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Die Frage der betrieblichen Strukturbildung erlangt in der heutigen industriesoziologischen Debatte erneut Aktualität

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Academic year: 2022

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Veröffentlichungsreiche der Abteilung Regulierung von Arbeit des Forschungsschwerpunkts Technik-Arbeit-Umwelt des Wissen-

schaftszentrums Berlin für Sozialforschung

FS II 92-201

Der soziale Raum "Betrieb".

Zur Strukturierung der betrieblichen Sozialwelt aus der Sicht der bourdieuschen Sozialtheorie

Johanna Hofbauer*

* wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Allgemeine Soziologie und Wirtschaftssoziologie, Wirtschaftsuniversität Wien, Augasse 2 - 6 , A-1090 Wien

Berlin/Wien, April 1992

ISSN 0724-5084

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH (WZB) Reichpietschufer 50, D-1000 Berlin 30,

Telefon: (030) 25 49 1- 0

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Z U S A M M E N F A S S U N G :

Der soziale Raum "Betrieb". Zur Strukturierung der betrieblichen Sozialwelt aus der Sicht der Bourdieuschen Sozialtheorie.

Die Frage der betrieblichen Strukturbildung erlangt in der heutigen industriesoziologischen Debatte erneut Aktualität. Im deutschsprachigen Raum zeigt dies die Entwicklung von Konzepten, wie

"Sozialverfassung" (Hildebrandt/Seltz), "Sozialordnung" (Kotthoff/Reindl) oder "Mikropolitik"

(Ortmann). Das Interesse an der sozialen Dimension des Betriebs, an der politischen und kulturellen Fundierung betrieblicher Sozialwelten läßt jedoch neue Fragestellungen formulieren, die sich mit den bislang gängigen Erklärungsmustem vielfach nicht oder nicht zufriedenstellend beantworten lassen. In dieser Situation scheinen zwei Dinge erforderlich: zum einen die kritische Auseinandersetzung mit dem etablierten Theorieangebot; zum anderen die Öffnung von Grenzen gegenüber allgemeinen soziologischen Theorien, insbesondere gegenüber neueren Entwicklungen.

Der vorliegende Text kommt diesem Anspruch insofern nach, als er zunächst die konzeptionellen Strategien und Probleme einiger, für die Geschichte der Industriesoziologie maßgeblicher Ansätze diskutiert (hier: die "kontrolltheoretische", "kontingenztheoretische" und "technikdetermmistische"

Begründung betrieblicher Strukturen); im weiteren wird der Beitrag von Giddens' "Structuration Theory" und Crozier/Friedbergs "Gameskonzept" erörtert; schließlich, und hauptsächlich geht es aber darum, die Sozialtheorie von Pierre Bourdieu darzustellen. Die Navigation durch das Bourdieusche Theoriegebäude stützt sich auf einen Kompaß an industriesoziologischen Fragen.

Ziel ist es, die Relevanz von Konzeptionen wie Habitus, Feld, Kapitalien, sozialer Tausch für die Fragen der Erklärung betrieblicher Strukturbildung aufzuzeigen.

A B S T R A C T :

The Social Space "Business Corporation". Structuration of the Social World of the Corporation from the Point of View of the Social Theory of Bourdieu.

The question of the social generation of corporational structures is gaining importance in todays' debates of industrial sociology. In thé German speaking context this is indicated by the development of concepts, such as "Sozialverfassung" (Hildebrandt/Seltz), "Sozialordnung"

(Kotthoff/Reindl) or "Mikropolitik" (Ortmann). Yet, the interest in the social dimension of the corporation, in the political and cultural foundation of the social worlds of corporations provokes questions, which in many cases may not or may not satisfactorily be answered by the current explanatory patterns. In this situation the requirement seems to be twofold: first, for a critical discussion of already established theories; second, for an intensified discussion of general social theories, especially of new developments. This text meets these requirements in so far as it first discusses some of the main concepts in the history of industrial sociology (here: "labor control theory", "contingency theory" and "technology deterministic theory"); further, the contribution of Giddens' "Structuration Theory" and Crozier/Friedbergs "Games Concept" is discussed; finally, and in the main instance, the social theory of Pierre Bourdieu is portrayed. The navigation through the theoretical universe of Bourdieu is guided by a compass of questions of industrial sociology. The purpose is to show the relevance of concepts, such as habitus, field, capitals, social exchange for questions concerning the explanation of structure generation of enterprises.

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VORWORT

Ein Text, welcher wie der folgende vom Thema " Strukturbildung" gezeichnet ist, verdient, so meine ich, ein paar Vor-Worte zu seiner eigenen Strukturierung. Ich möchte mich und die werten Leserinnen und Leser nicht länger aufhalten, sondern nur ein, zwei, kurze Bemerkun- gen dazu machen, insbesondere und zunächst zur Beziehung "Industriesoziologische Fragen und Bourdieusche Antworten".

Diese Beziehung wird hier ausgehend von erkenntnistheoretischen und methodologischen Fragen an die Industriesoziologie, vertreten durch einige ausgewählte Konzepte, geknüpft werden. Solche Orientierung an Grundsätzlichkeiten wül ein merkbar höheres Maß an Tiefenschärfe für bestimmte Problemfelder erzeugen und damit schließlich eine theoretische Alternative ins Blickfeld bekommen, welche in industriesoziologischen Arbeiten zum Thema heute noch weitgehend unsichtbar ist. Die Gründe dafür sind wohl sehr vielfältig. Ich möchte dem hier nicht genau nachspüren, glaube aber, daß es unter anderem an verschiedenen, im einzelnen sicherlich begründeten Übersetzungsschwierigkeiten liegt. Übersetzung, das heißt zweierlei: Erstens, die Herstellung von Verständnis für Theoretisierungs- und Erklärungs- weisen unterschiedlicher wissenschaftlicher Kulturen. Zweitens, die buchstäbliche Uber- Setzung theoretischer Konzepte in empirische Forschungsprogramme und Fragestellungen.

Beim Schreiben des vorliegenden Textes ging ich davon aus, daß die eine Arbeit, die empi- rische Umsetzung, nicht ohne die andere, die inhaltlich-theoretische Vorab-Klärung, zu machen sei. Diese Vorarbeit wollte ich hier leisten. Dazu war es nötig, den gesamten Apparat an Bourdieuschen Denkwerkzeugen auseinanderzunehmen, um bestimmte Teile, die er- fahrungsgemäß hierzulande immer wieder Rezeptionsprobleme bereiten, möglichst ausführlich zu rekonstruieren, mit eigenen Beispielen bzw. mit den letztlich vielsagendsten aller mög- licher Kommentare, nämlich Bourdieus eigenen Worten zu erläutern und wieder im Zusam- menhang des weiträumigen Theoriegebäudes zu plazieren.

Die eigentliche Hauptarbeit, konkrete empirische Forschungsarbeiten anhand dieser Werk- zeuge durchzuführen, ist jedoch noch ausständig. Der vorliegende Text muß deshalb selbst wieder eine Vielzahl an Fragen offen lassen - Fragen, die so manchen Leserinnen und Lesern zu Recht als die eigentlich brennenden erscheinen mögen. Der Text ist so gesehen unfertig und kann wohl nur den Status einer Zwischenstation beanspruchen. Sollten aber die ersten Schritte, die hiermit getan wurden, genügend Anregung für einen fruchtbaren Fortgang der auf konkrete Forschungspraxis bezogenen Auseinandersetzung mit dem Bourdieuschen Denk- werkzeug bieten, so wäre zumindest meinem Anspruch genüge getan. Denn ich sehe meinen

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Beitrag viel eher als Auftakt, denn als Abschluß einer Diskussion, die, so hoffe ich, von den Überlegungen in diesem Textes zusätzlich angeregt wird, und in deren Verlauf Möglichkeiten der Umsetzung des hier vorgestellten Erklärungspotentials entwickelt werden.

Abschließend noch ein Wort zur Zitationspolitik: Ich habe mich beim Verfassen dieses Textes bemüht» das breite Spektrum des Bourdieuschen Werks möglichst vollständig zu erfassen, konzentrierte mich bei der Auswahl der Textstellen und Quellen aber auf bereits ins Deutsche übersetztes Material bzw. auf einige wenige noch nicht ins Deutsche übersetzte, aber zumin- dest im englischen Original vorliegende Artikel. Diese Auswahl erschien mir sinnvoll wegen der erfahrungsgemäß leichteren Zugänglichkeit dieser Publikationen. Nichtzuletzt ging es mir aber auch darum, den Rezeptionsgewohnheiten der Leserinnen und Leser auf diese Weise eher zu entsprechen als durch Zitationen aus französischen Originalen und Sekundärliteraturen.

Johanna Hofbauer Wien, Aprü 1992

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INHALT

Einleitung oder: diesseits und jenseits der Pole 1

I. TEIL

1. Perspektiven der Erklärung betrieblicher Strukturbildung 7 1.1. Perspektivenwandel in der britischen Debatte 7 1.2. Beiträge zum Perspektivenwandel in der deutschen Industriesoziologie 9

2. Fragen zur theoretischen Begründung und Konzeptualisierung des "Sozialen" 12

2.1. Kontrolltheoretische Ansätze 14 2.2. Kontingenztheoretische und technikdeterministische Ansätze 16

2.3. Giddens' "Theory of Structuration" und Crozier/Friedbergs "Gameskonzept" 18

II. TEIL

3. Zur Erklärung betrieblicher Strukturbildung

auf der soziologischen Grundlage der Bourdieuschen "Theorie der Praxis" 25

3.1. Der soziale Raum "Betrieb" 25 3.2. Strukturierte Praxisformen und strategische Praktiken - das Habituskonzept 26

3.3. Sozialer Raum "Betrieb" und Felder 31 3.4. Soziale Felder als Kräftefelder 34 3.5. Zur »Ökonomie der Sozialwelt« 37

3.6. Kapital und Arbeit 39 3.7. Sozialer Tausch und Strukturbildung 43

4. Resümee und Zusammenfassung 47

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"Sociality necessarily pervades organizations and should not evade their conceptualization" (Clegg 1989, 98).

"Von allen Gegensätzen, die die Sozialwissenschaften künstlich spalten, ist der grundlegendste und verderblichste der zwischen Subjektivismus und Objek- tivismus" (Bourdieu 1987, 49)

Einleitung oder: diesseits und jenseits der Pole

Für die Industriesoziologie scheint das bislang dominierende Angebot an Erklärungen betrieblicher Strukturbildung zunehmend erweiterungsfähig und -bedürftig zu werden.

Denn nicht zuletzt angesichts aktueller empirischer Befunde, stößt man auf offene Fragen, die anhand des traditionellen industriesoziologischen Theorieangebots nicht oder zumindest nicht zufriedenstellend zu beantworten sind. In dieser Situation wird von verschiedenen Seiten das Symptom "Theoriedefizit" diagnostiziert. Wie auch immer gerechtfertigt diese Diagnose sein mag, muß man ebenso vermuten, daß das Problem nicht nur eines der Quan- tität ("Zu-Wenig-Theorie") sein kann, sondern auch eines der Qualität ist.

Das Problem der Erklärung betrieblicher Strukturbildung in letzterer Fassung angehend, verfolgt die vorliegende Arbeit das Ziel, durch eine Auseinandersetzung mit grundlegenden theoretisch-methodologischen Problemen die gegenwärtige Diskussion in der Industriesoziologie voranzutreiben. Als Ausgangspunkt dazu wird eine Fragestellung gewählt, die in ihrer verdichteten Form einen bekannten Topos der allgemeinen Soziologie widergibt: die Frage der "konzeptionellen Vermittlung zwischen sozialer Struktur und Praxis".

Damit sollte u.a. folgendes deutlich werden: Die Industriesoziologie ist gegenwärtig mit einem Problem konfrontiert, das zu den Grundfragen der Soziologie überhaupt zählt und das aktuell unter dem Titel "Mikro-Makro-Problem" gerade heute wieder zu einem zentralen Gegenstand der Theorie-Debatte geworden ist.

Der Industriesoziologie stellt es sich freilich in ganz spezifischer Form. Dann nämlich, wenn die Konzeptualisierung von derart widersprüchlich erscheinenden Phänomenen ansteht, wie:

die Unterschiedlichkeit betrieblicher "Sozialordnungen" (Kotthoff/Reindl 1990), die Nicht- linearität der Arbeitsprozeßentwicklung, oder die Uneinheitüchkeit in der Implementations- praxis neuer Technologien konstatiert wird; andererseits jedoch festgestellt werden muß, daß betriebliche Sozialorganisationen offensichtlich weder beliebig gestaltbar, noch per

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Dekret restrukturierbar, um nicht zu sagen "überwältigbar" sind (etwa von andernorts erprobten, im konkreten Fall jedoch nicht greifenden Organisations- und Management- modellen; oder von betriebsfremden, d.h. nicht aus der jeweiligen betrieblichen Praxis selbst hervorgegangenen Untemehmenskultur- bzw. Unternehmensphilosophie-Konzepten).

Augenscheinlich verhindern hier in der Industriesoziologie, genauso wie in der allgemeinen Soziologie, polarisierte Sichtweisen ein adäquates Verständnis der betrieblichen Praxis: Der objektvistische Blick marxistischer und strukturfunktionalistischer Ansätze vernachlässigt die Mikroebene der sich täglich ereignenden friktions- und konfliktreichen, bedeutungs- geladenen, in jedem Fall höchst voraussetzungsvollen Strukturierungsprozesse der (betrieblichen) Sozialorganisation. Oder, um es mit Bourdieu (1979, 164) zu sagen: er ist verleitet, zur "Logik der Sache" zu machen, was vielmehr "Sache der Logik" ist (man denke bspw. an Bravermans Postulate zur Entwicklung des modernen Produktionsprozesses), und damit die Bedeutung sozialer Organisierungsprozesse auf der betrieblichen Mikroebene zu verkennen. In der Konsequenz wird die konzeptionelle Integration eines zu

"unübersichtlich" gewordenen Gegenstands selbst zum Problem bzw. bereitet sie offen- sichtlich einige Mühe.

Aus der subjektivistischen Sicht, die rationalistisch-voluntaristischen Modellkonstruktionen zugrundeliegt, bleibt andererseits immer wieder unklar, wie sich die Fülle an divergierenden Interessen und Entscheidungen schließlich zu geregelten, strukturierten sozialen Hand- lungs- und Verhaltensweisen formt. Das heißt industriesoziologisch gesprochen, wie bspw.

betriebsspezifische "Verhandlungskulturen" (Bechtle 1989) erzeugt und etabliert werden, die die täglichen Mikropolitiken zu tragen vermögen; oder, wie sich bestimmte Legitünations- prinzipien als wirksam, d.h. als allgemein verbindlich durchsetzen, um in Form ange- messener Erwartungen und konformer Interessen zur Reproduktion bestehender Herrschaftsverhältnisse beizutragen.

Objektivismus und Subjektivismus scheinen somit gleichermaßen ungeeignete Aus- gangspunkte zu sein, um den gegenwärtigen Anforderungen an industriesoziologische Theoriebildung gerecht zu werden: den Betrieb als "soziales System" bzw., spezifischer noch, als "sozialen Raum" (Bourdieu) zu begreifen.

Die kritische Auseinandersetzung mit der konzeptionellen und methodologischen Tradition hat nun heute aber bereits Ansätze hervorgebracht, die das bestehende Erklärungsspektrum deutlich erweitern. Industriesoziologie, die sich um eine komplexere Sichtweise ihres Forschungsgegenstandes bemüht, kann sich deshalb mittlerweüe auf einem Theoriefeld

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bewegen, das sich sowohl diesseits als auch jenseits der erwähnten Polarisierungen geöffnet hat. Aus den vielfältigen Rekonzeptualisierungsbeispielen, die hier mögliche Bezugspunkte für industriesoziologische Forschungsarbeit bieten, seien im folgenden zunächst Arbeiten diesseits der Pole erwähnt: Wierborn und Clegg für wichtige Erweiterungen im Bereich des objektivistischen Paradigmas in der marxistischen Theorietradition; und Elster für die Ent- wicklung einer differenzierteren Perspektive im Bereich des subjektivistischen Paradigmas der Rational-Choice-Theorien.

Wierborn (1986) ist vor allem deshalb hier zu erwähnen, weil er einen der zentralen Eckpfeiler der marxistischen Theorietradition, den "Ideologie"-Begriff in seiner klassischen Auffassung als "falsches Bewußtsein" verstanden, einer kritischen Reflexion unterzieht.!

Entgegen der einseitigen und letztlich reduktionistischen Deutung des Begriffs etabliert Therborn ein differenzierteres Verständnis - und dies ausdrücklich innerhalb der marxis- tischen Denktradition. Er stellt dabei nicht die Überzeugungskraft herrschender Bedeu- tungsmuster, Ideologien, in Frage. Im Gegenteil. Statt aber ideologische Strukturen als etwas der Persönlichkeit Äußerliches zu betrachten, analysiert er sie als Produkte von Prozessen der ideologischen Formierung des Subjekts - Prozesse, die, ob ihres "dialectic character", immer schon unter zwei Aspekten zu betrachten sind: einerseits der Unter- werfung der Subjekte "under a particular force or order"; und andererseits der

"qualification" der Subjekte als "makers or creators of something" (Wierborn 1988,16 ff.)2

Ein weiteres Beispiel ist Clegg (1989), der in seinen "Radical Revisions" bestehender Machtkonzeptionen auf eine Erweiterung der marxistischen Theorienperspektive zielt, indem er den "relations of production" die "relations ofmeaning" hinzufügt. Dabei versteht

1) Therborn folgt damit einer von Althusser (1977) vorgezeichneten Argumentationslinie: Altbusser hat den Subjekt-Begriff als einen zentralen Begriff der marxistischen Ideologie-Theorie entwickelt, und die Konstituierung des Subjekts als einen Prozeß der ideologischen Formierung ("ideologische Anrufung des Subjekts") aufgezeigt Subjekt sein heißt somit ideologisch geprägt sein, d.h. nicht nur mit bestimmten politischen Meinungen, sondern viel genereller noch mit bestimmten Erwartungen, Einstellungen, Neigungen, Ambitionen, Befürchtungen, etc. ausgestattet sein.

2) Dazu nur eine kurze weitere Erläuterung: "subjection" und "qualification" sind Therborn zufolge die zwei Seiten eines Prozesses, welche schon von daher ihrer Tendenz nach korrespondieren. Dennoch ist diesem Prozeß der Widerspruch immanent. Die konkrete Veränderung in den Bedeutungs- und Sinnstrukturen führt Therborn darauf zurück, daß sich im latenten Spannungsverhältnis zwischen "subjection'' und

"qualification" ein manifester Widerspruch entwickelt. (Ebd., 46). Dies bspw. im Zuge des Wandels beruf- licher Kompetenzen und Qualifikationen (etwa durch weitreichende bildungspolitsche Maßnahmen), der nicht von einem gleichlaufenden Wandel der symbolischen Integrationsmechanismen begleitet wird.

Exemplarisch dafür ist der Fall einer höher qualifizierten Arbeitnehmerschaft, deren "Selbstverständnis'' (welches sich in ihren Erwartungen und Interessen ausdrückt) mit traditionellen Motivationsstrategien und Kontrollpraktiken in Konflikt geraten müssen. In einem solchermaßen produzierten Widerspruch entsteht Therborn zufolge ein Veränderungspotential, das zur Reorganisation der Arbeitsbeziehungen und der zugrundeliegenden ideologischen Strukturen führen kann.

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er letztere als selbst wesentliche, d.h. nicht nur derivative Bestimmungsfaktoren der Produktion und Reproduktion betrieblicher Sozialordnungen. Ähnlich wie Therborn betont also auch Clegg die normativ-ideologische bzw. kulturelle Dimension der Arbeitsorganisa- tion und forciert u.a. mit dem folgenden, fast schon axiomatischen Satz eine zunehmend auch die deutschsprachige Industriesoziologie dominierende Sichtweise: "The person is not only one who sells their labour power and thus alienates their 'species-being' but also one who constitutes, and is constituted by a moral universe of meaning." (Ebd., 98) Mit der Wahl dieses konzeptionellen Ausgangspunkts eröffnet Clegg ein mehrdimensionales Ver- ständnis des Sozialen. Es ist dies ein Verständnis, das im weiteren auch zu einer Umkehr der theoretisch-analytischen Prioritäten führen könnte, etwa indem von einer bestehenden gesellschafts- bzw. betriebsspezifischen Kultur aus deren funktionelle Ordnung erforscht wird. Das würde also heißen, daß einmal "die symbolische Ordnung in der materiellen Tätigkeit" (Sahlins 1981, 15, Hervorhebung J.H.) in den Vordergrund gestellt wird, und nicht, wie üblich, vice versa. Damit wäre jedoch eine kulturanthropologische Sichtweise eingeschlagen, die sich bereits jenseits der kritisch-marxistischen Industriesoziologie bewegt.

Auch auf der anderen Seite der methodologischen Pole wurde in den letzten Jahren ein sehr bedeutendes Theoriefeld erschlossen, das man mit "Erweiterte Rational-Choice-Kon- zeption" betiteln kann. Geht es den RC-Konzeptionen generell um eine "theoretische Rückeroberung der Akteurintention als ursächlichem Moment von Handlungen"

(Wiesenthal 1987), so zeichnet darunter wohl am deutlichsten die Arbeiten von Jon Elster der Mangel an "überraschungsfreier Trivialität" (Ebd., 434) aus. Das ist u.a. darauf zurückzuführen, daß Elster (etwa 1987) ein Konzept intentionalen Handelns entwirft, welches dem Individuum Willensschwäche und Selbsttäuschung ("wishful thinking") zugestehen kann. Konsistent mit seinem erweiterten Rationalitätskonzept sind auch solche Phänomene des Handelns, die für frühere RC-Konzeptionen noch als "irrational" abgetan wurden, wie: akteursseitige Stilisierungen zu subjektiver Wahl, was eigentlich objektive Notwendigkeiten oder Zwänge sind (Entscheidung zum Verzicht auf "saure Trauben");

oder freiwillige Opfer des Individuums aus Rücksicht auf ein langfristiges Ziel ("globales Maximum").

Mit der Integration dieser Bereiche gelingt Elster nicht zuletzt eine weitreichende

"Resozialisierung" des langjährig RC-geprüften "homo oeconomicus".3 Frühere Kritiken an RC-Theorien, sie würden utilitaristisch und voluntaristisch argumentieren, scheinen also neuere Ansätze, wie jenen Elsters, nicht mehr in derselben Weise treffen zu können.

3) U.a. aus diesem Grund müssen wir später noch einmal auf Elster zurückkommen.

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Mit dem Gewinn eines differenzierteren Zugriffs auf Akteur und Intentionalitäts- wie Rationalitätsbegriff, sind jedoch andererseits, und dies durchaus absichtlich, Einbußen an theoretischer Reichweite gemacht worden. Und so könnte man sagen, daß - quasi in Analo- gie zum global maximierenden Individuum, das zu strategischen Verzichten bereit ist, um sein Ziel zu erreichen - die neuere Variante der RC-Theorien einen theoriestrategischen Verzicht leistet: jenen auf apriorisch formulierte und universalistische Erklärungsansprüche und im weiteren dann auch auf den Entwurf einer allgemeinen Gesellschaftstheorie. Diese Art Bescheidenheit der neueren RC-Theorie zeichnet sie zunächst aus, da sie nunmehr zu halten vermag, was sie verspricht: für ihre speziellen Fragestellungen überzeugende Antworten zu liefern. Jedoch wird, wie auch Wiesenthal im bereits zitierten Aufsatz fest- stellt, im Endeffekt der Bereich genuin soziologischer Erklärungen geschmälert.

Dies hat erwartungsgemäß Folgen für eine Industriesoziologie, die mit diesen Theorien arbeitet. Für Fragenkomplexe, die im besonderen Maße von Interesse für die Industrie- soziologie sind, scheint jedenfalls kein adäquater Bezugsrahmen zur Beantwortung vorzu- liegen, so z.B.: wie sich die soziale Prägung von Interessen ("Präferenzen"), differenziert nach sozialen Gruppen vollzieht; wie die Chance der Interessendurchsetzung im mikropoli- tischen Prozeß vor dem Hintergrund makroskopisch betrachteter Positionsverteilung, d.h.

der Positionierug des Individuums in Machtstrukturen zu sehen ist; wie man an die globalere Frage der sozialen Erzeugung sozialer, (mikro)politischer und kultureller Beziehungsstruk- turen herangehen könnte, sodaß auch eine, bereits oben erwähnte klassische Anforderungen an soziologische Theoriebildungen geleistet werden kann: die konzeptionelle Verbindung zwischen Struktur- und Handlungsebene herzustellen.

Für die Bewältigung dieser und ähnlich gelagerter Problemstellungen bietet sich nun eine theoretische Perspektive an, die nicht mehr diesseits, sondern jenseits der methodologischen Pole liegt, indem sie die beiden quasi zu einer Synthese auf einem anderen Niveau führt - wobei der Bereich genuin soziologischer Erklärung, wie es oben hieß, nicht geschmälert, sondern, im Gegenteil, weitestmöglich ausgedehnt wird: die Arbeiten des französischen Soziologen Pierre Bourdieu, die, bisher nur in der Soziale-Ungleichheiten-Forschung und in der Kultursoziologie4 breiter diskutiert, wohl auch gerade der neueren industriesoziolo- gischen Forschung interessante Entwicklungsmöglichkeiten weisen können. Daß dem so ist, soll hier nicht einfach postuliert werden, sondern im Wege einer Rekonstruktion zunächst der Entwicklung aktueller Forschungsperspektiven und Problemstellungen der Industrie-

4) Vgl. etwa die Sammelbände Kreckel (1983) und Eder (1989), sowie die Aufsätze von Hometh (1984) und Müller (1986).

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Soziologie, im weiteren dann der Diskussion des vorliegenden Theorieangebots, schließlich einer Darstellung der Bourdieuschen Theorieperspektiven nachvollziehbar gemacht werden.

Wenn nun das Feld der Diskussion jenseits der klassischen Pole geöffnet und die Per- spektiven weiterführender Ansätze angedeutet wurden, so sei an diesem Punkt nochmals der Gedankengang an den thematischen Kern dieser Arbeit zurückgebunden, und gleichzeitig ihr argumentatorischer take-off festgehalten: Inhaltlicher Fokus der Diskussion wird die Frage der Erklärung betrieblicher Strukturbildung sein, wie sich die neuere Industriesozio- logie damit konfrontiert sieht. "Warum und inwiefern sich das Problem der Erklärung betrieblicher Strukturbildung heute aber aufs Neue stellt" wird dabei genauso zu themati- sieren sein, wie die Frage, welche Indizien für einen begründeten Perspektivenwandel in der Industriesoziologie sprechen; weshalb die Reichweite traditioneller Erklärungsmuster als zu begrenzt erscheinen muß; und schließlich, noch einmal konkret, welche Erklärungsansätze heute vorliegen, die insbesondere für die aktuellen Problemstellungen der Industriesoziolo- gie interessant sind.

Im Versuch, sich der Beantwortung dieser Fragen schrittweise zu nähern, soll zunächst an einige industriesoziologische Arbeiten erinnert werden, die zur Entwicklung der aktuellen Forschungsperspektiven des Fachs beitrugen. Daraus seien vorerst einige "Labour-Process- Debate" bezogene britische Beiträge genannt, gefolgt von den im deutschsprachigen Raum mit zunehmendem Interesse diskutierten Neuformulierungen und -thematisierungen betrieblicher Strukturbildungsdimensionen.

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I. T E I L

1. Perspektiven der Erklärung betrieblicher Strukturbildung

1.1. Perspektivenwandel in der britischen Debatte

Von Seiten der britischen Industriesoziologen wurden bereits im Rahmen der "zweiten Welle" der "Labour-Process-Debate"5 Konzepte entwickelt, die Bravermans (1974) als zu eindimensional kritisierte Fassung des "Modemen Produktionsprozesses" deutlich erweiter- ten. Bravermans zentrale Thesen - wie die zunehmende Dequalifizierung und Degradierung der Arbeit (Proletarisierung), weiters die fortschreitende Segmentierung und Fragmen- tierung der Tätigkeiten (funktionelle Arbeitsteilung), schließlich die expandierende Kontrolle des Kapitals über die Arbeit, kurz: die Fortführung des historischen Prozesses der Taylorisierung des Arbeitsprozesses - wurden praktisch in allen Punkten einer eingehenden Kritik unterzogen. Insbesondere Bravermans grundlegende Konzeption eines weitgehend linearen Entwicklungsprozesses und einer sich universal vollziehenden Entwicklungslogik mußte zurückgewiesen werden, angesichts der Fülle an empirischen Arbeiten, die regionale und branchenmäßige Disparitäten, sowie gegenläufige Tendenzen feststellten: Requalifi- zierungsprozesse, funktionelle Reintegration, Formen des mehr oder weniger organisierten

"Unterlaufens" der Managementkontrolle (durch Arbeitswiderstand, L e i - stungszurückhaltung, etc.), heterogene Arbeitskräftegruppe und entsprechend unter- schiedliche Interessen. Bravermans Szenario von Gegenwart und Zukunft industries- gesellschaftlicher Produktions- und Arbeitsprozesse induzierte insgesamt eine breite Aus- einandersetzung, in Folge derer sich neue, im Vergleich zu seinen Perspektiven erweiterten herausbildeten.

Für die Entwicklung eines derartigen Perspektivenwandels im angelsächsischen Raum waren bspw. Friedmans (1977) und Edwards (1979) Arbeiten ausschlaggebend. Ihre Schlußfolgerungen aus einerseits gegenwartsbezogener und andererseits historiographischer Analyse, sprachen für eine differenziertere Sicht von Arbeitsprozeß und darin konstituierter Kontrollstrategien. Damit wurden nicht nur Kontrollformen und Managementstrategien6

5) Für die deutsche Industriesoziologie hat sich v.a. der von HüdebrandtlSeltz (1987) herausgegebene Sammelband als wertvolle Einführungslektüre zu Stand und Entwicklung der Debatte erwiesen. Auch Lothar Lappe (1986) muß hier erwähnt werden. Er stellt der britischen Sicht des labcur process die theo- retischen und empirischen Perspektiven der deutschen Industriesoziologie gegenüber. Da hier nur einige der markantesten Beispiele aus der britischen Industriesoziologie erwähnt werden können, sei an dieser Stelle umso mehr Lappes interessante und sehr informative Diskussion empfohlen.

6) Vgl. Edwards (1979) Konzeption der drei historisch aufeinanderfolgenden Kontrolltypen: einfache, technische, bürokratische Kontrolle. Auf der anderen Seite Friedmans (1977) Konzept der "direkten Kon-

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vielschichtiger gedacht, sondern auch Möglichkeiten zur Konzeprualisierung feinkörnigerer Entwicklungsmodelle angezeigt (wobei allerdings Edwards selbst wiederum dafür kritisiert werden mußte, ein lineares Entwicklungsschema seiner Kontrolltypen aufzustellen, bspw. in Thompson [1987]).

In dieser Hinsicht konnte weiters Burawoy mit seiner wohl bekanntesten Arbeit

"Manufacturing Consent" (1979) einen entscheidenden Einfluß auf britische und darüber hinausreichende Diskussionsfelder nehmen. Burawoy, dessen Arbeiten bekanntlich ent- scheidend auf seinen eigenen Erfahrungen als Industriearbeiter beruhen, widmet sich in dieser Arbeit dem Phänomen der Reproduktion betrieblicher Macht- und Herr- schaftsverhältnisse. Er geht dabei aber, im Unterschied etwa zu Braverraan, davon aus, daß die betrieblichen Akteure auch auf "shop-fioor"-Ebene, interessegleitet und strategisch handeln (s. dazu Anm. 7). Burawoy sieht diese also als aktive Teilnehmer der für die betriebliche Strukturbildung zentralen Spiele des "making out". Mit Nachdruck lenkt er somit immer wieder die Aufmerksamkeit auf die alltäglichen sozialen Auseinan- dersetzungen um die Strukturierung des Arbeitsprozesses, in denen die Arbeiter sehr wohl

ihre politischen Spielräume nutzen - wenn diese Spielräume auch auf solche der Entschei- dung über ihre Leistungsintensität beschränkt sind. In diesem Sinne sollte bei Burawoy nicht mehr so sehr den "politics of production" der institutionalisierten Interessenvertreter, sondern den "politics in production" der unmittelbar in den Produktionsprozeß involvierten Akteure (v.a. eben auch jener auf "shop floor" Ebene) eine Hauptrolle zuerkannt werden.

Richtungsweisend ist in diesem Zusammenhang v.a. auch Burawoys Beobachtung der kon- sens- und legitimationsstiftenden Wirkung sozialer Praxis. Burawoy begründet dies damit, daß allein durch die Teilnahme an den für alltägliche betriebliche Praxis konstitutiven Spielen (v.a. des "making out"), jeder betriebliche Akteur unweigerlich die herrschenden Regeln vollzieht, und auf diese Weise gleichzeitig einen wesentlichen Beitrag zur Produk- tion des allgemeinen "Konsenses" leistet. Auf Basis dieser Beobachtung, die Burawoy zu den genannten Neuformulierungen der Reproduktionsmechanismen betrieblicher Macht- und Herrschaftsverhältnisse veranlassen, können dann auch traditionelle analytische Dilemmata (wie das sogenannte "Management-düemma") in ein "in und durch Praxis" ent- schärftes Spannungsverhältnis übergeleitet werden.?

trolle" und der "verantwortlichen Autonomie". Die simplizistische Konzeption des Managements, als einer hinsichtlich ihrer Interessen homogenen und strategisch geschlossen auftretenden Gruppe, hat bspw. Luder (1987) mit Nachdruck kritisiert.

7) Das "Managementdilemma" läßt aus dem ambivalenten Verhältnis von Systemintegratton einerseits und Sozialintegration andererseits ein "Diszipliiüerungs- und Konsensproblem" für betriebliche Füh- rungskräfte entstehen (Vgl. bspw. Flecker/Volst 1988). Konkret auf dieses Dilemma gemünzt, kann man

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1.2. Beiträge zum Perspektivenwandel in der deutschen Industriesoziologie

In der deutschsprachigen Industriesoziologie hatte sich eine differenzierte Sicht des Arbeitsprozesses durch Bezug auf soziale Kontexte und lokale Praktiken besonders inner- halb der akteurs- und interessen- bzw. strategiebezogenen Ansätze entwickeln können.

Auffallend an den rezenteren Arbeiten im Bereich dieser Ansätze ist eine veränderte Diktion, die zugleich ein verändertes empirisches wie theoretisches Problembewußtsein

innerhalb der vielzitierten "Zunft" anzuzeigen scheint. Diese Modifikation des industrie- soziologischen Vokabulars - absehbar an Begriffen wie die "Politikarenen"

(Aichholzer/Flecker/Schienstock 1989), "Mikropolitiken" (Ortmann 1988), "Verhand- lungsfelder und Verhandlungskulturen" (Bechtle 1989) sowie, noch weitreichender gefaßt, die "Betrieblichen Sozialverfassungen" (Hildebrandt/Seltz 1989), etc. - deutet auf eine Erweiterung der aktuellen industriesoziologischen Forschungsperspektiven hin, wonach betriebliche Sozialstrukturen nicht mehr allein als abhängiger Variablenkomplex, deter- miniert von den abstrakt formulierten Prinzipien kapitalistischer Produktionslogik hinge- nommen werden wollen und können. Stattdessen rücken auch hier die "politics in production" mehr und mehr ins Zentrum des Interesses. Mehr noch: sie scheinen sich als privilegierter, weil fruchtbarer(er) Zugang zur Erklärung der vielfältigen sozio-kulturellen Ausgestaltungen betrieblicher Sozialsysteme durchzusetzen.

Die Hinwendung der industriesoziologischen Forschung auf die konkrete soziale und (mikro)politische Praxis im Betrieb, zieht nun die bereits angedeutete Konsequenz nach sich: soll es statt einer homogenisierenden Sicht der Dinge um die heterogenen, jeweils spezifischen Formen und Inhalte der sozialen Auseinandersetzungen um die Strukturierung

des Arbeitsprozesses auf der Basis der jeweils bestehenden objektiv-institutionalisierten und subjektiv-internalisierten Strukturen gehen, so muß sich das Forschungsfeld der Industriesoziologie zwangsläufig verdichten. Denn eine komplexere Vorstellung von den Produktions- und Reproduktionsmechanismen betrieblicher Strukturen führt die Viel- schichtigkeit sozialer Beziehungen innerhalb eines beobachteten Betriebes vor Augen, genauso wie die Vielfältigkeit sozialer Strukturen im Vergleich zwischen den Betrieben.

nun mit Burawoy davon ausgehen, daß die Beschäftigten zwar aus eigenen Interessen handeln und eigene Entscheidungen treffen, dabei aber letztlich doch wieder die bestehenden Macht- und Herrschaftsstruktu- ren reproduzieren. Ihre strategischen Praktiken gefährden demnach die Managementziele (Produktivitätssteigerung und Herrschaft) nicht, sondern laufen letztlich auf die Verfolgung dieser Ziele hinaus. Wobei weder diese reproduktive Wirkung ihrer strategischen Praktiken, noch die geschickten Interventionen des Managements als solche für sie durchschaubar sein mögen.

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Das heißt im weiteren nun aber auch, daß die Frage der sozialen Erzeugung bzw. Produktion und der Reproduktion empirisch heterogener Sozialstrukturen anders zu stel-len ist! Je mehr der Arbeitprozeß nämlich als "autonom" gegenüber einer verallge-meinerten indu- striegesellschaftlichen Produktionsweise angesehen wird, desto deutlicher verlangt er nach einer eigenständigen Erklärung. Die empirisch uneinheitlichen Erscheinungsbilder von Arbeitprozessen sind ja nicht mehr auf mehr oder weniger große Abweichungen eines generellen Typs reduzierbar. Vielmehr muß man die jeweils besonderen

"Sozialverfassungen" bzw. "Sozialordnungen" (Kotthoff/Reindl 1990) in ihrer vollen Bedeutung als Produkte betriebsspezifischer sozialer Strukturierungsprozesse sehen.

"Vielschichtigkeit" und "Vielfältigkeit" betrieblicher Strukturen wollen dann nicht mehr einer abstrakten Logik geopfert werden, sondern als zentrale "Merkmale" des indu- striesoziologischen Forschungsgegenstandes anerkannt werden.

Diese "Anerkennung" zeigt sich zunächst im Bemühen um eine adäquate beschreibende Erfassung je spezifischer Produktions- und Arbeitsverhältnisse. Im weiteren und darüber hinaus muß sie jedoch auch im Bemühen um eine adäquate theoretische Fundierung und Konzeptualisierung betrieblicher Strukturbildung bestehen (siehe dazu genauer später, Kap.

2). Wenn sich die Industriesoziologie empirischen Fragen - wie "unterschiedliche Möglich- keiten und Grenzen der Gestaltung von Sozialstrukturen und Regelsystemen" oder

"Klassifikationen unterschiedlicher Verhandlungskulturen und Politikarenen" - analytisch nahem will, muß sie sich also einen entsprechenden theoretischen Bezugsrahmen schaffen, innerhalb dessen verschiedenste sozialorganisatorische "Gestalten" erklärt werden können.

Bemerkenswert an dem bisher besprochenen industriesoziologischen Perspektivenwandel sind darüber hinaus noch die folgenden Aspekte: nicht allein der gegenstandsbezogene Interessenhorizont verschiebt, oder besser erweitert und verfeinert sich; auch das Spektrum an Sichtweisen wird reichhaltiger - letzteres ist wahrscheinlich nicht zuletzt auf die z u - nehmende Öffnung einerseits in Richtung benachbarter Soziologien (bspw. der Organisa- tionssoziologie)8 und andererseits in Richtung allgemeiner Gesellschaftstheorie^ zurückzu- führen.

8) Als prominente Beispiele für Autoren der solchermaßen an organisationssoziologische Forschung angeschlossenen Arbeiten, sind zu nennen: der bereits zitierte Beitrag von Clegg (1989); weiters Bura- woylWright (1990), die auf die Bedeutung der hegemonialen Kontrolle und der Selbstkontrolle in Fragen des "Agency"-Problems hinweisen; sowie natürlich Croziers bzw. Crozier/Friedbergs (1979) Ansatz der Machtspiele vor dem Hintergrund der Kontrolle von Ungewißheitszonen (letztere werden unten näher besprochen).

9) So bezieht sich bspw. Traxler (1989) auf RC-Theorien (u.a. auf Elster), während Schimank (1986 und 1987) an die (Luhmannsche) Systemtheorie anschließt. Darüber hinaus ist Giddens' Theory of Structura-

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Es könnte sich hierbei um eine Art "Koevolution" handeln, d.h. um zwei sich wechselweise bedingende Weiterentwicklungsprozesse. Demnach wäre auf der einen Seite ein Bedürfnis nach brauchbar(er)en Erklärungen des mit herkömmlichen Konzepten nicht zufriedenstel- lend bewältigbaren, veränderten Erscheinungsbildes an betrieblichen Realitäten geschaffen worden; auf der anderen Seite hätte die Rezeption dahingehend interessanter theoretischer Neuerungen die Forschungsfragen selbst verändert und die entsprechende Sensibilität für die (mikro)politische, kulturelle, soziale Dimension im Betrieb mitproduziert.

Wie dem auch sei: Die neuere Geschichte der Industriesoziologie zeigt jedenfalls, daß man den Betrieb, über seine technisch-ökonomische Bestimmung hinaus, verstärkt als soziales System zu begreifen beginnt. Ein soziales System, das in Form eines mehrdimensionalen Beziehungsgefüges strukturiert ist. Von zunehmendem Interesse ist es dann auch, den Betrieb als Ort der Auseinandersetzung um die Strukturierung der Macht- und Herrschafts- verhältnisse zu untersuchen, d.h. als einen (müao)polüischen Raum. Indem politische Aus- einandersetzungen sowohl auf Basis spezifischer bestehender Legitimationsprinzipien statt- finden als auch um diese Prinzipien geführt werden (um Definition und Anerkennung der Form und Inhalte dieser Auseinandersetzungen), muß schließlich auch die kulturelle Dimension des Betriebs zu einem zentralen Forschungsgegenstand werden. Das heißt, daß hier die "symbolische" Ordnung der sozio-politischen Prozesse interessiert - jene Deutungsmuster und Interpretationsschemata also, die sich in einer spezifischen Sozial- organisation als legitim durchsetzten und praktisch wirksam sind.

Wie die Entstehung und Etablierung dieser sozialen Strukturen im Betrieb nun zu erklären ist, kann als ganz zentrale Problemstellung gewertet werden. Umso notwendiger machen es die derzeit vorliegenden empirischen Beobachtungsgrundlagen, sich mit den daran an- schließenden, teils sehr grundlegenden Fragen auseinanderzusetzen. Der folgende Abschnitt wird sich mit dieser Thematik befassen: Ausgehend vom Bezug zu allgemeinsoziologischen Problemstellungen werden die für die Industriesoziologie relevanten und im Laufe der letzten Jahren als prominente Referenzpunkte aufscheinenden Ansätze erwähnt. Es handelt sich also um eine grobe Skizze, auf der lediglich die Eckpunkte des konzeptionellen Feldes markiert werden sollen. A n dieser Stelle sollen weniger die genauen Argumentationslinien der Ansätze nachgezeichnet werden, sondern mehr die analytischen Ausgangspunkte und Stoßrichtungen im Zentrum des Interesses stehen. Inhaltlicher Aufhänger der folgenden

dort" zu erwähnen, rezipiert in den Arbeiten von Ortmann (bspw. 1988). Eine ober die Giddensche Kon- zeption noch hinausgehende Perspektive zum Thema betrieblichen Strukturwandels ist in Pierre Bourdieus

"Theorie der Praxis", auf die ja später noch näher eingangen wird, angelegt.

(20)

Darstellung ist die jeweilige konzeptionelle Strategie, die zur Erklärung sozialer (d.h. auch betrieblicher bzw. organisatorischer) Strukrurbildung verfolgt wird.

2. Fragen zur theoretischen Begründung und Konzeptualisierung des "Sozialen"

In dem oben geschilderten Szenario tauchen in der Industriesoziologie offensichtlich konzeptionelle Probleme (wieder) auf, mit denen sich die allgemeine Soziologie seit dem Bestreben ihrer Etablierung als eigenständige Disziplin auseinandersetzt. Das Durkheimsche Leitmotiv der Soziologie, Soziales sei durch Soziales zu erklären, mag dabei als imaginärer Angelpunkt der historischen und gegenwärtigen Diskussionen dienen. Im selben Maße wie

dieses Postulat ihnen nämlich als gemeinsame Legitimationsgrundlage diente, hat die Soziologie kontroversielle, auch sich einander ausschließende Konzeptionen ihres Gegen- standes entwickelt. Weit von einer geschlossenen Rezeptur entfernt, öffnet sich innerhalb des Durkheimschen Postulats die spektrale Vielfalt der Soziologien: Sowohl ihre erkenntnistheoretischen als auch ihre methodischen und methodologischen Debatten ent- zündeten sich immer wieder an der grundlegenden Problematik, der definitorischen und konzeptionellen Fassung des "Sozialen".*0

Wenig überraschend und zufällig ist, daß die Frage nach der Konzeption des "Sozialen" im betrieblichen Funktionszusammenhang seit jeher gleichermaßen kontroversiell war. Zwar herrschte unter den deutschen Industriesoziologen lange Zeit relativ breiter Konsens, was ihre Verankerung innerhalb der kritisch-marxistischen Tradition betrifft!!. Doch auf dieses einstige Einverständnis, läßt sich vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Wandels inhaltlicher "Besetzungen" (Forschungsschwerpunkte, Begriffsprägungen) einerseits, und des ebenso spürbaren Wandels vormals etablierter Denkstrukturen andererseits, nicht mehr im selben Maße bauen.

10) Vgl. Heinz Bude (1988), der, ausgehend von eben diesem klassischen Postulat, in einer sehr aufschluß- reichen Reklassifikation folgende Soziologien analysiert: jene, die Soziales als "externe Struktur", als

"interne Struktur" und als "serielle Struktur" begreifen; solchermaßen differenziert nach ihren jeweils unterschiedlichen Vorstellungen über Ort und Funktionsweise sozialer Strukturen, bewegt sich Soziologie seiner Auffassung nach "von einer Entsubstantialisierung und Entsubjektivierung zu einer Entstrukturali- sierung und Enttotalisierung des Sozialen" (Ders, 2). Wir werden uns, das sei vorausgeschickt, nur mit den ersten beiden Typen von Konzeptionen befassen: "Soziales als externe Struktur" (in den strukturfunktio- nalistischen und -deterministischen Konzeptionen) gegenüber "Soziales als interne Struktur" (v.a. bei Giddens und Bourdieu)

11) Ein, wie BraczykIKnesebeckjSchmidt (1982) es formulieren, "...bis Mitte der 70er Jahre kaum in Zweifel gezogenes...'Selbstbildm (19), gestützt auf eine "kognitive Identität auf der Ebene von Theoriestatus, Themenzentrierung und Methodenbestimmung" (20).

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Ganz deutlich zeigt sich deshalb die Bedeutung konzeptioneller Fragen dort, wo es um die Entwicklung von "Sozial- bzw. Politikmodellen" geht. Gerade hier mag zwar die Fest- stellung, daß Industriebetriebe nicht nur Güter und Dienstleistungen produzieren, sondern wesentlich auch soziale Beziehungen ob seiner Trivialität kein Aufsehen mehr erregen. Ganz sicherlich als nicht-trivial müssen jedoch die konzeptionellen Probleme gelten, die sich bei einer analytischen Bestimmung dieser Beziehungen stellen. Damit ist nämlich eines der Hauptprobleme jeglicher soziologischer Erklärung angesprochen: der theoretische Status von sozialem System und Akteur sowie die Konzeptualisierung der Vermittlungsprozesse zwischen Strukturen und Strategien .12

Viele der gegenwärtigen industriesoziologischen Arbeiten schneiden diese Problematik an (wenn auch zum Teil nur indirekt). Ihre methodologischen und konzeptionellen Grundlagen können, einer üblichen Systematisierungsweise zufolge, auf der soganannten "Struktur- Handlungs-Achse" lokalisiert werden. Im folgenden kurzen Überblick soll versucht werden, industriesoziologische (oder für Industriesoziologie relevante) Ansätze auf dieser Achse einzuordnen. Ziel dieser Vorgangsweise ist, die Diskussion über die zu erörternden A n - sätzen einmal nicht primär aus der Perspektive ihrer empirischen Plausibilität zu führen.

Vielmehr steht der methodologisch-konzeptionelle Ort dieser Ansätze und der von dort aus jeweils absehbare Erklärungshorizont zur Diskussion.

Der hier nur eng gefaßte Bogen spannt sich von "strukturnahen" Ansätzen (am Beispiel von kontrolltheoretischen, kontingenztheoretischen und technikdeterministischen Ansätzen) zu deren Kritiker, die zugleich "Vermittlungsansätze" entwickelt haben (jene also, die Struk- tur- und Handlungsebene zu integrieren versuchen).^ Zunächst jedoch zu den struktur- nahen Konzeptionen und der Perspektive, aus der sie Strukturbildungsprozesse betrachten:

12) Den historischen sowie theorie- und gegenstandsspezifischen Besonderheiten entsprechend, ist damit ein sehr facettenreiches Problem angesprochen. Um nur einige bekannte Kodierungsbeispiele zu nennen: die Vermittlung zwischen Mikrc— und Makroebene, zwischen objektiven Bedingungen und subjektiven Entscheidungen, zwischen ökonomisch-funktionalen Imperativen und individuellen Interessen, zwischen systemischer Entwicklungslogik und konkreten Gestaltungsprozessen, zwischen sozialen Praxisformen und einzelnen strategischen Praktiken, zwischen Regel und Handlung, etc.

13) Weitere Ansätze, die dieses Bild besser abrunden - v.a. das weitreichende Angebot an handlungstheoreti- schen Neuerungen innerhalb der Raüonal-Choice und spieltheoretischen Ansätze - , können im begrenzten Rahmen dieser Arbeit nicht entsprechend breit diskutiert werden. An entscheidenden Punkten der Bour- dieu-Diskussion wird jedoch auf einzelne Konzepte (Intenionalitäts- und Rationalitätskonzept) Bezug ge- nommen, wie sie übrigens auch in 4er "Elster-Bourdieu-Debatte" eine Rolle spielten.

(22)

2.1. Kontrolltheoretische Ansätze

Ganz deutlich wird die Frage nach dem Status von "Struktur und Akteur" in kontroll- theoretischen Ansätzen mitthematisiert. Im sogenannten "KontTollparadigma" - das wohl von Braverman am nachhaltigsten geprägt wurde - ist der zentrale Stellenwert der Kontrolle des Kapitals über Arbeit durch folgende Argumente begründet1 4: Kapitalistische Produkti- onsweise ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, daß soziale Ordnung zur Optimierung des ökonomisch-funktionalen Wirkungskreises mittels weitestgehender Reglementierung bzw.

"Kontrolle" des Erlebens und Handelns der Beschäftigten hergestellt wird bzw. werden muß.

Strategien der "Entsubjektivierung" der Beschäftigten (sie werden auf die Funktion einer Arbeitskraft reduziert) und spezifische Formen des Technikeinsatzes (als wesentlicher zusätzlicher Kontrollinstanz) übernehmen dabei die wichtige Funktion das dem kapita- listischen Arbeitsprozeß inhärente "Transformationsproblem" zu bewältigen.

Dieses schon als klassisch geltende "Transformationsproblem"15 entsteht aus einem zen- tralen analytischen Ausgangspunkt, der zugleich die spezifische Herangehensweise der Kontrolltheoretiker an die Frage "Vermittlung zwischen Struktur und Handlung" ver- deutlicht. Denn die "Transformationsfrage" stellt sich ausgehend vom Postulat des

"doppelten Charakters der Ware Arbeit" und der analytischen Differenzierung von

"Arbeitskraft" und "Person des Arbeitnehmers" und schafft somit das Problem der

"Verflüssigung" der Arbeit, d.h. der Umwandlung potentiell-verfügbarer in tatsächlich- geleistete Arbeit. Zur Erklärung der solchermaßen theoretisch verankerten Trans- formationsprozesse muß nun auf diverse analytische "Bindeglieder zwischen Struktur und Handlung" (Vgl. Traxler 1989,20; Hervorhebung J.H.) rekurriert werden. Wobei sich neben

"Macht und Interesse" eben vor allem "Kontrolle" als zentrale Erklärungsvariable erweist.

Aus kontrolltheoretischer Perspektive wird also die Verbindung zwischen den Anforderun- gen kapitalistischer Produktionsweise und deren Erfüllung im Arbeitsprozeß in erster Linie durch Kontrolle des Kapitals über Arbeit, typischerweise in Form technisch-organisatorisch objektivierter, m.a.W. "struktureller Kontrolle" hergestellt (Hill, zit. in Schienstock/Flecker/Rainer 1988, 298). Wobei die Erfüllungsgehilfen dieser strukturellen

Funktionsgarantie kapitalistischer Produktionsweise dort gleichzeitig als ihre primären Nutznießer betrachtet werden: Kapitalist bzw. Manager, die sowohl ein objektives Interesse

14) In Anlehnung an Schimanks (1987) knappe und scharf konturierte Darstellung dieses Paradigmas.

15) Der konzeptionellen Weiterentwicklung innerhalb der Bemühungen um eine "Mikrofundierung des politökonomischen Ansatzes" liegt eine analoge Version dieses klassischen Problems zugrunde: das

"Agency Problem" (s. etwa Bowles/Gmlis 1990)

(23)

wie die materiell begründete Macht haben, derartig indirekte Kontrollsysteme einzusetzen und gegebenenfalls auch direkte, persönliche, Kontrolltechniken anzuwenden.

Die Kurzschlüsse des "Kontrollparadigmas" sind schon vielerorts kritisiert worden. Statt einer Wiederholung möchte ich an dieser Stelle lieber auf Publikationen zum Thema ver- weisen, bspw. die bereits zitierte Darstellung in Schienstock/Flecker/Rainer (1988).

Für die Zwecke dieses Aufsatzes ist es aber wichtig festzuhalten, daß innerhalb der traditio- nellen kontrolltheoretischen Ansätze recht klar die Strukturseite auf Kosten der Handlungs- seite zur Erklärung herangezogen wird - und zwar in mehrfacher Hinsicht: Erstens bestim- men objektive Zwänge (manageriale Kontrollstrategien, technische Systeme, materielle Zwänge) subjektives Handeln. Zweitens wird ausgehend von den abstrakten Prinzipien kapitalistischer Produktionslogik (Rationalisierung, Ausbeutung, etc.) ein Grundmuster der Funktionsweise und Entwicklung von Arbeitsprozessen gestrickt. Die Heterogenität an Produktionskonzepten und Sozialverfassungen wird demnach vernachlässigt, zugunsten eines einheitlichen Schemas. Und drittens schließlich wird die soziale Dimension des Betriebes generell in ihrer Bedeutung abgeschwächt, v.a. aber konzeptionell vernachlässigt.

Alternative Formen des Arbeitshandelns, wie Leistungszurückhaltung und Widerstand, werden vielfach nur als Entfremdungserscheinungen gedeutet, sozio-politische Auseinandersetzungen nur entlang der Konfliktschiene "Management- versus Beschäftig- teninteressen" untersucht.

Ebenso als strukturlastig sind Konzepte zu bezeichnen, die betriebliche Strukturbildung von der (Produktions)Technik oder vom ökonomischen und politisch-institutionellen Umfeld abhängig denken. Als Ausgangspunkt der Erklärung steht nun nicht mehr so sehr eine gene- ralisierte Strukturierungslogik. Die empirisch vielfältigen Formen struktureller Verhältnisse werden aber erst wieder nur als bedingt durch betriebliche î/mwe/ieinflusse bzw. -anfor- derungen oder als notwendig für eine adäquate Tec/z/iiÄadaption gesehen (Vgl. bspw. Og- burn 1950), anstatt sie genuin soziologisch, d.h. als Produkte sozialer Strukturierungs- prozesse zu begründen.

Aufgrund der Strukturlastigkeit kann der Erklärungsanspruch dieses Ansatzes grundsätzlich nur erhoben werden für ejus Richtung der Verbindung zwischen den methodologischen Polen: von den objektiven, strukturellen Verhältnissen (repräsentiert im Zwangsapparat nach kapitalistischer Produktionslogik) zu den Handlungen und Verhaltensweisen des, in diesen Apparat eingepaßten, diesen Verhältnissen unterworfenen, einzelnen Akteurs. Eine gleichermaßen gegenläufige Bewegung ist im wesentlichen nicht nachvollziehbar. Sie ist

(24)

auch nicht oder zumindest weniger relevant als die Erforschung der Auswirkungen objek- tiver struktureller Verhältnisse auf den Einzelnen. Denn aus der Sicht der solcherart strukturdeterministisch gefärbten Ansätze gesehen, sind subjektive Handlungs- und Ver- haltensweisen vordringlich aus ihrer strukturellen Bedingtheit zu erklären. Es geht also a l l - gemein darum, die Engführung individueller Handlungs- und Entscheidungsoptionen aus systemlogischen Zwängen zu erklären. Das Forschungsinteresse richtet sich demgemäß in erster Linie auf die empirischen Repräsentanzen dieser Zwänge, auf die mehr oder weniger offenen Reglementierungstechniken des Management.

2.2. Kontingenztheoretische und technikdeterministische Ansätze

In beiden Fällen wird somit sin spezifischer Aspekt als ausschlaggebend zur Erklärung der betrieblichen Organisationsform herangezogen. Die Kontingenztheoretiker Lawrence und Lorsch (1967) bspw. führen einen hohen Grad organisatorischer Formalisierung, Zentra- lisierung und Zielspezifizität - kennzeichnend für ein "rationales OrganisationsmodeU" - darauf zurück, daß die organisatorische Umwelt entsprechend homogen und stabil ist.

Demgegenüber ist es für Betriebe, die sich in einer turbulenten Umwelt befinden, ange- bracht, Prinzipien eines "natürlichen Organisationsmodells" zu verwirklichen (mit ent- sprechend geringen Ausprägung auf den für das rationale Modell typischen Dimensionen, jedoch mit umso zentralerer Bedeutung der "selbstorganisierenden" informellen Strukturen;

vgl. Scott 1986). Die Entwicklung des einen oder anderen Organisationsmodells wird somit zu einer Frage der mehr oder weniger guten Anpassung an die betriebliche Umwelt gemacht.

Diese krude evolutionstheoretische Deutung der betrieblichen Strukturentwicklung erhält eine weitere problematische funktionalistische Wendung, wenn dem einfachen

"Überlebens-Zweck" Variablen wie Effizienz oder Gewinnmaximierung als struktur- prägende Erklärungsfaktoren hinzugefügt werden. Damit ist nämlich, wie Silverman (1987) bemerkt, das Forschungsinteresse auf ein Problem gerichtet, daß soziologisch eigentlich nicht interessant ist. Denn die Frage, inwieweit Betriebe effizient arbeiten, trägt nichts zum Verständnis dazu bei "why its structure is as it is, unless we make the teleological assump- tion that organisations take the form that they do as a response to their needs, one of which is presumably efficiency." (Ders., 19)

Ebenso wie die kontingenztheoretischen Ansätze gehen "technizistische" Ansätze von einem externen, nun aber produktionstechnik-induzierten Anpassungsdruck aus. In der organisationssoziologischen Geschichte trifft man bspw. auf das Konzept von Woodward (1958), das den Grad an technischer Komplexität für bestimmte Produktionsorgansisationen

(25)

(bspw. Groß- bzw. Kleinserienfertigung) mit einer dafür jeweils angemessenen Form der Arbeitsorganisation gleichschaltet. Gerade heute muß man diese und ähnliche Konzeptionen aber problematisieren und die Rolle von "Technik" als zentraler Erklärungsvariable für Produktionsorganisation und Arbeitsgestaltung in Zweifel ziehen. Denn wie die neuere Forschung zur Einführung von Informations- und Kommunikationstechnologien zeigt, ist Technik kein exogener Faktor. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß bestehende und zukünftige Technikstrukturen wesentlich von betriebsspezifischen sozialen und politischen Prozessen geprägt sind. Wobei als zentraler Einflußfaktor der jeweiligen Technikgestaltung weiters die spezifischen kulturvermittelten Aneignungsweisen und Deutungsmuster von Technik zu berücksichtigen sind. 16

Die Schwächen der kontingenztheoretischen und technizistischen Argumentation liegen somit recht deutlich auf der Hand. Um abschließend nur folgende zu nennen: Vernach- lässigung der Bedeutung bestehender sozialer Strukturen (die sich empirisch in Form von Akzeptanzverweigerung gegenüber aufoktroyierten Technisierungsvorhaben zeigen);

Reduktion des Betriebs auf seine sachlich-funktionale Zweckbestimmung (und damit auch Funktionalisierung sozialer Zusammenhänge); Nichtbeachtung der von den (innerbe- trieblichen sozialen Prozessen selbst induzierten Strukturierungsdynamik, stattdessen Hypostasierung eines spezifischen Erklärungsfaktors (Umwelt, Technik).

Die Grenzen der Erklärungskraft verschiedener Spielarten speziell des funktionalistischen Paradigmas mit weiteren Argumenten zu belegen, ist angesichts einer ganzen Tradition der Funktionalismuskritik, wohl nicht nötig (als beispielhafte Betreiber dieser Kritik seien hier nur die in diesem Aufsatz erwähnten Autoren, wie Giddens und Bourdieu genannt). Ebenso wurde der "technologische Determinismus" bereits einer eingehenden Kritik unterzogen (weshalb Lutz bereits 1987 vom "Ende des Technikdeterminismus" spricht). Abgesehen aber von den offensichtlichen theoretisch-konzeptionellen Mängeln, die eine Rückführung betrieblicher Sozialstrukturen auf ihre Rahmenbedingungen (betriebliche Umwelt) oder auf unabhängige Technikvariablen bergen muß, haben vor allem auch rezente empirische Studien überzeugendes Material zu ihrer Kritik geliefert.17

16) Vgl. zur diesbezüglichen Forschung im besonderen die Arbeiten von Homing (1985) und Joerges (etwa 1988).

17) Beiträge renommierter Kritiker technikdeterministischer Erklärungsmodelle liegen bspw. in dem Sammel- band mit dem bezeichnenden Titel "Technik als sozialer Prozeß" vor (in: Weingart 1989). Im Beitrag von Schmidt (1989) werden dazu anschauliche Beispiele aus der empirischen Forschung zur Einführung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien angeführt.

(26)

2.3. Giddens' "Theory of Structuration"und Crozier/Friedbergs "Gameskonzept"

Über die bisher genannten Arbeiten hinaus liegen heute jedoch auch Ansätze vor, die in Fragen der Struktur-Handlungs-Vermittlung sehr viel elaborierter erscheinen müssen. Für industriesoziologische Fragestellungen als relevant sind Giddens' "Theory of Structuration"

sowie Crozier/Friedbergs "Spielkonzept" zu erwähnen - beide widmen sich dem Problem der konzeptionellen Integration von Strategie- und Prozeßorientierung ohne Vernach- lässigung der strukturellen Rahmenbedingungen des Handelns. Obwohl in unterschiedlichen soziologischen Feldern lokalisiert - Giddens tritt stärker im gesellschaftstheoretischen im Feld auf, Crozier und Friedberg sind eher organisationstheoretischen Kontext zu lokalisieren - ist den Autoren gemeinsam die Kritik an strukturdeterministischen und -funktiona- listischen sowie voluntaristisch und rationalistischen Erklärungskonzepten.

Zunächst zu Giddens, dessen Arbeit von der Kritik dieser Ansätze überhaupt ihren Ausgang nimmt und der Entwicklung einer Soziologie gewidmet ist, die das Verhältnis zwischen Struk- tur und Handlung als ein dialektisches versteht. Struktur und Handlung sind demnach nicht anders zu begreifen, als die zwei sich wechselseitig bedingenden und erzeugenden Momente des Sozialen ("action and structure présuppose one another", Giddens 1979, 53). Das Konzept der "Duality of Structure" stellt somit ein überzeugendes Votum für den Aufbruch der E i n - seitigkeiten und Eindimensionalitäten von sowohl "methodologischem Individualismus" als auch "methodologischem Holismus" dar.

Vom kritisierten Dualismus zwischen strukturellem Zwang und willkürlichem Handeln gelangt Giddens über eine dynamische Strukturkonzeption zu einer anspruchsvollen Handlungstheorie.

Interessant und wichtig bei Giddens ist genau diese methodologische Bewegung: soziale Struk- turen werden als "medium and outcome" sozialen Handelns konzipiert. Sie sind Produkt ("outcome") vergangener Praktiken, welche auf die regelgeleitete Realisierung der Handlungs- ressourcen rückführbar sind. Regeln und Ressourcen werden somit selbst schon als Struk- turierungsfaktoren konzipiert.l8 Sie befähigen ("enable") die Akteure zu kompetenten und kontextsensitiven Praktiken, Damit sind aber auch Fähigkeiten und Kenntnisse miteinge- schlossen, die dem Einzelnen nicht notwendigerweise bewußt sind bzw. für ihn nicht artikula-

18) Giddens wendet sich damit gegen die Vorstellung der dem Handelnden) "äußeren Strukturen", genauer gegen die Konzeptionen der "'externality' of social phenomena to individual acitivity" (Giddens 1984,169). Struktu- rierungsprozesse machen Giddens zufolge nicht vor den Grenzen sozialer Akteure halt, sondern bestehen eben in Gestalt von Regeln und Ressourcen in ihren Köpfen und Körpern.

(27)

tionsfähig sein müssen. Es handelt sich also um ein "praktisches Wissen", von dem das einzelne Individuum nur ein "practical", jedoch kein "discursive consciousness"l9 hat.

Mit diesen "praktischen" Fähigkeiten und Wissensbeständen soll auch die Tatsache erklärbar sein, daß soziale Individuen sehr wohl absichtsvoll handeln und bestimmte strategische Orien- tierungen einschlagen, ohne über diese ihre Absichten auch immer entsprechend Rechenschaft ablegen zu können (d.h. im Einzelnen sagen könnten, warum sie so und nicht anders handeln, warum sie sich auf diese und keine andere Weise verhalten).

Dieser Punkt muß hier in aller Kürze erwähnt werden, da die Giddensche Integration von Struktur- und Handlungsebene ganz zentral auf der konzeptionellen Erweiterung der Dimen- sionen "unintended consequences" und "unconscious conditions of action" basiert. Ohne sie dem "Irrationalen" oder dem "falschem Bewußtsein" zuschreiben zu müssen, sind damit bspw.

auch die nicht als solche wahrgenommenen, aber dennoch wirksamen Machtverhältnisse (die übrigens, ähnlich wie schon bei Bourdieu, als asymmetrische soziale Beziehungen, bemessen an den verfügbaren Ressourcen der Akteure gedacht werden) genauso analytisch zugänglich wie strategisches Handeln, das, wiewohl absichtsvoll, zu anderen als den intendierten Effekten führt.

Innerhalb des Giddenschen Erklärungssystems können nun objektive Verhältnisse gedacht werden, die zwar handlungswirksam und verhaltenssteuernd sind, sich jedoch den Akteuren nicht als äußerer Zwang auferlegen. Denn die sozialen Kontextstrukturen sind Giddens zufolge als Produkt regelgeleiteter Realisierungen von Handlungsressourcen zu erklären. Die für sozial kompetentes Handeln erforderlichen Regeln internalisieren die Akteure im Laufe ihrer Sozia- lisation. Auf deren Grundlage werden Gesellschaftsmitglieder dazu befähigt, den Umständen der Situation angemessen zu agieren. Indem also soziale Handlungskompetenz auf die sozia- lisierte Fähigkeit der Akteure zurückgeführt wird, den jeweüs relevanten sozialen Kontext mitzureflektieren, legt Giddens den analytischen Schnitt nicht mehr zwischen objektiven Ver- hältnissen und Akteuren, oder kurz: zwischen Struktur und Handlung. Vielmehr sieht er in den Handlungsintentiönen und strategischen Orientierungen der Akteure selbst bereits wesentliche Strukturierungsprozesse vollzogen. Dementsprechend heißt es bei Giddens: "Structural constraints do not operate independently of the motives and reasons that agents have for what they do." (Giddens 1984,181)

19) Unter "practical consiousness" versteht Giddens die "tacit stocks of knowledge which actors draw upon in the constitution of social activity"; demgegenüber meint er mit "discursive consciousness" jene Kenntnisse, die

"actors are able to express on the level of discourse". (Giddens 1979,5) Giddens schließt hier offensichtlich an die klassischen Arbeit von Michael Polanyi an.

(28)

Trotz aller Bedeutung, die Giddens dem sozialen Kontext beimißt, eröffnet er damit einen gänzlich anderen analytischen Zugang als objektivistische und strukturdeterministische A n - sätzen das tun können. Denn der Strukturbegriff ist bei ihm in einer Weise definiert, die strate- gisches Handeln als Erklärungsinstanz miteinschließt. "Strategie conduet" wird allerdings nicht vom sozialen Kontext (strukturiert durch technische, funktionale, kulturelle, politisch-institu- tionelle, normative, etc. Variablen) abgehoben, sondern wesentlich im Rekurs darauf bestimmt.

Giddens bezieht sich in diesem Zusammenhang immer wieder ganz explizit auf Arbeiten der Ethnomethodologie bzw. des Symbolischen Interaktionismus (in der Goffmanschen Variante) - seine Konzeption rekursiver Strukturierungsprozesse kann im Sinne dieser Autoren gedacht werden. In Giddens' Strukturierungstheorie wird der alltäglichen, sich in und durch Praxis vollziehenden Gestaltungsarbeit an sozialen Beziehungen also große Bedeutung beigemessen.

Inwiefern die Betonung praktischer Gestaltungs- und Interpretationsaktivitäten auf der anderen Seite aber zu Ungereimtheiten mit Giddens' Konzeption struktureller Benachteiligungen in sozialen Systemen führt, darf darüber hinaus jedoch ebensowenig übersehen werden. Denn damit macht er das, gerade für die Industriesoziologie wichtige Problem der systematischen Produktion und Reproduktion ungleicher Einfluß- und Durchsetzungschancen zu wenig deut- lich. In diesem Zusammenhang wurden neben konstruktiven Kritiken (bspw. Livesay 1989) auch sehr ernsthafte Bedenken gegenüber Giddens geäußert.

Zum Teil scheint in Giddens' Aussagen über die grundlegende Handlungsautonomie des Einzelnen auch tatsächlich etwas "Voluntaristisches" anzuklingen. Etliche Verdachtsmomente dafür stecken im Prinzip der "dialectic of control", wonach Giddens jedem Akteur, auch dem offensichtlich Machtlosen, noch ein Machtpotential zugesteht, kontrolliert er doch ein Mindestmaß an Ressourcen, von denen andere wieder abhängig sind. Dieser Handlungs- bzw.

Kontroll-Spielraum, bestehend in der einfachen Option "of doing otherwise" (Giddens 1982), stellt für Giddens eine wesentliche Grundlage jeglicher, und damit auch seiner Handlungs- theorie dar. Wenn dem aber so ist, müßten die strukturellen Unterschiede zwischen den Hand- lungsspielräumen der Akteure, zwischen sozialen Positionen mit mehr oder weniger Einfluß- und Durchsetzungschancen in seine Handlungstheorie integriert werden.

Gerade was die Bedingungen individueller und damit sozialer Produktion und Reproduktion dieser Unterschiede betrifft, hat Giddens diese Zusammenhänge zwar allgemein beschrieben, jedoch deren zugrundeliegende Systematik nicht mit der, für die Industriesoziologie wohl wünschenswerten Konsequenz aufgezeigt.

(29)

Mit der Formel von den "dialektischen Kontrollbeziehungen" dürfte Giddens deshalb erwartungsgemäß industriesoziologische Entgegnungen provoziert haben - vor allem wohl von Seiten der Verteidiger des kontrolltheöretischen Ansatzes.

Diese mögen auch Crozier/Friedbergs Ansatz mit Skepsis begegnen und vor allem an deren mancherorts als etwas dubios empfundenen Begriff der "Spiele" einen Brennpunkt der Kritik finden.

Crozier/Friedberg (1987) stellen zunächst einen Verweisungszusammenhang zwischen den organisationsstrukturell verteilten Kon troll- und Entscheidungsfreiräumen ("Unsicher- heitszonen"), den Strategien der Bewahrung und Ausdehnung dieser Spielräume sowie den erspielten, legitimen Machtpositionen (bzw. "Autoritätspositionen") her. Der von ihnen konzi- pierte Strukturierungsmodus produziert soziale Beziehungskonstellationen im weiteren nicht als fait accompli, dem es sich fortan zu unterwerfen gälte. Vielmehr stehen eben die einmal etablierten Strukturen selbst auf dem Spiel. Denn die fundamentale (spiel)strategische Aus- richtung der Organisationsteilnehmer zielt auf die Beeinflussung der Strukturen "sozialer Felder" und damit auf den von ihnen kontrollierbaren Spielraum. Unter Einsatz ihrer

"ökonomischen", "kulturellen" und "sozialen" Ressourcen agieren sie dabei ihren Spielposi- tionen im jeweiligen Kontext gemäß.

Im Crozier/Friedbergschen Original liest sich dieser Zusammenhang folgendermaßen:

"Keine Situation in einer gegebenen Organisation stellt einen Akteur völlig unter Zwang.

Er behält immer einen Freiheits- und Verhandlungsspielraum. Dank dieses Spielraums (der für seine Gegenspieler wie für die Organisation insgesamt eine Unsicherheitsquelle ist) besitzt jeder Akteur Macht über andere Akteure. Diese Macht ist umso größer, je relevanter die von ihm kontrollierte Ungewißheitsquelle für jene ist, das heißt, je substantieller sie die Fähigkeit der anderen, zu "spielen" und ihre Strategien zu verfolgen, berührt." (Crozier/Friedberg 1979, 56)

Auch Crozier/Friedberg geht es also darum, die strategische Komponente der Erzeugung sozialer Strukturen, stärker ins Licht zu rücken. Ungeachtet der wohl unbestreitbaren B e - reicherung, die die Industriesoziologie aus der "Spielkonzepf'-Rezeption erfahren hat, sind an dieser Stelle jedoch einige Kritikpunkte anzumerken. Da ist einmal ihr Strategiebegriff, der letztlich unbefriedigend bleiben muß, weil er zu "unbestimmt und folglich von geringem analy- tischen Ertrag" (Traxler 1989, 23) ist. Diese Bedenken muß man aber auch vielen Teilen ihres übrigen Vokabulars gegenüber anmelden: sie sind im einzelnen nur unpräzise definiert und

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