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Taufe allein für Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht ausreichend

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VG Augsburg, Urteil v. 12.02.2018 – Au 5 K 17.34360 Titel:

Taufe allein für Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht ausreichend Normenketten:

AsylG § 3, § 3a EMRK Art. 3 Leitsätze:

1. Zum Christentum konvertierten Muslimen drohen im Iran durch die Glaubensausübung

landesweit vom iranischen Staat oder diesem zurechenbaren Akteuren Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG. (redaktioneller Leitsatz)

2. Für die Geltendmachung einer Verfolgungsgefährdung wegen Konversion ist der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe nicht ausreichend; der Betreffende muss glaubhaft machen, dass er seinen neuen Glauben in einer Weise verinnerlicht hat, dass es ihm ein tiefempfundenes Bedürfnis ist, diesen Glauben auch im Falle seiner Rückkehr in sein

Heimatland ungehindert leben zu wollen. (redaktioneller Leitsatz) Schlagworte:

Iran, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Konversion zum Christentum (evangelisch-protestantisch), kein zweifelsfreies und in sich stimmiges Vorbringen, widersprüchlicher Sachvortrag, subsidiärer Schutz (verneint), Abschiebungsverbote (verneint), Verfolgungsgefährdung

Fundstelle:

BeckRS 2018, 2954  

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand 1

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Gewährung subsidiären Schutzstatus, die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG).

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Der am ... 1987 in ... (Iran) geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger mit persischer Volkszugehörigkeit und christlichem (protestantisch-evangelisch) Glauben.

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Seinen Angaben zufolge reiste er am 21. Dezember 2016 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er unter dem 5. Januar 2017 Asylerstantrag stellte. Eine Beschränkung des Asylantrages gemäß § 13 Abs. 2 Asylgesetz (AsylG) auf die Zuerkennung internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) erfolgte im Verfahren nicht.

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Die persönlichen Anhörungen beim Bundesamt für ... (im Folgenden: Bundesamt) erfolgten am 16. Januar 2017 und am 13. Juli 2017.

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Der Kläger trug im Wesentlichen vor, er habe im Jahr 2008 in Zypern einen Asylantrag gestellt, sei jedoch nicht zum Anhörungstermin erschienen. In Zypern habe er sich insgesamt vier bis fünf Jahre aufgehalten.

Er habe in dieser Zeit dort auch für einen christlichen Fernsehsender gearbeitet. Zypern habe er im Jahr

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2012 wieder dauerhaft verlassen und sei in den Iran zurückgekehrt, da es nur wenige Arbeitsmöglichkeiten gegeben habe. Während seines Aufenthaltes in Zypern sei der Kläger zum Christentum konvertiert. Er sei jedoch nicht getauft worden, da er sonst im Iran Probleme bekommen hätte. Bei seiner Rückkehr in den Iran hätten nur seine Schwester und die Eltern von der Konversion gewusst. Er habe fortan im Laden seines Vaters gearbeitet. Im Iran habe er seine neue Religion im Geheimen verbreitet und ständig in Angst gelebt.

Die erneute Ausreise nach Deutschland habe 15.000,00 EUR gekostet, welche durch Ersparnisse des Vaters finanziert worden seien. Zum Christentum sei er gelangt, nachdem er bei einem christlichen Fernsehsender auf Zypern gearbeitet habe. Im Islam gebe es nur Zwang und Verbote im Gegensatz zum Christentum. Auch sei es im Islam verboten, Alkohol zu trinken und Sex zu haben. Im Christentum dürfe man das. Als Muslim sei er nicht religiös gewesen, habe nicht gebetet und habe auch getrunken. Er bete nachts und fühle wie seine Gebete erhört würden und sein Leben positiv beeinflussten. Der Kläger sei auch in Zypern getauft worden, habe aber keine Taufurkunde bekommen, da es sich um eine kleine Hauskirche gehandelt habe.

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Auf das weitere Vorbringen des Klägers bei dessen persönlichen Anhörungen wird auf die hierüber vom Bundesamt gefertigten Niederschriften verwiesen.

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Mit Bescheid des Bundesamtes vom 9. August 2017 wurden die Anträge des Klägers auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt (Nr. 1 und 2 des Bescheids). Nr. 3 des

Bescheids bestimmt, dass dem Kläger auch der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wird.

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG liegen im Falle des Klägers nicht vor. In Nr. 5 des Bescheids wird der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde dem Kläger die Abschiebung in den Iran angedroht. Weiter wurde bestimmt, dass der Kläger auch in einen anderen Staat abgeschoben werden könne, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Nr. 6 setzt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung fest.

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In den Gründen des Bescheids ist ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vorliegen. Ein Ausländer sei Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung außerhalb des Landes befinde, dessen Staatsangehörigkeit er besitze. Der Kläger sei kein Flüchtling im Sinne dieser Definition. Er habe seine begründete Furcht vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Es habe nicht die Überzeugung gewonnen werden können, dass der Kläger aus ernsthafter, fester innerer Überzeugung zum christlichen Glauben übergetreten sei und für ihn die Ausübung des christlichen Glaubens eine besondere, Identität prägende und unverzichtbare Bedeutung zukomme. Es erscheine zwar möglich, dass der Kläger mit dem Christentum in Zypern in Berührung gekommen sei. Seine Annäherung an das Christentum und seine innere Motivation, zu konvertieren, habe er hingegen nicht glaubhaft dargelegt. Es sei der Eindruck entstanden, dass der Kläger von den erwähnten Zwängen und Verboten im Islam selbst nicht betroffen gewesen sei. Auch allein aufgrund der

Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland sei bei einer Rückkehr in den Iran nicht mit

flüchtlingsschutzrelevanter Verfolgung zu rechnen. Die iranischen Behörden schätzten die Bedeutung und den Stellenwert der Asylverfahren realitätsgerecht ein. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Dem Kläger drohe in seinem Herkunftsland keine Folter,

unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Im Iran sei kein landesweiter

innerstaatlicher bewaffneter Konflikt erkennbar. Abschiebungsverbote seien ebenfalls nicht gegeben. Eine Abschiebung sei gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der

Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebe.

Darüber hinaus könne nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) eine Verletzung des Art. 3 EMRK ausnahmsweise auch dann in Betracht kommen, wenn der Kläger im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, im Aufnahmeland auf so schlechte humanitäre Bedingungen zu treffen, dass die Abschiebung dorthin eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstelle. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen

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als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Iran führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege.

Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine Abschiebung nicht beachtlich. Beim Kläger handle es sich um einen gesunden, arbeitsfähigen Mann, der im Iran über ein familiäres Netzwerk verfüge. Es drohe dem Kläger auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes sei vorliegend angemessen.

Anhaltspunkte für eine kürzere Fristfestsetzung seien weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.

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Der Kläger hat gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 21. August 2017, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg eingegangen am 22. August 2017, Klage erhoben und beantragt,

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Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. August 2017, Gz.:, wird in Ziffern 1, 3 bis 5 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

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Zur Begründung der Klage ist mit Schriftsatz vom 31. Januar 2018 vorgetragen, dass der Kläger sich dauerhaft dem Christentum zugewandt habe. Er werde am 24. Februar 2018 getauft. Er sei regelmäßig aktiv. Die Zuwendung zum Christentum sei deshalb nicht nur formal, sondern aus einer tieferen inneren Überzeugung erfolgt.

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Auf das weitere Vorbringen im Schriftsatz vom 31. Januar 2018 wird ergänzend Bezug genommen.

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Die Beklagte hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt; ein Antrag wurde nicht gestellt.

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Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 9. Januar 2018 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

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Mit weiterem Gerichtsbeschluss vom 1. Februar 2018 wurde dem Kläger unter Rechtsanwaltsbeiordnung Prozesskostenhilfe bewilligt.

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Am 12. Februar 2018 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung, in der der Kläger informatorisch angehört wurde, wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe 18

Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers verhandelt und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2018 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2

Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2018 form- und fristgerecht geladen worden.

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Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.

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Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. August 2017 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).

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1. Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff.

AsylG.

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Ein Ausländer darf gemäß §§ 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – jeweils juris). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgeblich ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92; U.v.

5.11.1991 – 9 C 118/90 – jeweils juris). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände

einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in der Bundesrepublik Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – juris).

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Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger seine Gründe für eine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – den Vortrag als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei dem in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss der Kläger eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen.

Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger

hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 - BVerwGE 71, 180).

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Gemessen an diesem Maßstab ist es dem Kläger nicht gelungen, die für seinen geltend gemachten Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen.

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Bezüglich des Vortrages des Klägers, er sei während seines Aufenthaltes auf Kreta in den Jahren 2007 bis 2012 zum Christentum konvertiert und ihm drohe deshalb eine Verfolgung zum jetzigen Zeitpunkt im Iran, geht der Einzelrichter von keiner Verfolgungsgefahr für den Kläger aufgrund von dessen widersprüchlichen Angaben und mangels eines nachgewiesenen ernsthaften und nachhaltigen Glaubenswandels aus.

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Zwar drohen den zum Christentum konvertierten Muslimen im Iran durch die Glaubensausübung landesweit vom iranischen Staat oder diesem zurechenbaren Akteuren ausgehende Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG, weshalb dann regelmäßig die Voraussetzungen der §§ 3 ff. AsylG vorliegen. Die Annahme einer konkreten Verfolgungsgefährdung setzt im konkreten Einzelfall allerdings voraus, dass die

vorgetragene Hinwendung des Asylsuchenden zu der angenommenen Religion auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine ernsthafte, dauerhafte und nicht lediglich auf

Opportunitätserwägungen oder asyltaktischen Gründen beruhende Hinwendung zum neuen Glauben vorliegt und der neue Glaube die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Hierzu gehört auch, aber nicht nur, dass dem Konvertiten die wesentlichen Grundelemente seiner neuen Religion vertraut sind, wobei seine Persönlichkeit und seine intellektuellen Fähigkeiten zu berücksichtigen sind. Allein der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe genügt insoweit nicht (VGH BW, B.v.

23.4.2014 – A 3 S 269/14; OVG SH, B.v. 7.3.2014 – 13 LA 118/13; OVG NRW, B.v. 24.5.2013 – 5 A 1062/12.A; BayVGH, B.v. 7.5.2013 – 14 ZB 13.30082 – jeweils juris). Vielmehr muss glaubhaft sein, dass der Betreffende seinen neuen Glauben in einer Weise verinnerlicht hat, dass es ihm ein tiefempfundenes Bedürfnis ist, diesen Glauben auch im Falle der Rückkehr in das Herkunftsland ungehindert leben zu können. Hingegen ist nicht zu erwarten, dass ein Asylsuchender nach der Rückkehr in sein Herkunftsland eine Religion entsprechend lebt, die er in seinem Zukunftsland nur vorgeblich, oberflächlich oder als asyltaktischen Gründen angenommen hat (vgl. OVG NRW, U.v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A - juris).

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Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers insbesondere gegenüber dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2018 ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr politischer Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht.

Hiergegen sprechen bereits die teilweise widersprüchlichen und schwer nachvollziehbaren Angaben des Klägers in der Gesamtschau von persönlicher Anhörung beim Bundesamt und dem Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung. Das Gericht hat beim Kläger keine identitätsprägende Glaubensbetätigung feststellen können. Die vorliegenden Erkenntnisse sprechen gegen eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgungsgefahr.

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Nach Überzeugung des Einzelrichters besteht für den Kläger bei einer Rückkehr in den Iran keine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bzw. keine reale Gefahr, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen zu werden. Das Gericht erachtet es als nicht glaubhaft, dass der Kläger anders als bei seiner erstmaligen Rückkehr in den Iran im Jahr 2012 auch bei einer jetzigen Rückkehr in sein

Heimatland den christlichen Glauben in einer anderen Art und Weise leben will. Dies gilt selbst dann, wenn man dem Vortrag des Klägers Glauben schenkt. Bereits hieran bestehen jedoch erhebliche Zweifel, da der Kläger beispielsweise sowohl beim Bundesamt als auch im Vortrag seines Bevollmächtigten geltend gemacht hat, dass er bei einem Fernsehsender auf Zypern tätig gewesen sei und dort religiöse Inhalte weltweit für ein persisch-sprechendes Publikum präsentiert habe. In der mündlichen Verhandlung vom 12.

Februar 2018 hat der Kläger jedoch mehrfach erklärt, dass er sich nicht auf Zypern, sondern auf Kreta aufgehalten habe, und dort für eine IT-Firma (Fernsehsender) gearbeitet habe. Weiter hat der Kläger ausgeführt, dass er auf Kreta (bzw. Zypern) missionarisch tätig geworden sei. Ungeachtet dieser Tatsache und einem als wahr unterstellten Auftreten des Klägers in einem Fernsehsender ist der Kläger im Jahr 2012 dauerhaft – vorgeblich wegen einer Erkrankung seines Vaters – in den Iran zurückgekehrt und hat dort mehr als vier Jahre gelebt und nach seinem eigenen Vorbringen dort auch diverse Hauskirchen in ...

besucht. Das weitergehende Vorbringen des Klägers, warum er im Jahr 2016 den Iran erneut verlassen habe wirkt konstruiert und unglaubwürdig. Das Vorbringen des Klägers, dass es im Elektrogeschäft seines Vaters zu einer Hausdurchsuchung gekommen ist, die vom iranischen Informationsministerium angeordnet wurde, erscheint dem Gericht nicht nachvollziehbar. Auch insoweit bestehen erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers.

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Das Gericht ist weiter davon überzeugt, dass der Kläger bei einer jetzigen Rückkehr in den Iran seinen christlichen Glauben nicht anders betätigen würde, als bei seiner erstmaligen Rückkehr in den Iran im Jahr 2012. Insoweit hat der Kläger vorgetragen, dass er sich in seinem Heimatland mit der Bibel beschäftigt habe und Hauskirchen besucht habe. Dieser Umstand allein rechtfertigt jedoch noch nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

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Auch nach der Rechtsprechung (vgl. etwa BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 20.12 – Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 15; EuGH, U.v. 5.9.2012 – C 71/11 und C 99/11 – ZAR 2012, 433) ist für die Annahme einer Verfolgungsgefahr erforderlich, dass für den Kläger eine öffentliche Glaubensbetätigung als zentrales Element seiner religiösen Identität für ihn unverzichtbar ist. Daran hat das Gericht zum gegenwärtigen maßgeblichen Zeitpunkt im Asylverfahren beim Kläger noch durchgreifende Zweifel. Bereits die dürftigen Angaben zu seinen bisherigen religiösen Aktivitäten und zu einer öffentlichen Glaubensbetätigung (wohl auf Kreta bzw. Zypern) sprechen gegen eine nachhaltige Konversion. Der Kläger hat in der mündlichen

Verhandlung nicht den Eindruck erweckt, dass er den neuen Glauben schon nachhaltig und endgültig verinnerlicht hat und deshalb bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran als unverzichtbares Element seine neue Glaubensüberzeugung auch öffentlich betätigen müsste.

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Auch das Wissen des Klägers über die christliche Religion deutet noch nicht auf eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung hin. Auf die gerichtliche Frage nach den Unterschieden und zentralen Glaubensaussagen des Islam und des Christentums hat der Kläger nur mit der inhaltsleeren,

oberflächlichen Floskeln geantwortet, dass das Christentum für ihn eine „Art Rettung“ darstelle. Weitere Angaben hierzu hat er nicht gemacht. Er hat lediglich ausgeführt, dass er sich daran erinnere, dass im Islam die Menschen beim Besuch der Moschee stets geweint hätten. Diese Aussagen zeugen nicht von

substantiellem Wissen des Klägers über zentrale Glaubensaussagen der jeweiligen Religionen.

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Darüber hinaus können sich auch aus den Angaben des Klägers zu seiner aktuellen Glaubensbetätigung keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung ableiten.

Zwar nimmt der Kläger nach seinen Angaben an Gottesdiensten und Bibelkreisen teil und verfügt auch über gewisse Grundkenntnisse der christlichen Religion. Dies allein reicht nach Auffassung des Gerichts aber nicht aus, da derartigen Verhaltensweisen (Besuch von Gottesdiensten und Bibelkreisen, Bibelstunden zusammen mit anderen Asylbewerbern) auch rein asyltaktische Überlegungen zugrunde liegen können. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger im Wesentlichen ausgeführt, dass ihm der Zusammenhalt im christlichen Gottesdienst gefalle und dort auch zusammen gesungen werde. Dies alles lässt nicht darauf schließen, dass der Kläger den christlichen Glauben auch aufgrund einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung derart verinnerlicht hätte und für sich verbindlich ansehen würde, dass er diesen auch bei drohender Verfolgung im Iran offen leben wollte. Dies gilt umso mehr als der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen nicht aus einer streng religiösen Familie stammt.

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Auch hat der Kläger im Verfahren keine Bestätigung seiner derzeitigen christlichen Gemeinde in ...

vorgelegt. Dem Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom 31. Januar 2018 (Gerichtsakte Bl. 27) war eine solche jedenfalls nicht beigefügt. Trotz gerichtlich fernmündlicher Aufforderung vom 1. Februar 2018, diese Erklärung nachzureichen, ist dem bis zur mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2018 nicht Folge geleistet worden. Auch für die unmittelbar bevorstehende Taufe wurden keinerlei Unterlagen vorgelegt. Die Aussagen des Klägers divergieren auch hierzu. So ist im Schriftsatz vom 31. Januar 2018 ausgeführt, dass die Taufe am 24. Februar 2018 stattfinden soll. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass der angedachte Termin der 25. Februar 2018 sei.

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Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch selbst im Falle der Taufe für den Kläger allein aufgrund dieses Umstandes keine Verfolgung im Iran droht. Selbst wenn die iranischen Behörden von dieser Tatsache erfahren sollten, gingen sie im Regelfall davon aus, dass dies nicht ernst gemeint war und allein der Förderung des Asylverfahrens dienen sollte (vgl. OVG NRW, U.v. 9.6.2011 – 13 A 947/10.A – juris; VG München, U.v. 22.7.2015 – M 2 K 14.30929 – juris). Auch sonst droht dem Kläger bei einer Rückkehr keine politische Verfolgung, etwa wegen seines Auslandsaufenthalts oder seiner Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland. Auslandsaufenthalte sind im Iran nicht grundsätzlich verboten.

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Nach alldem ist bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände zur Überzeugung des Gerichts davon

auszugehen, dass die behauptete Hinwendung des Christentums im Fall des Klägers (noch) nicht auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, welche dessen religiöse Identität nachhaltig prägt, sondern vielmehr

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dass dieser Behauptung überwiegend Opportunitätserwägungen und asyltaktische Überlegungen zugrunde liegen.

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2. Nach dem vorstehenden Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären. Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der

Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes, welche im Übrigen vom Kläger mit seiner Klage gar nicht angegriffen wurde.

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3. Nach allem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen, hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.

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