Die angeblichen bolgartürkischen Lehnwörter im Ungarischen
Von Johannes Benzing, Berlin
Die Frage der ältesten türkischen Lehnwörter im Unga¬
rischen -ist in vielen ungarischen und anderen sprachwissen¬
schaftlichen Veröffentlichungen schon oft behandelt worden.
Seit der ausführlichen Zusammenstellung dieser Wörter durch
ZoLTÄN Gombocz in seinem Werke „Die bulgarisch-türkischen
Lehnwörter in der ungarischen Sprache" (MSFOu. XXX, Hel¬
sinki 1912) galt die Frage als im wesentlichen abgeschlossen^
Auf Grund der Übereinstimmung gewisser lautlicher
Merkmale eines Teiles dieser ältesten türkischen Lehnwörter
mit entsprechenden Besonderheiten im Tschuwaschischen
wurden diese Entlehnungen allgemein als bolgarische*) an¬
gesehen. Der Zeitpunkt der Übernahme wlirde gewöhnlich
in das V. — VIII. Jeihrh. (bei Gombocz, a.a.O., S. 205: ca. 600
bis ca. 800) verlegt, in welcher Zeit die Ungarn und die Bol-
' garen an der mittleren Wolga oder sher im nordkaukasischen
Vorlande und im Dongebiete Nachbarn gewesen sind*).
Bei der geringen Verschiedenheit der türkischen Mund¬
arten ist man auf verhältnismäßig wenige Sondermerkmale
angewiesen, die als Unterlage für den Nachweis engerer
Verwandtschaft dienen können. Das Hauptmerkmal für die
Unterscheidung der „bolgarischen" von den späteren tür¬
kischen, besonders den osmanischen Lehnwörtern ist der
1) Entsprechend dem in vielen Veröffentlichungen befolgten Brauche
wird auch hier zxu* Unterscheidung von den slawisierten heutigen Bul¬
garen und dem Bulgarischen das bekannte türkische Volk und seine
Sprache „Bolgaren" und „Bolgarisch" genannt.
2) Vgl. hierzu die ausführliche Arbeit GtzA FeuiSbs, Bulgarisch¬
ungarische Beziehungen in den V — XI. Jahrhunderten [KSz. XIX
(1921), 5—190].
J . Benziho, Die angeblichen bolgartürk. Lehnwörter i. Ungarischen 25-
Wechsel türk. z // tschuw. r. In meinen Tschuwaschischen
Forschungen IP) habe ich gezeigt, daß das türkischez und
das z < alttürk. S gemeinsam zu r verschoben worden sind,,
ohne auf die Zeit dieses Lautwandels einzugehen.
Die Angaben, die Mahmüd von Kaschgar in seinem 1075
fertiggestellten Diwän lugät at-Turk über das Bolgarische
(und das Suwarische) macht, zeigen, daß zu seiner Zeit
das Bolgarische noch den Laut z hatte. Von einem Über¬
gang z> r weiß er nämlich nichts zu berichten, dagegen
erwähnt er den Übergang d> z „bei einigen von den Kip-
tschaken, bei den Jämäken, Suwaren, Bolgaren und denen,
die längs der russischen und rhomäischen Grenze wohnen" *).
Er gibt auch verschiedene Beispiele hierzu, die ich in an¬
derem Zusammenhang zu besprechen gedenke. Hier sei nur
auf das bolgarische (und suwarische) Wort azoj „Fuß" hin¬
gewiesen, das heute im Tschuwaschischen ura (ora) <*aza'
lautet. Das beweist, daß zur Zeit der Abfassung des Diwans,
also etwa um die Mitte des XI. Jahrb., das z noch nicht
zu r verschoben war. Als bisher ältester Beleg für r <z
(< d) gilt das 1230 in den russischen Chroniken genannte
trunowe'). Damit sind zwei Anhaltspunkte für die früheste
und späteste Frist dieses Lautwapdels festgelegt.
Neben den türkischen Lehnwörtern im Ungarischen mit.
dem Lautwandel r <z, z. B. ökör „Ochse", finden wir bei
Gombocz (S. 169) auch zwei mit z<d: hüza „Weizen" und
tüzok „Trappe". Ein glücklicher Zufall, nämlich zwei Ent¬
lehnungen desselben Wortes zu verschiedenen Zeiten, eine
ins Ungarische, eine ins Tatarische, läßt uns die Geschichte
1) S. ZDMG 94 (1940), S. 391 —398.
2) S. Kaig. I 33,14 —17. Der den Rhomäem nächste Stamm sind
nach Kaig. 1 27,16 die Petschenegen.
3) Trunowe (< turun + slaw. Endung) ist die Bezeichnung der
Fürsten der Bolgaren. Vgl. A. Samoji-oviö, Turun — tudun [im Sbor¬
nik Muzeja Antropologii i Etnogtafii, V (Petrograd 1918), 8. 398—400].
Auch bei den Chasaren und Awaren ist dieser Titel im VII/VIII. Jahr¬
hundert überliefert in der Form Tovdovv, Tudun, s. A. A. Saohmatot^
Zamitka ob jazykö voliskich bolgar [Shorn. Muz. Antrop. i Etnogr.,
V (1918), S. 395—397].
26 J . Benzing, Die angeblichen bolgartürlc . Lehnwörter i . Ungarischen
des „Weizens" genau verfolgen. Die alttürkische Form *buo[-
daj dürfte wohl (entweder über *büdaj, oder über *bud[q]aj)
«in frühbolgarisches *buzaj ergeben haben, dessen weitere
Entwicklung die folgende Aufstellung zeigt:
frühbolgarisch
(und chasar.?) *buzaj > spätbolg. *buraj > tschuw. päri
I j „Dinkel, Spelt".
Entlehnungen: ung.büza tat. boraj
„Weizen". ,, Dinkel, Spelt" {boqdaj ist „Weizen").
Ein weiteres wichtiges Sondermerkmal für die Feststel¬
lung „bolgarischer" Lehnwörter im Ungarischen war der in
gewissen Wörtern unter noch nicht geklärten Bedingungen
eintretende Wandel a> y, i, den wir auch im Tschuwaschi¬
schen fmden. Hier sei nur ein Beispiel genannt: türk. jaz-
„schreiben" // tschuw. zyr- < *jyr oo ung. ir „schreiben". Je¬
doch sind im Tschuwaschischen schon lange einige arabische
Wörter bekannt, deren a ebenfalls zu y (i) verschoben ist:
■hypar „Nachricht" (Paasonen S. 46) < ar. hcd)ar
myskara\ „Spaß, Possen"
mvikara ) (Paasonen S. 88) < ar. mashara
irstr „schmutzig, unflätig, ekelhaft"
(wörtl. *ir „Scham" -1- ser ,,-lo8")
(Paasonen S. 17) < ar. 'är „Scham"
zyn „Mensch" < pers. gän „Seele"^)
item „Mensch" (Asm. III 154)
(gewöhnlich etem < tat. dddm) <. ar. adam
hyräz „Tribut, Abgabe" < ar. hargjharäg
*Isan heidnischer Name (in Isanpaj
[> Isampaj, Issenpaj], Isentej
[Issentej], Isenmärsa, [demin.]
Isenek)^) < ar. Hasan
Jmet heidnischer Name < ar. Ahmad?
1) Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, daß zyn , .Mensch"
über *zy(l)n(ä) auf alttürk./a/»«? , .Mensch" zurückgeht.
2) Bei den Formen mit e (Isen) könnte tat. isan , .gesund" einge¬
wirkt haben. Die Belege mit a (Isan) lassen jedoch die Ableitung
aus diesem tatarischen Worte nicht zu.
J. Benzino, Die angeblichen bolgartürk. Lehnwörter i. Ungarischen 27
Diese Beispiele beweisen wohl, daß die Lehnwörter aus
dem islamischen Kulturkreise dieselbe Lautverschiebung
mitgemacht haben, wie die bolgarischen Wörter, und daß
infolgedessen der Lautübergang a> y, i zumindest nicht
vor der Islamisierung des bolgarischen Gebietes im Anfang
des X. Jahrh. geschehen sein kann. Selbst zur Zeit Ma^imüds
von Kaschgar war offenbar dieser Lautwandel noch nicht
eingetreten, wenigstens läßt sich dies aus der suwarischen
Benennung des Honigs, bal^), erschließen, die heute im
Tschuwaschischen pyl lautet.
Da wir nach den obigen Darlegungen allen Grund zur
Annahme haben, daß der Wandel z> r und a> y(i) im
Bolgarischen nicht vor dem XI. Jahrh. erfolgt ist, können
die Ungarn die bisher für bolgarisch gehaltenen Lehnwörter
keinesfalls von den Bolgaren übernommen haben, denn um
diese Zeit hatten sie keine Berührung mehr mit den Bol¬
garen. Von büza „Weizen" wird man annehmen können, daß
es ein altes Lehnwort ist; die Wörter mit dem Lautwandel
z > r müssen jünger sein und sind wohl erst nach der Land¬
nahme zu den Ungarn gekommen. Ob etwa die Petschenegen
die Überbringer gewesen sein können, läßt sich aus der Sprach¬
geschichte vorerst nicht ermitteln.
1) Ksig. III 116: „bal der Honig, in der Mundart der Suwaren,
Kiptschaken und Ogusen; die Türken nennen ihn an jaqi,".
Die französischen und amerikanischen Ausgrabungen in Khorsabad
Von Bruno Meissner, Zenthen (Mark)
Die französischen Ausgrabungen in Khorsabad, die von
Botta qnd Flandin (Monument de Ninive) begonnen und
von Placs (Ninive et TAssyrie) beendet worden sind, galten
immer als ein Muster tüchtiger Ausgrabetechnik, auf die man
sich vollkommen sicher verlassen konnte. Tatsächlich sind
die Pläne von Plack auch von allen Interessenten ihren Aus¬
führungen zugrunde gelegt worden.
Der Hügel von Khorsabad umschließt zwei gesonderte
Teile, eine von einer Stadtmauer umgebene Stadt und einen
von einer Festungsmauer umgebenen Palast, dessen Ecken
nach den vier Himmelsrichtungen orientiert sind. Der Palast,
der auf eine 14 m hohe Terrasse gestellt ist, sitzt rittlings
auf der Stadtmauer und besteht aus zwei Rechtecken, von
denen das eine über die Stadtmauer in die Wüste, das andere
in die Stadtanlage hineinreicht. Zu dieser Terrasse führte
nach der Annahme der französischen Ausgräber auf der nord¬
östlichen Seite des Palastes aus der Ebene eine Rampe hin¬
auf, im Südosten dagegen eine riesige Doppeltreppe (Abb. 1;
Khorsabad II, PI. 76). Obwohl Place verhältnismäßig wenig
Bauinschriften in Khorsabad gefunden hat, aus denen die
Bestimmung der verschiedenen Baulichkeiten hervorgeht,
hat er doch von sich aus fast alle Teile des Palastes identifi¬
ziert. Ü&Q er dabei nicht immer das Richtige getroffen hat,
werden wir nachher noch sehen. — Auf dem nordwestlichen
und westlichen Teil des Palastareals ist inmitten einer un¬
bebauten Fläche zuerst ein von Place „Temple" genanntes
Gebäude zu erwähnen, das aber so schlecht erhalten ist,