Notizen und Correspondenzen. 681
Zur Xachricbt.
Wir sind veranlasst liier zu erwähnen, dass am letzten Tage
der Innsbrucker Generalversammlung Prof. Schlottmann einen Vor¬
trag hielt über eine i. J. 1869 am Onondaga-Fluss in Nordamerika
ausgegrabene colossale Statue mit Spuren einer stark verwischten
phönizischen Inschrift. Er besprach die näheren Umstände der
Auffindung und die mögliche Bedeutung der Statue , und wog die
Beweisgründe für und wider die Aechtheit derselben ab. Zugleich
legte er verschiedene photographische Aufnahmen und Copien be¬
hördlich beglaubigender Documente vor, welche letzteren, wie er
ausführte, eine Fälschung kaum als möglich erscheinen liessen,
wenn nicht bei den gerichtlichen Untersuchungen selbst mehrfach
grobe Täuschungen stattgefunden hätten. An diesen Vortrag schloss
sich eine kurze hauptsächlich die Aechtheit der Inschrift in Frage
ziehende Debatte.
Dieser Vorgang hat, wie bekannt sein wird, zu einer erneu¬
ten, lebhaften Erörterung des Fundes namentlich im Vaterlande
desselben geführt, welche die ihr gebührende Beachtung erregt hat,
wenn auch im hohen Grade zu bedauern ist, dass bei einem Theile
dieser Discussionen die Stellung Prof. Schlottmann's zn der Frage
und der Inhalt seines Vortrags in einem falschen Lichte dargestellt
worden sind. Specieller hier auf die Sache einzugehen erschien
augenblicklich nicht thunlich, und dürften zunächst noch weitere
Mittheilungen aus Amerika abzuwarten sein.
D. Red.
682
Bibliographische Anzeigen.
Oeschichte und Litterobtur des Schachspiels von Antonius van
der Linde. Bd. I. II. Berlin J. Springer 1874. 8.
Dieses Werk seinera vollen Inhalt nach zu beurtheilen würde,
wäre auch die Competenz vorhanden, hier nicht am Orte sein. Es
wird ihm sicherlich anderswo die gebührende Anerkennung nicht
fehlen, dass es in seltner Weise auf gründliche Erschöpfung seines
Gegenstandes ausgeht; dass es die Literatur desselben in bewun¬
derungswürdiger Vollständigkeit und mit grösster, auf eigner An¬
schauung beruhender bibliographischer Genauigkeit vorführt; dass
es die äussere und innere Geschichte des Spieles mit durchgreifen¬
der Kritik, allerdings in etwas diffuser Darstellung, ins Licht setzt.
Hierher gehört es nur, sofern es natürlich auch auf ürsprung und
Geschichte des Schach im Morgenlande ausführlich eingeht. Der Hr.
Verfasser ist zwar nicht selbst Orientalist, hat aber mit grosser
Sorgfalt und Umsicht alle Angaben, die bisher vorlagen oder die
er sich zu verschaffen wusste, durchgeprüft. Die geschichtliche An¬
schauung, zu der er gelangt, ist in den Grundzügen die bisher
gangbare: das Spiel muss, wie es die Nachrichten der Araber und
Perser besagen, vermöge des Namens Shatrang -- Caturanga und der
ausschliesslich indischen Heerabtheilung, in Indien erfunden sein,
ist von da, wie mehrere Schachausdrücke'beweisen, zu den Persern
und von ihnen zu den Arabern gekommen. Die ihm eigenthüm¬
lichen Resultate sind dagegen vorherrschend chronologischer Art.
Das erste sichere und wirklich historische Datum bildet nach ihm
die bekannte Stelle Masüdi's, Murug cap. 7, aus dem Jahr 943
(I, 2); die Anfänge der Bekanntschaft der Araber mit dem Spiel
dürfen erst in die zweite Hälfte des neunten Jahrhunderts gesetzt
werden (U, 461; I, 139) und bei ihnen erhielt es seine rechte Aus¬
bildung; bei den Indern ist die Erfindung wegen Mangels aller
früheren Spuren etwa in das achte Jahrhundert zu setzen (1, 7 7;
II, 462) und zu ihnen kam es später von den Arabern zurück
(I, 82). Zu diesem Resultate führt eine sehr einschneidende Quellen¬
kritik, welche die Zeugnisse nur für die Zeit, aus der sie her¬
rühren, gelten lässt, und für die, von welcher sie aussagen, in sehr