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Mitteilungen zur semitischen Grammatik.
Von Hans Bauer.
I. Das Pluralpräfix 'a im Südsemltischen.
Daß die gebrochenen Pluralformen 'aqtäl, 'aqiül (äthiop.), 'aqtul,
'aqtilat nur die entsprechenden Weiterbildungen von qitäl, qutül,
qutul, qati'lat {qitlat) sind, liegt klar zu Tage (vgl. Barth, Nominal¬
bildung zu den einzelnen Formen und Brockelmann S. 431 ff.).
Um so rätselhafter ist die Entstehung dieses 'a Präfixes. Eine andere merkwürdige Erscheinung ist die, daß im Arabischen die sogenannten
Wenigkeits-Plurale (für eine Anzahl bis zu 10) mit den 'a-Formen
nahezu zusammenfallen*). Das ist schwerlich ein bloßer Zufall.
Wenn aber ein ursprünglicher Zusammenhang zwischen beiden he- i
steht, so kann er nur so gedacht werden, daß jene Pluralformen
überhaupt erst in der Verbindung mit den Zahlwörtern 3 —10
entstanden sind. Damit wären beide Erscheinungen mit einem
Schlage erklärt. Ist aber jene Voraussetzung richtig, dann kann
das 'a-Präfix nichts anderes sein als der angewachsene!
Akkusativauslaut des vorangehenden Zahlwortes.
Ein solcher Hergang wird leicht verständlich, wenn wir be¬
denken, daß gezählte Dinge für gewöhnlich das Objekt der
Handlung bilden, also regelmäßig im Akkusativ stehen. Weiterhin
lag es nahe , daß Verbindungen wie hamsa qitäl oder hamsata 2
qutul im Fluß der Rede zu hamsaqtäl und hamsataqtul zusammen¬
gezogen wurden. Aus letzteren konnten aber leicht, wie man sieht,
durch falsche Wortabteilung die neuen Plurale 'aqtäl und 'aqtul ab¬
strahiert werden. Ähnlich liegen die Verhältnisse im Äthiopischen.
Da wir auch hier die subordinierte Verbindung des Gezähltem mit 2
dem Zahlwort wohl als das Ursprüngliche anzusetzen haben und
überdies der stat. constr. stets auf a ausgeht, so dürfen wir an-
J s c
1) Es sind das bekanntlicli .^L^l, Joul, Das vierte (XJLxs)
könnte durch seine Verwandtschaft mit &JL*il in diesen Kreis geraten sein; viel¬
leicht darf man hier aber an eine Analogiebildung nach üiAc denken , das ja gewöhnlich eine kleine Anzahl bezeichnet.
104 Bauer, Mitteilungen zur semitischen Grammatik.
nehmen, daß beispielsweise hamesta qutül zu hamestaqtül zusammen¬
gezogen und daraus der Plural 'aqtül entnommen worden sei. Der¬
artige falsche Wortabteilungen sind ja in keiner Sprache etwas
Seltenes. Man vergleiche für das Semitische , die Belege bei
s Brockelmann S. 290, ganz besonders den völlig analogen Vor¬
gang im Neuarabischen, wo die Femininendung der Zahlwörter als
Präfix des Gezählten empfunden wird, z. B. maltesisch 'aiar titf&l
»zehn Kinder'.
Es ist wohl überflüssig, zu bemerken, daß weder im Arabischen
10 noch im Äthiopischen jeder einzelne 'a-Plural direkt aus der Ver¬
bindung mit dem Zahlwort zu stammen braucht. Einige wenige
derartiger Muster konnten genügen , um nach gewohnter Weise
Kategorie zu machen, sobald die Sprache das Bewußtsein von ihrer
Entstehung verloren hatte. Der Grad dieses Verlustes ist aber in
15 beiden Sprachen verschieden. Während im Äthiopischen den be¬
treffenden Formen uneingeschränkte Pluralbedeutung zukommt, haben
dieselben im Arabischen sozusagen die Eierschalen, die ihnen aus
der Verbindung mit den Zahlwörtern 3—10 anhaften, noch nicht
völlig abgestreift*). Vielleicht hängt das damit zusammen, daß im
20 Arabischen der Plural (nicht auch der Singular wie im Äthiopischen)
von »Finger', also der ürtypus des Wenigkeitspluralis überhaupt,
s
äußerlich das 'a-Präfix aufweist (,«jL3!). Natürlich ist das reiner
Zufall. Aber dieser Zufall könnte dazu beigetragen haben , das
Bewußtsein in der Sprache rege zu erhalten, daß der 'a-Plural ur-
25 sprünglich und von Rechts wegen nur einer kleineren Anzahl,
,die man an den Fingern abzählen kann', zukommt.
II. Die Herkunft der Reflexivformen im Gemeinsemitischen.
Bei der Analyse der semitischen Reflexivformen ergeben sich
die Präfixe ta und rui als die ursprünglichen Bildungselemente.
so Wir wollen hier nicht die unter dem Einfluß des,Aorist erfolgte
Umbildung dieser Elemente zu it, hit, in usw. verfolgen (Brockel-
mann S. 528 ff.), sondern den Ursprung jener Präfixe selbst zu er¬
gründen suchen. Es liegt dabei in der Natur solcher prähistorischer Untersuchungen, daß sie für ihre Ergebnisse nicht mehr als den Wert 85 einer Hypothese beanspruchen.
Wie sind also die semitischen Reflexiva entstanden? Wenn
wir deduktiv vorgehen wollen, so ist ohne Zweifel der nächstliegende
Gedanke der, daß man das Reflexivum durch Doppelsetzung des
Personalpronomens bildete, wie etwa in den deutschen Sätzen : »Du
••0 irrst dich, wir freuen uns'. Selbstverständlich braucht hierbei der
Akkusativ oder der oblique Kasus überhaupt nicht vom Nominativ
formell verschieden zu sein. Machen wir nun die Anwendung aufs
«
1) Nur bei s^^^bü! ist es wirklich der FalL.
Barter, MiUeäungen ■xur eemüischen Grammatik. JQÖ
Semitische, so erhebt sich zunächst die Frage: -Wo haben wir die
mutmaßlich ursprünglichste Gestalt des Pronomens zu suchen?
Offenbar nirgends mit größerer Wahrscheinlichkeit als dort, wo
dasselbe seit uralten Zeiten mit dem Verbum verschmolzen ist d. h.
in den Präfixen und Suffixen der Verbalformen. Gewiß sind auch 5
diese nicht ganz frei von Umbildungen geblieben*), aber die Tat¬
sache , daß' wenigstens zwei von ihnen im Aorist und Perfekt als
völlig identisch sich herausheben , darf doch wohl als Kriterium
ihrer Ursprünglichkeit gelten. Es sind dies die 2. Pers. sing. masc.
ta (taqtul, qatalta) und die 1. Pers. plur. na (naqtul, qatalna). lo
Sind somit die Elemente ta ,du', na „wir" als die wirklichen
Urformen semitischer Pronomina gesichert, so lautete unserer Vor¬
aussetzung gemäß bei ihnen das Reflexivum: *ta-qatal-ta ,du
tötest dich", "na-qatal-na „wir töten uns". Nun können wir uns
aber den weiteren Verlauf der Entwicklung so denken, daß zu is
*taqataltä auch ein *taqatalti, *taqataltumü usw. gebildet wurde,
desgleichen zu *naqatalnä auch ein *naqataltum,ü, *naqatalä usw.
So wären denn die Pronomina ta und na ihrer ursprüng¬
lichen Bedeutung verlustig gegangen und als Zeichen
des Reflexivums überhaupt empfunden worden. 20
Derartige Funktionsverschiebungen sind in der Sprachgeschichte
nichts Seltenes, und wir brauchen gar nicht weit zu gehen, um
ziemlich genaue Parallelen dafür zn finden. ,Im Altnordischen hat
sich mit Hilfe des Reflexivs ein Medium und Passivum herausge¬
bildet. Dabei ist das auf sik zurückgehende -sk, jünger e, welches 25
ursprünglich nur der 3. Person zukommen konnte, zuerst auf die
zweite, dann auch auf die erste übertragen, z. B. lukomz statt
älterem lükomk (= lüko-mik); das z wurde nicht mehr in seiner
ursprünglichen Bedeutung, sondern als Zeichen des Mediums und
Passivums gefaßt. In sehr vielen nord- und mitteldeutschen Mund- so
arten wird sich auch als Reflexivum für die 1. Plur. gebraucht,
hie und da auch für die 2. Person *)'. Derselbe Vorgang hat sich,
natürlich ganz unabhängig , im Slavischen vollzogen , weshalb man
bei deutschsprechenden Slaven nicht selten Ausdrücke hören kann
wie „ich wundere sich, wir freuen sich" usw.*) S5
In die gleiche Kategorie gehört im Grunde auch das syrische
Adverb 0)N^bJt „auf der Stelle", eigentlich „Sohn seiner Stunde";
von Haus aus nur für die 3. Sing. masc. berechtigt , wird es , ob¬
wohl etymologisch noch ganz durchsichtig, doch unterschiedslos für
alle Personen und Genera gebraucht. 40
1) Auch von Anfang an werden sie einander schon deshalb nicht überall entsprochen haben, weil m. E. das sog. Perfekt (ursemitisches Präsens) erheblich jünger ist als der Aorist.
2) H. Paul, Prinzipien der Sprachgeschichte*, S. 237.
3) Das lateinische amor geht (worauf mich Prof. Stumme aufmerksam macht) nach Ansicht vieler Indogermanisten auf amo se zurück.
106 Bauer, Mitteilungen zur semititchen Grammatik.
III. Das Problem der schwachen Verba im Gemeinsemitischen.
Der alte Streit über das Wesen der sogenannten schwachen
Verba, der vornehmlich auf dem Gebiete der hebräischen Grammatik
sich abspielte, ist immer noch nicht geschlichtet. Wenn wir die
6 Geschichte anderer wissenschaftlicher Probleme verfolgen, so machen
wir fast überall die Wahrnehmung, daß im Laufe der Zeit die
mannigfaltigen Richtungen immer mehr gegen einen bestimmten
Punkt konvergieren, der endgültig des Rätsels Lösung birgt. In
unserer Frage scheint das nicht der Fall zu sein. Im Gegenteil,
10 fast sieht es so aus, als seien wir heilte von einer einheitlichen
Lösung weiter entfernt denn je. Wie nämlich aus der bei
Brockelmann (S. 605 ff.) skizzierten Geschichte des Problems zu
ersehen ist, sind der traditionellen Anschauung von der Ursprüng¬
lichkeit der drei Radikale, die eine Zeit lang durch die Zweiradikal-
15 theorie abgelöst und überwunden zu sein schien , gerade in den
letzten Jahren wieder zahlreiche Verteidiger erstanden, als der ent¬
schiedenste bekanntlich Brockelmann selbst*).
Nun sind in der Tat die Schwierigkeiten, welche der Z w e i -
radikaltheorie, so wie sie bisher vertreten worden ist, anhaften, sehr
20 gewichtige. Abgesehen von der Frage , woher die ursprüngliche
Scheidung der m- und i- (und a-)Aoriste stamme, bleibt unbe¬
greiflich, warum bei lautlich ganz gleichen Verhältnissen die Sprache
einmal die Dehnung , einmal die Verdoppelung gewählt habe
(Brockelmann 632), warum bald der erste, bald der zweite
26 Vokal gedehnt worden sei , um das Verbum auf die Stufe der
Dreilautigkeit zu bringen. Andererseits erheben sich aber auch
gegen die alte Ansicht von der durchgängigen Ursprünglichkeit
der drei Radikale schwere Bedenken. Als der schwerste, der aber,
soweit ich sehe, noch niemals geltend gemacht wurde, muß die
30 Häufigkeit dieser „schwachen* Wurzeln erscheinen. Man
bedenke : während nämlich sonst die Halbvokale u und |, auch wo sie
als Wortanfang ziemlich häufig vorkommen, im Wortinnern doch
verhältnismäßig selten sind oder fast ganz fehlen (man vergleiche
das Englische!), hätte im Semitischen (nach einer oberflächlichen 35 Schätzung des Hebräischen) ein starkes Drittel, ja nahezu die Hälfte
aller Verbalwurzeln an zweiter oder dritter Stelle einen solchen
Halbvokal stehen gehabt. Ein derartiges Verhältnis ist, schon rein
arithmetisch betrachtet, von vornherein durchaus unwahrscheinlich.
Somit scheinen beide Parteien ebenso sehr Recht wie Unrecht
40 zu haben und die Untersuchung auf ein totes Geleise geraten zu
sein. Sollen wir daher nicht lieber alle weiteren Bemühungen
1) Die jüngste Behandlung unserer Frage von K. Ahrens (Der Stamm der schwachen Verba in den semitischen Sprachen in ZDMG. 64, 161 ff.) ist wieder im Geiste der Müll er-S t a d eschen Theorie gehalten. Sie zeichnet sich aus durch eine sorgfältige Verwertung des hebräischen Materials. Dagegen wieder E. König, ZDMG. 65, 709 ff.
Bauer, Mitteilungen zur semitischen Grammatik. 107
aufgeben und die Frage als unlösbar zur Seite schieben? Oder
sollte etwa die Unlösbarkeit darin ihren Grund haben , daß man
nur mit falschen Fragestellungen an das Problem herangetreten,
daß man Tatsachen zu erklären gesucht, die einer Erklärung weder
bedürftig noch fähig sind, daß also — kurz gesagt — alle Schwierig- 5
keiten nicht sachliche, sondern selbstgemachte wären?
Die Frage erscheint mit einem Schlage in ganz anderem Lichte,
wenn wir nicht das sog. Perfekt, sondern den Aorist-Imperativ
zum Ausgangspunkt der Betrachtung nehmen. Wie ich
anderswo nachzuweisen versucht, stellt dieser Stamm die Urgestalt lo
des protosemitischen*) Verbums dar. Wenn es nun ein richtiges
methodisches Prinzip ist, daß nicht das Schema und die Schablone,
sondern die Mannigfaltigkeit der Sprachformen als das Ursprüngliche
anzusetzen ist, so werden wir es nicht für wahrscheinlich halten,
daß im Protosemitischen jedes Verbum ausgerechnet aus drei Kon- 15
sonanten mit zwei kurzen Zwischenvokalen bestanden habe {*piqid,
*qutul, *sama'). Wie vielmehr im Englischen Verba vorliegen von
der Form keep, loose, kiss, pull, ^hall oder im Malajischen von der
Form buka „öffnen", mati „sterben", buru „jagen" usw., so dürfen
wir eine ähnliche Verschiedenheit von vornherein auch im Proto- 20
semitischen vermuten. Diese Erwartung wird in der Tat nicht
getäuscht. Wenn wir nämlich unserer obigen Voraussetzung gemäß
den Aorist-Imperativ-Stamm zugrunde legen, so ergeben sich ohne
1) Die Tempora im Semitisclien. Ihre Entstehung und ihre Ausgestaltung in den Einzelsprachen. BA. VlII, 1. Leipzig 1910. Die in dieser Schrift niedergelegten Anschauungen bilden die Grundlage für die vorstehenden Aus¬
führungen, so daß ich, um mich nicht selbst zu wiederholen, öfters genötigt bin, auf dieselbe zu verweisen. — Hier auch ein Wort über die von mir im Folgenden angewandte Terminologie. Warum mir für das bis jetzt Imperfekt genannte Tempus die in Frankreich und England eingebürgerte Bezeichnung Aorist zweck¬
dienlicher erscheint, habe ich dort (S. 24 Anm. 1) gesagt. Was die Benennung Verbalformen qatala, qatile, qatula anlangt, so mag für die westsem. Sprachen der Name Perfekt , wenn er auch nicht überall zutrifft , beibehalten bleiben, weil er die spezifisch westsemitische Funktion jener Formen ausdrückt. Für das Babylonisch-Assyrische (ikasad) würe die Bezeichnung Präsens, insofern damit die Zeitsphäre eines Partizipium präs. gemeint ist, angebracht. Für die zahlreichen Fälle, wo qatal auch in den westsemitischen Sprachen seine ur¬
semitische präsentische Bedeutung beibehalten hat, möchte ich die Benennung
„Ur-Präsens", für das sog. Perfectum consecutivum im Hebräischen die Benennung , Waw-Präsens' vorschlagen (Tempora 35 ff.). Mit einer solchen Terminologie wäre indes nur den Einzelsprachen gedient , für die sprachvergleichende Be¬
trachtung wären alle genannten termini gleich unbrauchbar. Sie bedarf vielmehr einer Bezeichnung, die von jeder einzelspracbigen Differenzierung abstrahiert und doch dem eigentümlichen Wesen der in Rede stehenden Verbalformen ge¬
recht wird. Da nun deren Wesen gerade darin besteht, daß sie aus dem Nomen (Nomen agentis und Adjektivum) hervorgegangen sind (Tempora S. 12ff.), so gebrauche ich im Folgenden die Bezeichnung Nominal und zwar a-Nominal für qatala, i-Nominal für qatila, u-Nominal für qatula.
2) Mit „protosemitisch" bezeichne ich jene sprach-geschichtlichtliche Epoche, die der Entstehung des Nominals und der Ausbildung des Verbalsystems vorausliegt. (Tempora S. 2 und 5 ff.^
108 Bauer, MiUeäungen zur senütiichen Grammatik.
weiteres protosemitische Verba wie *qüm »aufstehen', *bln »unter¬
scheiden', *h(if^) »fürchten', *rM<icZ »zurückwenden", *^rr »fliehen',
*^add »lieben', *ri'mt »werfen', *gulu »aufdecken', *Satat »trinken",
*radau »gern haben". Ähnlich den oben angeführten englischen
5 und malajischen fungieren diese Verba zugleich als Imperativ und
Infinitiv, ein Zustand, der am reinsten im Hebräischen (vgl. die
Verba II und med. gem.) sich erhalten hat. In Verbindung
mit dem Pronominalpräfix ergeben sich die Formen: taqüiriu^),
tabinu tahäfu, taruddu, tafirru, tauaddu, tarmi (aus *tarmi-u),
10 taglü, *taStai, *tardau. Es liegt auf der Hand, daß die in
der Einleitung aufgeworfenen Fragen: Woher die
Unterscheidung zwischen u- und «-»Imperfekt'?
Warum einmal die Dehnung, ein anderes Mal die Ver¬
doppelung? von diesem Standpunkte aus, wenigstens
15 soweit der Aorist-Imperativ-Stamm in Betracht
kommt, überhaupt keinen Sinn mehr haben, weil sie
von vornherein erledigt sind.
Als nun an die Sprache die Forderung herantrat,
zu jenen Aoristen ein Nomen agentis bz. eineVerbal-
so form nach dem Muster von qatal zu bilden (Tempora S. 12),
•mußten zur Gewinnung des dritten Radikals ver¬
schiedene We geeingeschlagenwerden'). Soentstanden
mehrere Klassen von schwachen Verben, die wir nun¬
mehr im Einzelnen zu betrachten haben.
25 I. Verba med. gem.
Am einfachsten liegen die Verhältnisse bei den Verben mit
Verdoppelung des zweiten Radikals , die jedenfalls in den Plural¬
formen wie firrü , taßrrü , ruddü , jaruddü usw. immer deutlich
hervortreten mußte. Hier sind also in der Tat drei Radikale ge-
80 geben, so daß die Bildung der o-Nominale *farara, *radada eine ganz
regelrechte ist. Zu a-Aoristen wie jay,addu mußte ein i-Nominal,
also *yMdida, gebildet werden*) (Tempora S. 12 u. 14). Was das
1) Wenn ich zur Exemplifizierung aus praktischen Qriinden die arabischen Paradigmata wähle, so ist es dabei natürlich nicht meine Meinung, als ob gerade sie in der Urzeit schon alle vorhanden gewesen wären. Sie haben vielmehr nur typische Bedeutung.
2) Eine Vermutung über die Entstehung des u-Auslautes siehe Tempora S. 11.
3) Das ist der Punkt, von welchem aus das Rätsel der Drei 1 au tigk ei t der semitischen Wurzeln Uberhaupt zu begreifen ist. Ich gedenke, dieses Thema demnächst eingehender zu behandeln.
4) Die Unterscheidung von transitiven (aktiven) und in¬
transitiven (neutriscben) Verben erweist sich für eine geschicht¬
liche Betrachtungsweise als völlig unbrauchbar, ja geradezu
irreführend, worauf im Folgenden noch öfters hinzuweisen sein wird. Ein formeller Unterschied zwischen den beiden Klassen existierte in der ältesten Sprache ebensowenig wie im Indogermanischen. Wenn jene Unterscheidung fur die jüngere Sprachstufe eine teilweise Berechtigung besitzt, so beruht das auf
Bauei; Mitteilungen zur semitischen Grammatik. 109
weitere Schicksal dieser Formen in den Einzelsprachen anlangt, so
möchte ich nicht mit Brockelmann (S. 633) annehmen, daß die
Eontraktion (Haplalogie) fardra |> fcmra durchweg schon im Ur¬
semitischen erfolgt und später teilweise wieder aufgehoben worden
sei (z. B. im hebr. aao). Ich halte es für wahrscheinlicher, daß 5
jene Kontraktion erst in den Einzelsprachen vollzogen wurde , und
daß sie im Hebräischen eben erst in der 3. Plur. (i3D) einzusetzen
beginnt (vgl. die sorgfältigen Angaben von Ahrens, ZDMG. 64,176).
Die merkwürdige Erscheinung, daß die „intransitiven" Verba wie
bp, er, ai usw. im Gegensatz zu den „transitiven" fast durchweg lo
kontrahiert sind, erklärt sich wohl am einfachsten daraus, daß sie
gar keine Verba im ursprünglichen Sinne sind, sondern daß ihnen
die einsilbigen Adjektiva qall, robb usw. zugrunde liegen, an welche
die Verbalsuffixe unmittelbar angefügt wurden (Tempora S. 13).
Somit haben wir keinen Grund, Urformen wie "qalila, *rahiba an- is
zusetzen. Das Gleiche gilt für das assyrische dan „mächtig sein".
Formen wie JoJlä sind natürlich Neubildungen nach dem Schema
Zu "farara ist mehrfach nach dem Muster des starken Verbums
ein neuer Aorist und Imperativ gebildet worden, der im Arabischen so
ijf'-i, _j^0 neben der alten Form verwendet wird, im Äthiopischen und Babylonisch-Assyrischen {iälul, sulul) aber nahezu alleinherrschend geworden ist.
Weitere sekundäre Umbildungen und Analogiewirkungen haben
für uns an dieser Stelle kein Interesse.
II. V e r b a t e r t. M u n d /.
Bei Urformen wie *rtmi und *gulu brauchte man nur die
Endvokale i und u halbvokalisch auszugestalten, um den zur Bildung
der Tatsache, daß die u-Xominale durchweg und die i-Nominale großenteils nichts weiter sind als verbalisierte Adjektiva, die naturgemäß intransitive oder neutrische Bedeutung haben, während der a-Nominal dem ursprünglichen Tat¬
wort entstammt und daher größtenteils transitiv oder aktiv ist. So entsteht, vom sog. Perfekt aus gesehen, der täuschende Schein, als habe die Sprache von Anfang an die „aktiven" Verba in die a-Form, die „neutrischen' in die i- und u-Form gegossen oder zu gießen beabsichtigt. Jedermann weiß, daß diese Regel ebenso zahlreiche wie unbequeme Ausnahmen hat, die auch durch die gewalt¬
samsten Umdeutungen sich nicht zurechtsetzen lassen. Das Sprachgefühl, welches auf dem Gesamteiudruck beruht, brauchte von jenen Ausnahmen nicht berührt zu werden und konnte schlechtweg den a-Nominal als transitiv, den i- und u- Nominal als intransitiv empfinden. So steht z. B. im Arabischen in der Tat vielfach ein aktives qatala neben einem neutrischen qatila und qatula von derselben Wurzel. Das ist aber nichts Ursprüngliches, sondern erst auf arabischem Boden gewachsen , ungefähr so wie im Althochdeutschen aus jedem Adjektiv zwei schwache Verba abgeleitet werden konnten , ein intransitives auf -on und ein transitives auf -en. Im Ursemitischen scheinen die i- und tt-Nominale nur wenig zahlreich gewesen zu sein im Verhältnis zu den a-Nominalen. Existiert doch, soviel ich sehe, kein einziges gemeinsemitisches Exemplar der Spezies qatula.
no Bauer, MiUeäungen zur semitischen Grammatik.
qatala fehlenden dritten Radikal zu gewinnen. So ergeben sich
die Nominale *ramaia und *galaua, die der weiteren Entwicklung
zugrunde liegen. Zu »intransitiven' Verben wie *naSa{ »vergessen",
*radau »gern haben' gesellt sich wie überall ein «-Nominal, also
5 *naSi%a, radiia (aus *radiua). In der einzelsprachigen Entwicklung
wurden bekanntlich diese verschiedenen Klassen mehr oder weniger
untereinander ausgeglichen, so daß von manchen nur das eine oder
andere Exemplar sich gerettet hat.
Wenn im Hebräischen beim Nominal die »aktive' Form (ramaita) 10 fast durchweg durch die »neutrische' (ri'^bs) verdrängt ist, (Brockel -
mann 627), so haben dabei wahrscheinlich die sog. »neutrischen', in Wirklichkeit aber gut aktiven und sogar transitiven Verba *satt^a
»trinken', *naStia »vergessen", *ra'ita »sehen" als Muster gewirkt.
Da die genannten Verba in der Rede und Gegenrede des täglichen
16 Lebens, also vor allem in der ersten und zweiten Person, unendlich
oft vorkommen mußten, so konnten die bei ihnen regelrechten
Bildungen wie n"'lS'i, H'^'i;, i:"'nä usw. leicht auf die ganze Klasse
übertragen werden. In der 3. masc. sing, ist dagegen bekanntlich
die »aktive" Form d. h. der a-Nominal alleinherrschend geworden.
20 Beachtenswert ist, daß das Syrische allein unter allen semitischen Sprachen die Urformen "Satai („ISjtJ) und imai und zwar charak¬
teristischer Weise im Imperativ erhalten hat (vgl. Tempora S. 7).
Zusatz: Vielleicht dürfen wir neben *rimi und *gulu auch
noch eine Urform *hata ansetzen , bei welcher der «-Nominal mit
25 Hilfe von N als drittem Radikal gebildet worden wäre : hati'a.
III. Verba med. u und {.
Bei protosemitischen Verben der Form qüm und bin war es
möglich, den langen Zwischenvokal zum Halbvokal auszugestalten,
so daß sich die Nominale *qauania und *baj(ana ergaben. Es lag
30 dies um so näher, als verschiedene Anzeichen darauf hinweisen,
daß schon im Protosemitischen gewisse Ablautverhältnisse existierten,
wo langer Vokal und Diphthong in einer Wurzel nebeneinander¬
standen , also etwa süm »fasten' und bin »unterscheiden' neben
saum »Fasten' und bain »Zwischenraum i)". Die letzteren konnten
36 nun als qatl-'Formen angesehen werden , wo u und } als zweiter
Radikal fungierten ; in Wirklichkeit waren sie das natürlich nur in
einem äußerlichen und materiellen Sinne , ähnlich den deutschen
qatl-Formen Haus oder Hain.
Was die weitere Entwicklung von *qaiiama und *baiana be-
40 trifft, so nimmt Brockelmann (S. 607) an, daß die Kontraktion
zu qäma und bäna schon im Ursemitischen erfolgt sei. Er ist
daher genötigt, in äthiop. Formen wie söra „trug", i'eta »verkaufte"
1) Das ist zweifelos der Fall bei maut „Tod" und müt „sterben". Ver¬
gleiche unten S. 113 Anm. 1.
Bauer, Mitteilungen zur semitischen Grammatik. III
Neubildungen zu sehen, desgleichen in den babylonisch-assyrischen Formen itnuat „stirbt", iriab .vergilt", sovne auch in den Infinitiven
Jiiäru, tuäru usw. Ich sehe für die Verdoppelung eines solchen
Prozesses keinen zwingenden Grund und möchte daher die betreffenden
Bildungen für ursprünglich halten. Wenn die n o r d semitische 5
Entwicklung von der süd semitischen sich verschieden gestaltet hat,
so hat das vielleicht darin seinen Grund, daß dort *qauama ge¬
blieben oder zu *quuama geworden ist (r e g r e s s i v e Assimalition),
hier dagegen zu *qauuma'') (progressive Assimilation). Unter
dieser Voraussetzung ergäbe sich für die Formen der Einzelsprachen 10
folgender Stammbaum:
1. med. -u.
r»
a) 3. sing, masli.
*qauama
"inauata . r tmitat
J _
imat
*quuama ?
n )ax>
*qauuma 1 " 1 Ijj J^ao b) 2. sing. mask.
*qauamta
"quudnäa ?
n?3p ^200
*qayLimita
, c', i
vi>-»i *T*A
*rataba
\ iriab
. I trab
2. med. «.
a) 3. sing. mask.
*ia^ma
*siiama ?
.! 1.
C"9 )O0D b) 2. sing. mask.
*daiamta
*äaiima
I ~ I
..Li "lao
*diidmta ? I
n73B bODOD
äaümta I " I
•VPtl
Hierzu sei bemerkt, daß vermutlich im Urarabischen die Aus¬
sprache von |,Lä und j,Li; noch nicht zusammenfiel, sondern qama
und Sama gelautet hat. Spuren davon liegen wohl noch vor in
1) Dieser Prozefi hat sich, einer freundlichen Mitteilung von Prof. Stamme zufolge, in ähnlicher Weise im modernen Tunisisch wiederholt: dcfawur ,er drehte", dSllvmrt -ich drehte' usw.
1 3
112 Bauer, MiUeäungen zur semitischen Grammatik.
der von den Grammatikern überlieferten regelwidrigen -Imäla-Ans-
sprache gewisser med. t wie IwjLs»-, »-jÜ^). Später sind bekannt¬
lich Seide Klassen völlig zusammengefallen und die Vokalfärbung
hängt lediglich von den umgebenden Konsonanten ab.
5 Die eigenartige Ausgestaltung unserer Klasse im Mehri wird
von Brockelmann (S. 611) so aufgefaßt, als habe dieses den
Unterschied zwischen aktiver Bildung {sär „stand", kän ,war") und neutrischer Bildung {löm „tadelte", zöl „hörte auf", ^awj „ver¬
brannte") noch bewahrt. Da nun aber „stehen" und „sein" neutrische, 10 „tadeln" und „verbrennen" hingegen aktive Verba sind, so sollte man
doch eher das umgekehrte Verhältnis erwarten. Wir haben hier
ein Musterbeispiel für die oben (S. 108 Anm. 4) dargelegte Un-
brauchbarkeit dieses Schemas für die vergleichende Sprachbetrach¬
tung. In Wirklichkeit stehen eben im Mehri, dem Mischcharakter
15 dieser Sprache entsprechend, verschiedene Ausprägungen neben¬
einander, die arabische in sär und kän, die äthiopische in zöl <C
*zaul und löm <C *laum und eine ältere Stufe in äauq.
Was die ursprünglichen o-Aoriste wie ja-näm anlangt, so
sind sie großenteils dem Zuge der Uniförmierung gefolgt und in
!0 die i/ü-Klasse übergegangen. Nur im Arabischen sind sie noch in
größerer Anzahl vertreten. Auch bei ihnen dürfen wir vielleicht
mit protosemitischen Ablantsverhältnissen rechnen, so daß etwa
ein Verbum janäm „schläft" neben dem Substantiv naum „Schlaf"
gestanden hätte. Durch letzteres wäre nicht nur der dritte
«5 Radikal gegeben , sondern auch der Eintritt in die u - Klasse vor¬
bereitet. Zum a-Aorist gehörte natürlich ein Nominal: *nauima
> *naiima > näma. Wie man sieht, föUt diese Klasse im Ara¬
bischen mit der vom Typus zusammen. Auch bei ihr wird
von den Grammatikern Imäla-Aussprache überliefert: öLj> =
80 h&fa, \^{s> = haba. Mehrere dieser Verba sind bei ihrem Über¬
gang in die e'/w-Klasse auf halbem Wege stehen geblieben, so daß
wir z. B. die Varianten j!^ ^s^., ^i^Äj J-^yü jyÄj nebeneinander
haben ; sie wurden bekanntlich zur Bedeutungsdifferenzierung be¬
nutzt. Freilich könnte hier, absolut gesprochen, auch der a-Aorist
85 die sekundäre Bildung sein, allein ein solcher Vorgang ist, weil
der auf Uniformierung hindrängenden Entwicklung zuwiderlaufend,
höchst unwahrscheinlich. Wir werden deshalb z. B. auch das
hebräische Nia^ (aus *jabä') , welches überdies zum Äthiopischen
stimmt, für ursprünglich halten gegenüber dem arabischen sjju.
40 Noch einige Einzelheiten:
a) Die Wurzel m» darf nicht nach dem Schema der einzel¬
sprachigen Grammatik beurteilt werden , sondern es stehen allem
Anschein nach schon im Protosemitischen nebeneinander:
1) Vgl. Nöldeke, Beiträge zur semitisclien Sprachwissenscliaft, S. 46.
1 3
Bauer, Mitteilungen sur »emitischen Grammatik. 113
1. ein Verb, müt „sterben", 2. ein Subst. maut „Tod"^),
3. ein Adj. {rnait?) „tot", das im Hebräischen als ni:, im Aramä¬
ischen und Assyrischen (im Permansiv) als mit (miti) vorliegt.
Was man als Perfekt bezeichnet, ist sonach identisch mit dem 5
genannten Adjektiv. Das Assyrische dagegen hat einen regelrechten
a-Nominal *mauata gebildet, der noch als imuat überliefert wird.
b) Das hebräische „Perfekt" aiu „schön sein" ist natürlich
keine qatul-¥orm (*tauul>) oder eine sonstige Kontraktion einer
dreiradikaligen Wurzel, sondern nichts anderes als das Uradjektivum lo
täb „gut", wie es auch im Aramäischen und Assyrischen erhalten.
ist*). Trilit. aö"! u. y^ü, wie arab. i^^li) sind Neubildungen.
c) Ahnlich wie aics ist auch lit« zu beurteilen. Es fungiert,
etwa wie das englische light, zugleich als Substantiv (»Licht"),
Adjektiv („bell") und Verbum („leuchten"). 15
d) In einigen anderen Fällen, z. B. beim hebr. ira, erlauben
m. E. die sprachlichen Tatsachen noch keine ganz eindeutige Lösung,
so daß wir uns mit einem non liquet begnügen müssen.
IV. Verba prim, und |. ^
Zu dieser Klasse ist wenig zu bemerken. Ob vrir ytilid und to
%anaq oder ulid und inaq (mit leisem Einsatz) als Urformen an¬
zusetzen haben , ist nicht zu entscheiden , da die Entwicklung hier
wie dort den gleichen Verlauf nehmen mußte. Der Nominal lautete
in beiden Fällen y,alada und ianiqa. —
So spiegelt sich denn — das haben unsere bisherigen Unter- 25
suchungen gezeigt — in den sog. schwachen Verben eine Mannig¬
faltigkeit der protosemitischen Verbalformen wieder, wie sie viel¬
gestaltiger auch in einer anderen Sprache kaum zu finden ist. Nur
iiner Form sind wir noch nicht begegnet, die wir von vornherein
1) Wie diese Differenzierung vor sicJi gegangen und welclier Laut ursprüng¬
lich ist, können wir natürlich nicht mit Bestimmtheit wissen. Es liefie sich denken, daß beim Substantiv der lange Vokal zum Diphtong gesteigert sei (wie bei Haus gegenüber altdeutschem hüs), während beim Verbum unter dem Einfluß
der Endungen (tamütü) dieser Vorgang gehemmt worden wäre. In anderen
Fällen ist sicherlich das Substantiv das Primäre, so bei }h^'' „Sommer* gegen¬
über ^iXfÄj „bringt den Sommer zu', möglicherweise auch bei faid „Wild*
gegenüber jasidu „jagt'. Jedenfalls müssen wir uns der Kompliziertheit dieser Verbältnisse stets bewußt bleiben und uns hüten, an die urzeitlichen Sprach formen (um solche handelt es sich bei der Frage nach dem Wesen
der schwachen Verba in erster Linie) das einförmige Schema der
deskriptiven, unhistorischen arabischen oder hebräischen
Grammatik heranzubringen.
2) Vgl. auch Nöldeke, Neue Beiträge zur semitischen Sprachwissen¬
schaft, S. 209.
Zeittchrift der D. M. G. Bd. LXVI. 8
114 Bauer, Mitteilungen zur semitischen Grammatik.
ebenfalls dort erwarten müssen und die in der Tat recht häufig ge¬
wesen sein mag: ich meine einsilbige Wurzeln mit kurzem
Zwischenvokal, wie sie im englischen hit, put, can vorliegen.
Während in den oben behandelten vier Klassen, der zur Bildung
6 des Nominals erforderliche dritte Radikal sich mühelos darbot, war
das bei der letztgenannten Klasse nicht der Fall. Sie konnten ihn
nur dadurch gewinnen, daß sie, wohl auf Grund von formeller oder
Bedeutungs - Analogie , in eine der bestehenden Klassen eintraten.
Teils werden sie also den zweiten Radikal verdoppelt (vgl. englisch JO hitting, putting), teils den Mittelvokal gedehnt haben, andere mögen
den III uji sich angeschlossen oder (unter Einwirkung der ent¬
sprechenden Aoristpräfixe ?) durch Voransetzung von i bezw. D ihren
Stamm ' erweitert haben. Es ist klar , daß es bei diesem Prozeß
nicht ohne vielfache Schwankungen abgegangen sein kann , die in
16 der Sprache ihre Spuren hinterlassen haben müssen. Wir werden
kaum fehl gehen, wenn wir die gerade bei den schwachen Verben
so zahlreichen Wurzelvarianten (die „Verwandtschaft' der schwachen
Verba untereinander) auf die genannte Quelle zurückführen. Doch
haben vielleicht auch sonstige Vernaischungen, etwa der Verba med.
20 uji und med. gem., stattgefunden. Wo der eine und wo der andere
Fall vorliegt, läßt sich kaum mehr entscheiden. —
Es erledigt sich mithin, wenn unsere Ausführungen über¬
zeugend gewirkt haben, der Streit über die schwachen Verba dahin,
daß im Grunde beide Parteien recht behalten, die Anhänger der
26 Zweiradikaltheorie für den Aoriststamm, die traditionelle Anschauung
für den Nominal (Perfekt). Die Formen qay.ama, farara, ra-
maia usw. sind nicht eine leere Fiktion, sondern sie haben —
wenigstens bei den der Urzeit entstammenden Tatwörtern — wirk¬
lich einmal existiert, dagegen dürfen Formen wie jaqytumu, jah-
80 uafu usw. vielleicht für einige wenige , nicht aber für die große
Masse jener Verba als ursprünglich angesetzt werden
Hier wie bei der Untersuchung über die Natur der semitischen
Tempora war es der Gedanke der Priorität des Aoriststamraes, der
sich als überraschend fruchtbar erwiesen und in dem Labyrinth
86 verwickelter Tatsachen und widersprechender Meinungen als der
leitende Faden sich bewährt hat. (Auf die Einwendungen E. König's
ZDMG. 65, 709 ff. mag ich nicht eingehen, — schon deshalb nicht,
weil seine Anschauungen über Wesen und Entwicklung der Sprache
mit den meinigen inkommensurabel sind.) Ich sehe daher in der
40 Erscheinung der schwachen Verba die stärkste Stütze für jene
Fundamental thesis. Will man dieser nur den Wert einer Hypothese
zugestehen, so vergesse man nicht, daß eine Hypothese, welche die
in Betracht kommenden Erscheinungen zwanglos erklärt und mit
keiner einzigen im Widerspruch steht, eben dadurch als wirkliche
« Tatsache sich ausweist.
116
Arabische Studien.
Von 0. Bescher.
I. Bemerkungen und Berichtigungen zu Freytag's
jProverbia Arabum III'.
Mit gewissen Einschränkungen darf man wohl sagen, daß der
8. Band dieser Sammlung, der eine Art Zusatz und Ergänzung zu
den Band 1 und 2 füllenden Sprichwörtern und Sentenzen des
Meidänl darstellt, auch heute noch recht nützliche Dienste leisten
kann. Leider ist jedoch ein großer Teil der Sprichwörter, so wie
sie der Sammler aufgenommen und interpretiert hat, in der ge¬
botenen Form und Übersetzung zum Teil ganz unklar, zum Teil
auch tatsächlich falsch^); auch ist das Buch von mancherlei In¬
konsequenzen nicht ganz frei; so z. B. daß Freitag die Sprich¬
wörter, die Meidänl und Zama^Sari*) aus einer gemeinsamen Quelle
{Mufa(J(Jal, Abu 'Obaida etc.) geschöpft haben, auch dem 3. Bande
einverleibt hat, obwohl sie (einigemal sogar besser!) in Band 1
und 2 bereits aufgeführt sind. Entschieden störend ist es femer,
daß klassisches und vulgäres Gut ohne jede Bemerkung untereinander
gemischt ist; sehr häufig hat man auch den Eindruck, daß rein
klassische Zitate nur durch die grammatische Nachlässigkeit der
Handschriften einen äußerlich vulgären Anstrich erhalten haben.
Verschiedene Zitate (besonders aus der schlechten und un¬
zuverlässigen Handschrift D '); cfr. p. XI — XII der Vorrede)
scheinen mir so verdei-bt, daß ich mit ihnen nichts anfangen konnte ;
andere hingegen sind wieder ganz aus ihrem Zusammenhang heraus¬
gerissen (besonders die „Geflügelten Worte' aus Mufad^al's Samm¬
lung) , daß sie in ihrer jetzigen Isolierung überhaupt keinen Sinn
1) Wirklich grotesk ist das Mißverstäudnis von 1987!
2) Es ist sehr zu bedauern , daß uns von der klassischen Sammlung bis jetzt auch nicht eine einzige korrekt edierte (etwa die ^Luo^t ^tniiX -^^a)
vorliegt.
3) Ihr entstammen die meisten Schwierigkeiten; ich habe die Hs. natür¬
lich nicht gesehen.