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Paul Erdmann, RC Stuttgart Stuttgart, den 20.03.18

Rotarier, die ihrer Mitgliedschaft 1933 – 1937 aus politischen Gründen verlustig gingen. Zu den Schwierigkeiten der Ermittlung der Gründe und deren ethischer Einschätzung

1. Grundsatzentscheidung der Clubführer-Konferenz vom 4. April 1933 in München

Auf der Clubführerkonferenz vom 4. April 1933 unter Leitung des österreichischen Gover- nors Prinzhorn und beraten von dem Sekretär der RI Sektion Europa Alex O. Potter, Zürich wurde unter Bezug auf die Entschließung der Convention von RI 1929 in Dallas (Texas) – Rotary erwar- tet von allen Mitgliedern, dass sie sich […] vollkommen loyal […] den Interessen ihres eigenen Va- terlandes gegenüber verhalten – einstimmig entschieden:

Rotarier, die aus politischen Gründen ihrer Ämter enthoben werden, verlören in der Folge auch ihre ihre rotarische Klassifikation und damit die Mitgliedschaft in ihren Clubs. In diesem Punkte habe sich Rotary dem Staat gegenüber loyal zu erweisen. Zu dieser Konsequenz sah man sich genötigt, um dem neuen Staat gegenüber die von ihm erwartete Loyalität zu erweisen und die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass überhaupt in Verhandlungen mit dem Staat über die Tolerie- rung von Rotary eingetreten und die Übernahme eines Arierparagraphen in die Satzung von Rotary abgewehrt werden könne.

Zu beachten ist: Zum Zeitpunkt dieser Entschließung führte Hitler noch eine Koalitionsre- gierung und seinem Ermächtigungsgesetz verweigerte lediglich die SPD die Zustimmung, alle an- deren Parteien stimmten zu. Die KPD war bereits verboten gewesen. Nachfolgend bildete sich Hit- lers totalitäre Herrschaft Schritt für Schritt weiter aus und fand erst nach Hindenburgs Tod volle Ausprägung. Noch im Mai 1933 hatte Hitler eine flammende, auf Völkerverständigung ausgerichte- te Friedensrede gehalten in der die Parole beschwor: Nie wieder Krieg! Und noch war Hitler an in- ternationaler Anerkennung seines Regimentes und an Vertrauensbildung gelegen. Und die Aus- wechslung von Funktionsträgern staatlicher bzw. öffentlicher Institutionen aus Gründen der Ge- währleistung der Durchsetzung des Regierungswillens ist kein Vorgang, der nicht auch bei Regie- rungswechseln in Demokratien erfolgte, bei diesen allerdings innerhalb rechtlich gesetzter und ein- klagbarer Grenzen .

Rotary-Mitgliedschaft war kraft Satzung zu jener Zeit an die die aktive Berufstätigkeit ent- sprechend der eingetragenen Klassifikation gebunden. Bei Ausscheiden aus der gegebenen berufli- chen Klassifikation bestand die Möglichkeit der Zuwahl als sog. Altmitglieder, doch sollte diese nur bei Einwilligung der zuständigen politischen Behörde in Gang gesetzt werden.

Während die Mitgliedschaft von jüdischstämmigen Mitgliedern in der Entscheidungszustän- digkeit der einzelnen Clubs verblieb, band die Münchner Richtlinie für die aus politischen Gründen ihrer Klassifikation verlustig gegangenen Mitglieder alle Clubs gleichermaßen.

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2. Zur Frage der Feststellung der politischen Ausschlussgründe im Einzelfall

Politische Ausschlussgründe auszuweisen, ist häufig nicht möglich. In den Wochenberichten durften solche Gründe nämlich nicht ausgeführt werden, weil kraft Satzung Mitgliedschaft unab- hängig gehalten werden sollte von weltanschaulichen, religiösen und politischen Einstellungen.

Feststellen lässt sich meist der Verlust eines Amtes oder einer Funktion aus politischen gründen , aber die Folgerungen, die der Betreffende daraus zog, waren sehr unterschiedlich. Für manche emp- fahl sich Eintritt in die NSDAP verbunden mit vorausgehender Austrittserklärung aus Rotary (vier Wochen wurde der Antrag geprüft), um in einer anderen Funktion wieder Fuß zu fassen. Andere nahmen eine politisch nicht gebundene Tätigkeit auf.

Festzustellen ist, dass es unter Rotariern auch SPD-Mitglieder gab, die zur NSDAP wechsel- ten. An Stelle der internationalen Arbeiterpartei trat für sie die nationale Arbeiterpartei, die den In- teressen des eigenen Landes gebührend Vorrang zu geben versprach. Im RC Stuttgart waren es zwei Mitglieder, ein hoch angesehener Lehrer und ein Wirtschaftsjournalist. Rotarier Mehmke z.B, der aus prominenter sozialdemokratischer und evangelisch gebundener (Innere Mission) Familie stammte, ist der eine von beiden. Er trat als philosophischer Interpret des neuen Staates im Sinne ei- nes gesellschaftlichen Harmonieideals hervor und gehörte im Club zu den wenigen, die sich zum Hitlerstaat bekannten. Erst als seine Zwillingsschwester dem Euthanasie-Programm zum Opfer fiel, gingen ihm die Augen auf.

Bei ehemaligen Mitgliedern, die sich einem Spruchkammerverfahren zu stellen hatten, kom- men Gründe für die Beendigung der Mitgliedschaft bei Rotary manchmal zur Sprache. Ehemalige Mitglieder, die sich keinem Verfahren zu stellen hatten, werden in manchen Fällen als Zeugen her- angezogen. Manchmal findet man in Personalakten, in Dienstbeurteilungen, in privater Korrespon- denz Auskunft. Bei einigen ehemaligen Rotariern lassen sich die Gründe ihres Ausscheidens über- haupt nicht sicher ausmachen, weil sie verzogen (Menge vom RC München z.B.), verstarben, im Zweiten Weltkrieg ums Leben kamen oder sich nach 1945 nicht rechtfertigen mussten, da sie der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen nicht angehörten. So lassen sich die Gründe des Ausschei- dens oftmals nicht ausmachen. Auch mit clubinternen Spannungen verschiedener unpolitischer Art ist bei Austritten zu rechnen.

3. Klare Ausweisbarkeit des Grundes des Ausscheidens bei jüdischen Mitgliedern: ihr Stammbaum

Im Unterschied zu den aus politischen Gründen aus Rotary ausgeschiedenen Mitgliedern ist die Aufkündigung der Mitgliedschaft bei jüdischen Mitgliedern objektiv belegbar, ihr Stammbaum gab den Ausschlag, nicht ihr religiöses Bekenntnis, nicht ihre politische Einstellung. Es gab sogar evangelische Pfarrer jüdischer Herkunft, wenn auch nicht bei Rotary, denen die nationalen Bürger- rechte entzogen wurden. Und da jeder Club über Mitgliedschaft eigenständig zu entscheiden hatte, blieb es den einzelnen Clubs überlassen, sich von seinen jüdischen Mitgliedern zu trennen oder auch nicht. Manche jüdischen Mitglieder traten aus, um den Club nicht zu belasten, anderen wurde der Austritt nahegelegt oder „mit Bedauern“ die Beendigung der Mitgliedschaft ausgesprochen.

Manche Clubs lösten sich geschlossen auf. Die Entrechtung jüdischstämmiger Mitglieder ist in je-

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4. Verdeutlichung an Beispielen

4.1 Der Münchner Rotarier Kurt von Boeckmann.

Boeckmann war Intendant des Bayerischen Rundfunks und wurde Anfang März 1933 seines Amtes enthoben. Er beantragte daraufhin Aufnahme in die NSDAP und trat deshalb, bevor noch die Richtlinie vom 4. April im kraft getreten war, aus dem RC München aus, da er als Mitglied des Ro- tary Clubs Ablehnung befürchtete. Goebbels kannte ihn und seine Befähigung. Er berief ihn als Di- rektor der Auslandsabteilung des Deutschlandfunks Berlin. In der Anwesenheitsliste des RC Mün- chen wurde er gestrichen, Gründe wurden nicht benannt. Sie traten erst im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Deutschlandfunk-Geschichte zu tage.

4.2 Der Münchner Rotarier Anton Betz

Betz war Verlagsdirektor des Verlags der Münchener Neuesten Nachrichten. Er wurde An- fang März 1933 seines Amtes enthoben und für einige Zeit in sog. Schutzhaft genommen, in seiner Gefangenschaft misshandelt, aus Bayern schließlich ausgewiesen. In den Protokollen des RC Mün- chen findet sich darüber keine Notiz. Er wurde einfach aus der Mitgliederliste gestrichen. Nach 1945 erwarb sich Anton Betz hohe Verdienste beim Wiederaufbau einer freien Presse.

4.3 Der Münchner Rotarier Wilhelm Leupold,

Leupold war Direktor des Verlags der Münchener Zeitung. Er befürchtete im März 1933 ge- wiss nicht ohne Grund das gleiche Schicksal zu erleiden, wie sein Clubfreund Anton Betz. Deshalb diente er sich den Nationalsozialisten an, indem er für Ausschluss Thomas Manns sorgte und Mit- gliedschaft in der NSDAP beantragte. Er blieb Mitglied des Clubs.

4.3 Der Münchner Rotarier Karl Scharnagl,

Scharnagl war Oberbürgermeister von München. Er wurde unter Bedrohung unverzüglich nach Übernahme der Herrschaft durch die Nationalsozialisten in Bayern im März 1933 zur Nieder- legung seines Amtes gedrängt. Er wehrte sich zunächst tapfer: Ich weiche nicht der Gewalt! Er blieb Mitglied des RC München, und dies ungeachtet des Ausschlusses der jüdischen Mitglieder und Thomas Manns. Seine Amtsenthebung wurde als einvernehmliche zur Ruhesetzung ausgelegt und er konnte als Bäckermeister eine zweite Klassifikation vorweisen.

4.4 Der Münchner Rotarier Emil Preetorius

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Preetorius war mit Thomas Manns befreundet. Er war Illustrator seiner Bücher. Preetorius blieb dennoch Rotary-Mitglied bis 1936, reagierte nicht auf den Ausschluss seines Freundes Tho- mas Mann und der jüdischen Mitglieder mit Austritt, wie dies einige andere taten, beispielsweise der rotarische Initiativkreis des Protestes der Richard Wagner-Stadt München gegen Thomas Mann.

Er kündigte seine Mitgliedschaft erst auf, als Rotarier Georg Reismüller, Generaldirektor der Baye- rischen Staatsbibliothek 1935 verhaftet wurde und sein Amt verlor und damit seine Mitgliedschaft im Club. Preetorius war Georg Reismüller in seinem Interesse an Ost-Asiatika sehr verbunden.

Aber war dies wirklich der maßgebliche Grund seines Austritts oder nur der letzte Anstoß? An Bay- reuth war ihm jedenfalls weiterhin gelegen.

Preetorius war als Bühnenbildner und Ausstatter von Wagner-Opern in Bayreuth kontinuier- lich beschäftigt. Er lernte in Bayreuth Hitler kennen. Dieser schätzte ihn, nicht aber die örtliche Parteileitung. Hitler nahm ihn in Schutz und verhinderte seine Absetzung, obwohl Klagen gegen Preetorius wegen dessen Kontakte zu jüdischen Bürgern vorlagen und deshalb seine Mitarbeit in Bayreuth aufgekündigt werden sollte.

4.4. Der Stuttgarter Rotarier Paul Schmitthenner

Rotarier Paul Schmitthenner, Gründungsmitglied des RC Stuttgart, Architekt, führender Kopf der sog. Stuttgarter Schule, trat im Frühjahr 1933 aus seinem Club aus, beantragte Aufnahme in die NSDAP und kündigte die enge Freundschaft zu seinem jüdischstäm auf Pergamentmigen För- derer Fritz Wertheimer, dem Generalsekretär des Deutschen Ausland-Institutes und seiner Familie (gegenseitige Taufpatenschaften!) auf. Er trachtete danach, jene führende Funktion in der Ausrich- tung der Architektur im Nationalsozialismus zu erlangen, die später Albert Speer übertragen wurde.

4.5 Der Stuttgarter Rotarier Otto Jüngling

Prof. Dr. Jüngling, weltweit angesehener Direktor der Chirurgie des Katharinenhospitals in Stuttgart, wurde 1935 nach Verhören aus seinem Amt entlassen. Vorwurf: Er habe jüdische Bürger behandelt. Seine Devise: Aegeroti salus suprema lex. An einem Krankenhaus der Evang. Diakonie in Norddeutschland fand er eine neue Anstellung. Seine Clubfreunde bereiteten ihm ein bewegendes Abschiedsfest und überreichten ihm ein einige Kilo schweres, leinengebundenes Erinnerungsbuch mit Fotos aller Mitglieder und einer kalligrafisch gestalteten zweiseitigen Widmung auf Pergament, in der ihm die fortdauernde unverbrüchliche Freundschaft zugesichert wird. Die Nachfahren gaben dieses Buch nach 1945 an den Club zurück.

4.5 Der Stuttgarter jüdische Rotarier Fritz Wertheimer

Fritz Wertheimer wurde, trotz seiner Entlassung aus seinem Amt als Generalsekretär des Deutschen Ausland-Institutes noch im Herbst 1933 mit der Leitung einer deutschen Rotarier-Dele- gation einer Besuchsreise englischer Clubs betraut. Man hoffte nicht zuletzt mit der Beauftragung

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neuen Deutschland würden dienlich sein können. Seine Rede, die er in den englischen Clubs hielt, wurde vorab dem Präsidenten des Münchner Clubs Arendts zur Begutachtung vorgelegt und erhielt sein Plazet. Vergeblich. Er war jüdischer Herkunft, der württembergische Gauleiter war nicht zu be- wegen, Wertheimers Zuwahl als Altmitglied zu tolerieren. So zog Wertheimer den Antrag auf Zu- wahl als Altmitglied zurück, um das für den Fall seiner Zuwahl angekündigte Verbot der Mitglieds- chaft von beamteten Mitgliedern nicht zu verschulden.

5. Fazit

Die Aufkündigung der Rotary-Mitgliedschaft aus politischen Gründen sind sehr unterschied- licher Art. Sie sind in vielen Fällen in ihren Gründen und Folgen dokumentarisch nicht oder nur un- sicher ausweisbar. Wenn Amtsenthebung seitens der nationalsozialistischen Behörden vorlag, be- deutete dies nicht in jedem Falle Verbot anderweitiger beruflicher Betätigung. Vergleichbar, was die persönliche Entwürdigung anlangt, ist mit der Ausschließung aus rassistischen Gründen die Einlie- ferung eines Rotariers in ein KZ (Anton Betz) oder die Ausbürgerung (Thomas Mann). Das betrifft sehr wenige Fälle.

Die Aufkündigung der Mitgliedschaft aus rassistischen Gründen folgt aus dem Stammbaum, die Aufkündigung der Mitgliedschaft in Folge des Verlustes der Klassifikation, bedeutete höchst selten Verbot andere beruflicher Betätigung. So sind die politischen und rassistischen Ausschlüsse in ihren Gründen und Folgen unterschiedlicher Art. Politische Gründe sind aus rotarischem Blick- winkel in der Regel nicht protokolliert worden.

So gelangen wir zu der Einschätzung: In einem Gedenkbuch sollten die in ihrer Gewichtung sehr unterschiedlichen Ausschlussentscheidungen einerseits aus rassistischen Gründen, andererseits aus politischen Gründen nicht den Unterschied nivellierend aufgeführt werden. Vergleichbaren Rang mit der Aufkündigung der Rotary-Mitgliedschaft jüdischstämmiger Rotarier in den Lebens- lauffolgen der Betreffenden wäre gegeben, würde in einem Anhang jener Rotarier gedacht, die aus- gebürgert oder in Konzentrationslagerhaft genommen wurden. An diese zu erinnern, wäre ange- zeigt. Thomas Mann und Anton Betz also z.B., andere sind mir nicht bekannt. Viele dürften es nicht sein.

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