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Zu Friedrich Schulthess' Besprechung S. 337 ff.
Von B. Jacob.
Herr Privatdocent Schulthess hat meine Ergänzung seiner Ver¬
besserungen der christlich-palästinischen Texte (Bd. 53, S. 705—713 cfr. Bd. 55, S. 135 ff.) ibid. 337 if. einer Besprechung unterzogen, die
ich nicht unbeantwortet lassen kann , da sie erhebliche Missver¬
ständnisse und Irrtümer enthält, auf die ich ihn gern vorher auf¬
merksam gemacht hätte, wenn auch er die Güte gehabt hätte, mir
einen Korrekturabzug zu schicken.
Zunächst muss es in der That einem Kenner dieser Texte auf¬
fallen , dass ich von den Land'schen Pragmenten abgesehen habe,
da doch gerade sie mit ihren zahlreichen Pehlern die reichste
Nachlese zu versprechen und „des Schweisses der Edlen wohl wert"
zu sein schienen. Allein ich verzichtete mit Absicht, weil ich den
Rand des von mir benützten Exemplars der hiesigen Bibliothek mit
vielen (übrigens oft recht glücklichen) Bleistiftkorrekturen, von
denen nur ein Teil mangelhaft ausradiert war, versehen fand.
Otfenhar hatte also hier schon ein Edler geschwitzt, dem ich auch
nicht einmal einen Anhalt zu dem Verdacht des Eaubes geben wollte.
Daher unterdrückte ich alle, auch die selbständig gefundenen Korrek¬
turen. Dass auch ich viele der von Sch. veröffentlichten und zwar
fast alle irgend wahrscheinlichen schon gefunden hatte, liegt nahe,
aber es zu erwähnen, erschien mir ebenso überflüssig, wie es hinterher
billig gewesen wäre. Alles , was ich nachher schon bei anderen
notiert fand, strich ich aus meiner Liste und nur aus Versehen
sind einige wenige Pälle stehen geblieben. — Meine Bemerkungen
auf S. 140 über eine „vergleichende lexikalische Bearbeitung des
Dialekts' hat Sch. durchaus missverstanden. Eine solche zu fordern,
lag mir fem. Palis sie aber jemand — nach dem Vorgange
Schwally's, an diesen dachte ich hierbei — unternehmen sollte,
dann wollte ich das Samaritanische und Jüd.-Paläst. mehr berück¬
sichtigt sehen. Ich bin ganz mit Sch. einverstanden , dass es vor
allem auf die empirische Peststellung des lexikalischen Thatbestandes
ankommt; in der That lässt sich der Sprachschatz nur an einem
Lexikon, nicht an einem Idiotikon übersehen, und Sch. wird sich
B. Jacob, Zu Friedrich Schulthese' Besprechung. 593
verdient machen , wenn das von ihm angekündigte Lexikon dies
leisten wird. — Nun zu den Einzelheiten. Es wird sich zeigen, dass
Sch. in keinem einzigen Falle Recht hehält, bisweilen sind mehrere
Auffassungen zulässig, anderes ist gleichgültig, so dass ich einen
rechten Nutzen seiner Besprechung nicht erkennen kann.
Zu S. 135. Luc 24 29 hatte ich in Jo>\ verbessert, Sch. will
auf einem )-^\ bestehen. Hätte er die Stelle nachgeschlagen, so
hätte er dort J'Ä (alle drei Codd.) gefunden. Dieses also habe
ich verbessert, )-\ ist nur verdruckt. Ein J->\ hätte ich natürlich
unbeanstandet gelassen. Denn wenn ich wirklich nicht bemerkt
haben sollte, dass namentlich in C dieses = p durchaus vor¬
herrscht, dann wäre das mehr als sonderbar. Niemand, der auch
nur einige Seiten dieses Lectionars überflogen hat, bedarf darüber
einer Belehrung. Auch Luc 18 9 (nicht 19) habe ich nicht ein
.yX-rr»^ verbessert, sondern wie Sch. wieder hätte sehen können,
vyenn er die Stelle nachschlug, .,\.or>o C \..op»'^ : und zwar ver¬
besserte ich mit Recht nicht '3 sondern S, da das Wort, so viel
ich weiss, immer so anlautet L II 25. 28 Spr 1 7, 75 Job 21 29,
L I 89. 124 Land 224 20 Matt 21 42 118 22) 144 Mc 8 si
G 21 19 Tit 1 lt) u. s. w. (auch L III 28 Jer 31 40 ovk cModoKifiäv
^•^X». Ii/ hJS. wird VvopiOt zu ergänzen sein). Es bleibt also bei
meiner Korrektur .^.onOs , zumal öfter 'o und '3> verwechselt sind.
Zu S. 136 behauptet Sch., dass Matt 25 14 nicht die
Bedeutung fiikleiv hat, sondem die gewöhnliche. Dass 'i -nv hier ein
textliches fiekkeiv wiedergebe, habe ich gar nicht gesagt, sondern
oj^ ^^jj-J ist das Äquivalent für anodrjfiäv, wie ich ausdrück¬
lich daneben schreibe. Der Übersetzer verstand dies (richtig) : „der
im Begrifi" stand, sich anschickte", zu verreisen. Es ist also fast
genau dasselbe wie das von mir angeführte nNSb der Pesikta.
Für den Übersetzer hatte es also auch hier den Sinn von fulleiv.
Solche wortreicheren Wiedergaben sind häufig.
Zu 8.137. verweist mich Sch. auf eine Erklärung Praetorius'.
Leider muss diese mir auch noch weiter unbekannt bleiben, da der
betr. Band wiederum verliehen ist. Bis dahin weiss ich nicht,
wann man überhaupt korrigieren darf, wenn nicht in einem solchen
Falle. Schwally 14 gesteht, dass in den anderen Dialekten nN3
nie etwas anderes heisst als „Brunnen". Hier allein soll es „Höhlen"
(9>ii>^co/) bedeuten. Nun wird dasselbe Wort anderswo durch: A
B -C -.»Q«. übersetzt; dies ist das wohlbekannte "nn.
B. Jacob, Zu Priedrich Schulthess' Besprechung.
das eben gerade „Höhle" heisst. Das ist doch wohl ausreichend,
ein nirgends existierendes Wort zu beseitigen. — jöQ«»i habe ich
bereits korrigiert, den Vokal der ersten Silbe habe nicht ich, sondern
BC „unterschlagen", ein wenig passendes Wort, denn das Wort
kann, aber es muss nicht jDa«.oj geschrieben werden. — Joh 18 s«
empfiehlt sich meine Korrektur in JJ ^j, denn man braucht
alsdann nicht Ausfall eines ganzen Wortes anzunehmen, und der
Pleonasmus des Pronomens kommt zwar auch in diesem Dialekt
vor, ist aber nicht entfernt Regel. — Sch.'s Korrektur .t^^» I
habe ich nicht bemängelt, sondern nur sehr hypothetisch geme'int,
es „könnte" auch ^;jtL „gerechtfertigt" werden. Bestritten habe
ich nur Mrs. Gibsons Ableitung von „Vit.
Zu S. 138. o ;nn<o iy könnte bleiben, doch ist 'jJ./ wahr¬
scheinlicher, da das in diesem Dialekt sehr häufige 'jo immer „über¬
liefern" heisst, also für „sägen" wohl das unmissverständliche 'j
gewählt worden sein wird. (Übrigens wird L III 30 Jer 32 se
J^mi K.<ci in J-^flDjfcsÄ zu korrigieren sein, und — um dies hier nach¬
zutragen — 81 Jjtjo» \^ AO »Sl. ^ 1. \2)j.) — Dass ^^^aLL
vereinzelt dasteht, giebt Sch. selber zu. ^Jjos ist ^Jaao zu ver¬
bessern. — Der Vorschlag zu Luc 24 4, befriedigt mich selber nicht
mehr, aber Sch.'s ^ ^Xboo auch nicht.
Zu S. 139. Hier ist mir Sch.'s Verteidigung noch unver¬
ständlicher als seine Behauptung. Ich brauche nur unsere Worte
nebeneinanderzustellen. Ich hatte gesagt : Jedoch kann ich Sch.
darin nicht beistimmen, dass „das gebräuchliche Wort für „gesund"
in unserm Dialekt V»'«*-" sei. „Gesund" wird entweder mit
oder übersetzt, letzteres von A bevorzugt. Von 'jt ist mir
überhaupt kein Pall erinnerlich". Darauf erwidert Sch.: ,)qX—
„gesund" kommt öfters vor, in allen möglichen Codices". — Als
wenn ich etwas anderes gesagt hätte! — 'jt, von dem in dieser
Bedeutung J. „überbaupt kein Fall erinnerlich ist", 2 Tim 1 is
Tit 1 13 2 2. 8 (alles in Anecd. Ox 5, wo es direet für vytr/g
{vyiatvsiv) steht; ausserdem berührt es sich sonst gelegentlich nahe
mit dieser Bedeutung". — Der Thatbestand ist folgender: vyii^g
Job 5 4 B )aX- C V. « )aX- v. o B J-^ A n B J«^
A J>r>-\.. 14 15 B J*^ AC > 7 23 Jj3 A iyiaiva 102
Land 149 Luc 5 3i 105 Land 151 Luc 7 lo 127 Luc 15 2?
ot ißivovxtg 73 Mt 9 12 140 Mc 2 17 ^'»Sj. Endlich auch
B. Jacob, Zu Friedrich Schulthess' Besprechung. 595
L III 98 vyirig — J;3 104 vyialvu )o\, ,. — Aber in allen jenen
von Scb. angeführten, auch mir natürlich bekannten, weil aus der
Concordanz leicht zu erholenden, Stellen ist 'byi'qg (vyialva) meta¬
phorisch gebraucht 2 Tim 1 is Tit 2 s Uyog v. Tit 1 i3 2 2
vyictlveiv iv rri niaxu. Da nun an den anderen Stellen, wo vyirig
buchstäblich „gesund" bedeutet, nie 'jt gewählt ist, so ist klar, dass
dem Übersetzer sein, wie man sieht, lebendiges Sprachgefühl
nicht erlaubt, J*^ oder )q^.», ebenso auf geistige Unversehrtheit zu
übertragen, wie der Grieche sein vyirjg gebrauchen darf. Daher
hatte ich mit Bedacht nicht 'jt = iyirjg, sondern nur 'm. = gesund
geleugnet, ich hätte freilich hinzusetzen selten: „körperlich", da auch
unser deutsches Wort übertragen gebraucht wird. Ein anderes
Beispiel, wie der Dialekt sehr wohl zwischen der eigentlichen und
übertragenen Bedeutung eines griechischen Textwortes unterscheidet, ist arQcaevSfievog, axQaxidxrjg u. ä. Wo es einen wirklichen Soldaten
bedeutet, wird es durch s<JOO» wiedergegeben, aber im Bilde dnrch
■. ,.\o> (s. REJ. 1900 p. 215 flf.). — Nach jener Unterscheidung wird auch Tit 2 1 {SiSaaxalia vyiaivovßa) nicht [jaa^]«. sondern [);«,•,]*.
zu lesen sein. Die Handschrift zeigt nur a small lacuna, with a
trace of an initial aber es wird wohl ein jt sein. Es bleibt
also in allen Stücken dabei: 1. „Gesund" (d. i. „nicht krank") heisst
in unserm Dialekt j;^ oder )a.^«.; 2. A bevorzugt (er ge¬
braucht es sogar ausschliesslich) ; 3. von findet sich auch
der Singular; 4. 'jt heisst in diesem Sinne nicht „gesund" (d. i.
, nicht krank"). Nun gar, dass es in diesem Dialekt das gewöhn¬
liche Wort dafür sei, ist eine völlig grundlose Behauptung. Die
überflüssige Belehrung: „Jacob hätte auch hier vom Syrischen
lemen können' — mit Verweisung auf Payne Smith (!) und Well¬
hausen — lenkt lediglich von der Sache ab. Was 'jt im Syrischen
bedeutet, geht uns hier gar nichts an. — Eine Ablenkung von der
Sache ist auch der Hinweis auf Ex 10 21 .aq^»^' ^->r> L II ä7
= ipriXutpr\xov ßKoxog gegen meine Korrektur von ^ ^^^^^^^ in
^ ^• ,v^ = nci^ilv^riaav ; so verbesserte ich nicht bloss, weil ^^jtV»
der Paralytiker ist, sondern überhaupt = naquXiia. L II 36
Jes 35 3 yövcixu nciQalekvfiEvu j t\m- ->e\ fcoQoV- ^^^s es auch ein
jiQ ^^^ giebt, das aber etwas ganz anderes bedeutet, erklärt
höchstens die Verschreibung, rechtfertigt sie aber nicht. Die gra¬
phischen Bedenken gegen solche Korrekturen sind wegen ihrer Vor-
596 ^- Joxioh, Zu Friedrich Schulthess' Besprechung.
sieht zwar löhlich, aber für eine geübtere Textkritik doch allzu
ängstlich und zu viel Ehre für den Abschreiber. Wir kämen nicht
weit, wenn wir nur in ähnliche Buchstaben korrigieren dürften, die
der letzte oder auch der erste Abschreiber verwechselt haben könnte.
Zu S. 140. Meine Gleichung = itvQÖa nennt Sch.
„etwas dilettantenhaft". Ich selbst hatte lange nicht daran glauben
wollen und verzichte gern darauf, wenn Jemand eine bessere Er¬
klärung geben und die Wurzel als semitisch nachweisen kann. Aber
das kann eben Sch. auch noch nicht, selbst nach Befragung
eines Meisters wie Nöldeke. Die Beeinflussung dieses Dialekts durch
das Griechische ist so stark, dass mir vorläufig jene Gleichung noch
immer möglich und wegen des konstanten p inversum sogar
wahrscheinlich dünkt. — Was zu jjOC^ die Bemerkung „vgl. schon
Levy und Löw* soll, ist mir wieder unklar. Dass das Talmud¬
wörterbuch von Levy über das talmudische Wort «33b sprechen
wird, kann man sich wohl denken, aber das, worauf es ankommt,
die Gleichung oab = chr.-pal. Jaoc!^ können die beiden Gelehrten
selbstverständlich noch nicht haben, da sie ja erst seit der Ver¬
öflFentlichung von L II 1897 möglich ist.
Zu S. 144 ist die Bestreitung der Korrektur oo^^l unmethodisch, denn im chr.-pal. beisst iiexavouv, iiexdvoia unbestreitbar jLoO)L Jo)L.
für einen chr.-pal. Text ist aber eine syrisierende Korrektur A's
(und eine solche liegt wie sehr oft auch Mt 3 s J) n^. l vor , da
B und C jLoCH'L haben) nicht massgebend. Eine schlagende Be¬
weisstelle, wie der Dialekt die beiden Wörter auseinanderhält, ist
L II 45 Joel 2 13 imaxQeriiei xal fiexavorjasi joiLo ojL ! — Dass
L III allerdings stark syrisiert, habe ich selbst schon gesagt.
Der Besprechung der jüngst publicierten Palimpsest - Texte
in GGA. dürfen wir mit Interesse entgegensehen. Ohne Zweifel
wird nun auch Sch. eine lohnende „Nachlese' halten können. —
Die „Berichtigung' Bachers S. 352 ist zutreflfend aber ohne allen
Belang, denn es ist hier vollkommen gleichgültig, wo man in jenem
Satze das Fragezeichen setzt.
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Zu Hai Gaons Kitäb al-Häwi.
Von Samuel Poznaüski.
In seiner interessanten Abhandlung über dieses Lexikon (oben
p. 129—134) erwartet der Altmeister der jüdischen Wissenschaft
noch Zusätze und Berichtigungen zu den von ihm gesammelten Daten
von anderer Seite. Dieser Erwartung entsprechend, erlaube ich
mir hiermit einige hieraufbezüglicbe Notizen zu bieten.
1. Aus dem in Petersburg vorhandenen Pragment des Originals
hat inzwischen auch Eppenstein (nach Mitteilungen Harkavys) in
Monatsschr. f. Gesch. u. Wiss. d. Judent. 44, 489, Rev. d. Et. juives
41, 243—44 und Zeitschr. f hebr. Bibliogr. 5, 16 Teile einiger
Artikel, soweit sie hebr.-arab. Sprachvergleichungen betreffen, ver¬
öfiFentlicht, und zwar an erster Stelle einige Zeilen aus den Artikeln
und bcN, an zweiter aus ms, bna (über bnn), "ins (über
^an) und "liTT (über und an dritter aus ITN.') Aus dem
Artikel nST ist übrigens ersichtlich, dass Hai auch solche Laut¬
komplexe von drei Buchstaben als Schlagwörter gebraucht hat,
die gar kein hebräisches Wort bilden. Dass Hai niri unter dem
Buchstaben t behandelt hat, wusste man längst aus David Kimhis
Wörterbuch s. v. (mNm .... D-':i:a; Cin "ims-in rfcb nsi
nbmm ■,t"? iTjjb ©nc?: b"T ■'•"Nn iranb n"bin), aber man
schloss daraus irrtümlich, dass Hai, den arabischen Lexikographen
folgend, sein Wörterbuch nach den Endbuchstaben geordnet habe.
2. Steinschneider gelangt zu dem Resultat, dass Abulwalid ibn
Ganäh in seinem Wörterbuch ,3y-ob!! uj'JCj' das des Hai nicht be¬
nutzt hat , gegen Bacher (Leben Werke d. Abulwalid 88), dem
auch ich (Mose ibn Chiquitilia 176) folge. Es lässt sich aber für
unsere Annahme ein direkter Beweis erbringen. Das Citat s. v.
1) Aus diesem Artikel geht hervor, dass dem Lexikon eine Einleitung gramniatbcben Inhalts vorangegangen war. Hai sagt hier nämlich: ^jXÄA ^'N
inTTN-i sniN Ji^ jülj v_«.j^!. . . . J^^'i • • •
i-Jt j^XaJI j5 LLs-yi Uf. mnn:.
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