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Brexit - die künftigen rechtlichen Beziehungen zwischen UK und den Mitgliedstaaten der EU / eingereicht von Julia Wagner

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Academic year: 2021

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JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich jku.at DVR 0093696 Eingereicht von Julia Wagner Angefertigt am Institut für Europarecht Beurteiler / Beurteilerin Assoz. Univ.-Prof. Dr. Franz Leidenmühler Juli 2019

BREXIT – DIE

KÜNFTIGEN

RECHTLICHEN

BEZIEHUNGEN

ZWISCHEN UK UND

DEN

MITGLIEDSTAATEN

DER EU

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Magistra der Rechtswissenschaften

im Diplomstudium

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EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Linz, 19. Juni 2019

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Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung ... 5

A. Die Geschichte GB – EU ... 6

B. Sonderstellung GB innerhalb der EU ... 7

II. Brexit als Lösung? ... 8

A. Gründe für den Austritt... 8

B. Initiative für das Referendum ... 10

C. Ergebnis des Referendums ... 16

D. Austrittserklärung an die EU ... 17

III. Der Ablauf eines Austrittsverfahrens ... 18

A. Formeller Ablauf des Art 50 EUV ... 18

B. Austrittsabkommen nach Art 218 (3) AEUV ... 19

IV. Austrittsabkommen GB – EU ... 19

A. Inhaltliche Punkte des Abkommens ... 20

B. Die Rolle des britischen Parlaments ... 24

C. Aufschiebung Austrittsdatum ... 28

V. Zukünftige Beziehungen GB und die EU ... 29

A. „soft“ Brexit ... 29

1. Akzeptanz des vorliegenden Austrittsabkommens ... 30

B. „no deal“ Brexit ... 30

1. Konsequenzen für GB und die verbleibenden Mitgliedstaaten ... 31

2. Die Rolle Schottlands ... 32

C. Exit vom Brexit? ... 33

1. Zurückziehen des Austrittsgesuches... 33

VI. Die EU ohne Großbritannien ... 34

A. Politische Folgen ... 34

1. Abstimmungsverhältnis ... 34

2. Wahl des europäischen Parlamentes... 35

B. Finanzielle Folgen ... 36

C. Weitere Austritte aus der EU?... 36

1. Polen ... 37

2. Ungarn ... 38

VII. Die Möglichkeit eines Wiedereintrittes ... 40

A. Rechtsgrundlage... 40

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IX. Anhang ... 41 A. Literaturverzeichnis ... 41 B. Materialienverzeichnis ... 43

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I. Einleitung

„We are out“, so lautete die Mitteilung von David Dimbleby, einem BBC-Mitarbeiter, dass das

Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland1 am 23. Juni 2016 mehrheitlich für einen

Austritt aus der Europäischen Union stimmte.2 Damit geht eine über Jahrzehnte lange

Mitgliedschaft in der Europäischen Union, kurz EU, dem Ende zu. Dieser bevorstehende Ausstieg stellt eine noch nie dagewesene Premiere dar, nun gilt es das Ergebnis des Brexit-3

Referendums umzusetzen und die künftigen rechtlichen Beziehungen zwischen Großbritannien und den Mitgliedstaaten der EU zu erarbeiten.

Zum jetzigen Zeitpunkt befindet sich dieser Austrittsprozess noch im vollen Gang, noch immer ist unklar, wie (und ob) Großbritannien aus der EU austreten wird.

Die vorliegende Arbeit versucht die Wahlmöglichkeiten des Ausscheidens der Briten

aufzuzeigen und soll mögliche, damit einhergehende Konsequenzen anschaulich darstellen. Dies wird nur auf einige Facetten beschränkt werden, weshalb diese Arbeit keinesfalls eine Vollständigkeit für sich beansprucht. Weiters wird ausdrücklich betont, dass zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Diplomarbeit die nachfolgend aufgezeigten Szenarien nur Prognosen beziehungsweise mögliche Perspektiven darstellen, denn wie die genauen Beziehungen zwischen United Kingdom, kurz UK, und den übrigen Mitgliedstaaten aussehen werden, lässt sich zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht mit Sicherheit sagen.

Die vorliegende Arbeit wird sich zunächst kurz mit dem Weg Großbritanniens in die EU

beschäftigen, daran aufbauend sollen einige mögliche Gründe dargelegt werden, warum sich die Briten für einen Austritt ausgesprochen haben. Das abgehaltene Referendum und dessen konkretes Endergebnis werden diesen Themenblock abrunden.

Da, wie bereits angesprochen, der Austritt der Briten aus der EU eine Premiere darstellt und der Art 50 EUV daher zum ersten Mal eine Anwendung erfährt, wird auf das allgemeine

Austrittsverfahren samt Formalitäten näher eingegangen.

Das nächste Hauptaugenmerk der Arbeit wird dem momentan noch immer präsenten Problem der fehlenden Zustimmung des britischen Parlamentes bezüglich des bereits vollständig ausgehandelten Austrittsabkommens zwischen der EU und den Briten gewidmet. Im nächsten Schritt wird versucht, die einzelnen Optionen der Briten aufzuzeigen, wie Großbritannien nun konkret aus der EU scheiden könnte und welche Konsequenzen dies jeweils nach sich ziehen würde. Der Abschluss der Arbeit behandelt die Folgen des Brexits für die EU. Wird diese nun näher zusammenrücken, oder ist mit weiteren Austritten im Sinne eines Dominoeffektes zu rechnen?

Fakt ist, der Austrittsprozess zwischen Großbritannien und der EU wird, wie immer er ausgehen mag, Europa noch Jahre beschäftigen.

1 Wenn in dieser Arbeit von den Briten oder Großbritannien gesprochen wird, so ist das Vereinigte Königreich von

Großbritannien und Nordirland gemeint.

2 Vgl Rath, Brexitannia. (2016), 90.

3 „Brexit“ meint den Austritt Großbritanniens aus der EU, es ist dem Wort „Grexit“ nachempfunden – dieser Begriff

stand für ein mögliches Ausscheiden Griechenlands von der Eurozone. Ludowig, Brexit, History of a Fateful Word,

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A. Die Geschichte GB – EU

Finanziell und wirtschaftlich stark geschwächt, so trat Großbritannien aus dem zweiten Weltkrieg hervor, dennoch galt es immer noch als Weltmacht. Nach dem Weltkrieg galt es, eine globale Nachkriegsordnung wiederherzustellen, an dieser beteiligte sich die Hauptstadt des Vereinigten Königreiches, London, aktiv. Grundlagen für die Sicherheitspolitik, aber auch für die Finanz- und Handelspolitik, wurden in enger Verzahnung mit Großbritannien errichtet. Großbritannien hielt dennoch am nationalstaatlichen Souveränitätsprinzip energisch fest, es blieb daher zunächst kein Raum für eine Mitgliedschaft in der Gemeinschaft Europa, die eine Friedensordnung und eine gemeinsame Wertegemeinschaft als Grundlage hatte. Großbritannien orientierte sich zweifelslos nur an den wirtschaftlichen Vorteilen einer solchen Gemeinschaft.

Die Versuche, Großbritanniens Aufmerksamkeit für die Idee einer europäischen Integration zu gewinnen, in der Frankreich und Großbritannien die Führungsrolle in Europa übernehmen sollten, scheiterten sowohl 1940 als auch 1949 am Desinteresse Großbritanniens. In den 1950er Jahren änderte sich diese Haltung der Briten jedoch, da die britische Wirtschaftsentwicklung im internationalen Vergleich hinterherhinkte.4

1957 gründeten die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, kurz EGKS, mit der Unterzeichnung der römischen Verträge die Europäische

Wirtschaftsgemeinschaft und die Europäische Atomgemeinschaft, kurz EWG und Euratom. Die EWG dehnte nun die Wirtschaftsbereiche neben Stahl und Kohle aus, weiters wurden die Zölle zwischen ihren Mitgliedstaaten abgeschafft. Eine Zusammenarbeit in der friedlichen Nutzung der Atomenergie hielt ebenfalls Einzug, somit wurde ein bedeutender Schritt der europäischen Integration geschaffen.5

Die weiter anhaltende Skepsis gegenüber diesen Verträgen veranlasste Großbritannien, sich weiter bedeckt zu halten. Als Alternative zu der EWG gründete Großbritannien gemeinsam mit Dänemark, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden und der Schweiz 1960 die Europäische Freihandelszone, kurz EFTA, sie sollte jedoch eine reine Zusammenarbeit auf Regierungsebene darstellen, im Gegensatz zu der EWG also keine gemeinsamen Organe aufweisen.6 Diese, als

Konkurrenzprojekt zu verstehende, EFTA blieb in politischer wie in ökonomischer Hinsicht weit hinter der EWG zurück.7

Trotz all des Misstrauens, das Großbritannien noch immer gegenüber europäischen Initiativen hegte, stellte es mit dem konservativen Premierminister Harold Macmillan den Antrag auf Aufnahme in die Europäische Gemeinschaft, kurz EG, im Jahre 1961.8 Dieser Antrag kann

jedoch eher als Angst, den wirtschaftlichen Anschluss zu verlieren, als ein Akt der Briten, ein

„gemeinsames Europa“ zu schaffen, gewertet werden.9

Dieses Ansuchen scheiterte jedoch aufgrund des französischen Vetos, denn der damalige französische Staatspräsident Charles de Gaulle fürchtete um die Stellung Frankreichs innerhalb

4 Vgl Großbritannien zwischen Empire und Europa, http://www.bpb.de/internationales/europa/brexit/229081/zwischen-empire-und-europa (abgefragt am 24.03.2019).

5 Vgl Römische Verträge, http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/das-europalexikon/177241/roemische-vertraege

(abgefragt am 24.03.2019).

6 Vgl Rath, Brexitannia. (2016) 24 f.

7 Vgl Thiele, Der Austritt aus der EU – Hintergründe und rechtliche Rahmenbedingungen eines „Brexit“, EuR (2016),

286.

8 Vgl Zeitleiste: Großbritannien und Europa, http://www.bpb.de/internationales/europa/brexit/229985/zeitleiste

(abgefragt am 24.03.2019).

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der EG, somit wurden die Verhandlungen über den Antrag 1963 abgebrochen. Auch das zweite Antrittsgesuch seitens Großbritanniens wurde 1967 abgelehnt. Erst im dritten Anlauf, am 22. Jänner 1972, traten die Briten der EG bei.

Dennoch konnte dieser Beitritt nichts an der grundsätzlichen Einstellung der Briten gegenüber einem gemeinsamen Europa ändern. Welchen genauen Platz Großbritannien innerhalb Europas einnehmen sollte, war ein stetiger Kampf. Innerhalb des Landes war man gespalten bezüglich einer gemeinsamen Politik, auch in der Labour-Partei war diese Spaltung zu beobachten, sodass Harold Wilson dieses Problem zunächst mit Nachverhandlungen über die Konditionen von Großbritannien zu lösen versuchte. Danach versprach er die Abhaltung eines Referendums, was es bis dahin noch nie in der Geschichte des Landes gegeben hatte. Das Ergebnis dieser Verhandlungen war jedoch ernüchternd, sodass es zum versprochenen Referendum kam und trotz des bescheidenen Nachverhandlungsergebnisses, sprach man sich für einen Verbleib aus.10 Konkret brachte dieses Ergebnis, im Gegensatz zu jenem aus dem Jahr 2016, folgendes

zum Ausdruck: 396 Abgeordnete sprachen sich am 9. April 1975, bei 170 Gegenstimmen, für den Verbleib innerhalb der Europäischen Gemeinschaften aus.11 Damals waren es einzelne

Vertreter der britischen Wirtschaft und die britischen Medien, die sich vehement gegen einen Austritt aus der EG ausgesprochen hatten.12 Trotz dieses klaren Bekenntnisses des britischen

Volkes zur Europäische Gemeinschaft blieb das Verhältnis zu dieser schwierig.13

B. Sonderstellung GB innerhalb der EU

Wie bereits im kurzen geschichtlichen Überblick dargestellt, war die Rolle Großbritanniens in der Europäischen Gemeinschaft nie einfach. Zunächst wurde der Eintritt durch die Vetos

Frankreichs torpediert, danach folgte zwar die Aufnahme, diese war jedoch von Beginn an von grundlegender Skepsis gezeichnet, man könnte also durchaus von einer „Sonderstellung“ der Briten sprechen. Daher soll im nächsten Themenblock der „Sonderfall Großbritannien“ in der EU näher beleuchtet werden, denn die Briten haben sich im Laufe ihrer Mitgliedschaft einige

Ausnahmeregelungen mit den restlichen EU-Mitgliedstaaten ausverhandeln können. Eine erste wesentliche Sonderstellung erfuhr Großbritannien mit dem sogenannten

„Briten-Rabatt“. Mit „I want my money back“, machte die damalige Premierministerin Margaret Thatcher

darauf aufmerksam, dass, ihrer Meinung nach, Großbritannien zu hohe Mitgliedsbeiträge an die Europäischen Gemeinschaften entrichten müsse, als es im Gegenzug an Subventionen

zurückerhalte. Nach diesen schwierigen Verhandlungen setzte sie für die Briten 1984 den Sonderrabatt durch.14 Demnach wird Großbritannien ein Großteil seiner eingezahlten Beiträge

wieder zurückerstattet, dies sorgt bis heute für Unmut bei den übrigen Mitgliedstaaten.15 Im Jahr

10 Vgl Geppert, Die Europäische Union ohne Großbritannien, in Rüttgers/Decker (Hrsg), Europas Ende, Europas

Anfang (2017), 120.

11 Vgl EUROPEAN COMMUNITY (MEMBERSHIP),

https://api.parliament.uk/historic-hansard/commons/1975/apr/09/european-community-membership (abgefragt am 24.03.2019).

12 Vgl Niedermeier/Ridder, Das Brexit-Referendum (2017), 6.

13 Vgl Thiele, Der Austritt aus der EU – Hintergründe und rechtliche Rahmenbedingungen eines „Brexit“, EuR (2016),

287.

14 Vgl Niedermeier/Ridder, Das Brexit-Referendum (2017), 7f.

15 Vgl Thiele, Der Austritt aus der EU – Hintergründe und rechtliche Rahmenbedingungen eines „Brexit“, EuR (2016),

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2013 wurde dieser Rabatt ein weiteres Mal um 200 Mio. EUR erhöht, dieses Mal auf Initiative von David Cameron.16

Weiters wurde der Vorschlag, eine gemeinsame Währung für die EG einzuführen, aktiv von den Briten bekämpft. Thatcher erachtete dieses Vorhaben einer europäischen

Gemeinschaftswährung als Gefahr für die Souveränität Großbritanniens.17 Doch nicht nur die

Debatte rund um den Euro als gemeinsame Währung zeigte schon damals eine deutliche Diskrepanz zwischen Großbritannien und der damaligen EG, auch die Ablehnung des

Schengener Abkommens, welches einen sukzessiven Abbau der Kontrollen an den Grenzen zum Inhalt hat, wurde seitens Großbritanniens abgelehnt. Bei diesen britischen

Sonderstellungen sollte es aber nicht bleiben, auch die weiteren Ausnahmen für die Briten zeichneten deutlich ab, dass die nationalen Interessen Großbritanniens mit denen einer

europäischen Gemeinschaft nicht im Einklang standen. Mit dem sogenannten Opt-Out Konzept konnte sich Großbritannien zahlreiche bedeutende Ausnahmen in Sachen europäische

Sozialpolitik erkämpfen. Weiters folgten zahlreiche Ausnahmen von den Lissabon Regeln, auch wurde seitens der Briten, konkret vom damaligen britischen Premierminister Gordon Brown, die Unterschrift zur Grundrechtecharta abgelehnt.18

Es ist daher ins Treffen zu führen, dass die Briten vor allem eines zur europäischen Integration beigetragen haben, eine selektive Vornahme aller bestehenden Leitgedanken der Europäischen Union. Diese ablehnende Haltung Großbritanniens setzte sich auch unter Premierminister David Cameron fort. Wie es zu dieser wirtschaftlich und rechtlich schwerwiegenden Entscheidung der Briten kam, soll im nächsten Kapitel dargelegt werden.

II. Brexit als Lösung?

A. Gründe für den Austritt

Im Jahre 2016 müssen sich die Briten wieder mit einem Referendum beschäftigen, dieses Mal über den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union, kurz EU. Dass dieses

Referendum jedoch einen anderen Ausgang als jenes im Jahr 1975 gefunden hat, ist hinlänglich bekannt. Um den Ausgang des Referendums zu verstehen, sollen im Folgenden einige Gründe, wie auch Umstände, die für den Austritt sprachen, beziehungsweise dazu führten, erläutert werden.

Im Gegensatz zum Referendum von 1974 war es dieses Mal nicht die Labour-Partei, sondern die Konservative-Partei, die ihre EU-Skepsis zum Ausdruck brachte, aber auch die schottischen Nationalisten, kurz SNP, als auch die United Kingdom Independence Party, kurz UKIP, spielten beim nunmehrigen Referendum eine bedeutende Rolle. Dies kann mitunter schon als erster Grund für die Europaskepsis der Briten angesehen werden. Ein weiterer, möglicher Grund liegt in den wirtschaftlichen Konsequenzen der europäischen Integration. Die Briten empfanden, bereits als sie 1973 der Gemeinschaft beitraten die Spielregeln in dieser als unfair und nachteilig für ihr Land. Dieser Eindruck verfestigte sich bis heute bei den Briten, sodass sie der Auffassung

16 Vgl Briten Rabatt, https://www.welt.de/wirtschaft/article117526754/Cameron-erhandelt-sich-groesseren-Briten-Rabatt.html (abgefragt am 24.03.2019).

17 Vgl Niedermeier/Ridder, Das Brexit-Referendum (2017), 9. 18 Vgl Niedermeier/Ridder, Das Brexit-Referendum (2017), 12.

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waren/sind, dass ihr Land weniger als die anderen europäischen Partner von der Gemeinschaft profitieren.

In Großbritannien herrscht eine stark ausgeprägte Parlamentssouveränität, die sich mit der Übertragung solcher Rechte auf eine supranationale Ebene, wie sie die EU darstellt, sehr schwertut. Weiters ergaben sich für die Briten Probleme auf der Ebene der Judikative. Großbritannien kennt keine festgeschriebene Verfassung, somit ist ihnen, der Weg zum Verfassungsgerichtshof als letzte Instanz fremd. Höchstrichterliche Entscheidungen, wie auch Auslegungen der Gerichte, insbesondere die des Europäischen Gerichtshofes, kurz EuGH, sind und waren den Briten immer suspekt.19

Doch nicht nur diese Gründe könnten das Referendumsergebnis beeinflusst haben, sondern auch Umstände wie die bessere Organisation und Finanzierung der Brexit-Befürworter. Weiters nahmen auch die Medien in Großbritannien eine bedeutende Rolle ein, denn Tageszeitungen wie beispielsweise die Daily Mail und die Sun standen eher auf der Seite der Befürworter des Brexit.

Die bereits bestehende Europaskepsis in der rechten Mitte der britischen Politik verfestigte sich in den letzten Jahren immer mehr, aber auch einzelne Politiker, wie beispielsweise Boris

Johnson, der Ex Bürgermeister von London, schlugen sich vehement auf die Seite des Austrittes und wurden gar „Gesichter“ der Austrittskampagne. Die Volksbefragung über den Verbleib Großbritanniens in der EU wurde weiters mit der Führungsfrage der Konservativen-Partei verwoben. David Cameron, der Parteivorsitzender der Konservativen-Partei, kündigte an, bei der nächsten Unterhauswahl 2020 nicht mehr kandidieren zu wollen.20

Neben all diesen genannten Aspekten, kann noch ein weiterer wichtiger Grund, der zum Brexit führte, angenommen werden – die Immigrationspolitik der EU. Viele Probleme, die in

Großbritannien zweifelslos vorherrschten, schrieben die Briten der hohen Zahl an Zuwanderern zu. Dass Probleme, wie Niedriglöhne, Arbeitslosigkeit und steigende Mieten aber als nationale Probleme angesehen werden können, für die die EU nicht verantwortlich ist, wollten die Briten nicht akzeptieren.21

Fakt ist, dass für die Briten die Kontrolle über die Zuwanderung, mit ein wichtiger Grund war, sich für den Brexit zu entscheiden.22

Diese nur beispielshaft aufgezählten Motive zeigen deutlich auf, dass die Beziehung zwischen Großbritannien und der EU seit Anbeginn von Skepsis geprägt war und schließlich durch einzelne Umstände als auch einzelne Protagonisten zu immer tiefergreifender Abneigung seitens der Briten führte, was sich letztendlich im Ergebnis des Referendums am 24. Juni 2016 niederschlug.

Dem Anstoß dieses Referendums wird ein eigenes Kapitel gewidmet, im Folgenden soll daher näher dargestellt werden, welche tragende Rolle David Cameron spielte, weiters wird das genaue Ergebnis des Referendums dargelegt.

19 Vgl Geppert, Die Europäische Union ohne Großbritannien, in Rüttgers/Decker (Hrsg), Europas Ende, Europas

Anfang (2017), 120f.

20 Vgl Geppert, Die Europäische Union ohne Großbritannien, in Rüttgers/Decker (Hrsg), Europas Ende, Europas

Anfang (2017), 123f.

21 Vgl Welfens, Brexit aus Versehen (2018), 42.

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B. Initiative für das Referendum

Trotz der bekannten Abneigung und Europaskepsis kann das Ergebnis des 2016 abgehaltenen Referendums als durchaus überraschend gewertet werden kann.

Dieses Ergebnis steht für eine Weichenstellung, die es bis dato nicht gegeben hat. Nicht nur Großbritannien, auch die übrigen 27 EU-Mitgliedstaaten, stehen vor einer enormen Aufgabe. Die Umsetzung dieses Referendums stellt sich als diffizile Herausforderung dar, auf die in Kapitel 5 näher eingegangen wird.

Grundsätzlich wird ein Referendum als ein Instrument für eine direktdemokratischen

Entscheidungsfindung eingestuft. Konkret stellt es eine Volksentscheidung über eine an die Bevölkerung gerichtete Frage dar.23 In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass

Großbritannien, wie bereits erläutert, über keine geschriebene Verfassung verfügt, es herrscht eine absolute Parlamentssouveränität.24 Trotz dieser fehlenden geschriebenen Verfassung lässt

sich unter anderem die Rechtsgrundlage für das in Großbritannien im Juni 2016 stattgefundene Referendum aus dem Political Parties Elections and Refrendums Act, kurz PPERA, aus dem Jahr 2000, herausleiten. Wie es zu dieser Rechtsgrundlage kam, soll nun dargestellt werden. Obwohl es in Großbritannien bis zu diesem Zeitpunkt nur zwei abgehaltene Referenden gab, kann man mit dem Wort Referendum durchaus eine Art britische Tradition verknüpfen, denn es sind die Ankündigungen europapolitischer Referenden, die diese Tradition bilden. Dieses Ankündigen begann mit Premierminister John Major, dieser versprach im Jahr 1996, die Entscheidung über einen britischen Euro-Beitritt von einem Referendum abhängig zu machen. Nachfolger Tony Blair übernahm dieses Versprechen, seine Labour-Regierung war es dann auch, die im Jahr 2000 das PPERA verabschiedete. Die Ankündigung eines nationalen Ratifizierungsreferendums zum Europäischen Verfassungsvertrag wurde 2004 von Tony Blair geführt. Dieses Vorhaben wurde jedoch abgesagt, Grund dafür waren die gescheiterten Referenden in den Niederlanden und Frankreich.25

Einen weiteren Aspekt britischer Referenden stellt das mittels European Union Act

beschlossene „referendum lock“ dar. Dieses besagt, dass jegliche substanziellen Änderungen der EU-Verträge mittels Referendums ratifiziert werden müssen. Dieses „referendum lock“ wurde 2011 von der Cameron Regierung beschlossen.26

Somit lässt sich zusammenfassen, dass sich Volksabstimmungen seit einigen Jahren zu einem Instrument der britischen Politik entwickelt haben. Weiters lässt sich feststellen, dass es, wenn es schlussendlich zu einem abgehaltenen Referendum kam, immer um die Einstellung

Großbritanniens zu europäischen Belangen ging.27 Diese waren zum einen das Referendum aus

dem Jahr 1975, zum anderen das Referendum 2016. Mit dem bedeutenden Unterschied, dass sich nun alles um den Brexit dreht. Die Möglichkeit eines weiteren Referendums über den Verbleib der Briten in der EU ist zum jetzigen Stand der Verhandlungen nicht vollkommen ausgeschlossen, sodass das Kapitel Referenden in europapolitischen Fragen in Großbritannien noch nicht vollkommen abgeschlossen ist.

23 Vgl Schünemann, In Vielfalt verneint (2017), 53.

24 Vgl Geppert, Die Europäische Union ohne Großbritannien, in Rüttgers/Decker (Hrsg), Europas Ende, Europas

Anfang (2017), 120f.

25 Vgl Schünemann, In Vielfalt verneint (2017), 136f. 26 Vgl Schünemann, In Vielfalt verneint (2017), 137. 27 Vgl Schünemann, In Vielfalt verneint (2017), 138.

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Will man die Frage beantworten, wer die Initiative zum Anstoß dieser Volksentscheidung gegeben hat, so findet sich eine vermeintlich schnelle Antwort: David Cameron.

In die Geschichtsbücher wird die sogenannte „Bloomberg Speech“ von Premierminister David Cameron eingehen. Darin kündigte er bereits im Jänner 2013 an, das britische Volk bis

spätestens 2017 über den Verbleib Großbritanniens abstimmen zu lassen. Zuvor sollte aber der Status der Briten in der EU neu ausverhandelt werden. Diese Ankündigung war eine Folge der Spaltung seiner Konservativen-Partei in der Europafrage, über 80 Abgeordnete sprachen sich bereits 2011 für die Abhaltung eines Referendums aus.28

Die Spaltung innerhalb seiner eigenen Partei war nicht der einzige Grund, der David Cameron zu diesem Versprechen bewog. Wesentlichen Anteil daran trägt auch die Partei United Kingdom Independence Party, kurz UKIP. Diese war und ist für ihre Europaskepsis hinlänglich bekannt. Vor allem das Thema rund um die Einwanderungsproblematik, die, wie bereits erwähnt, bei den Briten immer mehr an Bedeutung gewann, ließ, einen erheblichen Zuspruch für die UKIP

befürchten. Aus den Wahlen 2015 ging dennoch ein klarer Sieger hervor – David Cameron mit seiner Konservativen-Partei. Nun kam Cameron um sein zuvor angekündigtes Versprechen nicht herum.29

Zu diesem Stadium Camerons lassen sich Vergleiche zum Jahr 1975 ziehen, damals war es Harold Wilson, der mit dem versprochenen und auch abgehaltenen Referendum die Labour-Partei wieder zusammenführen wollte. David Cameron trat anlässlich des EU-Gipfeltreffens im Jahr 2013 bereits als harter Verhandler der EU gegenüber auf, dies mit der Absicht, die

Euroskeptiker in seiner eigenen Partei zu überzeugen. Bei diesen Verhandlungen erreichte Cameron eine Kürzung des Finanzrahmens 2014-2020. Doch nicht nur diese mehrjährige Kürzung erreichte Cameron, er kündigte weiters das versprochene Referendum an. Das folgende Jahr war wieder kein einfaches aus Sicht des damaligen Premierministers, denn im Mai 2014 wurde seine Partei bei den Europawahlen nur Dritte, die UKIP hingegen konnte eine Mehrheit der Stimmen für sich beanspruchen.30

Doch nicht nur dieses Wahlergebnis missfiel Cameron, mit der Aussage, „bad day for Europe“ tat Cameron auch seinen Unmut kund, dass der frühere luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker mit der Bildung der EU-Kommission betraut und somit neuer Präsident der Kommission wurde.

Auch gegen die Nachzahlungen zum EU-Budget im Oktober 2014, in Höhe von zwei Milliarden Euro, wehrte sich David Cameron. Zu dieser Zeit tauchte auch erstmals die Frage auf, ob David Cameron sein Versprechen über das Referendum überhaupt erfüllen müsse.

Sowohl im Dezember 2013 als auch im Oktober 2014 scheiterten die von der Konservativen-Partei eingebrachten Referendum Bills im Gesetzgebungsprozess. Da die Konservative-Konservativen-Partei nicht über eine eigene Mehrheit im Parlament verfügte und von den Liberaldemokraten

abhängig war, war die Realisierung des Referendums zunächst aussichtslos.31

Für die Parlamentswahlen 2015 nahmen die Konservativen das Referendum in ihr

Wahlprogramm wie folgt auf – „we will hold an in-out referendum on our membership of the EU

before the end of 2017“.

28 Vgl Schünemann, In Vielfalt verneint (2017), 142. 29 Vgl Endergebnis der britischen Parlamentswahlen 2015,

http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/206735/unterhauswahl-in-grossbritannien (abgefragt am 27.03.2019).

30 Vgl Schünemann, In Vielfalt verneint (2017), 142. 31 Vgl Schünemann, In Vielfalt verneint (2017), 143.

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Da, wie bereits erwähnt, Cameron als klarer Sieger aus dieser Wahl hervorging, wurde im Mai 2015 bereits ein neuer EU-Referendum-Bill in das Parlament eingebracht. Nach erfolgter Zustimmung wurde dieses Gesetz als European Union Referendum Act 2015 kundgemacht. Nach einer Empfehlung der Wahlkommission wurde nun die finale Frage des Referendums wie folgt formuliert – „Should the United Kingdom remain a member of the European Union or leave

the European Union“? Die Antwortmöglichkeiten waren „Leave“ und „Remain“, diese

Fragestellung samt Antwortmöglichkeiten wurden im European Union Act 2015, Section 1 verankert.32

Nun war es David Camerons Aufgabe, einen neuen und verbesserten Deal zwischen Großbritannien und der EU zu verhandeln. Bereits im November 2015 übersandte Cameron seine sogenannten „four areas“, nichts anderes als Reformforderungen der Briten, nach Brüssel. Inhalt dieser „four areas“ waren zum einen die Nichtdiskriminierung der Nicht-Euro-Staaten, mit dieser wurde ein Mitspracherecht bei den Entscheidungen über die Währungsunion gefordert, zum anderen ein grundsätzlicher Bürokratieabbau.

Die Forderungen Camerons gegenüber der EU beinhalteten weiters den Souveränitäsaspekt der Briten, die Subsidaritätskontrolle sollte weitestgehend verbessert werden und die Stellung der nationalen Parlamente verstärkt werden. Die Opt-out Garantie bezüglich der Justiz- und

Innenpolitik sollte gewährleistet werden. Eine ebenfalls eminente Bedeutung stellte das Thema Einwanderung dar. Eine Übergangsfrist für die Freizügigkeit innerhalb Europas wurde

eingefordert, weiterer Kernpunkt war, dass ein Anspruch auf Sozialleistungen erst nach einer vierjährigen Einzahlungs- und Erwerbstätigkeit entstehen sollte.

Diese Forderungen und gerade die letztgenannte machen deutlich, worum es den Briten eigentlich ging und zwar um Kontrolle. Die Einwanderungspolitik stellte zweifelslos das

Kernargument Camerons dar. In seinen zahlreichen Reden äußerte er unermüdlich, dass es in Europa ein strengeres System im Kampf gegen den Sozialmissbrauch brauche. Im Jahr 2015 betrug die Einwanderung minus der Auswanderung, also die Nettozuwanderung, rund 330.000, laut der staatlichen Statistikbehörde ONS. Auf diese Zahlen wurde seitens der Regierung planlos und panisch reagiert, schließlich wurde das Thema Personenfreizügigkeit zu der obersten Agenda der Verhandlungen.33

Bei der öffentlichen Vorstellung „seiner“ Forderungen gegenüber der EU, sprach Cameron von einer „mission possibile“. Die EU-Skeptiker, selbst in seiner eigenen Partei, stuften dies jedoch deutlich anders ein, unter anderem als „enttäuschend unambitioniert“. Mit seiner öffentlichen Vorstellung war nun dennoch der Startschuss gefallen und nun konnte mit der EU verhandelt werden. Bei zahlreichen zuvor unternommenen Reisen Camerons in EU-Hauptstädte wurde er bereits von diesen darauf hingewiesen, dass die Grundfreiheiten des Binnenmarktes, darunter auch die Personenfreizügigkeit, unantastbar seien.34

32 Vgl Schünemann, In Vielfalt verneint (2017), 144. 33 Vgl Rath, Brexitannia. (2016), 51f.

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David Cameron machte trotz seiner vorgebrachten Argumente deutlich klar, dass er sich für den Verbleib der Briten in der EU einsetzen werde, solange die Briten bessere Konditionen erhalten würden, andernfalls er für nichts garantieren werde – „i rule nothing“.35

Am 2. Februar 2016 reagierte die EU, konkret der Europäische Rat unter dem Präsidenten Donald Tusk, auf die britischen Forderungen mit einem Entwurf einer möglichen Vereinbarung. Aus diesem ging klar hervor, dass es keine Aufhebung der Personenfreizügigkeit geben werde, dennoch erfolgten viele Zugeständnisse seitens der EU gegenüber Großbritannien, unter anderem die geforderte Stärkung der nationalen Parlamente. Die EU-Gegner entgegneten diesen Entwurf mit Worten wie, ein „Kabarett“, eine „Schmierenkomödie“ mit deutlicher Ablehnung. Cameron hingegen war positiver gestimmt, die Details müssten zwar erst ausgearbeitet werden, dennoch begrüße er den Entwurf. Auch die damalige Innenministerin Theresa May sah in dem Entwurf eine solide Grundlage für weitere Verhandlungen.36

Der endgültige Deal wurde am 18. und 19. Februar 2016 von den Staats- und Regierungschefs beschlossen, insgesamt besteht dieser aus sechs Erklärungen, mit denen auf alle „four areas“ der Briten eingegangen wurde.37

Die Zugeständnisse der EU in Sachen der Nichtdiskriminierung der Nicht-Euro-Staaten, sowie die Zusage, dass die Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden soll, weiters, dass Großbritannien Sozialleistungen für die Zuwanderer einige Jahre beschränken dürfe, als auch ein allgemeiner Bürokratieabbau, stimmten Cameron zuversichtlich, hinsichtlich eines Verbleibes der Briten in der EU.38 Einen weiteren wichtigen Aspekt bildete die Salvatorische Klausel. Sie sah vor, dass

die gewonnenen Verhandlungsergebnisse nur Geltung erlangen sollen, wenn sich Großbritannien für den Verbleib in der EU ausspricht.39

Die EU-Gegner wiederum waren anderer Meinung, von einem „wahrhaft armseligen Ergebnis“ sprach UKIP-Chef Nigel Farage. Nichtsdestotrotz stellte Cameron die Verhandlungsergebnisse der Öffentlichkeit vor und betonte dabei ausdrücklich, dass Großbritannien nun wirtschaftlicher besser und vor allem stärker dastehen würde. Cameron appellierte weiters an die britische Öffentlichkeit, für den Verbleib Großbritanniens in der EU zu stimmen. Die EU-Gegner hingegen gingen mit Slogans „Vote Leave“, „Take back control“ in den Wahlkampf.40

Nun war es soweit, die Stellungen waren weitestgehend klar, es gab die Brexit-Befürworter und diejenigen, die gegen den Austritt aus der EU kämpften. Im Folgenden sollen nun der

Wahlkampf und vor allem die Argumente der einzelnen Befürworter des Brexit, dargestellt werden.

„The in Campaign Ltd“ und die „Vote Leave Ltd“, so wurden im April 2016 die beiden führenden

Lager des Referendums von der Wahlkommission bezeichnet. Beide Lager begannen zunächst, Broschüren mit den jeweiligen Argumenten an die einzelnen Haushalte zu übersenden. Mit jeweils 600.000 Pfund Unterstützungsmitteln begann am 15. April 2016 für die Lager der

35 Vgl Schünemann, In Vielfalt verneint (2017), 146. 36 Vgl Rath, Brexitannia. (2016), 64f.

37 Vgl Rath, Brexitannia (2016), 66f.

38 Vgl Welfens, Brexit aus Versehen (2018), 58. 39 Vgl Schünemann, In Vielfalt verneint (2017), 147. 40 Vgl Rath, Brexitannia. (2016), 68f.

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offizielle Wahlkampf. Die Lager durften dabei Wahlkampfaufwendungen von rund sieben Mio Pfund tätigen.41

Im Nachhinein lässt sich feststellen, dass die Brexit-Befürworter mit ihren Argumenten die Wähler für sich gewinnen konnten. Dabei spielte die Behauptung, dass die Briten wöchentlich rund 350 Mio Pfund und somit zu viel an die EU zahlen müssten, eine große Rolle.42 Die

Tatsache, dass dieses Argument von zahlreichen Forschungsinstituten noch während des Wahlkampfes widerlegt wurde und die Briten in Wahrheit nach Abzug ihres Briten-Rabattes sowie nach Rückfluss von Forschungsgeldern und Regionalförderungen nur 136 Mio Pfund wöchentlich an die EU entrichten müssen, wurde außer Betracht gelassen. Diese irreführende und vor allem falsche Zahl von 350 Mio wurde unentwegt wiederholt und verfestigte sich in den Köpfen der Briten.

Aber nicht nur mit den anscheinend überhöhten Zahlungen der Briten punktete das „Vote Leave“ Lager auch ein möglicher EU-Beitritt der Türkei zählte hierzu.

Die Briten hatten sich tatsächlich für einen Beitritt der Türkei zur EU ausgesprochen, denn mit diesem würde sich das Kräfteverhältnis in der Union verschieben. Bedenkt man, dass die Türkei bereits 1987 einen EU-Mitgliedsantrag gestellt hat und sich dennoch erst im ersten Kapitel der 35 starken Verhandlungskapitel befindet, lag und liegt ein Beitritt der Türkei in weiter Ferne. Dennoch stellten Meinungsumfragen regelmäßig fest, dass dieses Thema eines der

wirkungsvollsten der Brexit-Befürworter war.43

Dass eine Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU für das eigene Wirtschaftswachstum und den Absatz eigener Produkte nicht vorteilhaft wäre, war ein weiters Argument für ein „leave“ der EU-Befürworter. Weiters wurde angeführt, dass durch den Brexit ein wirtschaftlicher Schaden der Briten durch einen etwaigen Zusammenbruch der Eurozone verhindert werden könnte.44

Mit der Behauptung, dass rund 75 Prozent aller Gesetze auf EU-Ebene beschlossen würden, gelang es UKIP-Chef Nigel Farage die Angst von einem Verlust der britischen Souveränität zu schüren und die EU als eine „fremde Macht“ darzustellen, die Herrschaft über die britische Demokratie übernommen habe. Dass laut einer Studie des Parlamentes nur rund 15 Prozent der Gesetze, die in Brüssel verabschiedet werden, auf nationale Ebene übertragen werden, ging auch in dieser Debatte unter.45

Unter all diesen vermeintlichen Argumenten für einen Austritt der Briten aus der EU stach ein Punkt besonders hervor – die Thematik rund um die Personenfreizügigkeit.

Der Slogan „Take back Control“ wurde in Verbindung mit der Einwanderung von den Brexit Befürwortern verknüpft. Die Zuwanderung war durchaus zu einem großen Problem im Land geworden, vielen Briten wurde die unkontrollierte Einwanderung schlicht weg zu viel.46 „The EU

has failed us all“, mit diesem Spruch, der ein UKIP-Poster zierte, wurde die Angst der Briten

weiter geschürt und der Unmut angeheizt.47 Auch die hier eingebrachte Argumentation, dass

selbst ein Austritt aus der EU zu keinem automatischen Ende der Personenfreizügigkeit führen

41 Vgl Schünemann, In Vielfalt verneint (2017), 148.

42 Vgl Niedermeier/Ridder, Das Brexit-Referendum (2017), 26f. 43 Vgl Rath, Brexitannia. (2016), 83f.

44 Vgl Niedermeier/Ridder, Das Brexit-Referendum (2017), 28f. 45 Vgl Rath, Brexitannia. (2016), 85.

46 Vgl Rath, Brexitannia. (2016), 86. 47 Vgl Rath, Brexitannia. (2016), 89.

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werde, scheiterte. Die Tatsache, dass Großbritannien auch nach einem Austritt einen Zugang zum Binnenmarkt schaffen musste, fand kein Gehör.48

Beleuchtet man nun die Argumente der Brexit-Gegner zeigt sich, dass die „Remain-Kampagnen“ wenig bis gar nicht auf den Nutzen Großbritanniens aus der EU-Mitgliedschaft eingingen.49

Im Nachhinein stellte es sich als Fehler der Brexit-Gegner heraus, dass sie größtenteils mit ihren Argumenten nur auf die Unsicherheiten eines Brexits hinwiesen. Der Umstand, dass der Austritt der Briten aus der Europäischen Union eine Premiere darstellt und niemand genau weiß, welche konkreten Probleme nun auf alle Beteiligten zukommen werden, machte es auch für die Brexit-Gegner schwierig, handfeste und vor allem für die Briten greifbare Argumente gegen den Brexit zu formulieren.

Unter anderem warnte die Bank of England, dass der EU-Austritt der Briten einen „Schock für

die Weltwirtschaft“ darstellen werde. Warnungen bezüglich negativer Folgen für die britische

Wirtschaft kamen von der Regierungsseite. Dass der Brexit die Gefahr eines Krieges in Europa mit sich bringen könnte, darauf wurde neben dem Verlust von zahlreichen Arbeitsplätzen und einem Wirtschaftseinbruch mehrmals, auch von David Cameron, hingewiesen.50

Selbstverständlich hatten die Briten etwas zu verlieren, denn als Großbritannien 1973 der EWG beitrat, war es wirtschaftlich stark geschwächt, Jahrzehnte danach war Großbritannien 2016 die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, damit waren die Briten wettbewerbsfähiger und

erfolgreicher denn je.51 Zahlreiche Untersuchungen belegen die positive Wirkung der

EU-Mitgliedschaft der Briten, sowohl im Beitrittsjahr 1973 als auch nach dem Inkrafttreten des Binnenmarktes im Jahre 1993. Die EU-Exporte der Briten mit rund 44 Prozent zeigen dies deutlich auf, Großbritannien stieg dank der EU-Mitgliedschaft zweifellos zu einer der offensivsten Volkswirtschaften der Welt auf.52

Dennoch dürften eben diese, oft bloß pauschalen, Feststellungen nicht bei den Briten angekommen sein. Ein Grund dafür liegt möglicherweise darin, dass trotz jahrzehntelanger Mitgliedschaft in der EU deren Vorzüge wenig bis nie erwähnt wurden. Von keinem

Amtsgebäude in Großbritannien wehte je die Europafahne, dies mag zunächst nicht wesentlich erscheinen, dennoch spiegelt es doch die britische Grundeinstellung gegenüber der EU deutlich wider. Wurden durch solche Gesten den Briten die Wichtigkeit und die Vorteile der

Mitgliedschaft all die Jahre nie wirklich aufgezeigt? Obwohl viele der Aussagen und Argumente der Brexit-Befürworter als sachlich falsch einzustufen sind, waren es diese, die sich in den Köpfen der Briten verfestigt haben und zu dem allseits bekannten Ergebnis geführt haben. Auch zahlreiche auflagenstarke britische Zeitungen, wie der „Daily Telegraph“, die „Daily Mail“ und die „Sun“, stellten sich auf die Seite der Brexit-Befürworter.53

48 Vgl Niedermeier/Ridder, Das Brexit-Referendum (2017), 27. 49 Vgl Niedermeier/Ridder, Das Brexit-Referendum (2017), 29. 50 Vgl Niedermeier/Ridder, Das Brexit-Referendum (2017), 30. 51 Vgl Rath, Brexitannia. (2016), 72f.

52 Vgl Rath, Brexitannia. (2016), 74f.

53 Vgl Geppert, Die Europäische Union ohne Großbritannien, in Rüttgers/Decker (Hrsg), Europas Ende, Europas

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Am frühen Morgen des 24. Juni 2016 war es dann Gewissheit, die Briten stimmten für einen Austritt Großbritanniens aus der EU. Im nachfolgenden Themenblock wird nun das konkrete Ergebnis des Referendums kurz erläutert.

C. Ergebnis des Referendums

Mit über 72 Prozent Wahlbeteiligung an der Volksabstimmung kann diese als durchaus hoch bezeichnet werden.54 Eine derart hohe Beteiligung war seit 1992 bei einer landesweiten

Abstimmung nicht mehr erreicht worden. Betrachtet man das konkrete Ergebnis des Brexit-Referendums in Großbritannien, so wies das Land eine deutliche Spaltung auf. Mit 3,8 Prozent Unterschied, fiel die Entscheidung auf den Austritt Großbritanniens aus der EU. 51,9 Prozent der Briten stimmten also für ein „Leave“, das Ergebnis kam für alle Beteiligten durchaus

überraschend.55 Selbst dem damaligen Innenminister Sebastian Kurz, der sich bei Verkündung

des Endergebnisses in London befand, war seine Bestürzung anzumerken.56

Verschafft man sich nun aber einen detaillierteren Überblick über die einzelnen Wahlergebnisse, so fällt die geografische Spaltung des Landes auf. In Schottland sprach sich eine deutliche Mehrheit für den Verbleib in der EU aus, mit konkret 1.661.191 Stimmen, auch die Nordiren sprachen sich mit 440.707 Stimmen für den britischen Verbleib aus, auch in London sprach man sich mit 2.263.519 Stimmen dafür aus. Mit ca 53 % stimmte man hingegen in Wales und

England klar für ein Verlassen der EU.

Betrachtet man nun auch das Alter der stimmberechtigten Briten, fällt auf, dass sich die 18-24-Jährigen mit über 75 Prozent für den Verbleib in der EU aussprachen. Wirft man nun einen Blick auf die 25-49-Jährigen reduziert sich diese Prozentanzahl bereits auf 56 Prozent. Nur 44

Prozent der 50-64-Jährigen sprachen sich für einen Verbleib aus, mit nur 39 Prozent sprachen sich die über 65-Jährigen für den britischen Verbleib aus. Aus dieser Spaltung würde sich somit eine eindeutige Tendenz der „Jüngeren“ für die EU herausleiten lassen. Dennoch muss man erwähnen, dass es für diesen doch sehr hohen Prozentunterschied eine plausible Erklärung gibt, denn mit nur 36 Prozent Wahlbeteiligung der 18-24-Jährigen im Gegenzug zu 83 Prozent Wahlbeteiligung der über 65-Jährigen, hielt sich die Beteiligung der jüngeren Generation an der Volksabstimmung in Grenzen.57

Der Faktor Bildung darf hingegen bei der Abstimmungsentscheidung nicht außer Acht gelassen werden. Wähler mit einem Sixth Form College (vergleichbar mit der österreichischen Matura) sprachen sich mit 54 Prozent für einen Verbleib aus. Jene mit High School Abschluss sprachen sich hingegen mit 66 Prozent deutlich für einen Austritt Großbritanniens aus der EU aus, jene mit einer universitären Ausbildung votierten mit 77 Prozentpunkten für den Verbleib.58 Keine

deutliche Unterscheidung im Stimmverhalten gab es bei den Geschlechtern, Frauen (48%) als auch Männer (52%) stimmten annähernd gleich für den Brexit.59

Mit der Brexit Abstimmung, wurde auch die Diskussion entfacht, ob es überhaupt sinnvoll war, die Bevölkerung mit einer derart risikobehafteten Frage zu betrauen. Die Vor- und Nachteile des Brexits klar und geordnet zu überblicken, ist selbst für ausgebildete Wissenschaftler eine

54 Vgl Schünemann, In Vielfalt verneint (2017), 151. 55 Vgl Rath, Brexitannia. (2016), 91

56 Vgl Rath, Brexitannia. (2016), 9.

57 Vgl Niedermeier/Ridder, Das Brexit-Referendum (2017), 34. 58 Vgl Niedermeier/Ridder, Das Brexit-Referendum (2017), 35. 59 Vgl Rath, Brexitannia. (2016), 95.

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enorme Herausforderung. Natürlich stellt die Volksabstimmung als solche einen Ausdruck

„wahrer“ Demokratie dar und soll auch als solche zelebriert werden. Trotz allem sei darauf

hingewiesen, dass sie für diffizile Fragestellungen, die damit einhergehenden weitreichenden Konsequenzen verbunden sind, keine geeignete Methode darstellt.60

Zusammenfassend kann man daher feststellen, dass die einzelnen Wahlkampagnen eines mit Sicherheit erreicht haben, nämlich eine Spaltung der britischen Bevölkerung, welche noch immer aufrecht ist und wohlmöglich länger anhält als befürchtet.

D. Austrittserklärung an die EU

Nachdem sich Cameron nach dem von ihm unerwarteten Ergebnis für einen Rücktritt entschied, war zunächst zu klären, wer das Amt des Premierministers übernehmen solle. Mit Theresa May war die Nachfolge gefunden, sie übernahm sowohl die Führung der Konservativen-Partei als auch die Stellung als Premierministern am 13. Juli 2016.61 Weiters wurden mit Boris Johnson

(Außenminister) und David Davis (Brexit Minister) klare EU-Gegner von May ernannt, während sie selbst während des Referendumswahlkampfes eher zu einer zurückhaltenden Gegnerin des Brexit zählte.62

Mit der Regierungsumbildung konnten die Verhandlungen nun ihren Lauf nehmen. Bereits in diesem Stadium zeigten sich die ersten Probleme des Brexit-Verlaufes, denn die

Rechtsgrundlage des Referendums, der European Union Referendum Act 2015, sah keine Bestimmung vor, wie nach der Abstimmung vorzugehen sei. Theresa May hatte zunächst jedenfalls nicht vorgesehen, das britische Parlament über die offizielle Austrittserklärung und den nachfolgenden Brexit Kurs miteinzubeziehen. Dieses Vorhaben wurde jedoch vom britischen Höchstgericht, dem Supreme Court, abgewiesen. Das Gericht stellte fest, dass ein Parlamentsbeschluss der Austrittsmitteilung der Regierung vorangehen muss, da der Austritt mit nicht unerheblichen Auswirkungen für die britischen Bürger einhergeht. Daher verabschiedeten das britische Unterhaus den Gesetzesentwurf der Regierung zur Austrittserklärung im März 2017. Am 29. März 2017 wurde die Austrittserklärung dem Präsidenten des Europäischen Rates, Donald Tusk, übersandt.63

„Today, therefore, I am writing to give effect to the democratic decision of the people of the United Kingdom. I hereby notify the European Council in accordance with Article 50 (2) of the Treaty on European Union of the United Kingdom’s intention to withdraw from the European Union.“64

Mit Absenden dieses Briefes wurde das Verfahren zum Austritt des Mitgliedstaates aus der EU eingeleitet,65 der formelle Verlauf des Art 50 EUV, der nun zum ersten Mal in Anwendung

gelangt, sowie seine Entstehung, werden im nachfolgenden Kapitel näher erläutert.

60 Vgl Hilpold, Europa am Scheideweg, EuR (2017), 13.

61 Vgl Meisch, Das Vereinigte Königreich auf dem Weg in den Brexit, in Europäische Zentrum für

Föderalismus-Forschung (EZFF) (Hrsg), Jahrbuch des Föderalismus (2018), 322.

62 Vgl Niedermeier/Ridder, Das Brexit-Referendum (2017), 39.

63 Vgl Klein, Brexit, in Weidenfeld/Wessels (Hrsg), Jahrbuch der Europäischen Integration (2017), 53. 64 Vgl Article 50 notification letter from the United Kingdom,

https://www.consilium.europa.eu/media/24079/070329_uk_letter_tusk_art50.pdf (abgefragt am 11.04.2019).

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III. Der Ablauf eines Austrittsverfahrens

A. Formeller Ablauf des Art 50 EUV

Die Möglichkeit eines EU-Mitgliedstaates, aus dem Staatenverbund der EU wieder auszutreten, wurde erstmals durch Art 50 EUV mit dem Vertrag von Lissabon im Jahre 2009 geschaffen.66

Betrachtet man nun die Jahreszahl, so stellt sich die Frage, ob ein Austritt zuvor nicht möglich gewesen wäre. Diese aufgeworfene Frage wurde jedoch von anderen Seiten, mit dem Hinweis darauf, dass man einem Staat völkerrechtlich nicht verwehren kann, einer freiwillig

beigetretenen internationalen Organisation, diese auch wieder freiwillig zu verlassen, verdrängt. Sodass nach dieser Ansicht, auch vor der Schaffung des Art 50 EUV, ein Austritt jederzeit möglich war.67

Konkret beschreibt der Artikel das zu befolgende Austrittsverfahren, dieses jedoch ohne jegliche nähere Konkretisierung hinsichtlich des Ausverhandelns eines Austrittsabkommens. Art 50 EUV idgF splittet sich in insgesamt fünf Absätze68. Damit das Austrittsverfahren überhaupt beginnen

kann, ist eine Austrittsmitteilung des Mitgliedstaates an den Europäischen Rat zu übersenden, rein rechtlich handelt es sich hierbei um eine empfangsbedürftige Willenserklärung.69

Grundsätzlich bedeutet dies, dass die Initiative für einen Austritt gemäß des Art 50 EUV von dem jeweiligen Mitgliedstaat auszugehen hat, der beabsichtigt auszutreten. In welcher konkreten Form diese Mitteilung zu erfolgen hat, regelt Art 50 EUV nicht. Nach Abs 1 sind jedoch die im jeweiligen Mitgliedsstaat verfassungsrechtlichen Aspekte von diesem zu beachten. Mit dem Einreichen der Mitteilung wird das offizielle Austrittsverfahren eingeleitet und die

Zweijahresfrist des Abs 3 beginnt zu laufen. Den nächsten essentiellen Schritt setzt nun der Europäische Rat, denn dieser hat nun die Leitlinien des Ausschlusses vorzugeben, diese sind im Konsens mit den übrigen Mitgliedstaaten zu verabschieden. Da bereits die Zweijahresfrist für die Verhandlungen des Austrittes gesetzt wurde und somit bereits laufen, muss diese Leitlinie zügig verabschiedet werden.70 Dieser Leitlinie ist eine wichtige Rolle zugeschrieben, denn sie

bildet nicht minder die Grundlage des künftigen Austrittsabkommens.71 Nächster Schritt des

Austrittsverfahrens ist es nun, im Einklang mit dem Art 218 Abs 3 AEUV, das

Austrittsabkommen gemäß Art 50 Abs 2 S 3 EUV auszuhandeln. Wesentlicher Inhalt dieser ist, dass die Kommission dem Rat der Europäischen Union eine Empfehlung vorlegt und dieser nun einen Beschluss über die Ermächtigung zu einer Aufnahme der Verhandlungen, sowie einen Verhandlungsführer der Union benennt. Danach muss dieses Abkommen innerhalb der bereits genannten Zweijahresfrist, nach Zustimmung des Europäischen Parlamentes, gemäß Art 231 AEUV vom Rat mit einer qualifizierten Mehrheit gemäß Art 238 Abs 3 b AEUV abgeschlossen werden.72

Nach diesem kurzen Überblick über den allgemeinen Ablauf eines Austrittsverfahrens nach Art 50 EUV soll im Anschluss daran konkret auf die Situation Großbritanniens eingegangen werden. Die Austrittsmitteilung, welche Premierministerin May dem Präsidenten des Europäischen

66 Vgl Klein, Brexit, in Weidenfeld/Wessels (Hrsg), Jahrbuch der Europäischen Integration (2017), 45. 67 Vgl Skouris, Brexit: Rechtliche Vorgaben für den Austritt aus der EU, EuZW (2016), 807.

68 Vgl Artikel 50 EUV,

https://www.ris.bka.gv.at/NormDokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10008048&Artikel=50&Pa ragraf=&Anlage=&Uebergangsrecht= (abgefragt am 11.04.2019).

69 Vgl Klein, Brexit, in Weidenfeld/Wessels (Hrsg), Jahrbuch der Europäischen Integration (2017), 46. 70 Vgl Klein, Brexit, in Weidenfeld/Wessels (Hrsg), Jahrbuch der Europäischen Integration (2017), 47. 71 Vgl Skouris, Brexit: Rechtliche Vorgaben für den Austritt aus der EU, EuZW ( 2016), 808.

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Rates, Donald Tusk übersandte, leitete nämlich für die Briten das Austrittsverfahren am 29. März 2017 förmlich ein.

B. Austrittsabkommen nach Art 218 (3) AEUV

Bereits sechs Tage nach dem in Großbritannien abgehaltenen Referendum trafen sich die Staats- und Regierungschefs zu einem Sondergipfel in Brüssel.73 Die 11 vom Europäischen Rat

durchgeführten informellen Sitzungen zeigen, dass der Brexit die volle Aufmerksamkeit der EU-27 an sich gezogen hatte.74 Dabei agierten die Staats- und Regierungschefs vor allem

geschlossen und mit einer klaren Linie, dies wurde unter anderem mit der Aussage, dass keine Verhandlungen vor der Austrittsmitteilung stattfinden werden, deutlich gemacht. Obwohl der Brexit für die EU überraschend kam, schienen die EU-27 organisiert und vorbereitet. Auch die Ernennung des Brexit-Verhandler Didier Seeuws wurde von der EU-Seite zügig abgewickelt. Auch die Ernennung Michael Barniers zum Chefunterhändler der Kommission erfolgte ohne jegliche Verzögerung seitens der Staats- und Regierungschefs, dieser wurde durch Beschluss des Rates anschließend zum EU-Verhandlungsführer ernannt. Im April 2017 wurde vom Europäischen Rat bei einem Sondergipfel die Leitlinie für die Verhandlungen bezüglich des Brexits verabschiedet. Diese hat zum Ziel, einen klaren und geordneten Austritt der Briten aus der EU zu vollziehen und somit Rechtssicherheit und Ordnung zu schaffen. Weiters beinhaltet der Beschluss der Leitlinie neben den Rechten der betroffenen Bürger aus der Union und aus Großbritannien die finanziellen Verpflichtungen der Briten gegenüber der EU bis einschließlich 2020. Die irische Grenzfrage nahm ebenfalls eine zentrale Rolle im Leitlinienbeschluss ein, welcher somit die wichtigsten Streitpunkte der EU und der Briten zum Inhalt hatte.75

Somit war seitens der EU klar Stellung bezogen und die Verhandlungsrunden mit den Briten konnten beginnen.

IV. Austrittsabkommen GB – EU

Zum Zeitpunkt des Verfassens der Diplomarbeit liegt bereits ein vollständig ausverhandeltes Austrittsabkommen zwischen Großbritannien und der EU vor, sodass auf die einzelnen Verhandlungsrunden, die diesem vorausgegangen sind, nicht eingegangen wird.

Am 14. November 2018 war es soweit, das Abkommen zwischen den Vertragsparteien war vollständig ausverhandelt. Bereits am 25. November desselben Jahres, wurde es von den EU-27 gebilligt und soll nun im nachfolgenden Kapitel behandelt werden. Der damalige Brexit-Minister, David Davis, und der EU-Chefunterhändler, Michael Barnier, trafen sich jeden Monat zu Besprechungen und die einzelnen Verhandlungsrunden begannen zu laufen.76

Das Abkommen wurde dabei im Einklang mit den Verhandlungsrichtlinien des Rates und nach der Leitlinie des Europäischen Rates ausverhandelt. Inhaltlich nimmt es, auf die Bedingungen des britischen Austrittes aus der EU Bezug. Mit diesem Abkommen soll eine Rechtssicherheit

73 Vgl Schäfer/Wessels, Europäischer Rat, in Weidenfeld/Wessels (Hrsg), Jahrbuch der Europäischen Integration

(2017), 104.

74 Vgl Schäfer/Wessels, Europäischer Rat, in Weidenfeld/Wessels (Hrsg), Jahrbuch der Europäischen Integration

(2017), 103.

75 Vgl Klein, Brexit, in Weidenfeld/Wessels (Hrsg), Jahrbuch der Europäischen Integration (2017), 54f. 76 Vgl Klein, Brexit, in Weidenfeld/Wessels (Hrsg), Jahrbuch der Europäischen Integration (2017), 55.

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für jene Zeit gewährleistet werden, in der die Verträge der EU keine Anwendung mehr auf Großbritannien haben werden. Die zahlreichen Verhandlungen, die zum Ergebnis dieses Abkommens führten, wurden mit einer außerordentlichen Transparenz geführt. Sowohl die Leitlinien des Europäischen Rates als auch jegliche andere Verhandlungsdokumente, wurden veröffentlicht, somit waren und sind sie von jedermann einsehbar.77

A. Inhaltliche Punkte des Abkommens

Zu Beginn wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das zwischen Großbritannien und der EU ausverhandelte Abkommen ein sehr detailliertes und umfassendes ist. Die Arbeit beschränkt sich auf von mir ausgewählte Punkte, daher beansprucht dieses Kapitel keinesfalls eine Vollständigkeit für sich. Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass das vollständige Abkommen nur online abrufbar ist, sodass gegenwärtig nur diese eine Literaturangabe zur Verfügung steht.

Inhaltlich kann man das Abkommen zunächst in sechs große Teile aufsplitten, daran folgen zahlreiche Anhänge.

Den ersten Teil bilden die „gemeinsamen Bestimmungen“, hier wird vor allem festgehalten, dass das Abkommen die Regelungen für den Austritt der Briten aus der Europäischen Union zum Inhalt hat. Dieser Abschnitt enthält weiters zahlreiche erforderlichen Klauseln, die zum einem dem besseren Verständnis dienen, zum anderen die ordnungsgemäße Anwendung des Abkommens sicherstellen sollen. Nach diesen Bestimmungen folgen die

„Begriffsbestimmungen“, auch hier lässt sich wieder eine lückenlose Transparenz seitens der

EU erkennen. Diese hat sich bemüht, jeden im Abkommen vorkommenden Begriff verständlich zu formulieren. Im Anschluss daran folgt der „Räumliche Geltungsbereich“ des Abkommens, danach folgen die „Methoden und Grundsätze in Bezug auf die Wirkung, die Durchführung und

die Anwendung dieses Abkommens“, in denen zum Ausdruck kommt, dass sich sowohl

juristische als auch natürliche Personen unmittelbar auf die Bestimmungen des Abkommens berufen können.

Den „Treu und Glauben“ Bestimmungen wird ebenfalls ein eigener Absatz gewidmet, in diesem versprechen sich sowohl Großbritannien als auch die EU die zahlreichen Aufgaben, die sich aus dem Abkommen ergeben werden, mit gegenseitigem Respekt und ohne unnötige Hindernisse zu erfüllen. Im nachfolgenden Absatz wird auf die „Bezugnahme auf das Unionsrecht“

hingewiesen. Mit Ausnahme weniger Artikel gelten nämlich alle Bezugnahmen auf das

Unionsrecht in seiner geltenden Fassung, einschließlich einhergehenden Änderungen. Weiters findet sich die explizite Verpflichtung, dass sich Großbritannien bis zum Ende des

Übergangszeitpunktes um eine einheitliche Auslegung der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes kümmern muss, sodass damit einhergehend Großbritannien verpflichtet ist auf die allgemeinen EU-Grundsätze zu achten und deren Methoden der Auslegung anzuwenden.

Großbritannien verpflichtete sich weiters, dass die Justiz- und Verwaltungsbehörden Rechtsvorschriften, welche dem Unionsrecht widerstreben, unangewendet lassen. Den Abschluss dieses ersten Teiles des Abkommens bildet die Regelung, die besagt, dass Großbritannien am Ende der Übergangszeit von den EU-Datenbanken und Netzwerken abgekoppelt wird.

77 Vgl Austrittsabkommen,

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Im zweiten Teil des Abkommens werden die „Rechte der Bürger“ geregelt, darin kommt der Grundgedanke der EU, dass alle Unionsbürger das Recht haben sollen, in jedem beliebigen EU-Staat zu leben und zu arbeiten, zum Ausdruck. Der Schutz dieser Grundfreiheit war bereits zu Beginn der Verhandlungen eine der obersten Prioritäten der EU. Das Austrittsabkommen hat den Schutz der EU-Bürger in Großbritannien und den britischen Staatsbürgern in den übrigen EU-Ländern zum Ziel, sodass diese ihren Aufenthalt und ihre Tätigkeit fortführen können. Es werden daher EU-Bürger, die am Ende der Übergangszeit in Großbritannien, beziehungsweise in einem der 27 Mitgliedstaaten wohnen, geschützt, sofern sie sich im Einklang mit der

Personenfreizügigkeit dort befinden. Dem Schutz unterliegen aber auch die

Familienangehörigen, denen das EU-Recht ein Nachzugsrecht gewährt. Dadurch werden die aus dem EU-Recht ableitbaren Ansprüche der Bürger auf Dauer geschützt und gewährleistet. Aber auch das Diskriminierungsverbot sowie das Recht auf Gleichbehandlung bleiben im vollen Umfang weiter bestehen. Einen essentiellen Punkt des Abkommens bilden auch die

Aufenthaltsrechte. Die Voraussetzungen für den Aufenthalt bleiben inhaltlich dieseleben wie nach den geltenden Rechtsvorschriften der EU über die Freizügigkeit. All jenen, die sich rechtmäßig fünf Jahre im jeweiligen Land aufgehalten haben, wird der Daueraufenthalt zugesprochen. Auch bei Nichterfüllung dieser Fünfjahresfrist stellt das Abkommen einen

eigenen Schutz sicher. Weiters gewährleistet, das Abkommen, dass ein Aufenthalt im jeweiligen Aufnahmestaat bis zum Ende der Übergangsfrist nicht zwingend vorausgesetzt sein muss. Dem freien Personenverkehr, mit all seinen Facetten, steht somit zusammenfassend nichts entgegen, denn Personen, die unter das Abkommen fallen, genießen weiterhin das Recht, eine

Beschäftigung aufzunehmen oder einer Erwerbstätigkeit als Selbständige nachzugehen. Durch die klare und vor allem präzise Formulierung der Bürgerrechte im Abkommen können sich Betroffene vor den Gerichten der jeweiligen Mitgliedstaten als auch vor britischen Gerichten im vollen Umfang darauf berufen. Weiters ist im Austrittsabkommen vorgesehen, dass die

britischen Gerichte nach dem Ende der Übergangsfrist acht Jahre lang die Möglichkeit haben, Vorabentscheidungen bezüglich der Bürgerrechte beim EuGH zu beantragen. Die Europäische Kommission wird sowohl die Umsetzung als auch die Anwendung dieser garantierten

Bürgerrechte kontrollieren.

Teil drei des Austrittsabkommen bilden die „Trennungsbestimmungen“, welche im Wesentlichen den freien Warenverkehr sowie das Zollverfahren, im Blick haben.

Das Austrittsabkommen zwischen der EU und Großbritannien zielt klar darauf ab, die Briten geordnet austreten zu lassen, daher wurden zahlreiche, mitunter sehr detaillierte,

Bestimmungen bezüglich des freien Warenverkehrs gebildet. Bezogen auf die Lieferung von Waren zwischen Großbritannien und den restlichen EU-Mitgliedstaaten wird vor allem sichergestellt, dass Waren, die sich im Verkehr befinden, auch nach dem Ende des

Übergangszeitraumes auf dem EU-Binnenmarkt als auch auf dem britischen Markt angeboten werden können. Dies gilt für alle Produkte, die unter den im AEUV festgelegten Vertrag über den freien Warenverkehr (Art 26 und 28-37 AEUV) fallen, wie beispielsweise Konsumgüter,

Agrarerzeugnisse, Medizinprodukte, Elektro- und Baugeräte wie auch Kraftfahrzeuge. Bezüglich Zollangelegenheiten stellt das Abkommen sicher, dass die EU-Vorschriften in Bezug auf

mehrwertsteuerrelevante Rechte und Pflichten weiterhin für grenzüberschreitende

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Der nachfolgende Absatz des Abkommens, trägt den Titel geistiges Eigentum, welcher unter anderem den Schutz der geografischen Angaben sicherstellen soll. Sowohl aus kultureller als auch aus wirtschaftlicher Perspektive haben geografische Angaben, wie beispielsweise Champagner, Feta und Parmaschinken, eine große Bedeutung. Auch nach dem britischen Austritt werden daher diese spezifischen Rechte in der gesamten EU wie auch in Großbritannien weiterhin geschützt.

Bereits laufende justizielle und polizeiliche Zusammenarbeiten zwischen der EU und den Briten unterliegen ebenso dem Schutz des Austrittsabkommens. Es folgen darauf die Regelungen über die laufende Zusammenarbeit hinsichtlich gesellschafts- und zivilrechtlicher Angelegenheiten. Auch die strafrechtliche Zusammenarbeit wird zwischen dem scheidenden Großbritannien im ausverhandelten Abkommen geregelt, die bereits laufende Verfahren sollen im Einklang mit den EU-Vorschriften abgeschlossen werden. Laufende verwaltungsrechtliche Verfahren, die

beispielsweisen Fragen des Wettbewerbs und staatliche Beihilfen zum Thema haben, unterliegen weiterhin dem EU-Recht.

Für die auf EU-Ebene laufenden Gerichtsverfahren sieht das Abkommen vor, dass der EuGH für diese zuständig bleibt, sofern sie vor Ablauf des Übergangszeitraumes bei diesem eingelangt sind. Abgesehen von dieser Regelung bleibt die Möglichkeit bestehen, dass Großbritannien anhängige Verfahren auch nach Ablauf der Übergangszeit vor dem EuGH gemäß dem EU-Recht entscheiden lassen kann. Weiters wird zwischen den Vertragsparteien vereinbart, dass Großbritannien sich während der Übergangsfrist an die EU-Rechte zu halten hat. Verstößt es vor Ablauf der Übergangsfrist gegen EU-Recht, so steht der EU-Kommission das Recht zu, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, sodass Großbritannien weiterhin beim EuGH verklagt und verurteilt werden kann.

Der nächste Punkt des Abkommens ist dem Datenschutz gewidmet, denn das Abkommen bringt zum Ausdruck, dass Großbritannien die während aufrechter Mitgliedschaft erlangten

personenbezogenen Daten im Einklang mit dem Datenschutzrecht der EU verwalten muss. Der vierte Teil des Abkommens regelt den „Übergangszeitraum“. Grundsätzlich sieht das Abkommen einen Zeitraum bis Ende Dezember 2020 vor. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt das EU-Recht in Großbritannien anwendbar. Diese Frist soll eine Möglichkeit für nationale

Unternehmen und Verwaltungen schaffen, die sich auf diverse Umgestaltungen vorzubereiten, daher stellt sie eine essentielle Vorbereitungsfrist dar. In dieser Zeit können Großbritannien und die EU über ihre künftigen Beziehungen zueinander verhandeln. Der Übergangszeitraum steht daher im Interesse aller am Brexit Beteiligten und hat vor allem die Aufgabe, eine gewisse Vorbereitungsfrist zu schaffen.

Bis zum Ablauf dieser Frist ist Großbritannien noch ein Mitgliedstaat der EU, mit allen damit einhergehenden Rechten und Pflichten. Daher beteiligen sich die Briten nach wir vor am

Binnenmarkt, samt allen Grundfreiheiten und an der EU-Zollunion. Im Übergangszeitraum bleibt Großbritannien auch an die internationalen Übereinkommen der EU gebunden, es darf ohne die ausdrückliche Zustimmung der EU auch keine neuen und selbständigen Abkommen

abschließen. Aus dem Abkommen ergibt sich weiters, dass den Drittländern ein unveränderter Zugang zum britischen Markt gewährleistet werden muss, somit soll der EU-Binnenmarkt sichergestellt bleiben.

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Mit Ablauf dieser Übergangsfrist ist Großbritannien kein EU-Mitgliedstaat mehr, es nimmt daher nicht mehr am Beschlussfassungsprozess der EU teil. Weiters sind die Briten weder in EU-Agenturen noch in deren Einrichtungen vertreten. Personen, die Großbritannien bisher repräsentiert haben, scheiden aus allen Einrichtungen der EU aus. Das Austrittsabkommen räumt den Briten auch die Möglichkeit ein, eine Verlängerung dieses Zeitraumes zu beantragen, damit sichergestellt werden kann, dass innerhalb dieser Zeit jegliche Belange ausverhandelt werden können. Diese Verlängerung muss jedoch im Konsens mit der EU erfolgen.

Einen weiteren wichtigen Aspekt im Abkommen stellt Teil fünf dar, er betrifft die

„Finanzbestimmungen“ zwischen Großbritannien und der EU. Darin ist vorgesehen, dass

Großbritannien seinen Anteil an der Finanzierung aller Verpflichtungen trägt, die es als Mitglied der EU im Hinblick auf den EU-Haushalt hat. Hier wird insbesondere auf den Mehrjährigen Finanzrahmen von 2014 bis 2020 hingewiesen. Das Abkommen gibt jedoch keine Auskunft über die Höhe der finanziellen Verpflichtung, denn vordergründlich war bei den Verhandlungen, eine Methode zur genauen Berechnung der britischen Verpflichtung zu schaffen. Die

Vertragsparteien haben sich auf eine „objektive Methode“ geeinigt, diese sieht konkret vor, dass die Briten allen gemeinsamen Verpflichtungen gegenüber dem Unionshaushalt bis 2020

nachkommen müssen. Weiters, dass Großbritannien für alle Darlehen haftet, die ihm vor dem Austritt aus der EU gewährt wurden. Von seitens der EU erhält Großbritannien seinen Anteil an nicht in Anspruch genommenen Bürgschaften in erster Linie zurück. Da nach Austritt aus der EU die Briten als Mitglied der Europäischen Zentralbank ausscheiden, bezahlt diese die von

britischer Seite getätigten Einlagen an die Bank of England zurück.

Teil sechs des Abkommens behandelt die institutionellen Regelungen, diese sollen eine reibungslose Durchführung des Abkommens sicherstellen. Die Parteien haben sich auf eine unmittelbare Wirkung und auf den Vorrang des gesamten Austrittsabkommens verständigt. Es gelten daher die Bedingungen des EU-Rechtes, weiters bleibt der EuGH für alle Fragen zuständig, welche die EU-Rechte tangieren.

Dies stellt einen zentralen Aspekt dar, da das gesamte Abkommen auf EU-Recht basiert und somit sichergestellt wird, dass die Auslegungsmethoden des EU-Rechtes durch den EuGH zur Anwendung gelangen. Kommt es nun zu Streitigkeiten zwischen den Parteien bezüglich der Auslegung des Abkommens, so findet zunächst eine politische Konsultation im „Gemischten

Ausschuss“ statt. Kann auch dort keine Lösung erzielt werden, so ist jede Vertragspartei

berechtigt, ein verbindliches Schiedsverfahren einzuleiten. Geht es beim Streitpunkt um ein EU-Recht, so muss es dem EuGH vorgelegt werden. Kann daran folgend kein Konsens gefunden werden, besteht die Möglichkeit der Parteien, die Anwendung des Abkommens auszusetzen. Dieses Aussetzen würde jedoch keiner der Bürgerrechte berühren und stellt somit keine Gefahr für die einzelnen Bürger dar.

Einen zentralen Punkt im ausverhandelten Austrittsabkommen stellt das „Protokoll zu Irland und

Nordirland“ samt der darin geregelten „Backstop-Lösung“ dar. Dieses regelt die Beziehungen

Nordirlands zu Irland nach dem Brexit. Ein wichtiger Verhandlungspunkt war für die EU, dass es zu keiner „harten“ Grenze zwischen Nordirland und Irland durch den Austritt Großbritanniens kommen soll, daher haben sich die Vertragsparteien auf die sogenannte „Backstop-Lösung“ geeinigt. Diese Lösung soll solange gelten, bis diese durch eine spätere Übereinkunft ersetzt werden würde. „Das Protokoll zu Irland und Nordirland“ sieht vor, dass Großbritannien nach dem Ende des Übergangszeitraumes bis zu jenem Zeitpunkt, an dem die künftigen Beziehungen zur

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