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Neue Arbeitsformen, neue Technologien in der Produktion:von der Notwendigkeit einer frauenfördernden Qualifizierung

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Academic year: 2022

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Ileana Hamburg, Doris Beer

Neue Arbeitsformen, neue Technologien in der Produktion:

von der Notwendigkeit einer frauenfördernden Qualifizierung

1. Einleitung

In den produzierenden Unternehmen der hochindustrialisierten Länder findet ein Wandel hin zu neuen Produktionssystemen statt, der sich durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK-Technologien) sowie durch kooperative Arbeitsformen charakterisieren läßt. Diese Neuerungen berühren die Erwerbschancen von Frauen in unterschiedlicher Weise. Auf der einen Seite entfallen in der Produktion einfache, standardisierte Tätigkeiten, in denen Frauen in überdurchschnittlichem Maße beschäftigt sind.

Auf der anderen Seite entstehen neue Arbeitsfelder an der Schnittstelle von Produktion und Servicebereich, in denen Frauen sich Beschäftigungschancen sichern könnten. Dazu müssen sie allerdings von der „passiven Anwendung“ zu einer „aktiven Teilnahme“, sowohl an der Entwicklung der Arbeitsformen als auch der IuK-Technologien, gelangen. Dies wiederum setzt voraus, daß Frauen über die notwendigen technischen Kompetenzen verfügen. Trotz staatlicher Programme zur Integration von Frauen in technische Berufe ist ihr Zugang zu technischer Bildung immer noch stark eingeschränkt. Technikorientierte und arbeitsplatznahe Qualifizierungskonzepte, die auch für Familienfrauen geeignet sind und die der Lebenserfahrung und Denkweise von Frauen entsprechen, haben Seltenheitswert. Der folgende Beitrag beschreibt Chancen und Risiken für Frauen, die sich aus der Einführung neuer Produktionssysteme ergeben, und diskutiert, welche Eigenschaften eine Weiterbildung aufweisen müßte, die Frauen bei der aktiven Teilhabe an der Entwicklung neuer Arbeitsformen und neuer Technologien unterstützt. Er beruht auf den grundlegenden Annahmen eines Forschungs- und Entwicklungsprojektes im Rahmen des Leonardo-Programms der Europäischen Union, das seit 1997 vom IAT koordiniert wird. Nähere Informationen zum Projekt werden im letzten Abschnitt ausgeführt.

2. IuK-Technologien und neue Arbeitsorganisationen im verarbeitenden Gewerbe Die entscheidende Neuerung im Bereich der IuK-Technologien resultiert aus dem Verbund von Entwicklungen in drei Basistechnologien: leistungsfähige und preiswerte Computer, neue Übertragungsverfahren und die digitale Form der Verarbeitung von Informationen jeglicher Art.

Dies ermöglicht eine Integration verschiedener Informationsmedien und damit eine schnelle und multimediale Kommunikation. Die zunehmende Digitalisierung von Informationsinhalten und Übertragungswegen führt dazu, daß unterschiedliche, in der Vergangenheit häufig getrennte Prozeßstufen in immer stärkerem Maße zusammenwachsen. Im verarbeitenden Gewerbe wird die Produktion zeitlich und organisatorisch enger mit vor- und nachgelagerten Tätigkeiten -

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Entwicklung, Arbeitsvorbereitung, Distribution und Service - verknüpft. Die Verbindungen zwischen Hersteller, Kunden und Lieferanten können wesentlich intensiviert werden. Bei der Entwicklung und Planung von Produkten werden Abstimmungen und Informationsaustausch erleichtert. Die zunehmende Verbreitung von ISDN schafft die technischen Voraussetzungen für Ferndiagnose und -wartung. An den Schnittstellen der bisher getrennten Funktionsbereiche entstehen Arbeitsplätze, die einerseits neue inhaltliche Anforderungen stellen, andererseits in veränderten Arbeitsorganisationen, wie z.B. in Telearbeit, durchgeführt werden können.

Auch in der Produktion selbst werden zunehmend computergestützte Fertigungstechnologien eingesetzt, die hier allerdings eher für den Abbau industrieller Arbeitsplätze verantwortlich sind.

Das bloße Wegfallen einfacher Produktionsarbeitsplätze führt jedoch nicht zu den erhofften Produktivitätsgewinnen. Die Diffusion computergestützter Fertigungstechnologie aus den 80er Jahren brachte die Erkenntnis, daß die neue Produktionstechnik erst in Verbindung mit einer veränderten Arbeitsorganisation die gewünschten Ergebnisse erreicht. Insbesondere von dezentralen, kooperativen Arbeitsformen, wie z.B. von der Gruppenarbeit mit gemischten Qualifikationen, wird ein Gewinn an Flexibilität und Produktivität erwartet. „Reine“ Formen kooperativer Arbeit existieren in der Praxis selten. Die vorhandenen Modelle bewegen sich in einem Spektrum zwischen Anreicherung von Arbeitsinhalten durch Job Rotation oder durch Kontinuierlichen Verbesserungsprozeß (KVP) bis hin zur Verlagerung der Arbeitsplanung und Produktionsverantwortung auf die Arbeitnehmer durch Gruppenarbeit in partizipativen Gestaltungsprojekten.

Die Vernetzung der Produktion mit vor- und nachgelagertem Bereich einerseits und die zunehmende Verbreitung kooperativer Arbeitsformen andererseits werden im folgenden als

„neue Produktionssysteme“ zusammengefaßt betrachtet. Neue Produktionssysteme verändern die Arbeitszuschnitte und die Qualifikationsanforderungen für die Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe. Solche Entwicklungen haben (fast) immer auch eine geschlechtsspezifische Komponente. Sie berühren die bestehenden Tätigkeitsbereiche von Männern und Frauen in unterschiedlicher Weise und sie eröffnen neue Beschäftigungsfelder, zu denen Frauen und Männern allerdings in ungleichem Maße Zugang haben. Es liegen bislang nur wenig Kenntnisse darüber vor, wie sich die Vernetzung der Produktion mit dem vor- und nachgelagerten Bereich auf die Beschäftigungschancen von Männern und Frauen auswirkt.

Hingegen besteht bei den modernen, kooperativen Arbeitsformen die begründete Vermutung, daß die Arbeit und die entsprechende berufliche Weiterbildung von Frauen als nicht genauso wichtig wie die der Männer betrachtet wird. Anhand einiger Forschungsergebnisse zur Gruppenarbeit soll dies exemplarisch ausgeführt werden.

2.1 Kooperative Arbeitsformen auch für Frauen?

In der Produktion ist die Arbeit von Frauen eine oft übersehene Selbstverständlichkeit. 1996 waren in Westdeutschland etwa 930.000 Arbeiterinnen im verarbeitenden Gewerbe beschäf- tigt, dies entspricht einem Anteil an der Gesamtbeschäftigung von knapp 20vH. Die Beschäftigungsfelder von Männern und Frauen sind sowohl auf Branchenebene als auch innerbetrieblich stark segregiert. Während beispielsweise im Bekleidungsgewerbe Frauen 78vH der Arbeiterinnen stellen, lag ihr Anteil im Straßenfahrzeugbau 1996 bei 8vH. (ANBA

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3/1997). In der innerbetrieblichen Arbeitsteilung sind Frauen zumeist am unteren Ende der Arbeitshierarchie beschäftigt: Von allen 1995 abhängig beschäftigten Arbeiterinnen im verarbeitenden Gewerbe Westdeutschlands waren 73vH Un- und Angelernte, 25vH Fachar- beiterinnen und 1,4vH Meisterinnen. Zum Vergleich: unter den männlichen Arbeitern im verarbeitenden Gewerbe waren 32vH Un- und Angelernte, 60vH Facharbeiter und 8vH Meister. (Daten berechnet nach dem Sozio-Ökonomischen Panel 1995).

Die Arbeitsplätze der weiblichen Beschäftigten konzentrieren sich auf niedrig mechanisierte Handarbeitsbereiche mit technisch einfachen Arbeitsmitteln. In höher mechanisierten bzw.

teilautomatisierten Fertigungsprozessen üben Frauen kurzzyklische, einfach strukturierte und repetitive Tätigkeiten aus. Die stark tayloristische Arbeitsweise, in der die ungelernten Arbeiterinnen beschäftigt sind, beeinflußt die Identifikation mit der Arbeit: Ein Interesse an Qualität und Liefertreue, ein Engagement für Planungsprozesse und Produktionsabläufe kann vor diesem Hintergrund kaum entwickelt werden.

Die Einführung von Gruppenarbeit könnte für Frauen in der Produktion erhebliche Vorteile mit sich bringen. Sie erweitert die Aufgabengebiete der einzelnen Beschäftigten und relativiert damit Monotonie und einseitige körperliche Belastung. Auf Ergebnisplanung basierende Produktionssysteme sind häufig an die Neugestaltung des Arbeitszeitsystemes gekoppelt: Gleitzeit, das Führen von Stundenkonten und Freizeitausgleich im Block sind Gestaltungsformen, die ArbeitnehmerInnen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen können. Die Bewältigung möglichst vieler Arbeitsanforderungen durch alle Gruppenmitglieder erleichtert die Auflösung der traditionellen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung. Insbesondere, wenn Gruppenarbeit mit fachlicher Weiterbildung und erweiterten Handlungsspielräumen der ArbeitnehmerInnen verbunden ist, kann eine geschlechtshierarchische Arbeitsteilung im Betrieb abgemildert werden.

Demgegenüber stehen jedoch Risiken für die in der Produktion beschäftigten Frauen.

Gruppenarbeit kann einher gehen mit Personalabbau, von dem aufgrund der qualifikatori- schen Anforderungen dieser Arbeitsform eher die an- und ungelernten Beschäftigten betroffen sind. Falls die neuen Arbeitsorganisationen mit Weiterbildungsmaßnahmen außerhalb der Arbeitszeit verbunden sind, können Familienfrauen von ihnen ausgeschlossen sein, da sie aufgrund der gegebenen außerberuflichen Arbeit häufig nicht in der Lage sind, solche Lehrgänge zu besuchen.

Die vorliegenden empirischen Untersuchungen zur Integration von Frauen in kooperative Arbeitsformen belegen sowohl die positiven als auch die negativen Wirkungen. In allen untersuchten Fällen stieg das Lohnniveau der betroffenen Frauen, sofern Gruppenarbeit im wesentlichen als größere Kompetenz in der Beherrschung gleichwertiger Tätigkeiten definiert wurde, oder wenn sie auch eine Qualifikationserweiterung für höherwertige Tätigkeiten einschloß. Der Wechsel von Arbeitstätigkeiten baute einseitige physische Belastung ab, die Kommunikations- und Kooperationsstrukturen wurden differenzierter, teilweise wurde geschlechtsspezifische Arbeitsteilung abgebaut. Positive Effekte ließen sich im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen von Frauen in neugestalteten Arbeitszeitsystemen feststellen.

Andererseits berichteten einige Frauen über nachteilige Auswirkungen, wie Arbeitsintensivie- rung und Unsicherheit in den neuen Aufgabengebieten, weil keine ausreichende Qualifizie-

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rung eingeplant worden war. Insbesondere in Branchen, in denen Frauenarbeit im Produkti- onsbereich quantitativ gering ausgeprägt ist, wurde beobachtet, daß weibliche Beschäftigte nicht in die Gruppenarbeit einbezogen wurden, sondern auf „Restarbeitsplätzen“ an den konventionellen Maschinen mit konventioneller Arbeitsorganisation eingesetzt wurden. Das Fazit der vorliegenden Ergebnisse: Im Wesentlichen entscheidet die Gestaltung der neuen Arbeitsorganisation und damit verbundener Qualifizierungen darüber, ob Frauen zu den Gewinnerinnen oder zu den Verliererinnen kooperativer Arbeitsformen gehören.

3. Qualifizierung für neue Produktionssysteme - Nachholbedarf für weibliche Beschäftigte?

3.1 Qualifizierungsbedarf für IuK-Technologie und kooperative Arbeitorganisationen

Eine der Konsequenzen des Einsatzes von IuK-Technologien in produzierenden Unternehmen ist, daß der Bedarf an gering qualifizierten Arbeitskräften abnimmt und die Anforderungen an breite Kompetenzen wachsen. Gefragt werden neben berufsspezifischen Fertigkeiten zusätzlich Kenntnisse im Umgang mit Computern und Computernetzen, die wegen ihrer hohen Leistungen und niedriger Preise immer mehr auch in der Produktion eingesetzt werden.

Kenntnisse im Umgang mit IuK-Technologien werden oft mit dem Stichwort „Medienkompe- tenz“ umschrieben, die als Schlüsselkompetenz zur Bewältigung der Herausforderungen der Informationsgesellschaft gilt. Medienkompetenz weist mehrere Dimensionen auf: logi- sches/vernetztes Denken ist die Voraussetzung für die zielgerichtete Einbindung der Techniken in geplante Aktivitäten; Auswahl- und Einsatzkompetenz bezieht sich auf die Fähigkeit, multimediale Angebote und Techniken aufgrund der jeweiligen Zwecke und Ziele zu beschaf- fen und zu nutzen; Navigationskompetenz ermöglicht ein Zurechtfinden in der Vielfalt der Datennetze und ihrer Angebote; Recherchekompetenz ist erforderlich für das intelligente Abfragen und Selektieren relevanter Informationen. Zur Entwicklung dieser Kompetenzen müssen die ArbeitnehmerInnen Kreativität und die Bereitschaft zum Experimentieren mitbrin- gen. Technisches Wissen über die Funktionsweise von IuK-Technologien ist eine grundlegende Voraussetzung für die meisten der genannten Kompetenzdimensionen. Auf der Ebene technischen Wissens und der Technikgestaltung beteht ein hoher Qualifizierungsbedarf für Frauen.

Durch die IuK-Technologien wird die Einführung kooperativer Arbeitsformen erleichtert. Dies gilt für den Produktionsbereich wie auch für die der Produktion vor- und nachgelagerten Tätigkeiten: Arbeitsorganisationen wie z.B. Job Rotation erfordern, daß sich die Arbeitnehme- rInnen in mehrere Arbeitsplätze einarbeiten und mehrere Arbeitsroutinen beherrschen müssen. In Gruppenarbeit, zumal wenn sie mit Entscheidungskompetenzen zur Arbeitsorga- nisation verbunden ist, wird ein Überblickswissen über den gesamten Produktionsabschnitt verlangt, um die eigene Arbeit entsprechend aufteilen und durchführen zu können. Hinzu kommen Fähigkeiten zur Abstimmung der eigenen Arbeit mit der der KollegInnen, d.h.

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Verhandlungs- und Kooperationsfähigkeit. Diese Anforderungen sind in Bezug auf Gruppen- sprecherInnen noch höher. Im produktionsnahen Bereich nehmen mit Telearbeit und der Tätigkeit in virtuellen Unternehmen dezentralisierte und eigenverantwortliche Tätigkeitsfelder zu, was den dort Beschäftigten erhöhte Fähigkeiten zur Koordinierung ihrer Arbeit abverlangt.

3.2 ...und das Qualifizierungsangebot für Frauen

Viele der Kompetenzen, die für den Umgang mit neuen IuK Technologien und entsprechenden Arbeitsformen notwendig sind, werden in organisierten Bildungsprozessen erworben. Das Qualifikationsniveau weiblicher Beschäftigter, insbesondere derjenigen, die Büroarbeit leisten, ist in dieser Hinsicht in den letzen Jahren bemerkenswert gestiegen. In vielen Computerkursen haben Frauen ihre Fähigkeiten und ihr Interesse für IuK-Technologien bewiesen. Häufiger als Männer nehmen sie an Computerkursen betriebsexterner Weiterbildungseinrichtungen teil, häufiger als Männer sind sie in zeitlich längeren Kursen zu finden.

Besorgniserregend sind jedoch Hinweise aus einigen Bereichen des verarbeitenden Gewerbes, nach denen Frauen an betrieblichen Qualifizierungsmaßnahmen bei der Einführung von IuK- Technologien unterproportional beteiligt sind. Die Ursachen in den berichteten Fällen waren vielfältig. Zum Teil sind die Kurse vom vorausgesetzten Informationsniveau her nur für TeilnehmerInnen mit Vorkenntnissen geeignet. Mangelnde technische Vorerfahrung und das Ansetzen an männlichen Erfahrungsnormen erschweren Frauen in der technischen Bildung oft den Zugang zur Aneignung neuer Kenntnisse. Auch zu theoretische, dem gegebenen konkreten Anwendungsgebiet nicht angepaßte Inhalte blockieren das Interesse der teilnehmenden Frauen.

Zudem sind viele Führungskräfte nicht für die Notwendigkeit sensibilisiert, daß weibliche Beschäftigte mit geeigneten Qualifizierungsmaßnahmen auf die neuen Arbeitsformen wirksam vorbereitet werden müssen. Sie übersehen damit ein wichtiges Potential zur Produktivitätsstei- gerung. Die Chancen von Männern und Frauen, sich die neuen Qualifikationen anzueignen, sind nämlich grundlegend voneinander verschieden. Für Arbeitsplätze in der Produktion ist die innerbetriebliche Weiterbildung überwiegend von kurzer Dauer und richtet sich eher an die FacharbeiterInnen, unter denen - wie oben ausgeführt - wenige Frauen sind. Es fehlt an Qualifizierungskonzepten, die kostengünstig für eine große Zahl von Beschäftigten anwend- bar sind. Solche Konzepte müßten einerseits einen engen Bezug zu den Produktionsabläufen und Arbeitserfordernissen aufweisen, andererseits eine breite Grundbildung über die technischen und organisatorischen Potentiale der kooperativen Arbeitsformen vermitteln.

Arbeitsplatznahe Formen der Qualifizierung können viele Beschäftigte gleichzeitig erreichen.

Gegenüber formalisierten Lehrgängen sind sie preisgünstiger, können zeitlich flexibler gestaltet werden und sind den Anforderungen der einzelnen Arbeitsplätze angemessener.

Allerdings sind die konkreten Lehrinhalte arbeitsplatznaher Qualifizierungsformen häufig nicht dokumentiert, der Lernerfolg wird formal nicht kontrolliert und ist selten mit einem Zertifikat belegt. Da formale Befähigungsnachweise zumindest auf dem deutschen Arbeits- markt eine große Rolle spielen, sind arbeitsplatznahe Qualifizierungen für ArbeitnehmerIn- nen in Bewerbungssituationen wenig verwendbar.

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Auch neue Formen der Arbeitsorganisation wie Job Rotation oder Gruppenarbeit besitzen qualifizierende Elemente, sofern sie die Arbeitsinhalte anreichern und eigene Planung und Gestaltung ermöglichen. In diesen Fällen kann die Integration von Frauen in neue Formen der Arbeitsorganisation bereits als arbeitsplatznahe Qualifizierung gewertet werden. Ein Problem entsteht, wenn nur bestimmte Teilgruppen der Beschäftigten neue Tätigkeiten oder Verant- wortlichkeiten übernehmen dürfen. So könnten z.B. mit dem Argument, daß nur sie den erhöhten Qualifikationsanforderungen genügen, ausschließlich FacharbeiterInnen in die Gruppenarbeit einbezogen werden. Ebenfalls nicht unwahrscheinlich ist der Fall, daß Frauen nicht in Gruppenarbeit gelangen, weil ihre Berufstätigkeit als „Nebensache“ gewertet wird.

Ein erster Schritt zum Abbau solcher Ausschlußmechanismen ist, daß die verantwortlichen PlanerInnen bei der Einführung neuer Arbeitsorganisationen geschlechtsspezifische Tätig- keitszuschneidungen vermeiden. Ein zweiter Schritt kann darin bestehen, die Bewältigung der neuen Arbeitsorganisationen mit flexiblen Qualifizierungsmodulen zu unterstützen, die für Frauen attraktiv und zugänglich sind.

3.3 Ein Qualifizierungsmodul für Frauen im verarbeitenden Gewerbe?

Zugänglichkeit bezieht sich einerseits auf die Organisation der Qualifizierungsmodule, die die Lebensumstände der Frauen mitberücksichtigen muß. Die auch zu leistende Familienarbeit vieler Frauen erfordert insbesondere eine zeitlich flexible Organisation von Weiterbildung. In Modellversuchen zur Qualifizierung von Berufsrückkehrerinnen haben sich darüber hinaus das Angebot von Kinderbetreuung und eine kontinuierliche Beratungsmöglichkeit für die Teilnehmerinnen bewährt. Es ist zu überlegen, inwieweit solche Konzepte auch im Rahmen innerbetrieblicher Qualifizierung umsetzbar sind.

Eine andere Komponente von Zugänglichkeit bezieht sich auf den Inhalt und die Gestaltung des Qualifizierungsmoduls. Die geschlechtsspezifische Sozialisation stattet Frauen im Vergleich zu Männern mit einer geringeren technischen Vorbildung aus. Frauen haben ein utilitaristisches Verhältnis zur (Produktions)technik - nicht die Technik als solche, sondern ihre Einsetzbarkeit und ihr Beitrag zur Lösung einer Aufgabe stehen im Vordergrund. Dieser spezifische Zugang muß im Curriculum berücksichtigt werden. Modellversuche zur Qualifizierung von Frauen in techniknahen Berufen zeigten in den 80er Jahren, daß sich geschlechtshomogene Lerngruppen positiv auf den Lernerfolg auswirkten, insbesondere wenn die Lehrenden - und damit die Vorbilder - weiblich waren. Damit wird bereits eine weitere Gestaltungsforderung berührt: das Qualifizierungsmodul muß attraktiv sein, es soll Spaß machen und den Lern- und Arbeitsgewohnheiten der Frauen angemessen sein. Insbesondere kommunikative und kooperative Elemente erfüllen diese Forderung, die darüber hinaus zur Entwicklung sozialer Kompetenzen notwendig sind. Im Kontext des deutschen Arbeitsmark- tes heißt Attraktivität aber auch, daß die erlernten Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt verwendbar, d.h. in Form eines Zertifikates dokumentiert sind.

Es wird vermutet, daß auf Multimedia basierende Lernmethoden einige dieser Ansprüche - breite Anwendbarkeit, Flexibilität, Zugänglichkeit und Attraktivität - einlösen können. Unter anderem ermöglichen sie selbstorganisierte Lernprozesse, die sich durchaus nicht nur auf die

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Vermittlung fachtheoretischen Wissens beschränken müssen. So können etwa Bedienungssi- tuationen simuliert, Aufgaben mit Hilfe von Planspielen erarbeitet und Lösungswege getestet werden. Treten Schwierigkeiten während der Arbeit auf, können On-line-Hilfen oder Hilfsprogramme in der jeweiligen Arbeitssituation das notwendige Wissen zur Verfügung stellen. Mit Hilfe individueller oder kooperativer Multimedia-Systeme können interaktive Lernprogramme und damit auch neue Lernerlebnisse und -ergebnisse geschaffen werden. Die ständige Verfügbarkeit und Selbststeuerbarkeit von Ausbildungs-, Lern- und Weiterbildungs- programmen flexibilisieren die Bildungsgänge und erlauben ihren Zuschnitt nach individuellen Notwendigkeiten und Wünschen. Dies erleichtert in hohem Maße die Qualifizierungsmöglich- keiten für Frauen und bietet auch Berufsrückkehrerinnen bessere Eingliederungschancen.

4. Zusammenfassung und Ausblick

Die Einführung kooperativer Arbeitsformen und die zunehmende Anwendung von IuK- Technologien in verschiedenen Bereichen der Produktion verlangen neue Kompetenzen von allen Beteiligten. Nationale und internationale Aus- und Weiterbildungmaßnahmen können dazu beitragen, daß die in der Produktion beschäftigten Frauen im gleichen Maße wie Männer von kooperativen Arbeitsorganisationen und von neuen IuK Technologien profitieren. In diesem Zusammenhang steht das vom IAT koordinierte EU-Projekt „Women`s Qualification for new technologies and new forms of work organisation: needs analysis and vocational updating strategies“. Das Projekt wird mit Kooperationspartnern aus Italien, Dänemark, England und Deutschland durchgeführt. Es hat sich zum Ziel gesetzt, Vorschläge für konkrete Qualifizie- rungskonzepte zu entwickeln, die die Frauenerwerbstätigkeit in ausgewählten Produktionsbe- reichen wie Elektrotechnik/EDV, Kunststoffverarbeitung und Druck in langfristiger Perspektive verstetigen können.

Die Arbeit beginnt mit quantitativen und qualitativen Erhebungen über den Umfang, in dem Frauen in kooperative Arbeitsformen mit neuen Technologien einbezogen sind und die Veränderungen, die letztere für die Arbeitsbedingungen der Frauen mit sich bringen. Damit verbunden ist die Frage, inwieweit in diesen neuen Konstellationen die geschlechts- hierarchiche Segregation von Tätigkeitsfeldern fortbesteht oder aufgelöst wird. Im nächsten Schritt werden in Zusammenarbeit mit Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes frauenspezifische Qualifizierungsbedarfe herausgearbeitet. Sie bilden die Grundlage für ein bis zwei, auf weibliche Beschäftigte zugeschnittene Qualifizierungsmodule, die von Unternehmen und Bildungseinrichtungen erprobt werden sollen. Einerseits kann dabei an die Erkenntnisse der Modellprojekte zur Technikbildung für Mädchen und Frauen angeknüpft werden, die heute in den Regionalstellen „Frau und Beruf“ bereits umgesetzt sind.

Andererseits wird angestrebt, daß die (künftigen) Nutzerinnen des Moduls selbst aktiv in die Entwicklungsarbeit einbezogen werden. Die notwendige Flexibilität und Attraktivität der Module wird dadurch zu erreichen versucht, daß sie multimediale Anwendungsmöglichkeiten verwenden.

Das Projekt steht in einer Reihe von Aktivitäten des IAT zur Förderung der Arbeits- und Entwicklungschancen von Frauen. Insbesondere knüpft es an Arbeiten über die Auswir-

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kungen von Informations- und Kommunikationstechnologien auf die Beschäftigungssituation von Frauen an. Das Qualifizierungsmodul soll dazu beitragen, daß sich mehr Frauen als bisher für neue Tätigkeitsfelder qualifizieren und so ihre Interessen in die Gestaltung neuer Organisationsformen und unterstützender Systemtechnik einbringen können.

Literatur

Böhne, J./Hamburg, I. (1995): Frauen und lean production. Expertise für das MGMF des Landes NRW.

Bosch, Gerhard (1996): Multimedia - Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Wandel - Referat zur 17. Tagung der gewerblich-technischen Ausbildungsleiter, Kuratorium der deutschen Wirtschaft für Berufsbildung, Bonn, 10. Oktober 1996.

Bundesanstalt für Arbeit (Hg.) (1992 - 1996): Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit. Jeweils 30. September. Nürnberg.

Fuzinski, Alexandra/Hamburg, Ileana/Klein, Martina/Nordhause-Janz, Jürgen/Scharfenorth, Karin/Weinkopf, Claudia (1997): Herausforderung Informationsgesellschaft - Auswirkungen neuer Informations- und Kommunikationstechnologien auf die Beschäftigungssituation von Frauen, hrsg. vom Ministerium für die Gleichstellung von Frau und Mann des Landes NRW, Düsseldorf

Hamburg, I./Böhne, J./Sbordone, F. (1996): Women's Skills within New Forms of Production Systems and Modern Technologies. In: Koubek, R. & Karwowski, W. (Hrsg.):

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Telekommunikationstechnologien an bundesdeutschen Arbeitsplätzen, Ergebnisse einer bundesweiten Beschäftigtenbefragung, Gelsenkirchen

Referenzen

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