DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
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Das Schlafapnoe-Syndrom
S
hlafapnoe ist eine spezielle orm nächtlicher Atemregulati- onsstörungen und wird von den Au- toren als Atemstillstände während des Schlafs von mindestens zehn Se- kunden Dauer definiert, wobei aber erst durchschnittlich zehn Apnoen pro Stunde Schlafzeit pathologisch sind. Dabei ist die Unterteilung der Apnoephasen in zentrale Formen (Fehlen jeglicher Aktivität der Atemmuskulatur), obstruktive For- men (Kollabieren der Oropharynx- muskulatur bei erhaltener Atemmus- kulaturfunktion — als Folge tritt Schnarchen auf) und in eine Misch- form (zentral und obstruktiv), wel- che das häufigste Muster ist.Während dieser nächtlichen Atemregulationsstörungen kommt es durch die Hypoxie und Hyperkapnie zu zentralnervösen Alarmreaktionen des Organismus in Form kurzfristi- ger Vigilanzanhebungen, mit der Folge einer Schlaffragmentation, und somit einer Aufhebung der soge- nannten „entmüdenden" Schlaffunk- tion.
Die Folgen sind zum einen psy- chomentale Symptome des Schlaf- entzugs wie Leistungsknick, depres- sive Verstimmung, vermehrte Ein- schlafneigung, Konzentrationsstö- rungen, Gereiztheit, Impotenz und zum anderen in fortgeschrittenen Krankheitsstadien schwere interni- stische Folgeschäden, vor allem im kardiovaskulären Bereich.
So zeigen die Untersuchungen der Autoren, daß bei 68 Prozent der Schlafapnoe-Patienten eine latente oder manifeste pulmonale Hyperto- nie nachweisbar ist, mit Druck- schwankungen im kleinen Kreislauf bis zu 40 mm Hg. Ebenso wurden krisenhafte arterielle Blutdruckan- stiege gemessen — besonders bei der obstruktiven Apnoeform —, wobei die Prävalenz für die arterielle essentiel- le Hypertonie bei diesen Patienten derzeit mit 60 Prozent angenommen wird. Des weiteren können während des Schlafs alle Formen maligner Herzrhythmusstörungen auftreten — unter anderem wurden Asystolien
von bis 12 sec gemessen —, die wahr- scheinlich auch für das hohe Risiko verantwortlich sind, bei dieser Er- krankung an einem plötzlichen nächtlichen Herztod zu sterben. An der Endstrecke dieser vielfachen haemodynamischen Veränderungen steht die globale Herzinsuffizienz.
Als Pathomechanismen machen die Verfasser die apnoeinduzierte Hypoxie und Hyperkapnie, sowie — besonders bei der obstruktiven Form
— intrathorakale Druckschwankun- gen verantwortlich, obwohl letztend- lich der exakte Nachweis hierzu noch fehlt.
Da diese Symptome und Folge- schäden durch eine entsprechende Therapie erfolgreich behandelt wer- den können, ist die frühzeitige Dia- gnosestellung von besonderer Wich- tigkeit. Die Marburger Arbeitsgrup- pe „klinische Zeitreihenanalyse"
entwickelte neben der bekannten klassischen Polysomnographie in Zu- sammenarbeit mit verschiedenen in- dustriellen Unternehmen eine 8-Ka- nal-Registriereinheit (SIDAS 2000)
— beide zur differentialdiagnosti- schen Abklärung von Problemfällen
—und vor allem zwei ambulante Ein- heiten:
eine 4-Kanal-Koffereinheit mit in- duktionsplethysmographischer At- mungsregistrierung und kontinuierli- cher transkutaner Messung der Sau- erstoffsättigung sowie
ein sogenanntes „MESAM" für die digitale Speicherung der laryngealen Schnarchgeräusche und der momen- tanen Herzfrequenz.
In Kombination mit einem stan- dardisierten Symptombewertungsbo- gen und einem kommerziellen han- delsüblichen Kleincomputer ist da- mit eine Früherkennung besonders von obstruktiven Apnoen möglich.
Bei einer geschätzten Prävalenz des Schlafapnoe-Syndroms von zehn Prozent in der Altersstufe der vier- zig- bis sechzigjährigen Männer ist nun erstmalig mit letztgenanntem Gerät eine Screeningmethode ver- fügbar mit den Vorteilen in der Handlichkeit (Abmessungen eines
Langzeit-EKG-Geräts), der diagno- stischen Leistungsfähigkeit und der Erschwinglichkeit für niedergelasse- ne Ärzte.
Als Therapie werden konservati- ve und operative Vorgehen geübt, wobei chirurgische Verfahren, wie zum Beispiel die Uvulopalatopharyn- goplastik, nach bisherigen Erfahrun- gen der Autoren mit größter Zurück- haltung angewandt werden sollten.
Sie empfehlen folgenden konservati- ven 3-Stufen-Plan:
1. „Schlafhygiene" (streng regle- mentierte Tag-Nacht-Rhythmik), Gewichtsabnahme bei Adipositas, Verzicht auf Alkohol und Absetzen zentral dämpfender sowie apnoever- stärkender Medikamente (zum Bei- spiel [3-Blocker).
2. Theophyllinmedikation in retar- dierter Form als abendliche Dosis (unter Beachtung eventueller Kon- traindikationen), und bei Nichtan- sprechen dieser Maßnahmen:
3. die kontinuierliche, nächtliche Überdruckbeatmung mittels Nasen- maske (nCPAP) deren Druckeinstel- lung jedoch in einer Klinik notwen- dig ist.
Obligat zu den drei Möglichkei- ten ist die medikamentöse Behand- lung einer Hypertonie und/oder von Herzrhythmusstörungsstörungen.
sei
Podszus, T., J. H. Peter, P. von Wi- ehert: Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei nächtlichen Atemregulationsstörungen.
Schweiz. med. Wschr. 1988; 118:
1338-1341
Peter, J. H., G. Amend, M. Faust, J. Fett, E. Fuchs, M. Rieß, H. Schneider:
Schlafapnoe-Diagnose, Klinik und The- rapie. Fortschr. Med. 106, (1988):
34/544-42/548
Prof. Dr. P. von Wiehert, Medizinische Po- liklinik der Philipps-Universität Marburg, Baldingerstraße, 3550 Marburg/Lahn.
Dt. Ärztebl. 87, Heft 42, 18. Oktober 1990 (69) A-3237