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1396 FMH4. MedEd Symposium des SIWF: Neue Technologien, neue Kompe tenzen, neue Methoden

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Academic year: 2022

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Schweizerische Ärztezeitung

SÄZ – BMS Bulletin des médecins suisses – Bollettino dei medici svizzeri – Gasetta dals medis svizzers

Offizielles Organ der FMH und der FMH Services www.saez.ch

43 25 . 1 0. 2 01 7 1393 Editorial

Ärztliche Bildung: E-Bildung? 1430 Tribüne

Ein Fall für eine Public- Private-Partnership- Strategie

1436 «Zu guter Letzt»

von Samia Hurst

Welchen Lohn verdient die Medizin?

1396 FMH

4. MedEd Symposium des SIWF:

Neue Technologien, neue Kompe tenzen,

neue Methoden

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INHALTSVERZEICHNIS 1391

Redaktion

Dr. med. et lic. phil. Bruno Kesseli, Mitglied FMH (Chefredaktor);

Dipl.-Biol. Tanja Kühnle (Managing Editor);

Dr. med. vet. Matthias Scholer (Redaktor Print und Online);

Isabel Zwyssig, M.A. (koordinierende Redaktorin);

Dr. med. Werner Bauer, Mitglied FMH; Prof. Dr. med. Samia Hurst;

Dr. med. Jean Martin, Mitglied FMH; Anna Sax, lic. oec. publ., MHA;

Dr. med. Jürg Schlup, Präsident FMH; Prof. Dr. med. Hans Stalder, Mitglied FMH; Dr. med. Erhard Taverna, Mitglied FMH;

Redaktion Ethik

PD Dr. theol. Christina Aus der Au; Prof. Dr. med. Lazare Benaroyo, Mitglied FMH; PD Dr. phil., dipl. biol. Rouven Porz

Redaktion Medizingeschichte

Prof. Dr. med. et lic. phil. Iris Ritzmann; PD Dr. rer. soc. Eberhard Wolff Redaktion Ökonomie

Anna Sax, lic. oec. publ., MHA Redaktion Recht

Hanspeter Kuhn, Leiter Rechtsdienst der FMH

FMH

EDITORIAL: Werner Bauer 1393 Ärztliche Bildung: E-Bildung? 

AKTUELL: Hans H. Jung, et al.

1394 Fulminanter Nutzenzuwachs in der Neurologie (Teil 1) In der Neurologie kam es in den letzten 20 Jahren zu grundlegenden, teilweise revolutionären Veränderungen der Behandlungskonzepte und -erfolge. Krankheiten wie Schlaganfall, Multiple Sklerose und Hirntumoren, die früher unbehandelbar waren, können nun mit neuen Therapiemethoden angegangen werden. Dies verbessert die Lebenserwartung und Lebensqualität der Betroffenen markant und reduziert Invaliditätskosten.

SIWF: Bruno Kesseli

1396 4. MedEd Symposium: Neue Technologien, neue Kompetenzen, neue Methoden In der 4. Auflage fand das MedEd Symposium des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF erstmals im Zentrum Paul Klee statt. Kon stant blieb die hohe Programmqualität:

Spannende und informative Referate, vertiefende Seminare, ein Interview und eine abschliessende Podiumsdiskussion führten zu angeregten Diskussionen und vermittelten den Teilnehmenden wertvolle Denkanstösse.

AKTUELL: Patrick Müller, Christian Oeschger, Thomas Kessler

1402 Tarifdelegierten-Tag der FMH: Tarife im Kreuzfeuer der Gesundheitspolitik 

Weitere Organisationen und Institutionen

TOX INFO SUISSE: Hugo Kupferschmidt, Christine Rauber-Lüthy 1406 Vergiftungen in der Schweiz

Briefe / Mitteilungen

1411 Briefe an die SÄZ

FMH Services

1414 Seminare / Séminaires / Seminari 1420 Stellen und Praxen (nicht online)

Psychotherapie Psychosomatik Psychiatrie Persönlich und diskret.

(3)

INHALTSVERZEICHNIS 1392

Impressum

Schweizerische Ärztezeitung Offizielles Organ der FMH und der FMH Services Redaktionsadresse: Elisa Jaun, Redaktionsassistentin SÄZ, EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 72,

Fax +41 (0)61 467 85 56,

redaktion.saez@emh.ch, www.saez.ch Verlag: EMH Schweizerischer Ärzte- verlag AG, Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 55, Fax +41 (0)61 467 85 56, www.emh.ch Marketing EMH / Inserate:

Dr. phil. II Karin Würz, Leiterin Marketing und Kommunikation,

«Stellenmarkt/Immobilien/Diverses»:

Matteo Domeniconi, Inserateannahme Stellenmarkt, Tel. +41 (0)61 467 86 08, Fax +41 (0)61 467 85 56,

stellenmarkt@emh.ch

«Stellenvermittlung»: FMH Consulting Services, Stellenvermittlung, Postfach 246, 6208 Oberkirch, Tel. +41 (0)41 925 00 77, Fax +41 (0)41 921 05 86, mail@fmhjob.ch, www.fmhjob.ch Abonnemente FMH-Mitglieder:

FMH Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte, Elfenstrasse 18, 3000 Bern 15, Tel. +41 (0)31 359 11 11, Fax +41 (0)31 359 11 12, dlm@fmh.ch Andere Abonnemente: EMH Schweize- rischer Ärzteverlag AG, Abonnemente,

Abonnementspreise: Jahresabonne- ment CHF 320.– zzgl. Porto.

ISSN: Printversion: 0036-7486 / elektronische Ausgabe: 1424-4004 Erscheint jeden Mittwoch

© FMH

Die Schweizerische Ärztezeitung ist aktuell eine Open-Access-Publikation.

FMH hat daher EMH bis auf Widerruf ermächtigt, allen Nutzern auf der Basis der Creative-Commons-Lizenz

«Namens nennung – Nicht kommer- ziell – Keine Bearbeitung 4.0 inter- national» das zeitlich unbeschränkte Recht zu gewähren, das Werk zu ver- vielfältigen und zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen.

ausdrück licher vorgängiger Erlaubnis von EMH und auf der Basis einer schriftlichen Vereinbarung zulässig.

Hinweis: Alle in dieser Zeitschrift pu- blizierten Angaben wurden mit der grössten Sorgfalt überprüft. Die ange- gebenen Dosierungen, Indikationen und Applikationsformen, vor allem von Neuzulassungen, sollten in jedem Fall mit den Beipackzetteln der verwende- ten Medikamente verglichen werden.

Herstellung: Schwabe AG, Muttenz, www.schwabe.ch

Tribüne

STANDPUNKT: Felix Frey

1430 Ein Fall für eine Public-Private- Partnership-Strategie Der Übergang von Erkenntnissen der Grundlagenforschung und der industriellen Entwicklung in klinisch nützliche Produkte harzt weltweit. Gründe sind die Komplexität des Translationsprozesses, die unabdingbare Interaktion von Playern verschiedenster Disziplinen sowie die anspruchsvolle Infrastruktur dieser Projekte.

Die  Regierungen verschiedener Länder, darunter auch die Schweiz, haben deshalb innovative Initiativen ergriffen. Trotzdem nimmt die Anzahl klinischer Studien kontinuierlich ab. Als Remedur drängt sich eine Public-Private-Partnership-Strategie auf.

Horizonte

STREIFLICHT: Erhard Taverna 1434 Aus der Brot- und Reiseapotheke

Zu guter Letzt

Samia Hurst

1436 Welchen Lohn verdient die Medizin? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Denn sobald es um die Bezahlung von  Ärzten geht, erhitzen sich die Gemüter. Unsere Autorin widmet sich dem Thema aus ethischer Sicht.

BENDIMERAD

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Ärztliche Bildung: E-Bildung?

Werner Bauer

Dr. med., Präsident des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF

«Mir scheint es, dass das Internet und die Social Media eine Welt, in der es früher Erwachsene und Kinder gab und in der ganz klar die Erwachsenen den Takt vor­

gaben, in eine universale Schulcafeteria für Vierzehn­

jährige verwandeln. Eine Welt, in der es niemanden schert, wer oder wie Du wirklich bist: Was zählt, ist dein Image, und das höchste Ziel ist es, möglichst viele Likes zu sammeln.»

Bevor ich mit dem Schreiben dieses Editorials begann, stiess ich in der NZZ (14.10.17) auf diese Aussage des Schriftstellers Jonathan Franzen. Franzen ist beileibe kein hinterwäldlerischer Gegner der Informatik, aber er erspart uns nicht die grundsätzlichen Gedanken darüber, wie der Mensch als Nutzer mit den grenzenlos anmutenden digitalen Möglichkeiten umgehen soll.

Bei seinen Überlegungen greift er weit zurück auf prophetische Gedanken von Karl Kraus: «Wir waren kompliziert genug, um die Maschine zu bauen, und wir sind zu primitiv, uns von ihr bedienen zu lassen.» Es geht ihm um die Frage, ob die Botschaft aus Silicon Valley «We’re making the world a better place» für die Entwicklung der Menschheit und der Menschlichkeit zutrifft oder unter welchen Bedingungen sie zutreffen könnte.

Damit sind wir mitten in der Thematik des diesjäh­

rigen MedEd Symposiums (Bericht in dieser Ausgabe S. 1396), das sich mit der Bedeutung digitaler Tech­

nologien für die ärztliche Bildung auseinandersetzte.

Es ging darum, inwieweit die Informatik mit all ihren Optionen für die Medizin in die Lernzielkataloge aufgenommen werden muss und inwieweit sie im Rahmen von Blended-Learning- und Simulations­Pro­

jekten für die Weiter­ und Fortbildung genutzt werden kann. Die Referenten waren sich einig: Wir befinden uns mitten in einem schnellen Entwicklungsschub, der es zurzeit schwierig macht, das Nutzbringende und Bleibende von den technologischen Eintagsfliegen zu unterscheiden.

Sicher ist, dass sich die berufliche Tätigkeit von Ärzten und der Patientenkontakt verändern werden. Berufs­

bilder werden sich verschieben: Bedarf an Radiologen oder Pathologen zum Beispiel wird es immer geben, aber die primäre morphologische Analyse der Aufnah­

men oder Präparate wird durch einen Computer erle­

digt werden. Die Riesendatenbanken, die künstliche Intelligenz, die Monitoring­ und Robotersysteme − sie alle werden in dem Sinne genutzt werden müssen (und das will gelernt sein!) wie es von den Referenten for­

muliert wurde: Als Werkzeuge, welche die mensch­

lichen Möglichkeiten nicht ersetzen dürfen, sondern erweitern können. Eine Referentin formulierte es prä­

gnant: «We need training how to work with the arti fi­

cial intelligence system: when to trust an algorhythm, when to trust the own intuition and asking the right questions.»

Auch bei der Nutzung elektronischer Medien für Aus­

bildungszwecke stecken wir in einem Entwicklungs­

prozess. Noch vor kurzem wurde das E­Learning, die stumme Zwiesprache mit dem Computer im Kämmer­

lein oder in der Bibliothek, als die Zukunft der Vermitt­

lung von Lerninhalten angesehen – günstig, standardi­

siert, zeitlich und örtlich wählbar. Inzwischen sind sich die Praktiker ärztlicher Bildung weitgehend einig, dass das reine E­Learning den Präsenzunterricht nicht ersetzen, sondern nur ergänzen kann. In der Medizin geht es eben fast immer nicht nur um das reine Ver­

mitteln von Fakten. Fragestellungen müssen diskutiert und priorisiert werden, die Kommunikation spielt oft eine entscheidende Rolle und so heisst der neue di­

daktische Favorit «blended learning», die Sequenz von virtuellen und Präsenzphasen.

Der Umgang mit der Informatik und die kluge Nut­

zung ihrer Möglichkeiten müssen bei den Verantwort­

lichen für die ärztliche Bildung hohe Priorität erhal­

ten.

Ja, und da war noch etwas: In einem überzeugenden Referat zerpflückte Gerd Gigerenzer die ungenügende Kompetenz vieler Ärztinnen und Ärzte bei der Analyse statistischer Evidenzen und beim Durchschauen von irreführenden Berichterstattungen über Studien re sul­

tate. Überlebens­ und Mortalitätsraten, relative und absolute Risiken, bedingte Wahrscheinlichkeiten und natürliche Häufigkeiten sind Begriffe, die nicht nur im berühmten Buch mit den sieben Siegeln stehen soll­

ten, sondern im Hinblick auf die immer wieder not­

wendigen Entscheidungen unter Unsicherheit von den Ärzten verstanden werden müssen. Nur so bleiben sie kompetente Berater für ihre Patienten.

FMH Editorial 1393

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Der wachsende Nutzen in der Medizin: Was erhält die Bevölkerung für die Gesundheitskosten?

Fulminanter Nutzenzuwachs in der Neurologie (Teil 1)

Hans H. Jung, Zürich; Marcel Arnold, Bern; R. Du Pasquier, Lausanne; Andreas F. Hottinger, Lausanne;

Georg Kägi, St. Gallen; Ludwig Kappos, Basel; Philipp Lyrer, Basel; Roland Martin, Zürich; Patrick Roth, Zürich; Michael Weller, Zürich

In der Neurologie kam es in den letzten 20 Jahren zu grundlegenden, teilweise re- volutionären Veränderungen der Behandlungskonzepte und -erfolge. Krankhei- ten wie Schlaganfall, Multiple Sklerose und Hirntumoren, die früher unbehan- delbar waren, können nun mit neuen Therapiemethoden angegangen werden. Dies verbessert die Lebenserwartung und Lebensqualität der Betroffenen markant und reduziert Invaliditätskosten.

Trotz Schlaganfall reale Chancen auf ein Leben ohne alltagsrelevante Behinde- rungen

Jedes Jahr erleiden etwa 16 000 Personen in der Schweiz, etwa ein Drittel davon noch im Erwerbsalter, einen Schlaganfall. Auch wenn Schlaganfälle immer noch eine der häufigsten Ursachen für Tod und Behinderung sind, haben sich die Chancen, einen Hirnschlag ohne oder mit nur geringen Einschränkungen zu überleben, in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert.

Diese Situation, die vor 20 Jahren fast sicher zum Tode der betroffenen Patientin geführt hätte, zeigt exempla- risch den Fortschritt der Schlaganfallbehandlung: (1) Die systemische Thrombolyse hat sich flächendeckend eta- bliert. (2) Die endovaskuläre Thrombektomie wird in geographisch sinnvoll verteilten Schlaganfall- zentren rund um die Uhr angeboten, und (3) durch die Organisation in Schlaganfallnetzwerken kön- nen mehr Patienten eine spezialisierte Behand- lung erhalten. So kann bei einem schweren Schlagan- fall nach systemischer Thrombolyse kombiniert mit endovaskulärer Therapie ein Leben ohne alltagsrele-

vante Behinderung bei etwa der Hälfte der Patienten erreicht werden.

Mit Multipler Sklerose (MS) jahrzehnte- lang normal leben

In der Schweiz sind 10 000 bis 15 000 Menschen von Mul- tipler Sklerose betroffen, einer Erkrankung, die häu- figer Frauen betrifft als Männer und deren erste Sym- pto me meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auftreten. Abhängig davon, wo die meist schubweise auftretenden Entzündungsherde im zentralen Nerven- system liegen, können Symptome wie Sehstörungen, Probleme der Motorik oder Koordination, Schmerzen sowie psychische oder kognitive Beeinträchtigungen auftreten.

Die Multiple Sklerose hat nach wie vor einen sehr er- schreckenden Ruf, und wenn Patienten mit dieser Dia- gnose konfrontiert werden, sehen sie sich in der Regel schon in Bälde im Rollstuhl sitzen. Dies entspricht aber nicht mehr den Tatsachen. Auch wenn die MS immer noch nicht heilbar ist, kam es in den letzten Jahren zu  einer dramatischen Verbesserung der Therapie- möglichkeiten. Aktuell können wir, dank rund einem

Dutzend verschiedener neuer Therapien, den Verlauf dieser Krankheit entscheidend verlangsamen, so dass die überwiegende Mehrzahl der MS-Patienten über

Auch wenn die neuen MS-Therapien kostspielig sind, erlauben sie in hohem Masse, indirekte Kosten zu vermeiden.

Eine 60-jährige Patientin wird mit Koma in eine Schlaganfall- station gebracht, wo ein Blutgerinnsel in einer Hirnarterie fest- gestellt wird (Basilaristhrombose). Nachdem ihr Medikamente zur Auflösung des Gerinnsels verabreicht wurden (systemische Throm- bolyse) wird sie ins Schlaganfallzentrum weiterverlegt. Dort kann mit Hilfe eines durch das Gefässinnere zur verschlossenen Stelle geleiteten Katheters der Thrombus entfernt werden (endovasku- läre Thrombektomie). Die Patientin verlässt wenig später das Spital ohne bleibende Beeinträchtigungen.

FMH Ak tuell 1394

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Jahrzehnte hinweg ein völlig normales Leben führen, Kinder grossziehen und Vollzeit arbeiten können.

Diese Entwicklung ist nicht nur für die Betroffenen und ihre Neurologen höchst befriedigend. Darüber hinau s haben die spektakulären Behandlungsfort- schritte auch signifikante positive volkswirtschaft- liche Konsequenzen, weil die in der Regel jungen MS- Patienten ohne Unterstützung leben und auch erwerbstätig sein können. Sie benötigen weniger pfle- gerische Unterstützung sowie Hilfsmittel und beziehen auch weniger Rentenleistungen. Auch wenn die neuen MS-Therapien kostspielig sind, erlauben sie in hohem Masse, indirekte Kosten zu vermeiden.

Gezieltere Behandlungen von Hirntumoren

Hirntumoren treten in der Schweiz jedes Jahr bei etwa 600 Personen auf und führen bei vielen zum Tod. Da Hirntumoren oft bereits im frühen Lebensalter auf- treten, gehören sie zu den Krebserkrankungen, die am meisten verlorene Lebensjahre verursachen.

Neue Methoden der Hochdurchsatzdiagnostik haben das Verständnis der molekularen Krankheitsentstehung und damit die Klassifikation von Hirntumoren in den letzten 10 bis 20 Jahren drastisch verändert. So ist es möglich abzuschätzen, ob eine Therapie für einen Pa- tienten nicht erfolgversprechend ist, so dass ihm be- lastende Therapieversuche und Nebenwirkungen wie Übelkeit, Blutbildveränderungen und Infektgefahr er- spart werden können. Durch die bessere Kenntnis der Tumorbiologie können aber auch aggressive Tumor- erkrankungen rascher erkannt und besser zielgerich- tet behandelt werden. Grosse Fortschritte sind auch im Bereich der Sicherheit und Präzision von neurochirur- gischer und radioonkologischer Behandlung erzielt wor- den. Der Einsatz der medikamentösen Therapie führt heute z.B. bei Kleinhirntumoren von Kindern oder bei Tumoren des Lymphgewebes des zentralen Nerven- systems zumindest bei Subgruppen von Patienten zu einer Heilung, die vor wenigen Jahren noch für unmög- lich gehalten wurde. Auch bei anderen, weiterhin un- heilbaren Erkrankungen wie dem Glioblastom, dem häu- figsten, bösartigen Hirntumor bei Erwachsenen, steigt

die Zahl von Langzeitüberlebenden. Wesentlicher Schritt der Verbesserung der Prognose und Lebensqua- lität von Patienten mit Hirntumoren war die Einfüh- rung multidisziplinärer Strukturen zur Optimierung der Diagnostik und Therapie.

Fazit: ein fulminanter Nutzenzuwachs

Die Fortschritte in der klinischen Neurologie der letzten Jahre – hier dargestellt an den Beispielen von Schlag- anfall, Multipler Sklerose und Hirntumoren – sind das Resultat intensiver Forschung und stellen eine Erfolgs- geschichte für die Patienten dar. Für die Zukunft ist abzusehen, dass für viele, bislang nicht kausal thera- pierbare neurologische Erkrankungen wie Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), Demenzerkrankungen oder gene- tisch bedingte neurologische und neuromuskuläre Er- krankungen spezifische Therapiemethoden zur Ver- fügung stehen könnten. Die Kosten dieser Entwicklung sind hoch, sind aber in einer Gesamtrechnung mit einer oft markant verbesserten Lebensqualität und verlänger- ter Lebenszeit zu sehen. Neben diesem Nutzen für die individuellen Patienten und ihr Umfeld erzielen die neuen Therapien auch einen ökonomischen Nutzen, weil oftmals z.B. Behinderungen und Berentungen ver- mieden oder verzögert werden und Pflegebedarf re- duziert wird.

Zusammenfassung

Die Fortschritte der Neurologie haben in den letzten 20 Jahren zwar Behandlungskosten erhöht, aber auch einen erheblichen Mehrwert für die Patienten gebracht.

So ermöglichen Schlaganfallbehandlungen heute deut- lich mehr Menschen ein Leben ohne alltagsrelevante Behinderungen. Auch die dramatisch verbesserten The- rapien bei Multipler Sklerose ermöglichen vielen Patien- ten über Jahrzehnte hinweg ein völlig normales Leben.

Behandlungsentscheide bei Patienten mit Hirntumo- ren können heute auf einer verbesserten Grundlage – teilweise mit Heilungsaussicht – getroffen werden. Diese Fortschritte geben den Betroffenen Lebensqualität und Lebenszeit – und sparen der Gesellschaft, unter ande- rem, hohe Invaliditätskosten.

Korrespondenz:

Schweizerische Neuro- logische Gesellschaft (SNG) c/o IMK

Münsterberg 1 CH-4001 Basel

Kontaktadressen der ver- antwortlichen Co-Autoren:

Prof. Dr. med. Hans H. Jung Vizepräsident SNG Klinik für Neurologie UniversitätsSpital Zürich Frauenklinikstrasse 26 CH-8091 Zürich hans.jung[at]usz.ch

Dr. Georg Kägi Neurologische Klinik Kantonsspital St. Gallen Rorschacher Strasse 95 CH-9007 St. Gallen georg.kaegi[at]kssg.ch

Prof. Dr. Renaud Du Pasquier Service de neurologie CHUV, BH07 Rue du Bugnon 46 CH-1001 Lausanne renaud.du-pasquier[at]

chuv.ch

Prof. Dr. Michael Weller Klinik für Neurologie UniversitätsSpital Zürich Frauenklinikstrasse 26 CH-8091 Zürich michael.weller[at]usz.ch

FMH Ak tuell 1395

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4. MedEd Symposium des SIWF am 20. September 2017 in Bern

Neue Technologien, neue

Kompetenzen, neue Methoden

Bruno Kesseli

Dr. med. et lic. phil., Chefredaktor

In der 4. Auflage fand das MedEd Symposium des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF erstmals im Zentrum Paul Klee statt. Kon- stant blieb die hohe Programmqualität: Spannende und informative Referate, vertiefende Seminare, ein Interview und eine abschliessende Podiumsdiskus- sion führten zu angeregten Diskussionen und vermittelten den Teilnehmenden wertvolle Denkanstösse.

Von der Unsicherheit, unter der Ärztinnen und Ärzte häufig ihre Entscheide zu fällen haben, war am Sympo- sium öfter die Rede. Eine Unsicherheit wurde indessen gleich zum Auftakt der Veranstaltung ausgeräumt.

Die Podiumsgäste erlebten auf der Grossleinwand live mit, wie mit Ignazio Cassis ein Arzt in den Bundesrat ge- wählt wurde. Eine Rarität, wie SIWF-Präsident Werner Bauer in seiner Eröffnungsansprache festhielt: Ignazio Cassis ist erst der zweite Arzt in der Landesregierung.

Die Amtszeit seines Berufskollegen Adolf Deucher, der ebenfalls der FDP angehörte und als Wegbereiter der SUVA gilt, liegt allerdings schon über ein Jahrhundert zurück. 1883 gewählt, starb der Thurgauer 1912 im Alter von 81 Jahren im Amt.

Das MedEd Symposium ist allerdings nicht politischen, sondern den «Perspektiven der ärztlichen Bildung» ge- widmet. Es entspricht der Philosophie und dem An- Das 4. MedEd Symposium bot Gelegenheit für einen intensiven Austausch zu den Perspektiven der ärztlichen Bildung:

Gastgeber Werner Bauer (links) im Dialog mit Referent Gerd Gigerenzer.

Interessiert und diskussionsfreudig: das Publikum am MedEd Symposium.

FMH SIWF 1396

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spruch des SIWF unter der Führung von Werner Bauer, die ärztliche Bildung nicht nur zu verwalten, sondern mitzugestalten und aktiv zu deren Verbesserung beizu- tragen. In diesem Konzept spielt das MedEd Sympo- sium als Austauschforum für Fachleute der ärztlichen Bildung eine wichtige Rolle. Das Erkennen und Analy- sieren von Entwicklungen, die Konsequenzen für die ärztliche Bildung haben, ist zentraler Bestandteil der Veranstaltung. Wie Werner Bauer festhielt, wurde für die 4. Auflage besonderes Gewicht auf neue Techno- logien, neue Lernziele und Kompetenzen sowie damit verbunden neue didaktische Methoden gelegt.

Hohe Relevanz der ärztlichen Bildung

Die neuen Technologien wurden unter dem Schlag- wort Digitalisierung bereits vom ersten Gastredner, Pascal Strupler, angesprochen. Der Direktor des Bun- desamts für Gesundheit ist Stammgast am MedEd Sym- posium und eröffnete die Tagung auch in diesem Jahr mit einem Grusswort. Die Technologisierung und Digi- talisierung, so Strupler, habe nicht nur Auswirkungen auf die ärztliche Bildung, sondern auf das gesamte Gesundheitswesen. Es sei deshalb sinnvoll, vertieft dar über nachzudenken, welche Erwartungen mit den aktuellen technologischen Entwicklungen verbunden seien und wohin diese uns führten. Die ärztliche Bil- dung, deren Relevanz für das Gesundheitswesen nicht hoch genug eingeschätzt werden könne, müsse mit ge- nügend Vorlauf und Weitsicht gestaltet werden. Die Ärzteschaft habe unter anderem die Möglichkeit, sich via die seit 2010 bestehende BAG-Plattform «Zukunft ärztliche Bildung» in die Diskussion einzubringen. Er schloss mit einem Zitat des «begnadeten Eishockey- spielers» Wayne Gretzky: «Gehe nicht dorthin, wo der Puck ist, gehe dorthin, wo der Puck sein wird.»

Informatik auf dem Vormarsch

Überholt die Informatik die ärztliche (Fort-)Bildung?

Unter diese Frage stellte Christian Lovis sein Referat [1].

Was die Lockerheit seines rhetorisch unterhaltsamen und witzigen Auftritts betraf, reihte sich der Professor für Klinische Informatik an der Universität Genf und Direktor der Division of medical information sciences des Genfer Universitätsspitals in die angelsächsische Tradition ein, wie sie von Grössen wie Steve Jobs oder Bill Gates repräsentiert wird. «Wir haben von einer lang- samen in eine schnelle Zeit gewechselt», stellte er fest.

Dieser Schnitt sei nicht rückgängig zu machen. Er kon- statierte einen Vormarsch der Maschinen, mit denen der Mensch in Bezug auf die Analyse grosser Daten- volumen nicht mithalten kann. So integriert das von IBM entwickelte Computerprogramm Watson beispiels- weise die Daten von 30 Milliarden Röntgenbildern, eine für menschliches Ermessen unvorstellbar grosse Menge an Information. Mediziner, stellte Lovis fest, würden zu wenig gut oder überhaupt nicht ausgebildet in Bezug auf künstliche Intelligenz und Big Data. Dies wäre aber vordringlich, denn die Patienten würden die Ärztinnen und Ärzte zunehmend herausfordern. Lovis verwies in diesem Zusammenhang auf Autoren wie den Ameri- kaner Eric Topol, der in Büchern wie «The Patient will see you now» oder «The Creative Destruction of Medi- cine» das revolutionäre Potential einer digitalisierten Medizin beschreibt. Ärzte sollten darauf vorbereitet werden, dass medizinische Information nicht länger nur einer Minderheit zugänglich sein wird. «Die Informa- tik kann helfen», bilanzierte er, aber er liess auch keinen Zweifel daran offen, dass sie in der ärztlichen Bildung einen höheren Stellenwert erhalten muss als bisher.

«Gehe dorthin, wo der Puck sein wird»:

BAG-Direktor Pascal Strupler.

Angelsächsische Lockerheit: Christian Lovis.

FMH SIWF 1397

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Simulationspatienten und Blended- Learning-Konzepte

Zeichnete Christian Lovis eher die grossen Linien der Entwicklungen im Bereich der Informationstechnolo- gie nach, so konzentrierte Tanja Krones ihre Ausführun- gen auf den Nutzen konkreter Methoden in der ärzt- lichen Weiter- und Fortbildung. Die Professorin und Leitende Ärztin für Klinische Ethik am Institut für Bio- medizinische Ethik und Medizingeschichte der Uni- versität Zürich richtete den Fokus auf kommunikative Fertigkeiten, interprofessionelle Teamprozesse und er- folgreichen Wissens- und Skilltransfer. Kommunika- tion, betonte sie, sei eine zentrale ärztliche Grundkom- petenz, die nicht naturgegeben sei, sondern erworben werden müsse und ein Leben lang verbessert werden könne. Gelernt würden kommunikative Fertigkeiten am besten in kliniknahen Szenarien und mit professio- nellem Feedback, wobei das Augenmerk auch auf inter- professionelle Teamprozesse gerichtet werden sollte.

Simulationspatienten und -szenarien sind aus ihrer Sicht eine Schlüsselmethodik für den Erwerb kommu- nikativer Kompetenzen. Die immer wieder geäusserte Kritik an den «unechten» Simulationspatienten hält sie für ungerechtfertigt. Die Kritiker, zeigte sie sich über- zeugt, hätten wohl nie ein Simulationstraining erlebt.

E-Learning ist für Krones ein nützliches Instrument des Wissens- und Skilltransfers. Dies gilt insbesondere dann, wenn e-Learning im Rahmen kombinierter Kon- zepte wie Blended Learning oder Flipped classroom ein- gesetzt wird. Allerdings sollten die neuen Instrumente nicht als Ersatz der traditionellen Bildungsformen, son- dern als eine zusätzliche Lernoption gesehen werden.

Krones illustrierte die präsentierten Erkenntnisse an

zahlreichen Beispielen aus der Praxis des Universitäts- Spitals Zürich. Die angeregte Diskussion am Ende ihres Referats zeigte, dass ihre Ausführungen beim Publikum auf grosses Interesse stiessen.

«Riesige blinde Flecken»

Wie man mit biostatistischen Daten Verwirrung stif- ten und manipulieren, aber auch Transparenz und Verständnis schaffen kann, demonstrierte Gerd Gige- renzer in seinem Vortrag zum Thema «Entscheiden unter Ungewissheit» eindrücklich. Der Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und des Harding-Zentrums für Risikokompetenz, Berlin, hat sich weltweit einen Namen als Experte auf dem Gebiet der Risikokompetenz gemacht. Die Fähigkeit, Risiken richtig einschätzen zu können, hält er in unserer Zeit für genauso wichtig wie Lesen und Schreiben vor 150  Jahren. Im Bereich der Medizin ist eine realisti- sche Einschätzung von Risiken unter anderem auch deshalb nicht einfach, weil bei der Darstellung von Studiendaten oft getrickst wird, um die Resultate im gewünschten Licht erscheinen zu lassen. Dahinter ste- cken meist handfeste Interessen. Gigerenzer zeigte den Unterschied zwischen irreführender und transparen- ter Risikokommunikation anhand konkreter Beispiele, in denen es um Überlebensraten, relative Risiken und bedingte Wahrscheinlichkeiten ging. Er demonstrierte mit verblüffender Klarheit, wie etwa im Rahmen von Screening-Programmen mit 5-Jahres-Überlebensraten, Überdiagnosen und relativer Risikoreduktion Schind- luder getrieben wird. Die Fokussierung auf relative Ri- sikoreduktion ist auch bei der Medikamentenwerbung beliebt. So wirkt es ziemlich überzeugend, wenn ein Lipid senker das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, Kommunikation als ärztliche Grundkompetenz: Tanja Krones.

«Denken ist kein Soft Skill»: Gerd Gigerenzer.

FMH SIWF 1398

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um 48 Prozent senkt. Im Klartext bedeutete dies im konkreten Fall eine Reduktion von 2,8 auf 1,5 Fälle pro 100 Patienten, was deutlich weniger eindrücklich ist.

Wie Gigerenzer zeigte, sind leider gerade bei der Ärzte- schaft in Bezug auf die Fähigkeit, biostatistische Daten zu analysieren, «riesige blinde Flecken» auszumachen.

Viele Ärztinnen und Ärzte lassen sich deshalb relativ leicht hinters Licht führen. In diesem Bereich weist die ärztliche (Aus-)Bildung ein grosses Verbesserungspoten- tial auf. Risikokompetenz ist für Gigerenzer ein zentra ler Teil der digitalen Revolution. Grundsätzlich sei es eine wichtige Aufgabe, den Medizinstudenten

«Denken» beizubringen, zeigte er sich überzeugt:

«Denken ist kein Soft Skill.»

Drei Workshops und ein Interview

Traditionellerweise wurde der Symposiumsnachmittag durch drei parallel geführte Workshops [1] eingeleitet, in denen nach Inputreferaten interaktiv die folgenden Themen behandelt und diskutiert wurden:

– Künstliche Intelligenz und ärztliche Bildung: Wohin führt der Weg? [2]

– Neue Methoden in der Weiterbildung: Nice to have or need to have? [3]

– Médecin et après? Les enjeux du choix de carrière. [4]

Danach standen die Ärztinnen und Ärzte in Weiterbil- dung für eine halbe Stunde nicht nur theoretisch, son- dern in Fleisch und Blut im Mittelpunkt. Werner Bauer bat Livia Dülli und Rolf Erlebach zum Interview auf die Bühne. Beide arbeiten zurzeit als Assistenzärzte am Kan- tonsspital Winterthur, Livia Dülli in der Pädiatrie, Rolf Erlebach in der Anästhesie. Beide erleben den Stellen- wert der Weiterbildung in ihren Abteilungen grundsätz- lich als hoch, das Klima als weiterbildungsfreundlich,

auch wenn es punktuell an den meisten Weiterbildungs- stätten heikle Bereiche gebe. Die von ihnen angeführ- ten Beispiele waren denn auch nicht spezifisch für ihre aktuellen Arbeitsplätze, sondern betrafen Schwierig- keiten, von denen beim Austausch mit Kolleginnen und Kollegen öfter die Rede war. So hätten Weiterbildungs- anliegen einen schweren Stand, wenn sie mit der vor- geschriebenen Arbeitszeit in Konflikt kämen oder in speziellen, schwierig planbaren Konstellationen wie bei Einsätzen auf der Notfallstation. Negativ sei in der täg- lichen Arbeit spürbar, dass die Büroarbeit zulasten der Zeit zugenommen habe, die für den direkten Kontakt mit den Patienten zur Verfügung stehe. Mehr Bedside- Teaching wäre wünschenswert; generell seien Feed-

«Jetzt reden wir»: Werner Bauer im Gespräch mit Livia Dülli und Rolf Erlebach, Ärztin und Arzt in Weiterbildung.

SIWF-Award 2017: die Ausgezeichneten

Im Rahmen des 3. MedEd Symposiums wurden auch die Träge- rinnen und Träger des SIWF-Awards 2017 für besonderes En- gagement in der Weiterbildung bekanntgegeben. Diese Auszeich- nung wird aufgrund der Nomination durch ehemalige Assistenzärztinnen und -ärzte vergeben. Folgende Weiterbildner erhielten in diesem Jahr eine Auszeichnung:

Herr Dr. med. Frank Bochmann, Luzern; Frau Dr. med. Johanna Büchel, Basel; Monsieur le Docteur Christian Candrian, Lugano;

Herr PD Dr. med. Heiko Frühauf, Zürich; Herr Dr. med. Andreas Geiser, Schlieren; Frau Dr. med. Andrea Grêt, Solothurn; Herr Prof.

Dr. med. Andreas Günthert, Luzern; Frau med. pract. Ann-Kristin Hörsting, Winterthur; Monsieur le Docteur Lionel Jacquier, Mar- tigny; Madame la Doctoresse Rachida Marir, Lausanne; Frau Dr.

med. Luzia Meier, Basel; Herr Prof. Dr. med. Dr. sc. nat. Alexander A. Navarini, Zürich; Frau PD Dr. med. Cäcilia Reiner, Zürich; Mon- sieur le Docteur Diego San Millán, Sion; Herr Dr. med. Thomas Sauter, Bern; Herr PD Dr. med. Parham Sendi, Basel; Monsieur le Docteur Christophe Sénéchaud, Saint-Imier; Herr Dr. med. Philipp Stillhard, Chur; Frau Dr. med. Birgitta Thomann, Schlieren; Herr Prof. Dr. med. Stephan Vavricka, Zürich; Herr PD Dr. med. Mathias Worni, Bern.

FMH SIWF 1399

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backs durch erfahrene Kolleginnen und Kollegen sehr wertvoll. Dass sie solche Feedbacks im Rahmen der vor- geschriebenen Arbeitsplatz-basierten Assessments vier- mal jährlich sicher erhalten, werteten beide Interview- ten als positiv. Die jährliche Umfrage zur Evaluation der Weiterbildungsstätten sehen sie als wichtiges In- strument der Qualitätssicherung, das unter anderem für die Bewerbungen hilfreich sei und dafür auch von vielen ihrer Kolleginnen und Kollegen genutzt werde.

Lebhaftes Podium

Auf dem abschliessenden Podium schaffte es Mode- rator Iwan Rickenbacher, mit seinen Gästen [5] in kon- zentrierter Form die Kernthemen des Symposiums nochmals aufzugreifen und in den grösseren Kontext der Gesundheitspolitik zu stellen. Dabei zeigte sich unter anderem, dass Innovation von den Experten durchaus differenziert beurteilt wird. Der Stellenwert des Arzt-Patienten-Verhältnisses werde unabhängig von der Innovationsbeschleunigung hoch bleiben, zeigte sich Henri Bounameaux überzeugt. Sein Kollege Bruno Schmied betonte, auch Innovation sei kritisch zu hin- terfragen. Man müsse sich gut überlegen, welche Inno- vationen etwas bringen würden, gerade im Weiterbil- dungsbereich. Interessante Statements waren zum Thema «Steuerung» oder – politisch korrekter – «Ko- ordination der ärztlichen Weiterbildung» zu verzeich- nen. Stefan Spycher wies zwar auf «Herausforderungen»

hin, stellte den etablierten Weiterbildungspfad aber

nicht grundsätzlich in Frage. Henri Bounameaux fand es dagegen gerechtfertigt, über Regulierungen nach- zudenken. Freiheit sei zwar gut, aber im Weiterbildungs- bereich sei das Resultat nicht immer überzeugend, wenn man an das Verhältnis zwischen Grundversorgern und Spezialisten denke. Klar gegen politisch orchestrierte Steuerungsmassnahmen sprach sich Anja Zyska aus, weil dafür schlicht die Datenbasis fehle. Zudem gehe es nicht an, Ärztinnen und Ärzte aus- und weiterzubilden und ihnen dann die Zulassung zu verweigern. Auf Stufe Wei- terbildung sähe sie zwar gewisse Steuerungsmöglich- keiten, aber das Problem sei die Bedarfsabschätzung.

Michael Jordi outete sich als Pragmatiker, der nicht auf perfekte Zahlen warten, sondern Probleme lösen möchte. Steuerungsmöglichkeiten sehe er zum einen bei der Zulassung zum Studium. Zum andern sollten die Kantone niederschwellig eingreifen können, wenn die Situation «aus dem Ruder läuft», wie dies etwa für die Kantone Genf, Waadt, Tessin oder St. Gallen gelte.

Dem abschliessenden Votum von Anja Zyska konnten sich vermutlich die Podiumsteilnehmer wie auch der Grossteil des Publikums anschliessen. Eine qualitativ hochwertige Weiterbildung mit definierten Stunden- zahlen, wie wir sie in der Schweiz haben, gebe es in dieser Art anderswo kaum. «Das müssen wir uns be- wahren.» Eine analoge Aussage über das MedEd Sym- posium wäre auch nicht verfehlt. Für 2018 kann man sich den Termin jedenfalls bereits vormerken: 12. Sep- tember, Zentrum Paul Klee.

Bildnachweis Fotos Bruno Kesseli Anmerkungen

1 Die Präsentationen zu den Hauptreferaten und Seminaren sind zugänglich unter:

www.fmh.ch/bildung-siwf/themen/meded-symposium/2017.html 2 Leitung: Prof. Dr. med. Giatgen A. Spinas, Pr Dr méd. Christian

Lovis, Dr. Karin Vey.

3 Leitung: Dr. med. Regula Schmid, Prof. Dr. med., Dipl. Soz. Tanja Krones, Dr. med. Lukas Hegi.

4 Leitung: Dre Nadia Bajwa, Dre Anja Zyska, Dre Milena Abbiati, Dre Nathalie Koch.

5 Auf dem Podium diskutierten: Prof. Dr. Iwan Rickenbacher (Mode- ration), Honorarprofessor für politische Kommunikation der Universität Bern; Prof. Dr. med. Henri Bounameaux, Dekan der medizinischen Fakultät der Universität Genf, Präsident des Collège des Doyens, Direktor Ausbildung und Forschung, Hôpitaux Universitaires de Genève (HUG), Genf; Lic. rer. pol. Michael Jordi, Zentralsekretär der Schweizerischen Gesundheitsdirektorenkonfe- renz (GDK), Bern; Prof. Dr. med. Bruno Schmied, Chefarzt Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Endokrin- und Transplantationschirurgie, St. Gallen; Dr. Stefan Spycher, Vizedirektor, Leiter Direktions- bereich Gesundheitspolitik, Bundesamt für Gesundheit (BAG), Bern; Dr. med. Anja Zyska, Vizepräsidentin, Verband Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (VSAO/ASMAC), Bern.

bkesseli[at]emh.ch

Animierte Diskussion (v.l.n.r.): Moderator Iwan Rickenbacher, Michael Jordi, Stefan Spycher, Anja Zyska, Henri Bounameaux, Bruno Schmied.

FMH SIWF 1400

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Tarifdelegierten-Tag der FMH vom 28. September 2017

Tarife im Kreuzfeuer der Gesundheitspolitik

Patrick Müllera, Christian Oeschgerb, Thomas Kesslerc

a FMH, Abteilungsleiter, Abteilung Ambulante Versorgung und Tarife; b FMH, Projektleiter, Abteilung Ambulante Versorgung und Tarife;

c FMH, Experte, Abteilung Ambulante Versorgung und Tarife

Am 28. September 2017 fand in Bern unter dem Titel «Tarife im Kreuzfeuer der Ge- sundheitspolitik» der zweite Tarifdelegierten-Tag dieses Jahres statt. An diesem Tarifdelegierten-Tag nahmen mehr als 100 Teilnehmer teil. Ein neuer Teilnehmer- rekord!

Dr. med. Urs Stoffel begrüsste die Anwesenden und er- öffnete den Tarifdelegierten-Tag mit einer standespoli- tischen Standortbestimmung und dem Überblick über die Ziele, die bevorstehende Thematik der Referate und der Podiumsdiskussion.

Stoffel sprach einleitend über die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen und deren Ursache und erläuterte, warum die ambulanten Tarife gerade jetzt im Kreuz- feuer der Gesundheitspolitik stehen.

Zuletzt berichtete der Departementsverantwortliche für die «ambulante Versorgung und Tarife» über den gegenwärtigen Stand des Projekts TARCO. Das Projekt

läuft nun seit über 365 Tagen. Mit der Annahme des Grob- konzeptes in der Delegiertenversammlung vom Sep- tember 2016 erfolgte der Startschuss von TARCO. Seit der Delegiertenversammlung vom Januar 2017 konnten bereits einige Meilensteine von TARCO erreicht werden.

Die Überarbeitung der Nomenklatur ist fast vollständig abgeschlossen und die Verhandlungen über die Kosten- modelle mit den Tarifpartnern sind gestartet.

Der Tarifdelegierten-Tag fand in den Räumlichkeiten des Hotels Ador in Bern statt.

Dr. med. Urs Stoffel begrüsst die Teilnehmer des Tarif delegierten-Tages.

Alle Unterlagen sowie die Gesamtpräsentation finden Sie auf der Website der FMH: www.fmh.ch → Ambulante Tarife → Tarifdele- gierten-Tag → 28. September 2017 → Präsentation

FMH Ak tuell 1402

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Aktuelles im Bereich Praxislabor

Dr. med. Susanne Christen informierte über den Be- reich Praxislabor. Aktuell wird im Projekt transAL die Analysenliste nach 2009 erneut revidiert. Das Projekt sieht vor, obsolete und mehrfach tarifierte Positionen aus dem Tarif zu eliminieren.

Zudem informierte Christen über die im Parlament vor- liegende Motion Hess (Geschäftsnummer 16.3193). Die Motion sieht vor, Artikel 52 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) so zu ändern, dass die Tarife von Analysen durch medizinische Labors künf- tig – analog TARMED und DRG – durch die Tarifpartner verhandelt oder bei Unstimmigkeiten, durch eine von ihnen eingesetzte Rekurs-Instanz festgelegt werden.

Weiter fordert die Motion Kuprecht (16.3487) die Einfüh- rung der Vertragsfreiheit bei den Labortarifen.

Ausserdem berichtete Christen über die aktuellen Gegebenheiten in der Schweizerischen Kommission für Qualitätssicherung in medizinischen Laboren (QUALAB).

Zweiter Tarifeingriff des Bundesrates in den TARMED

Patrick Müller informierte über den zweiten Tarifein- griff des Bundesrates in die Tarifstruktur TARMED und machte aufgrund immer noch fehlender Informationen seitens der Bundesbehörden einen Rückblick auf die Ent- wicklungen der letzten Jahre und die damit verbundene subsidiäre Kompetenz des Bundesrates. Die jahrelange Blockade und das Nichtzustandekommen einer Revision waren die Hintergründe dieser neuen erweiterten Kom- petenz des Bundesrates. Der Bundesrat kann seit Anfang

2013 aktiv in eine bestehende inkraftgesetzte Tarifstruk- tur eingreifen – dies mittels einer Verordnung. Die Kom- petenz beschränkt sich auf den ambulanten Bereich des Krankenversicherungsgesetzes (KVG).

Der Bundesrat fällte am 16. August 2017 einen Grund- satzentscheid. Dabei hält der Bundesrat am Tarifein- griff per 1. Januar 2018 fest. Der Bundesrat hat aber Korrekturen gegenüber der Vernehmlassung vorge- nommen – dies auch aufgrund der über 600 eingegan- genen Stellungnahmen, die vorwiegend aus Kreisen der Ärztinnen und Ärzte und der betroffenen Fachgesell- schaften stammten.

Für Müller ist klar, dass mit dem Tarifeingriff die eigene Bundesratsstrategie «Gesundheit 2020» sowie Bundes- programme wie beispielsweise Strategie Palliative Care, NCD-Strategie, Nationale Demenzstrategie, Strategie Sucht, damit vom Bundesrat torpediert werden. Der Tarifeingriff führt insgesamt zu einer deutlichen Schwä- chung der ambulanten Medizin, setzt keine Anreize für die Erbringung der Leistungen im deutlich güns- tigeren und effizienteren ambulanten Bereich und ist weder sachgerecht noch betriebswirtschaftlich.

Projekt TARCO – aktueller Stand und Informationen

Sabine Zehnder und Christian Oeschger informierten über den aktuellen Stand des Projektes TARCO. Das Cock- pit, als oberstes Steuerungs- und Entscheidungsorgan des Projekts, setzt sich zusammen aus Vertretern aller Dachverbände der FMH sowie Vertretern der Kantone und des VLSS. Das Cockpit hat bis heute mehr als 60 Ent- scheide in vier Sitzungen gefällt und das Projekt somit vorwärts gebracht und entscheidend geprägt.

Dr. med. Susanne Christen referiert über die aktuellen Gegebenheiten im Bereich Praxislabor.

Patrick Müller informiert über den zweiten Tarifeingriff des Bundesrates in den TARMED.

FMH Ak tuell 1403

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Die Arbeitsgruppen haben aktuell noch bis Ende Okto- ber 2017 Zeit, die Nomenklatur zu finalisieren. Danach wird die gesamte Nomenklatur durch das Cockpit abge- segnet und der Expertengruppe der FMH ein Mandat zur weiteren Verhandlung mit den Tarifpartnern er- teilt.

Zehnder informierte über die ärztlichen und nicht- ärztlichen Grundleistungen, die Behandlungs- und Be- ratungsleistungen, die Plausibilisierung der Handlungs- leistungen und über die Arbeitsgruppen «Dignitäten»

und «OP».

Tarifpartner unterwegs zu einer gemeinsamen Tarifstruktur:

Wunsch gedanken oder Realität?

Zur Podiumsdiskussion unter der Leitung von Prof.

Urs Brügger vom Winterthurer Institut für Gesund- heitsökonomie hat das Departement eine hochkarätige Runde eingeladen: Pius Zängerle (Direktor curafutura), Verena Nold (Direktorin santésuisse), Dr. med. Urs Stoffel (FMH-Zentralvorstand), Josef Müller (Vorstands- mitglied H+), Dr. med. Josef Brandenberg (Präsident fmCh) und Dr. med. Philippe Luchsinger (Präsident mfe) diskutierten über Wunschgedanken und Realität im Zu- sammenhang mit der Revision des ambulanten Ärzte- tarifes.

Prof. Brügger fragte die Podiumsteilnehmer zum Ein- stieg, was für eine Vision sie zum ambulanten Tarif hät- ten. Brügger wollte von der Runde wissen, wie am Tag nach der Verabschiedung und Einreichung einer ge- meinsamen und partnerschaftlichen Tarifstruktur der Titel der Zeitungen lauten könnte. Es stellt sich heraus, dass alle Podiumsteilnehmer sich mehr oder wenig einig sind, dass die Weiterentwicklung der Tarifstruk- tur von grosser Bedeutung ist und es wichtig ist, dass die fünf Tarifpartner einen Kompromiss finden. Der Titel der Zeitungen könnte folgendermassen lauten:

«Die Tarifpartner haben sich beim Tarif TARMED ge- einigt.» Für die Podiumsteilnehmer ist es zudem wich- tig, dass es eine gemeinsame Organisation der Tarifpart- ner gibt, die den Tarif kontinuierlich weiterentwickelt Christian Oeschger und Sabine Zehnder berichten über die aktuellen Arbeiten

im Rahmen des Projektes TARCO.

Die Referate stossen bei den Teilnehmern des Tarifdelegierten-Tages auf grosses Interesse.

FMH Ak tuell 1404

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und pflegt, analog der SwissDRG AG. Unterschiedliche Auffassungen gibt es bezüglich der Art der Tarifierung der Leistungen – die einen wollen einen umfassenden Einzelleistungstarif und die anderen wollen vermehrt Pauschalen einsetzen, sodass der Tarif weniger Tarif- positionen aufweist. Für alle Podiumsteilnehmer ist letztlich klar, dass alle Tarifpartner Abstriche und Kom- promisse machen müssen, sodass das Ziel «ein neuer Tarif» partnerschaftlich erreicht werden kann.

Rückblick und Fazit

Dr. Urs Stoffel zog zum Schluss der Veranstaltung Bilanz und formulierte folgendes Fazit: Der Druck seitens Politik wird weiter zunehmen. Die Bevölkerung wird durch die steigenden Prämien in der Wahrnehmung noch sensibler und ungeduldiger. Das Projekt TARCO Prof. Dr. Brügger (rechts) moderierte die Podiumsdiskussion.

ist wohl eine der letzten Chancen für eine gemeinsame und partnerschaftliche Gesamtrevision des TARMED.

Stoffel ist überzeugt, dass die Ärzteschaft diese Chance und Möglichkeit unbedingt nutzen muss und nur so beweisen kann, dass sie willens ist, weiterhin aktiv an einer Tarifpartnerschaft festzuhalten. Das bedingt aber, dass alle Seiten bereit sind, Kompromisse einzugehen.

«Kämpfen wir also gemeinsam und geschlossen für einen gemeinsamen Verhandlungstarif anstelle eines staatlich verordneten Amtstarifs».

Bildnachweis

Fotos Andreas Weissenburger

Der nächste Tarifdelegierten-Tag findet am Donnerstag, 26. April 2018 im Hotel Bern in Bern statt. Bitte reservieren Sie sich den Termin!

Korrespondenz:

FMH, Abteilung Ambulante Versorgung und Tarife Baslerstrasse 47 CH-4600 Olten Tel. 031 359 12 30 Fax 031 359 12 38 tarife.ambulant[at]fmh.ch

FMH Ak tuell 1405

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Zur Beratungstätigkeit 2016 von Tox Info Suisse

Vergiftungen in der Schweiz

Hugo Kupferschmidt, Christine Rauber-Lüthy

Tox Info Suisse führte 2016 39 547 Beratungen durch, gut 36 400 Beratungen zu Giftexpositionen und knapp 3100 prophylaktischer Natur. Knapp 18 000 Giftexpo­

sitionen betrafen Kinder, 82% davon jünger als 5 Jahre. Knapp drei Viertel aller Ver­

giftungen geschahen mit Medikamenten, Haushaltprodukten oder Pflanzen. Sechs der neun Todesfälle gingen auf das Konto der Medikamentenvergiftungen und je einer auf dasjenige von Pflanzen, Chemikalien und Stoffen in Landwirtschaft und Gartenbau. Von den schweren Fällen waren 69% durch Medikamente, 18% durch Genussmittel und Drogen und 9% durch chemische Produkte verursacht.

56,0% der Expositionen betrafen Kinder, mehrheitlich im Vorschulalter. Bei der Geschlechtsverteilung war bei den Kindern ein leichtes Überwiegen der Knaben (51,2%

vs. 47,3% Mädchen) und bei den Erwachsenen der Frauen (58,9% vs. 40,6% Männer) zu sehen. 90% der knapp 26 500 unbeabsichtigten (akzidentellen) Vergiftungen ereigneten sich im häuslichen Milieu, bei den gut 4800 beabsichtigten Intoxikationen trat die grösste Anzahl (67%) im Rahmen von Suizidversuchen auf.

Schwere und tödliche Vergiftungen in der Schweiz 2016

Von 188 schweren1 Vergiftungen mit Medikamenten (da­

von 6 Kinder) ereigneten sich 163 mit Mitteln für das Nervensystem, im wesentlichen Analgetika (v.a. Opioide, Paracetamol), Antiepileptika (am häufigsten Lamotri­

gin, Valproinsäure, und Phenobarbital) und Psychophar­

maka (Benzodiazepine n = 33, Antidepressiva n = 33, Anti­

psychotika n = 34, davon Quetiapin n = 17, Zolpidem und Zopiclon n = 5). Bei den übrigen schweren Medikamen­

tenintoxikationen waren Präparate für den Gastroin­

testinaltrakt (Insulin n = 3, Metoclopramid und Tinc­

tura opii je n = 1), für den Kreislauf (Kalziumkanalblocker n = 3), für den Atmungstrakt (Antitussiva vom Opioid­

typ n = 1, Diphenhydramin n=5, Theophyllin und Ephe­

drin je n = 1) und für den Bewegungsapparat (Mefenamin­

säure n = 1, Baclofen n = 3, Tizanidin n = 1), meist in Kombination mit weiteren Medikamenten, beteiligt.

Die restlichen schweren Vergiftungen wurden durch Hämatologika (Kaliumphosphat n = 1) und Onkologika (Methotrexat n = 3) verursacht.

Bei den sechs Todesfällen durch Medikamente waren bei drei in suizidaler Absicht Quetiapin, Risperidon, Trazodon, Diphenhydramin und Paracetamol in unter­

schiedlicher Kombination eingenommen worden. In einem weiteren Fall lag ein Anwendungsfehler mit Metho trexat (low dose, täglich statt wöchentlich) vor, einmal eine unerwünschte Arzneimittelwirkung, und in einem Fall war eine medizinische Waschlotion eingenommen worden (Tod durch Aspirationspneu­

monie).

Genussmittel, Drogen und Alkohol

Genussmittel, Drogen und Alkohol führten zu 49 schwe­

ren Vergiftungen. 14 betrafen Alkoholvergiftungen, eine Cannabinoide, fünf Opioide, 17 Halluzinogene und Stimulantien (inkl. Ecstasy), und fünf Kokain. Sieben waren die Folge von Gammahydroxybutyrat (GHB), Gammabutyrolacton (GBL) oder 1­4­Butandiol. Bei den Alkoholvergiftungen wurden ohne Ausnahme auch noch Medikamente oder andere Drogen konsumiert.

Bei den fünf schweren Opiatintoxikationen, drei davon mit Heroin, stand das typische klinische Bild mit Koma und Atemdepression im Vordergrund, obschon in min­

destens drei Fällen weitere Drogen oder Medikamente

1 Der Schweregradbewer­

tung durch Tox Info Suisse liegt der Poisoning Severity Score zugrunde (Persson HE et al. Clin Toxicol 1998; 36: 205­13).

Er beruht auf der Bewer­

tung von Einzelsympto­

men und ­befunden nach festen Kriterien. Eine Vergiftung ist demnach leicht, wenn Symptome auftreten, die wenig beeinträchtigend sind und in der Regel spontan wieder verschwinden.

Eine mittelschwere Intoxikation liegt dann vor, wenn behandlungs­

würdige und länger anhaltende Symptome vorhanden sind. Schwere Symptome sind ausnahmslos immer behandlungswürdig, lebensbedrohlich, und/

oder führen zu bleibenden Beeinträchtigungen.

En 2016, Tox Info Suisse a assuré 39 547 consultations, dont un peu plus de 36 400 pour des expositions à des substances toxiques et près de 3100 de nature prophylactique. Quelque 18 000 intoxications concernaient des en- fants, 82% d’entre eux étaient âgés de moins de 5 ans. Un peu moins des trois quarts des intoxications étaient dues à des médicaments, des produits ménagers ou des plantes. Six des neuf cas mortels impliquaient des médi- caments, sur les trois autres, un était lié à des plantes, un à des produits chimiques et un à des produits pour l’agriculture et le jardinage. Parmi les cas graves, 69% étaient attribuables à des médicaments, 18% à des den- rées d’agrément et des drogues et 9% à des produits chimiques.

WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN Tox Info Suisse 1406

(17)

mitkonsumiert worden waren (Alkohol, Kokain, Ben­

zodiazepine, Cannabis). Bei einer Patientin kam es zu einem komplizierten Verlauf mit Azidose und Rhabdo­

myolyse; alle Patienten erholten sich.

Bei den 17 Patienten, die Halluzinogene (LSD2) und Stimulanzien (z.B. Amphetamin, Methamphetamin, MDMA3, und alpha­PVP4), teilweise mit weiteren Dro­

gen, Medikamenten und Alkohol, konsumiert hatten, traten Agitation, Halluzinationen, aber auch Koma auf, dazu Hypertonie, Hyperthermie, kardiale Isch­

ämien und Rhabdomyolyse. Zwei Patienten erlitten eine Aspirationspneumonie.

Fünf Patienten entwickelten nach Kokaingenuss steno­

kardische Beschwerden bis hin zum Myokardinfarkt.

Alle erholten sich.

Sieben Patienten, fünf davon männlich, verloren nach Konsum von GHB, GBL oder 1,4­Butandiol (meist zu­

sammen mit anderen Drogen und Alkohol) das Bewusst­

sein, waren tief komatös und mussten zum Teil schutz intubiert werden. Alle wachten nach wenigen Stunden rasch wieder auf, wie dies nach GHB typi­

scherweise beobachtet wird. Zwei Patienten hatten eine leichte Rhabdomyolyse, drei zeigten eine Hypo­

kaliämie. Alle erholten sich vollständig.

Pflanzen

Expositionen mit Pflanzen führten 2016 zu zwei schwe­

ren Vergiftungen. Ein adoleszentes Mädchen musste über mehrere Stunden wiederholt reanimiert werden wegen schwerer Herzrhythmusstörungen nach Ein­

nahme von Eibennadeln (Taxus baccata). Sie wurde mit Bikarbonat, Magnesium, Lipidemulsion und Antiar­

rhythmika behandelt. Sie stabilisierte sich und konnte nach 11 Tagen entlassen werden. Ein Mann mittleren Alters verzehrte eine Eisenhutwurzel (Aconitum napel­

lus), was zu ventrikulären Herzrhythmusstörungen mit Bigeminie und ausgeprägter arterieller Hypotonie führte. Die Symptomatik besserte sich nach Gabe von Volumen. Er konnte noch am selben Tag entlassen wer­

den.

Haushaltprodukte

Bei den Haushaltprodukten traten sieben schwere In­

toxikationen auf, darunter zwei bei Kleinkindern. Ein dreivierteljähriger Bub verschluckte ein Waschmittel­

kissen und entwickelte eine Bewusstseinstrübung und eine leichte metabolische Azidose. Zusätzlich erlitt er eine Aspirationspneumonie und war mehrere Tage hos­

pitalisiert. Ein eineinhalb jähriger Knabe leckte am Pin­

sel eines kalilaugenhaltigen Backofenreinigers und er­

litt Verätzungen des Mundes, der Speiseröhre und des Magens. Er entwickelte eine Stenose des Oesophagus.

Bei einem älteren Mann kam es nach Überdruckin­

halation von Pulver aus einem Feuerlöscher zu einer Verletzung des Rachens und einem Mediastinal­

emphysem mit kompliziertem Verlauf. Eine Frau mittleren Alters erlitt nach der Einnahme eines Fläsch­

chens Salbeiöl zwei generalisierte Krampfanfälle und musste stark erbrechen. Eine jüngere Frau ver­

schluckte eine grössere Menge eines stark alkalischen WC­Reinigers, was Erbrechen und höhergradige Ver­

ätzungen des Oesophagus und des Magens zur Folge hatte. Sie erholte sich komplikationslos und ohne Re­

siduen. Eine ebenfalls jüngere Frau trank von einem alkalischen Abflussreiniger, was ebenfalls zu schweren Verätzungen der Magenschleimhaut führte. Ein jünge­

rer Mann verschluckte von einem natronlaugenhalti­

gen Abflussreiniger, was schwere Oesophagusverät­

zungen zur Folge hatte.

Kosmetika und Körperpflegemittel

Mit Kosmetika und Körperpflegemitteln waren 2016 keine schweren oder mittelschweren Vergiftungen zu verzeichnen.

Nahrungsmittel und Getränke

Mit Nahrungsmitteln und Getränken kam es 2016 zu zwei schweren und zehn mittelschweren Vergiftungen.

Zu einer schweren Intoxikation kam es bei einem gut halbjährigen Mädchen mit schwerer Methämoglobin­

ämie (57,6%) nach Verzehr von wieder aufgewärmtem Gemüsebrei. Dies besserte nach Verabreichung des Antidots (Methylenblau), mit unkompliziertem Verlauf.

Eine schwere Koffein­Vergiftung mit ausgeprägter Hypo­

kaliämie trat bei einem jungen Mann nach Konsum

2 LSD = Lysergsäure­

diet hylamid.

3 MDMA = Methylen­

dioxymethamphetamin («Ecstasy»).

4 alpha­PVP = alpha­Pyrro­

lidinovalerophenon (Kathinon­Derivat).

Tabelle 1: Häufigkeit der Vergiftungen beim Menschen nach Noxengruppen (Tox Info Suisse 2016).

Noxengruppen/

Altersgruppen Erwachsene Kinder

Alter

undefiniert Total

Medikamente 5 826 5 416 9 11 251 35,1%

Haushaltprodukte 2 640 5 693 22 8 355 26,1%

Pflanzen 582 2 270 3 2 855 8,9%

Körperpflegemittel und

Kosmetika 318 1 960 2 278 7,1%

Technische und gewerbliche Produkte

1 561 412 11 1 984 6,2%

Nahrungsmittel und Getränke 857 682 9 1 548 4,8%

Genussmittel, Drogen und Alkohol

657 448 1 1 106 3,4%

Produkte in Landwirtschaft und Gartenbau

351 376 1 728 2,3%

Pilze 249 194 3 446 1,4%

(Gift-)Tiere 255 101 2 358 1,1%

Tierarzneimittel 59 49 108 0,3%

Andere oder unbekannte Noxen 687 346 13 1 046 3,3%

Total 14 042 17 947 74 32 063 100%

WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN Tox Info Suisse 1407

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einer hohen Dosis eines koffeinhaltigen Nahrungs­

ergänzungsmittels auf. Die mittelschweren Intoxika­

tionen waren durch Meeresfrüchte, Thunfisch (in einem Fall als typische Scombroidvergiftung), Muskatnuss (als Pulver und in Gebäck5), Pfeffer (Augenexposition), Chi­

lischoten und koffeinhaltige Nahrungsergänzungs­

mittel bedingt.

Technisch-gewerbliche Produkte

Zu 17 schweren und einer tödlichen Vergiftung kam es durch technisch­gewerbliche Produkte, mit zwei Aus­

nahmen alle bei Erwachsenen. Der Todesfall war die Folge einer Einnahme von Quecksilberchlorid. Bei den beiden Kinderfällen handelte es sich um inhalative Ver­

giftungen, einmal mit Chlordämpfen und einmal mit Schwefelwasserstoff.

Ein betagter Mann verschluckte maximal 75 g Queck­

silber(II)chlorid (Sublimat), was zunächst zu heftigem Erbrechen (mit Aspiration) führte, später zur Nieren­

insuffizienz, die eine typische Folge der Intoxikation mit Quecksilbersalzen ist. Die Quecksilberkonzentra­

tion im Blut betrug 14 125 nmol/L. Der Patient wurde mit Aktivkohle und einer Ganzdarmspülung dekon­

taminiert, erhielt DMPS6 als Chelationstherapie, und wurde hämodialysiert. Er musste wegen der Aspirations­

pneumonie intubiert und später tracheotomiert werden.

Er verstarb zwei Wochen nach Einnahme der Noxe an den Komplikationen der Vergiftung.

Ein gut 10­jähriger Knabe inhalierte in einem ge­

schlossenen Raum Dämpfe, die beim Hantieren mit einer chlorhaltigen Schwimmbadchemikalie entstan­

den. Er musste erbrechen und entwickelte Hustenreiz und Atemnot. Im Blut bestand ein Abfall der Sauer­

stoffsättigung, was mit symptomatischer Therapie besserte. Eine Frau und ihre knapp achtjährige Tochter erlit ten eine Schwefelwasserstoffvergiftung, nachdem sie in einem Stall Jauchegasen ausgesetzt waren; sie wurden komatös und wachten erst nach längerer Zeit wieder auf. Sie wurden intubiert und erhielten Hydro xocobalamin, die Tochter zudem Methylenblau.

Beide erholten sich ohne Komplikationen.

Die Augenverletzungen (Läsionen der Cornea) bei zwei Patienten kamen zustande durch Zementmörtel bzw.

Zweikomponentenkleber. Einem Mann mittleren Alters spritzte bei der Arbeit Beizpaste ins Auge, was trotz so­

fortiger Spülung zu einer Hornhauterosion führte, die mit lokaler Therapie abheilte. Ein Mann wurde beim Arbeiten mit einem xylolhaltigen Anstrich in einem geschlossenen Raum bewusstlos durch die Lösungs­

mitteldämpfe. Ein anderer Mann inhalierte Batterie­

säuredämpfe, nachdem ein Motorfahrzeugakku explo­

diert war, und entwickelte ein toxisches Lungenödem.

Ein junger Mann trug in einem geschlossenen Raum für rund eine halbe Stunde mit einer Spritzpistole ein Steinimprägnierungsmittel auf. Er entwickelte Husten und eine toxische Alveolitis, die mit systemischen Ste­

Tabelle 2: Häufigkeit der Noxengruppen und Vergiftungsschweregrad der auswertbaren ärztlichen Rückmeldungen (Tox Info Suisse 2016) zu Giftkontakt beim Menschen (nur hohe Kausalität), Medikamente nach ATC-Codegruppen.

Erwachsene Kinder Total

Noxengruppen/Schweregrad O L M S T O L M S T

Medikamente 374 1161 417 182 6 325 223 52 6 2 746 60,2%

davon Nervensystem Atemwege Bewegungsapparat Kreislauf

Verdauung übrige

241 9 46 23 13 42

962 48 58 31 15 47

310 44 23 15 8 17

158 8 5 3 5 3

2 1 3

111 37 36 27 40 74

113 29 24 8 17 32

35 2 4 1 5 5

5 1

1 937 178 196 108 103 224

Haushaltprodukte 41 143 36 5 125 111 8 2 471 10,3%

Genussmittel, Drogen und Alkohol 35 143 157 49 22 14 13 433 9,5%

Technische und gewerbliche Produkte 37 243 53 15 1 15 32 3 2 401 8,8%

Pflanzen 13 24 16 1 1 29 21 1 1 107 2,3%

Körperpflegemittel und Kosmetika 14 29 1 24 29 8 105 2,3%

Pilze 4 16 20 2 17 4 63 1,4%

(Gift-)Tiere 2 15 18 4 5 3 47 1,0%

Produkte für Landwirtschaft und Gartenbau 2 21 5 3 1 10 2 44 1,0%

Nahrungsmittel und Getränke 5 15 8 1 5 6 2 1 43 0,9%

Tierarzneimittel 2 2 5 1 10 0,2%

Andere oder unbekannte Noxen 13 37 20 3 9 12 1 95 2,1%

Total 542 1849 751 265 9 586 460 91 12 4 565 100%

Schweregrad des Verlaufs: O = asymptomatisch, L = leicht, M = mittel, S = schwer, T = tödlich

5 Die «Nervenkekse» nach Hildegard von Bingen enthielten 45g Muskat pro kg Mehl (Beck TA, Marty H. Swiss Med Forum 2001;1:1287–8).

6 DMPS = Dimercaptopro­

pansulfonsäure, Unithiol.

WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN Tox Info Suisse 1408

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