DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
DIE GLOSSE
Schwarzwaldbalken
Mitteilung aus dem Leserkreis:
Die Empörungswelle rollt im- mer weiter. Seit über zwei Monaten beschweren sich sittlich bewußte Le- ser des DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATTES über ein Foto, auf dem zwei nackte Menschen abgebildet sind und mit dem für ein Sexualkun- debuch geworben wird. Unverständ- licherweise ernten solche Leser von anderen Kritik, und die Redaktion des DEUTSCHEN ÄRZTEBLAT- TES unterstützt diese sogar, indem sie solche Leserbriefe ebenfalls ver- öffentlicht. Ich kann nur sagen, ich habe für die Anstoß nehmenden Kolleginnen und Kollegen volles Verständnis.
Die Lektüre des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES gehört nämlich zu meinen Pflichtübungen hier in un- serer Klinik; darüber hinaus obliegt mir die Überwachung der Moral ins- besondere unserer Abteilung, und ich sah mich leider gezwungen, bei einigen Ausgaben des DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATTES mit dem oben genannten Foto die letzte Seite herauszutrennen, bevor ich das Heft dem Chef weitergab. Den Anblick solcher Ferkeleien wollte ich ihm wirklich nicht zumuten.
Als ich vor einigen Jahren hier in der Klinik meine Tätigkeit be- gann, war ich über die Zustände im Hause ziemlich entrüstet. Stellen Sie sich vor, ich mußte mit ansehen, wie man Patienten – in einer Gegend mit ländlich-bäuerlichem Charakter! – veranlaßte, sich für eine Untersu- chung gänzlich zu entblößen, ohne Rücksicht auf das Schamgefühl des einzelnen. Auf meine Veranlassung hin (mein Vorschlag wurde auch von der Verwaltung rege begrüßt) wurde ein hiesiger Schreiner beauftragt, Spezialbalken aus schwarzem Schwarzwaldholz anzufertigen (na- türlich nur aus unserem kranken Waldbestand, da wir sehr umweltbe- wußt sind), die wir jetzt in verschie- denen Größen für oben und unten vorrätig haben und die den Patienten bei Bedarf um den Hals oder die Hüften gehängt werden. Sehr schwächliche Patienten hüllen wir auch in leichte Tücher (wegen des
doch erheblichen Gewichtes der Schambalken), allerdings nur, wenn kein starker Wind weht.
Vergleichbare Erfahrungsbe- richte ähnlich schambewußter Kolle- ginnen und Kollegen erbitte ich an die Redaktion. mar
Eine konzertierte Aktion
Herr X hat Hämorrhoiden.
Schon seit Jahren. Bislang störten sie ihn nicht groß und derzeit überhaupt nicht. Doch er will sie los sein, dieses Jahr noch, das heißt vor seinem 50sten.
Herr X ist beruflich selbständig und gut versichert: Krankenhausbett im Komfortbereich und gutes, sehr gutes Krankentagegeld. Dies aller- dings nur im Krankenhausfall. Da um diese Jahreszeit das Geschäft sich ohnedies etwas hinschleppt – das Krankentagegeld wäre jedenfalls einträglicher –, wird Herr X eines Montags mit seinem Chirurgen einig:
In einer Woche, nächsten Montag, geht es über die Bühne Zuvor noch, am Freitag in der Frühe, das übliche Laborprogramm, EKG. Ambulant versteht sich, und so finden wir denn Herrn X bereits am Freitagmittag wieder in seinem Büro an der Arbeit, das er auch am Samstag nur zu einer kleinen Rückfrage in der Klinik ver- läßt. Für den Sonntag hat er dann
Sonnenschein- Inspektoren
Daß Sonnenbräune und mali- gnes Melanom in einem gewissen Zusammenhang stehen, das spricht sich langsam herum. Und noch et- was: Gefährdet sind, so hat man in- zwischen herausbekommen, Frauen (Männer sicher auch, aber die sind nicht so verrückt), die sich im Teen- ager-Alter schon schwarz brennen lassen. Zwanzig Jahre später rächt sich die Intensiv-Bestrahlung.
Drei amerikanische Gesetzgeber haben daraus inzwischen Folgerun- gen gezogen. In Ohio (1985), Kali- fornien (1988) und im letzten Jahr
— ZITAT
Schwesterlichkeit
„Sämtliche Grundwerte der modernen Demokratien sind ,für alle' gedacht: Freiheit, das heißt Selbstbestimmung im privaten, gesellschaftlichen und politischen Leben für alle;
Gleichheit, das heißt gleiche Rechte und Chancen für alle;
Brüderlichkeit, das heißt sozia- le Gerechtigkeit für alle. Doch hier schon wird der Wortge- brauch verräterisch: Schwe- sterlichkeit war nicht vorgese- hen. In die Wirklichkeit über- setzt hieß ,für alle': für die männliche Hälfte der Gesell- schaft. Von dem, was die Ge- sellschaft an Freiheit, Gleich- heit und Brüderlichkeit zuließ, blieben die Frauen weitgehend ausgeschlossen."
Oskar Lafontaine (aus „Die Gesell- schaft der Zukunft", Hoffmann und Campe, 1988)
noch zwei Termine außerhalb, um schließlich gegen Abend den häus- lichen Wigwam mit dem Bett 1. Klas- se zu vertauschen.
Im übrigen ist man sich einig: Ei- gentlich ist Herr X doch ja schon seit Freitag aufgenommen – und weil dem so ist, ist ganz natürlich auch der Krankengeldfall gegeben. Eine konzertierte Aktion . . . W. W.
auch in Texas wurden Gesetze erlas- sen, nach denen Teenager nur noch dann in Bräunungsstudios eingelas- sen werden, wenn sie eine schrift- liche Genehmigung ihrer Eltern oder Sorgeberechtigten vorlegen. Teens unter vierzehn dürfen allein über- haupt nicht mehr 'rein. Da muß Pa- pa oder Mama mit.
Hoffentlich wissen die „Erzie- hungsberechtigten" auch Bescheid!
Bloß: Wer braucht in Kalifornien oder Texas überhaupt ein Solarium?
In die natürliche Sonne können sich die jungen Dinger mit dem gleichen Effekt auch ohne elterliche Aufsicht legen. Oder sollen in Zukunft auch die Strände von der FDA überwacht werden? bt A-188 (20) Dt. Arztebl. 87, Heft 4, 25. Januar 1990