• Keine Ergebnisse gefunden

Erfolgreicher einstweiliger Rechtsschutz gegen Gebührenbescheid - Erloschene Forderung nach zwischenzeitlich eingetretener Festsetzungsverjährung

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Erfolgreicher einstweiliger Rechtsschutz gegen Gebührenbescheid - Erloschene Forderung nach zwischenzeitlich eingetretener Festsetzungsverjährung"

Copied!
6
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

VG München, Beschluss v. 09.01.2018 – M 10 S 17.4029 Titel:

Erfolgreicher einstweiliger Rechtsschutz gegen Gebührenbescheid - Erloschene Forderung nach zwischenzeitlich eingetretener Festsetzungsverjährung

Normenketten:

RDGEG § 3, § 5

GKG § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 KAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 lit. a

AO § 228, § 229 Abs. 1, § 231, § 232, § 240, § 261 VwGO § 67 Abs. 4 S. 4, S. 7, § 80 Abs. 4

Leitsätze:

1. Die Wirksamkeit der Aussetzungsentscheidung setzt voraus, dass dem Antragsteller die Entscheidung bekannt gegeben worden ist. (Rn. 25 – 28) (redaktioneller Leitsatz)

2. In dem Schweigen der Behörde auf einen gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kann kein stillschweigender, dem Antrag stattgebender Verwaltungsakt gesehen werden. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

3. Eine rückwirkende Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung, die die Antragsgegnerin offenbar mit Beschluss des Verwaltungsausschusses vom 24. Januar 2017 bewirken wollte, in dem die stillschweigende Aussetzung der Vollstreckung bestätigt werden sollte, ist nicht möglich. Damit fehlt es an dem Eintritt einer Verjährungsunterbrechung. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

Wasser- und Abwassergebühren, Erlöschen durch Verjährung, Keine Unterbrechung der Verjährung, Keine stillschweigende oder rückwirkende Aussetzung der Vollstreckung, Verjährungsunterbrechung,

Vollziehungsaussetzung, Vollstreckungsaussetzung, aufschiebende Wirkung Fundstelle:

BeckRS 2018, 2377  

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 24. August 2017 gegen den Gebührenbescheid der Antragsgegnerin vom 8. Dezember 2006 wird angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 5.255,74 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Nacherhebung von Wasser- und Abwassergebühren durch die Antragsgegnerin.

2

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Anwesens R* … Str. 35 in … Das Anwesen bestand ursprünglich aus einem Gebäude mit zwei Wohneinheiten. Im Jahr 1990 wurde ein Neubau mit weiteren sechs Wohneinheiten errichtet. In dem Gebäude waren Spätaussiedler untergebracht. Da der vorhandene Hauswasseranschluss des Altbestands zu gering dimensioniert war, wurde für den Neubau ein weiterer Anschluss mit eigenem Wasserzähler errichtet. Am 7. Dezember 2006 wurde vom Wasserwart der Antragsgegnerin festgestellt, dass der zusätzliche Wasseranschluss aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nicht angemeldet worden war und deshalb auch der Wasserverbrauch über den zweiten

(2)

Wasseranschluss nicht erfasst und abgerechnet worden war. Der Wasserzähler habe Ende des Jahres 2006 einen Gesamtverbrauch von 27.219,00 m³ angezeigt.

3

Mit Bescheid vom 8. Dezember 2006 setzte die Antragsgegnerin für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis 7.

Dezember 2006 für eine geschätzte Verbrauchsmenge von 8.847 m³ Wasser die Wassergebühr auf 8.220,97 Euro und die Kanalgebühr auf 12.801,97 Euro fest, insgesamt 21.022,94 Euro.

4

Für die Schätzung des Wasserverbrauchs wurde ein täglicher Wasserverbrauch von 120 Litern pro Person am Tag angenommen. Für die Jahre 2002 bis 2006 wurde jeweils eine unterschiedliche Belegungszahl von jährlich 21 Personen bis zu jährlich 49 Personen zugrunde gelegt, wobei aus dem Bescheid selbst nicht ersichtlich ist, woraus sich die angenommenen Belegungszahlen ergeben. Der gesamte Wasserverbrauch wurde damit auf 8.847 m³ errechnet.

5

Die Antragstellerin legte am 3. Januar 2007 gegen den Gebührenbescheid Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 19. Februar 2007 wurde die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids beantragt. Die vorgenommene Schätzung entspreche nicht den Gegebenheiten vor Ort und sei zu hoch erfolgt. Die nunmehr von der Antragsgegnerin festgesetzten Gebühren könnten von der Antragstellerin nicht mehr auf ihre Miete umgelegt werden.

6

Über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde von der Antragsgegnerin nicht entschieden. Der festgesetzte Gebührenbetrag wurde nicht angemahnt oder vollstreckt. Nach Vortrag der Antragsgegnerin sei im EDV-Programm der Kämmerei eine Kennziffer eingetragen worden, mit der programmtechnisch eine Aussetzung der Vollziehung der offenen Gebührenforderung erfolgt sei.

7

Der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin beschloss am 24. Januar 2017 zunächst, die stillschweigende Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 8. Dezember 2006 ausdrücklich zu bestätigen und somit dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit Schreiben vom 19. Februar 2007 stattzugeben. Sodann wurde beschlossen, die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 8.

Dezember 2006 aufzuheben, sowie dem Widerspruch der Antragstellerin nicht abzuhelfen und ihn dem Landratsamt … vorzulegen. In der zugrundeliegenden Beschlussvorlage für die nichtöffentliche Sitzung des Verwaltungsausschusses wird u. a. ausgeführt, dass nach der Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Antragsgegnerin dem ersten Bürgermeister in eigener Zuständigkeit die Aussetzung der Vollziehung von Abgaben bis zu einer Höhe von 5.000,00 Euro oblegen hätte. Die gegenüber der Antragstellerin

festgesetzte Gebührenforderung habe damit über der für den ersten Bürgermeister festgesetzten Grenze gelegen; eine Entscheidung über den Aussetzungsantrag hätte daher durch den Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin erfolgen müssen. Dieser Beschluss könne wohl nachgeholt werden. Für die

Antragsgegnerin sei nicht nachvollziehbar, ob seit Erlass des angefochtenen Bescheids vom 8. Dezember 2006 Mahnungen erfolgt seien.

8

Das Landratsamt wies den Widerspruch der Antragstellerin mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2017 zurück. Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, die Antragstellerin sei verpflichtet gewesen, den erfolgten weiteren Wasseranschluss unverzüglich der Antragsgegnerin zu melden. Die Antragsgegnerin sei berechtigt gewesen, den Wasserverbrauch für den veranlagten Zeitraum zu schätzen. Die Antragsgegnerin habe ohnehin Gebühren nicht für den gesamten Zeitraum seit Errichtung der zusätzlichen Wohneinheiten seit 1990 erhoben, sondern erst ab dem Januar 2002. Für diesen Zeitraum hätten keinen konkreten Zahlen zum Wasserverbrauch vorgelegen. Sie habe zu Recht die jeweiligen Belegungszahlen des bisher nicht abgerechneten Anwesens sowie einen durchschnittlichen Wasserverbrauch von 120 Litern pro Person pro Tag zugrunde gelegt. Mit dieser Schätzung habe die Antragsgegnerin alle bekannten Umstände

berücksichtigt, die für die Schätzung von Bedeutung seien.

9

Für die festgesetzten Gebühren sei keine Zahlungsverjährung nach § 228 AO eingetreten. Die

festgesetzten Gebühren seien einen Monat nach Bekanntgabe des Gebührenbescheids fällig geworden.

(3)

Die Aussetzung der Vollziehung sei mit Schreiben vom 19. Februar 2007 beantragt worden. Bei der

Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt. Für die Wirksamkeit sei daher eine Bekanntgabe nicht erforderlich. Die Antragsgegnerin habe die Aussetzung der Vollziehung nach den Feststellungen der Widerspruchsbehörde nachweislich verwaltungsmäßig umgesetzt und damit über den Aussetzungsantrag entschieden. Die Forderung sei im EDV-Programm mit der Kennziffer FOZ4 versehen worden, damit sei die Forderung von der

Gemeindekasse als ausgesetzt behandelt und im weiteren Verlauf nicht mehr angemahnt worden. Dies sei von der Antragstellerin so zu verstehen gewesen, dass dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stattgegeben worden sei. Der nach der Geschäftsordnung der Antragsgegnerin erforderliche Beschluss des Verwaltungsausschusses über die Aussetzung der Vollziehung sei mit Beschluss vom 24. Januar 2017 nachgeholt worden und die von der Verwaltung vollzogene Aussetzung damit nachträglich legitimiert worden. Die Aussetzung der Vollziehung unterbreche die Zahlungsverjährung nach § 261 Abs. 1 Satz 1 AO.

Die Verjährungsfrist sei damit noch nicht abgelaufen und beginne nach Beendigung der Aussetzung der Vollziehung neu zu laufen.

10

Die Antragstellerin hat am 24. August 2017 Klage gegen den Gebührenbescheid der Antragsgegnerin vom 8. Dezember 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … vom 27. Juli 2017 erhoben (Az. M 10 K 17.4028) sowie gleichzeitig beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

11

Zur Begründung des Antrags wird ausgeführt, über den Aussetzungsantrag der Antragstellerin vom 19.

Februar 2007 hätte gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 b Geschäftsordnung der Antragsgegnerin der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin entscheiden müssen; die Entscheidung hätte der

Antragstellerin bekannt gegeben werden müssen. Aus einem jahrelangen Nichtstun der Verwaltung sei ein Erklärungsgehalt jedweder Form nicht ableitbar, insbesondere eine etwa stillschweigende Gewährung der Aussetzung der Vollziehung. Eine Beschlussfassung des zuständigen Verwaltungsausschusses habe es bis zum 24. Januar 2017 nicht gegeben. Der Beschluss, der sich auf die stillschweigende Aussetzung der Vollziehung beziehe und diese bestätige, zeige gerade die vorher fehlende Willensbetätigung der Antragsgegnerin. Der Beschluss sei erst nach Eintritt einer Verjährung ergangen. Der Eintrag von

bestimmten Kennziffern in EDV-Programmen der Antragsgegnerin sei irrelevant. Unabhängig davon, dass derartige Handlungen keine Außenwirkung entfalteten, seien sie auch nicht verständlich. Es könne

dahinstehen, ob die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung einen Verwaltungsakt darstelle oder ob es sich insoweit um eine sonstige Willenserklärung handele. Zwar werde die finanzbehördliche Aussetzung der Vollziehung nach § 361 AO als Verwaltungsakt angesehen, jedoch sei diese Regelung nach dem

Bayerischen Kommunalabgabengesetz nicht anwendbar. Bei einer Entscheidung nach § 80 Abs. 4 VwGO handele es sich wohl nach gängiger Auffassung nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um einen unvollständigen Annex zum Verwaltungsakt. Ungeachtet der strukturellen Unterschiede zwischen dem Steuerrecht und dem kommunalen Abgabenrecht müsse auch bei Gewährung einer

Vollziehungsaussetzung mit einer für den Steuerwie auch den Abgabepflichtigen erforderlichen Klarheit feststellbar sein, bis wann eine Aussetzung der Vollziehung gewährt werde und damit

verjährungsunterbrechende Wirkung habe, ob sich der Ablauf der Zahlungsverjährung durch wirksam gewordene Unterbrechungshandlungen verzögere und ob und wann der Zahlungsanspruch wegen des Eintritts der Zahlungsverjährung erlösche. Damit erfordere die Aussetzung der Vollziehung für ihre Wirksamkeit und damit verjährungsunterbrechende Wirkung den tatsächlichen Zugang dieses Verwaltungsakts bei dem Adressaten. Auch eine Entscheidung nach § 80 Abs. 4 VwGO, der keine

Verwaltungsaktsqualität beizumessen sei, müsse dem Adressaten nachweislich zugegangen sein. Dies sei vor Eintritt der Festsetzungsverjährung nicht geschehen. Eine Verjährungsunterbrechung sei damit nicht erfolgt.

12

Ergänzend wurde ausgeführt, dass für die vorgenommene Schätzung des Wasserverbrauchs keine nachvollziehbare Datengrundlage vorliege.

13

Die Antragsgegnerin beantragt,

(4)

den Antrag abzuweisen.

14

Hierzu wird ausgeführt, eine Zahlungsverjährung sei nicht eingetreten. Die Verjährung sei durch Aussetzung der Vollziehung unterbrochen worden. Zwar sei der Antragstellerin zu ihrem Aussetzungsantrag vom 19.

Februar 2007 keine Entscheidung übermittelt worden. Seitens der Antragsgegnerin sei jedoch von jeglichen Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen worden. Bei der Aussetzung der Vollziehung handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt, weshalb auch das Bekanntgabeerfordernis des § 122 AO für die Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO nicht gelte. Allerdings müsse aus Gründen der Rechtssicherheit die Aussetzung der Vollziehung dokumentiert werden. Insoweit sei einen verwaltungsmäßige Umsetzung in der Weise erfolgt, dass die Forderung im EDV-Programm der Antragsgegnerin mit der Kennziffer FOZ4

versehen worden sei. Damit sei der Gebührenanspruch als ausgesetzt behandelt worden.

15

Der angefochtene Gebührenbescheid sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin habe zugunsten der Antragstellerin ohnehin davon abgesehen, für den Zeitraum von 1990 bis 2001 Gebühren festzusetzen. Für den hier gegenständlichen Zeitraum seien die Gebühren auf der Grundlage eines durchschnittlichen Prokopfwasserverbrauchs von 120 Litern pro Tag ermittelt worden. Dieser Verbrauch liege unter dem für Deutschland statistisch ermittelten durchschnittlichen Wasserverbrauch von 127 Liter pro Person und pro Tag und sei nicht zu beanstanden.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Verfahrensakte der Widerspruchsbehörde Bezug genommen.

II.

17

Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist begründet. Für die von der Antragsgegnerin geltend gemacht Gebührenforderung ist unabhängig von der ursprünglichen Rechtmäßigkeit der Festsetzung jedenfalls zwischenzeitlich Zahlungsverjährung eingetreten. Der noch nicht bestandskräftige

Gebührenbescheid vom 8. Dezember 2006 wird damit im Hauptsacheverfahren aufzuheben sein.

18

1. Der Antrag ist zulässig. Gegen den Bescheid wurde rechtzeitig am 3. Januar 2007 Widerspruch

eingelegt. Der nach § 80 Abs. 6 VwGO erforderliche Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs.

4 VwGO wurde von der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Beschlüsse des Verwaltungsausschusses vom 24. Januar 2017 abgelehnt.

19

2. Der Antrag ist auch begründet. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alternative 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs oder der Klage im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung anordnen. In entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO soll die Anordnung der aufschiebenden Wirkung bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Abgabenbescheids bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

20

Nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Gebührenbescheids der Antragsgegnerin vom 8. Dezember 2006.

21

Vorliegend kann dahinstehen, ob der Bescheid ursprünglich rechtmäßig aufgrund einer Schätzung Wasser- und Abwassergebühren für die Jahre 2002 bis 2006 in Höhe von 21.022,94 Euro festgesetzt hat. Auch wenn die Forderung in dieser oder einer anderen zu schätzenden Höhe bestanden hatte, wäre sie jedenfalls zwischenzeitlich infolge Zahlungsverjährung erloschen.

22

(5)

Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a KAG sind u. a. die Vorschriften der Abgabenordnung zur

Zahlungsverjährung (§§ 228 bis 232 AO) für Wasser- und Abwassergebühren anwendbar. Nach § 228 AO unterliegen Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis einer besonderen Zahlungsverjährung; die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre. Nach § 229 Abs. 1 Satz 1 AO beginnt die Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist. Eine Unterbrechung der Verjährung erfolgt nach § 231 Abs. 1 Satz 1 AO u. a. durch Aussetzung der Vollziehung. Durch die Verjährung erlöschen nach

§ 232 AO der Anspruch aus dem Abgabenschuldverhältnis sowie von ihm abhängende Zinsen.

23

Die Fälligkeit der mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. Dezember 2006 festgesetzten Gebühren trat innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheides ein; unabhängig vom konkreten Zugangsdatum des Bescheids ergibt sich damit, dass die Fälligkeit bzw. Zahlungspflicht Anfang des Jahres 2007 eintrat. Die Zahlungsverjährung begann damit mit Ablauf des Jahres 2007 zu laufen und endete nach fünf Jahren mit Ablauf des Jahres 2012. Eine Unterbrechung der Zahlungsverjährung erfolgte entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht durch eine Aussetzung der Vollziehung; andere Unterbrechungsgründe wurden nicht geltend gemacht und sind nicht ersichtlich.

24

Die Antragstellerin weist zu Recht darauf hin, dass über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom 19. Februar 2007 nicht im Außenverhältnis wirksam vor dem Ablauf der Verjährungsfrist entschieden worden war. Dabei kann dahinstehen, wer auf Seiten der Antragsgegnerin kommunalverfassungsrechtlich für die Entscheidung über den Aussetzungsantrag zuständig war, insbesondere ob dies noch in die Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters als Angelegenheit der laufenden Verwaltung gefallen wäre, oder ob aufgrund der Höhe der auszusetzenden Forderung nach der damals geltenden Geschäftsordnung der Antragsgegnerin der Verwaltungsausschuss als beschließender Ausschuss anstelle des Gemeinderats zur Entscheidung zuständig gewesen wäre, Art. 29, Art. 32 Abs. 2, Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 GO.

25

Die Entscheidung über eine Aussetzung oder Nichtaussetzung der Vollziehung einer Forderung aus dem Abgabenschuldverhältnis bedarf zu ihrer äußeren Wirksamkeit einer zumindest irgendwie gearteten Mitteilung an den Antragsteller bzw. den Schuldner der festgesetzten Forderung.

26

In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist für das eigentliche Steuerrecht anerkannt, dass die Aussetzung der Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts durch die Finanzbehörde nach § 361 AO ihrerseits ein begünstigender Verwaltungsakt ist, der nach § 119 Abs. 2 AO schriftlich, elektronisch,

mündlich oder in anderer Weise erlassen werden kann; einen stillschweigend erlassenen Verwaltungsakt kenne das Gesetz - also die Abgabenordnung - hingegen nicht (BFH, B.v. 16.6.2005 – VII B 273/04 – juris.

Rn. 5; U. v. 10.03.2016 – III R 2/15 – juris Rn. 26). In dem bloßen Schweigen einer Finanzbehörde auf einen gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung könne daher grundsätzlich kein stillschweigender, dem Antrag stattgebender Verwaltungsakt gesehen werden.

27

Eine Anwendung der Rechtsbehelfsvorschriften der Abgabenordnung, u.a. von § 361 AO, ist nach Art. 13 KAG nicht vorgesehen, sodass es für kommunale Abgabenbescheide beim Rechtsschutzsystem der Verwaltungsgerichtsordnung verbleibt; eine Aussetzung der Vollziehung kann bei kommunalen

Gebührenbescheiden damit nach § 80 Abs. 4 VwGO erfolgen. Diese Aussetzung nach § 80 Abs. 4 VwGO ist nach herrschender Auffassung selbst kein Verwaltungsakt, sondern betrifft nur die Vollziehbarkeit des zugrunde liegenden Verwaltungsakts, hier die Gebührenfestsetzung. Jedoch ist selbstverständlich, dass für die Wirksamkeit der Aussetzungsentscheidung, gleich ob Stattgabe oder Ablehnung des Antrags, der Antragsteller und Schuldner der vollziehbar festgesetzten Geldforderung für weitere Dispositionen Kenntnis von der Entscheidung erhalten muss, ihm also die Entscheidung bekannt zu geben ist (vgl. OVG NW, B.v.

24.2.2012 – 14 B 1318/11 – juris Rn. 13); besondere Formerfordernisse sind an die Bekanntgabe der Entscheidung über den Aussetzungsantrag nicht zu stellen.

28

Eine nur stillschweigende Aussetzungsentscheidung, von der der Abgabeschuldner gerade keine Kenntnis erhält, ist nicht möglich bzw. nicht wirksam. Der Schuldner muss gerade positive Kenntnis darüber erhalten, ob er bei einer Ablehnung der Aussetzung aufgrund der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Abgabenforderung

(6)

nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bei Fälligkeit zahlen muss oder ob mit Aussetzung der Vollziehung die Fälligkeit beseitigt oder hinausgeschoben wird. Für den Fall der Ablehnung eines Aussetzungsantrags und damit der Vollstreckbarkeit der Abgabenforderung muss der Schuldner den Geldbetrag entweder aus eigenen Mitteln bereitstellen oder sogar Fremdmittel in Form eines Kredits oder ähnlichem in Anspruch nehmen. Soweit eine Aussetzung der Vollziehung nicht gewährt wird, könnte der Abgabeschuldner auch einen Antrag auf Stundung bzw. Zahlungsaufschub oder auf Ratenzahlung stellen. Je nachdem ob eine Aussetzung der Vollziehung oder eine Stundung gewährt wird, entstehen entweder Stundungszinsen (§ 234 AO) oder Aussetzungszinsen (§ 237 AO), die je nach Ausgang eines Rechtsbehelfsverfahrens

unterschiedlich Bestand haben. Solange keine Aussetzung der Vollziehung gewährt wird, sind auch nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO ab Fälligkeit der Abgabe Säumniszuschläge zu entrichten; die Aussetzung der Vollziehung beseitigt dagegen die Fälligkeit der Forderung bzw. die Fälligkeit wird hinausgeschoben (Tipke/Kruse, AO/FGO, 150. Lieferung 10.2017, § 240 AO Rn. 23). Auch wegen der

Verjährungsunterbrechung nach § 231 Abs. 1 Satz 1 AO besteht ein Interesse des Schuldners an einer positiven Kenntnis über eine Aussetzung. Ebenso ist für den eventuell vom Schuldner in Anspruch zu nehmenden gerichtlichen Rechtsschutz die Kenntnis über eine Aussetzungsentscheidung Voraussetzung.

Denn nur wenn der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO abgelehnt wurde (oder mit der Vollstreckung begonnen wurde, hier nicht einschlägig) kann gerichtlicher Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO begehrt werden, § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO. Das gilt nach § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO dann nicht, wenn die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in

angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat. Auch diese Vorschrift des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO impliziert, dass zumindest mitgeteilt wurde, warum über den Aussetzungsantrag bisher nicht entschieden wurde.

29

Darüber hinaus kann eine positive Aussetzungsentscheidung der Behörde auch wieder geändert bzw.

aufgehoben werden, wobei in der Rechtsprechung offen ist, ob hierfür veränderte Umstände

vorauszusetzen sind. Aber auch für diese gerichtliche Beurteilung ist es erforderlich, dass eine begründete Aussetzungsentscheidung vorliegt, die auch nach außen hin mitgeteilt wurde (vgl. BayVGH, B.v. 20.6.2016 – 20 CS 16.368 – juris Rn. 18 f).

30

Eine nur stillschweigende Aussetzungsentscheidung, soweit hier überhaupt behördenintern eine vorgelegen hätte, kann damit keine Wirkung haben, insbesondere kann sie auch keine Unterbrechung der Verjährung nach § 231 AO bewirken. In dem bloßem Schweigen der Behörde auf einen gestellten Antrag auf

Aussetzung der Vollziehung kann kein stillschweigender, dem Antrag stattgebender Verwaltungsakt gesehen werden (BFH, B.v. 16.6.2005 a.a.O.) und auch keine wirksame Entscheidung nach § 80 Abs. 4 VwGO.

31

Eine rückwirkende Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung, die die Antragsgegnerin offenbar mit Beschluss des Verwaltungsausschusses vom 24. Januar 2017 bewirken wollte, in dem die stillschweigende Aussetzung der Vollstreckung bestätigt werden sollte, ist nicht möglich. Die Aussetzung der Vollziehung, die gerade die Fälligkeit und damit auch die Vollstreckbarkeit der Forderung beseitigt bzw. hinausschiebt, kann nie rückwirkende Wirkung haben (Tipke/Kruse, a.a.O., § 240 AO Rn. 24 m.w.N; Funke-Kaiser in:

Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth, VwGO, 6. Aufl. 2014, § 80 Rn. 63).

32

In Folge der zwischenzeitlich eingetretenen Festsetzungsverjährung und damit des Erlöschens der Forderung wird der angefochtene Gebührenbescheid im Hauptsacheverfahren aufzuheben sein.

33

3. Damit ist die aufschiebende Wirkung der Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO

anzuordnen. Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5.

Streitwertkatalog.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Rechtsschutzantrages. Nach dem unmissverständlichen Wortlaut der Begründung des Einspruches sowie.. April 2013 ist aus deren Sicht zu diesem Zeitpunkt die Höhe des ihr

Die Aufspreizung der Noten für das Gesamturteil gerade im oberen Bereich („Hervorragend“ und „Sehr gut“ mit jeweils drei Ausprägungsgraden) soll einerseits den nötigen Raum

Es ist zwar zutreffend, dass eine etwa rechtsfehlerhafte Feststellung des Wertes des Betriebsvermögens im Weg des Rechtsschutzes gegen den Feststellungsbescheid zu verfolgen ist;

In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass der vorläufige Entlassungsbericht keine ausreichende Grundlage für eine sichere Diagnose der Alkoholabhängigkeit nach Ziffer 8.3

Statthafter Rechtsbehelf gegen die Fälligkeitsmitteilung eines Zwangsgeldes ist in der Hauptsache die Feststellungsklage nach § 43 VwGO. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren

Wenn eine Prostituierte nicht deutlich aus dem organisatorischen Rahmen eines bordellartigen Betriebes individualisierbar hervortritt (z.B. durch eigene Kontaktmöglichkeiten)

Genehmigungsverfahren eingeholten Stellungnahme des Sachgebiets 320 „Straßenverkehr“ die Straßenverkehrsbehörde zusammen mit der Polizei einen Ortstermin durchgeführt und bei einer

Die Zollverwaltung hat zwar in der Vergangenheit „strips“ und „hand-strips“ nicht der Besteuerung unterworfen, wenn sie als Halbfertigerzeugnisse in Großgebinden geliefert