. so dass grundsätzlich erst mit dieser persönlichen Antragstellung ein formgerechter von der Beklagten zu bescheidender Asylantrag vorliegt.

Allerdings muss gesehen werden, dass der Mitgliedstaat, in dem sich der Asylbewerber befindet, darauf zu achten hat, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren verschlimmert wird (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 –, juris), wobei auch berücksichtigt werden muss, dass die in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist – Dublin III-VO – geregelten Fristen für eine Klärung der Frage, welcher Staat zuständig ist, an die vorherige (förmliche) Asylantragstellung anknüpfen.

Von daher verstößt es nach Auffassung der Kammer gegen die Verpflichtung der Beklagten zur Gewähr- leistung eines fairen, nicht unangemessen lange dauernden Verfahrens, wenn – wie vorliegend – zwischen formloser und formgerechter Asylantragstellung aus in der Sphäre der Beklagten liegenden Gründen ein Zeitraum von fast 16 Monaten liegt.

Insoweit muss ferner gesehen werden, dass durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722) § 63a in das seinerzeit noch als Asylverfahrensgesetz bezeichnete Gesetz eingefügt wurde, wonach einem Ausländer, der (formlos) um Asyl nachgesucht, aber noch keinen (förmlichen) Asyl- antrag gestellt hat, unverzüglich eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender ausgestellt wird, die auf längstens einen Monat zu befristen ist und ausnahmsweise um jeweils längstens einen Monat verlängert werden kann, wenn dem Ausländer bis zum Ablauf der Frist keine förmliche Asylantragstellung möglich war.

Die in der Bundestags-Drucksache 18/6185 hierzu enthaltene Gesetzesbegründung hat folgenden Wortlaut:

(5)

„Schon bisher wird einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BüMA) ausgestellt. Sie dient ausschließlich dem Nachweis, dass der Ausländer beabsichtigt, einen Asylantrag zu stellen, und berechtigt ist, sich zur für seine Aufnahme und Unterbringung zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu begeben und bei der zuständigen Außenstelle des BAMF einen Asylantrag zu stellen. Derzeit ist sie regelmäßig auf eine Woche befristet.

Um zu verhindern, dass Ausländer, bei denen sich die Asylantragstellung über den Zeitraum von einer Woche hinaus verzögert, ohne Nachweis für ihre Eigenschaft als Asylsuchender bleiben, wird die BüMA nunmehr gesetzlich geregelt und es werden Vorschriften für ihren Inhalt, ihre Erteilung und ihr Erlöschen festgelegt. Um praktischen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, wird die Gültigkeitsdauer auf längstens einen Monat ausgedehnt, Verlängerungen sind jedoch auf Ausnahmesituationen zu beschränken und nur möglich, wenn der Ausländer aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert ist, den Asylantrag innerhalb der bestimmten Frist zu stellen.“

Ausgehend hiervon ist die Kammer der Überzeugung, dass die Beklagte ursprünglich eine einwöchige Frist und nachfolgend der Bundesgesetzgeber im seinerzeitigen Gesetzgebungsverfahren grundsätzlich einen ein- monatigen Zeitraum als angemessen ansah, um einem Asylsuchenden eine förmliche Asylantragstellung zu ermöglichen.

Die vorstehend genannte Monatsfrist wurde dann mit dem Datenaustauschverbesserungsgesetz vom 2. Februar 2016 (BGBl. I S. 130) auf sechs Monate verlängert, wobei in der diesbezüglichen Gesetzesbegründung (Bundestags-Drucksache 18/7043) ausgeführt wurde, dass die Änderung die maximale Gültigkeitsdauer des Ankunftsnachweises betrifft und sich an der Gültigkeitsdauer von vorläufigen Personalausweisen für deutsche Staatsangehörige orientiert.

Ausgehend hiervon ist die Kammer – auch unter Berücksichtigung des in der Dreimonatsfrist des § 75 Satz 3 VwGO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens, dass die Verwaltung grundsätzlich verpflichtet ist, über Anträge so rasch wie möglich zu entscheiden (vgl. hierzu auch Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. § 75, Rd.-Nr.

8) – der Überzeugung, dass die Beklagte – jedenfalls bei bereits im Jahr 2014 geäußerten Asylgesuchen – verpflichtet war, einem Asylsuchenden spätestens innerhalb von drei Monaten nach Stellung eines formlosen Asylantrags eine Möglichkeit zur Stellung eines förmlichen Asylantrags einzuräumen. Kommt sie dem nicht nach, muss sie sich – sofern eine fehlende förmliche Antragstellung ihre Ursache nicht in der Sphäre des Asylsuchenden hat – zur Überzeugung der Kammer so behandeln lassen, als habe sie dem Asylsuchenden innerhalb dieser Frist eine Möglichkeit zur förmlichen Antragstellung eingeräumt.

Demnach muss sich die Beklagte im vorliegenden Verfahren so behandeln lassen, als ob der Kläger seinen förmlichen Asylantrag bis Ende Januar 2015 gestellt hätte. Darauf, dass dem Kläger nunmehr im Februar 2016 – während des laufenden Klageverfahrens – die Möglichkeit zur Stellung eines förmlichen Asylantrags eingeräumt wurde, kommt es insoweit nicht an.

Von daher sind die Voraussetzungen des § 75 Satz 2 VwGO, wonach eine Untätigkeitsklage nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Antragstellung erhoben werden kann, vorliegend erfüllt, nachdem der (förmliche)

(6)

Asylantrag des Klägers seit nahezu 14 Monaten als gestellt gilt, ohne dass bislang über ihn entschieden worden ist.

Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf einen Beschluss des VG Regensburg vom 6. Juli 2015 - RN 1 K 15.31185 -, juris, die Auffassung vertreten hat, dass im Asylrecht weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage sei, dass der Asylbewerber vor Klageerhebung bei der Beklagten einen Antrag im Sinne des § 24 Abs. 4 AsylG auf Mitteilung gestellt habe, bis wann voraussichtlich über seinen Asylantrag entschieden werde, teilt die Kammer dieser Auffassung nicht.

Diese Bestimmung muss im Zusammenhang mit Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.

Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft - Verfahrensrichtlinie - gesehen werden, der zufolge die Mitgliedstaaten sicher- stellen, dass das Prüfungsverfahren, in dem Asylanträge bearbeitet werden, unbeschadet einer angemessenen und vollständigen Prüfung der Anträge so rasch wie möglich zum Abschluss gebracht wird und der Asylbewerber für den Fall, dass innerhalb von sechs Monaten keine Entscheidung ergehen kann, a) über die Verzögerung informiert wird oder b) auf sein Ersuchen hin über den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen mit einer Entscheidung über seinen Antrag zu rechnen ist, unterrichtet wird, wobei allerdings diese Unterrichtung für den Mitgliedstaat keine Verpflichtung gegenüber dem Asylbewerber begründet, innerhalb dieses zeitlichen Rahmens eine Entscheidung zu treffen.

Diese europarechtliche Verpflichtung hat die Bundesrepublik Deutschland mit der Änderung des § 24 AsylG durch Gesetz vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970/1997) in nationales Recht umgesetzt, wobei es in der Gesetzesbegründung in der BT-Drucksache 16/5065 auf Seite 216 heißt:

„Absatz 4 setzt Artikel 23 Abs. 2 der Verfahrensrichtlinie um. Die Regelung verpflichtet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, auf Antrag mitzuteilen, innerhalb welcher Frist mit einer Entscheidung zu rechnen ist. Eine Verpflichtung zur Entscheidung innerhalb der angegebenen Frist wird hierdurch nicht begründet.“

Von daher ergeben sich aus den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber durch § 24 Abs. 4 AsylG die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO ein- schränken wollte, zumal die nicht antragsgebundene Informationspflicht des Art. 23 Abs. 2a der Richtlinie 2005/85/EG nicht in nationales Recht umgesetzt wurde.

Hinzu kommt, dass der europäische Richtliniengeber die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu einer zügigen Bearbeitung von Asylverfahren in Art. 31 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internatio- nalen Schutzes zur Neufassung der Richtlinie 2005/85/EG – neue Asylverfahrensrichtlinie – erneut bekräftigt hat.

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Demzufolge stellt eine vorherige Antragstellung im Sinne des § 24 Abs. 4 AsylG zur Überzeugung des Gerichts keine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Erhebung einer Untätigkeitsklage im Bereich des Asylrechts dar (so auch VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 24 K 992/14.A. -, juris), zumal einer Mitteilung im Sinne der Norm keine Regelungswirkung zukommt, da es sich bei ihr um eine gemäß § 44a VwGO nicht einklagbare unselbständige Verfahrenshandlung handelt (vgl. Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, Band 3, B2. Rdnr. 64; s. auch VG Stuttgart, Urteil vom 3. Februar 2015 - A 6 K 3840/14 -, juris, und Urteil des VG Regensburg vom 7. Dezember 2015 – RN 3 K 15.31905 –), so dass die erhobene Klage als Verpflich- tungsklage in der Form der Untätigkeitsklage zulässig ist.

Dem steht auch § 44a VwGO nicht entgegen, denn die Klage ist nicht auf eine Verfahrenshandlung im Sinne dieser Norm gerichtet, da der Kläger eine abschließende Bescheidung seines Asylantrags erstrebt, denn der beim Bundesamt gestellte Antrag zielt auf dessen positive Bescheidung (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 1991 – 3 C 56/90 –, juris).

Im Übrigen fehlt es der auf Bescheidung gerichteten Klage auch nicht deshalb am Rechtsschutzbedürfnis, weil der Kläger gehalten wäre, statt auf Bescheidung unmittelbar auf Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung solcher Rechtspositionen zu klagen, die gemäß § 13 AsylG vom Asylantrag umfasst werden. Das Gericht ist nämlich in den Fällen der vorliegenden Art abweichend von den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungs - prozessrechts nicht verpflichtet, selbst über den geltend gemachten Asylanspruch des Klägers zu entscheiden (ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. z.B. rechtskräftiges Urteil vom 25. Januar 2016 – 5 K 3727/15.TR –).

Zwar sind auch im Bereich des Asylrechts die Verwaltungsgerichte bei einer Verpflichtungsklage grund- sätzlich gehalten, die Sache spruchreif zu machen und das Verfahren nicht an die Behörde zurückzuverweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 - 9 C 45/97 -, juris). Dies gilt indessen in den Fällen, in denen ein Asylbewerber erstmals einen Asylantrag gestellt hat, nur dann, wenn bereits eine behördliche Entscheidung über das Asylbegehren ergangen ist. Ist hingegen noch keine behördliche Entscheidung ergangen, so würde eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Sache und zum Durchentscheiden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungs- möglichkeiten unterlaufen. Gelangt das Bundesamt nämlich nach entsprechender Prüfung zu dem Ergebnis, dass das Begehren keinen Erfolg haben kann, so ist es gehalten, mit der Bescheidung des Asylantrags zugleich über aufenthaltsbeendende Anordnungen zu entscheiden. Insoweit kommt in den Fällen der §§ 26a, 27a AsylG der Erlass einer auf der Grundlage des § 34a AsylG ergehenden sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung in Betracht. Gelangt das Bundesamt bei seiner Entscheidung nach § 31 AsylG indessen zu der Schluss- folgerung, dass das Begehren sachlich keinen Erfolg haben kann, sieht § 34 AsylG der Erlass einer Abschiebungsandrohung vor, wobei in den Fällen, in denen das Bundesamt den Asylantrag als gemäß §§ 29a, 30 AsylG offensichtlich unbegründet einstuft, § 36 AsylG das weitere Verfahren bestimmt und eine starke Beschleunigung der gerichtlichen Kontrolle der Bundesamtsentscheidung und eine kurzfristige Beendigung

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des Aufenthalts des Antragstellers vorsieht. Eine vergleichbare Möglichkeit zum Erlass aufenthaltsbeendender Anordnungen steht dem Gericht indessen nicht zu, denn es kann weder eine Abschiebungsanordnung im Sinne des § 34a AsylG noch eine Abschiebungsandrohung im Sinne der §§ 34, 36 AsylG erlassen. Vielmehr müsste eine – erneut gerichtlich überprüfbare – Abschiebungsandrohung unter Fristsetzung nachträglich von der Behörde erlassen werden, was dem Beschleunigungsgedanken des Asylgesetzes völlig widerspricht (vgl. zu alledem: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264/94 -, juris). Hinzu kommt, dass das Bundesverwal- tungsgericht im Asylrecht auch in den so genannten Dublin-Verfahren, in denen das Bundesamt den Asyl- antrag nicht in der Sache geprüft hat, den Gerichten keine Berechtigung zuweist, den geltend gemachten Asylanspruch sachlich zu prüfen, sondern eine Anfechtungsklage als allein statthafte Klageart ansieht (vgl.

BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 –).

Von daher kommt ein Durchentscheiden des Verwaltungsgerichts bei einer Asylverpflichtungsklage nur dann in Betracht, wenn der Kläger bereits mit einem erstmals in Deutschland gestellten Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebenen und in diesem Verfahren eine Abschiebungsandrohung ergangen ist (vgl. insoweit auch BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 - 9 C 45/97 –, a.a.O.; rechtskräftiges Urteil der erkennenden Kammer vom 30. Mai 2012 – 5 K 967/11.TR -, VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2014, a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Daran fehlt es indessen vorliegend.

Die demnach zulässige Klage ist auch in der Sache begründet, denn es fehlt an einem sachlichen Grund für die bisherige Nichtbescheidung des Asylantrags des Klägers, so dass eine Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht kommt.

Wie den vorstehend zitierten Gesetzesmaterialien entnommen werden kann, sieht der Gesetzgeber eine Frist von sechs Monaten grundsätzlich als angemessene Zeit für eine Bearbeitung eines Asylantrags an. Von daher spricht zwar viel dafür, dass bis zum Ablauf dieser Frist stets ein zureichender Grund für eine Nicht- bescheidung eines Asylantrages vorliegt. Dieser Sechsmonatszeitraum ist indessen vorliegend weit überschritten.

Soweit in der Rechtsprechung teilweise angenommen wird, dass dem Sechsmonatszeitraum stets weitere drei Monate hinzuzurechnen seien (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Februar 2014 - 13 L 148/14.A - mit weiteren Nachweisen, juris), kann dies dahingestellt bleiben, da vorliegend auch dieser Neunmonatszeitraum überschritten ist.

Im Übrigen teilt die erkennende Kammer allerdings die zuletzt zitierte Rechtsprechung nicht, zumal der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 14. November 2013 – C 4/11 – ausdrücklich betont hat, dass die Situation von Asylbewerbern nicht durch eine unangemessen lange Dauer zur Bearbeitung ihres Verfahrens verschlimmert werden darf.

(9)

Soweit die Beklagte darauf verweist, dass es in der Praxis schwierig sei, das Verfahren innerhalb von 6 Monaten abzuschließen, und deshalb Art. 31 Abs. 3 Sätze 3 und 4 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäi- schen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes eine Bearbeitungszeit von bis zu 18 Monaten vorsehe, muss gesehen werden, dass diese Norm gemäß Art. 52 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU von vornherein auf den Asylantrag des Klägers nicht anwendbar ist, weil die Mitgliedstaaten dieser Norm gemäß Art. 51 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU erst bis zum 20. Juli 2018 nachzukommen haben.

Schließlich kann ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung des klägerischen Asylantrags auch nicht in der erheblich gestiegenen Zahl der beim Bundesamt anhängigen Asylverfahren gesehen werden. Zwar hat die Beklagte unter Angabe von statistischen Daten nachvollziehbar erläutert, dass die Zahl der Asylanträge in letzter Zeit enorm angestiegen ist. Der pauschale Hinweis darauf, dass diesen Herausforderungen durch organisatorische Umverteilungsmaßnahmen und Priorisierungsentscheidungen Rechnung getragen werden müsse und derzeit alle Entscheider mit dem Abbau des weiter steigenden Antragsanfalls beschäftigt seien, lässt indessen nur den Schluss zu, dass die Untätigkeit der Beklagten im vorliegenden Verfahren die Folge einer seit mehreren Jahren zu verzeichnenden ständigen Arbeitsüberlastung des Bundesamtes ist. Dies stellt indessen keinen sachlichen Grund im Sinne des § 75 Satz 1 VwGO dar (vgl. Dolde/Porsch in Schoch/

Schneider/Bier, VwGO, Stand: 28. Ergänzungslieferung 2015, § 75 Rn. 8 mit weiteren Nachweisen; rechts- kräftiges Urteil der erkennenden Kammer vom 26. Mai 2015 – 5 K 726/15. TR –, VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2014 a.a.O.). Im Übrigen ist nicht ersichtlich, welche konkreten Vorkehrungen die Beklagte in der Vergangenheit getroffen hat, um Verfahren grundsätzlich in der Reihenfolge der Antragstellung abzuschließen und lediglich besonders eilbedürftige Verfahren einer schnelleren Erledigung zuzuführen. Ferner hat die Beklagten nicht hinreichend dargelegt, inwieweit sie im Vorfeld alles Zumutbare unternommen hat, um zusätzliches Personal zur Bewältigung der ansteigenden Verfahrenszahlen heranzuziehen bzw. einzustellen.

Soweit sie in jüngster Zeit dahingehende Bemühungen getätigt hat, können diese angesichts des Zeitraums, der vorliegend bereits seit Stellung des Asylantrags vergangen ist, keine Aussetzung des Verfahrens im Sinne des § 75 Satz 3 VwGO rechtfertigen.

Von daher ist die Klage in der Sache begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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