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(1)

r

(2)

Hume's und Roufleau^s

Abhandlungen

über den

U r v e r t r a g

* iiebfl einem

Verfuch über Leibeigenfchaft

fl e ii

Liefländischen Erbherren

gewidmej...

s--**—

G. M e r k e l .

. . f ;ni ,-vj.> i : >,i E r f t e r T h e i l . V iU-n ? /'-'

L e i p z i g t 7 9 7 >

b e y H e i n r i c h G t ä ff.

(3)
(4)

i E i n e r

Edein und Hochwohlgebohnien

Li e f 1 ä li d ii'ch e n

Ritte rfc h aft

z u

menfdieri freundlicher Belierzignng

gewidmet.

(5)
(6)

H o c h w o hl g e b o h r n e H e r r e n . '

Die meiPenMen'fcheu handeln nur deshalb tadelhaft, weiL fie ihren Handlungen zu nahe fle­

hen , um fie richtig beuilheilen

(7)

zu können *) : Dann ift es aber die Pflicht des Entferntem, ih-

.*}• Erlauben Sie m i r e i n e n erfchütternden B e l e g dazu zu geben. Z w e e n vortreffli­

che M ä n n e r , die (ich auf dem L a n d t a g e von 1795. als die grofsmüthigften Ver«

theidiger der L e t t e n auszeichneten, hat­

ten g l e i c h w o h l , w i e Sie w i f l e n , k u r z vorher einen C o n t r a k t gefchloffen , ver­

möge deffen zweihundert ihrer M i t b ü r g e r aus ihrer H e i m a t h , und ihrer felbfl: er­

bauten H ü t t e geriffen und w i e eine w i l - lenlofe Heerde in eine entlegene Gegend abgeführt w u r d e n , w o fie Einöden ur­

bar machen mufsten , ein L005 , das die Regierung nur über Verbrecher verhängt.

W i e kamen S i e , grade S i e zu djefer H a n d l u n g ? — Ich erfuhr den ganzen V o r g a n g erft in T e u t f c h l a n d , von ihrem erbittertften F e i n d e , der fich auch als den meinigen gezeigt hat. „ S e h e n fie da,

„fagte er höhnifch zu m i r , fehen fie da

„ i h r e H e l d e n ! " L e i d e r beüätigen auch ihre Freunde den V o r g a n g .

(8)

neu z u f a g e n , was'das fey, was lie thaten. Wirklich'Gutmei­

nende werden ihm Dank dafür w i l l e n , u n d , wenn es defleu bedarf, der Form feiner Erinne­

rung um der Abficht willen, nachfehen; die übrigen abev werdeii toben, vielleicht alles in Bewegung fetzen, fich za rächen. Beides mufsder Recht- fchafl'ene als Lohn feiiierftemü- liung, als Gewährleiltung anfe­

ilen , dafs er nicht vergebens arbeitete.

Mit" völliger Ruhe alfo über

die Folgen diefes Schrittes in

(9)

Rücklicht auf mich» nehme ich mir die Freiheit, Ihnen, Hoch«

wohlgebohrne Herren, nachfte- hende Schriften zu dediciren, Roufleaus männliche Beredfam- Iceit möge Feuerfunken in den Bufen eines jeden von Ihnen fchütten, der es bedarf, und erfüllt von der Idee des volU kommenften Staates, wende er dann den Blick auf das Gemälde der unfeligften Verkrüppelung, deren die menfchliche Gefell-

fchaft fähig ift. In feiner gan­

zen Furchtbarkeit ergreife ihn

der Gedanke, dafs fein eignes

Vaterland durch feinen eigenen

(10)

Stand diefe V e r k u p p e l u n g erlitt, Möchte doch das r»efulta'tdavon der allgemeine Entfchlufs feyn, der fchon in dem Bufen manches Grofsmülhigen von Ihnen reift, durch e i n e n Schritt den recht­

lichen Widerwillen jedes M e n - fchenfreundes gegen d e n S t a n d der Erbherren, in Ehr»

furcht gegen d i e d e r m a l i- g e n G l i e d e r d e f f e l b e n in Eiefland, zu verwandeln!

M i t der aufrichtigften Ver-.

ehrung jedes edeln Mannes in .

(11)

Ihrem Mittel, hab' ich die Ehre zu I'eyn

Höchwohlgcbohrne Herren,

Dero

L e i p z i g , den U t e n Jänner,

1-797-

gehorfamfter D i e n e n

G. Merkel.

. t

(12)

V o r b e r i c h t .

B e y gegenwärtiger Arbeit hatte ich eine höhere A b f i c h t , als teütfch auszudrü­

cken , was Hitme und Roufleau eng- lifch und franzöfilch fchrieben. Ich unternahm f i e , w e i l es mir fchien, dafs fie beitragen k ö n n e , manche ver­

kehrte Vorftellungen zu berichtigen,

die in meinem Vaterlande nur z u h e r r -

fchend find u n d die es unglücklich ma-

(13)

•sn V o f b e r i c h t .

«Ajen. Gleichwohl!hoffe i c h , auch ei­

nem T h e i l e des lefenden Publikums i n T e u t r d i l a n d nicht ganz, unnütz g e w e - fen zu f e y n .

Die Ueberfetzung des Contrat

f o c i a l v o n 17G5. exiftirt nur noch in den Bücherverzeichniffen und die Cra- pierfche erlcheint in den (amtlichen W e r k e n R.puffea.ü's' in einer zu zahlrei­

chen Gefellfcha ft, um von vielen ange.

fcliafft werden zu k ö n n e n . Das, gljub';

i c h , ift eine derIJaupturfache, warurq

dies Meifterwerk, das.felbft die VoYu

tik an Menfchenwiirde gjauben lehrte,

in Teutschland faft zu den h o h e m W e -

fen gehört, die jedermann nennt und

n iewand kennet. Ich darf nicht hof-

(14)

V o r b e r i c h t , x i n

fen» alle philologtfche K l i p p e n in dem- felben vermieden zu haben , aber — w i e gefagt, ich firebte nach etwas mehr, als Ueberfetzer» E h r e .

Hume's A b h a n d l u n g füge ich bey»

w e i l es prüfenden Lefern angenehm feyti m u f s , die Vorftellung derfelberi

Sache v o n z w e e n folchen M ä n n e r n vergleichen zu k ö n n e n . W i e Hunie übrigens zu mancher Behauptung kau

1

} die von feiner Feder überrafchen mufs, Weifs ich nicht. E r war einft Rouf- feau's F r e u n d , zerfiel aber bald mit i h m : zur E h r e der Philofophie muffen w i r a n n e h m e n , dafs diefer Ümftand nichts erklärt.

D e r angehängte Verfuch über L e i b -

elgenheit, kann freilich für die glück-

(15)

xiv V o r b e r i c h t .

liehen Bewohner T e u t f c h l a n d s , w o die .wahre Leibeigenheit nirgend, mehr e x i -

ftirt, und der Adel fchon fo lange O p -

timatenfiand ift, kein anderes Intereffe

h a b e n , als das allgemeine der Mcnfch-

heit. W o h l u n s , dafs dies immer mehr

als das wichtiglte anerkannt wird !

(16)

H u m e

ti her

U r - V e r t r a. g.

A

(17)

N e u n t e s K a p i t e l .

Befeklufi.

Nach

dem ich die wahren Grundfätze de*

Staatsrechts aufgeftellt und verflicht habe, den Staat auf daflelbe zu gründen, müfsre ich ihn noch dufch feine äußeren Verbält- nifle ftützen. D i e s würde mich zum Völker­

r e c h t e , zum Handels - zum Kriegs - und E r ­ oberungsrechte, z u m öffentlichen Rechte, zu den BUndniflen, den Unterhandlungen, den T r a k t a t e n e t c . führen. A b e r alles dies bil­

det ein neues, für meinen befchränkten Blick zu unermefsliches F e l d : ich hätte ihn über­

haupt mehr einfchräuken Tollen.

«

(18)

U e b e r L e i b e i g e n h e i t .

„Fater! Veigieb ihnrn, den» wahr Ii th^

fit wiffen nicht, » « J fit thun!"

Das ift die einzige Entfchuldigimg, mit

welcher der parteylafe Weltbürger fein p o . eilendes Herz zufrieden fprechen kann, w e n n er ganze Stände keck und k ü h n , Millionen Mitbürger, das W o h l des ganzen Staate*

ihrem Eigennütze aufopfern und noch dazu mit ihrem abftlieulichen Verhaltniffe prunken ficht;— wenn er da» fleht, fage i c h , und doch g e r n an Bruderliebe, auch gegen F e h ­ l e n d e , feft halten w i l l . N e i n ! W i r muffen um unfrer felbft willen nicht g l a u b e n , dafi die Erbherren f o handeln, und doch g a n z wiffen follten, was fie thun. W o h l a n , w i r

(19)

wollen es ihnen f a g e u ; wir wollen ihnen di«

N a t u r ihrer fogenannten Gerechtfame und die F o l g e n derfelben aus einander fetzen ; wir w o l l e n ihnen felbft das fürchterliche S c h a u . (piel z u deuten verfuchen, das fie der W e l t g e b e n . Sehen fie einft ihr Vergehen, wirk«

lieh e i n , fo entfagen fie gewifs fciiaudernd felbft der F o r t f e t z u n g deffelben K e i n e Riick- fiebt alfo halte uns a b , ihnen den Schleier z u entreifsen, keine F u r c h t : — denn es gilt Menfchenwohl'. —

W e l c h einen grellen Abftlch mufs aber der Inhalt diefer Schrift mit dem des vorherge­

henden Meifterwerkes m a c h e n ! A u s den innerften H a l l e n der Spekulation trug Rouf«

feau das längft vergefsne Gemälde der Bürger«

rechte, de3 wahren und vollkommenllen Staa»

tes hervor. M i t fchwerem Herzen mufs ich hingegen die Z ü g e der tiefften Deprivation, deren di« menfchüehe Gefellfchaft fähig iltt

(20)

— 4^3 —

femmeln, und die niedrigfte Stufe zu zeigen, zu der ein Staatsbürger herabfinken kann.

A b e r das ift nicht der wicbtigfle Unterfchied.

— Rouffeau's gcifterhebende Schilderung ift I d e a l ; mein Jammerftück ift — nackte W i r k ­ lichkeit. Rouffeau's vollkommen freye Bürger exiftirten vielleicht n i e ; aber in dem Schlamm des E l e n d e s , das ich fchildern m u f s , weh«

klagen Millionen feit mehr als einem halbe»

Jahttaufende. V o n Scenen des thätigflen g l ü c k - Mehrten Lebens führe ich den Leferzu Gräbern, von Staatsbürgern z u Leibeignen, und diefe Todten:-— werden auch f i e einft erftehen ? —

Leibeigenheit! Mit blutendem Herzen durclnvalit der Cosmopolit die Gebiete der V o r z e i t und der Gegenwart.' Ueberau fchluchzt ihm Jammer und zerknirfchtes Elend ent­

gegen, und er bleibt uuentfchloffen, welchem Jahrhunderte, welchem V o l k e er die kläglich«

Palms des hüchfte.n. U n g l ü c k s reichen folL

(21)

H i e r öffnet fich die E r d e , ftreut z w a n z i g blühende Städte in Trümmern umher, und rerfchlingt Taufende ihrer Bewohner; — dort w ä l z t der A b e r w i t z eines einzelnen E h r . nichtigen die blutigen W o g e n des Krieges über

«inen g a n z e n Himmelsflrich hin, und W ü ß e n bleiben z u r ü c k , wohin fein mördrifcher Fuß»

i r i t t . Hier haucht die Peil ihren giftigen A t h e m über eine zahlreiche Nation und lie verfchlieft ins G r a b ; — dort umzieht d:is Ffaffenthum g a n z e Jahrhunderte mit milci- fchem N e b e l , um ungefehen feine lichtfcbeuen

G r ä u e l üben, einen Welttheil über den andern hinftürzen und Millionen würgen zu können, die anders w ä h n e n , als feine Selbftfuclit g e . b e u t . Erfchüttert von dem gräslichen S c h a u . fpiel, bebt der Forfcher weiter und weiter, immer von der kläglichen E r w a r t u n g beglei­

tet, w a s er in einem L a n d e , in einem Jahr- ' hunderte f a n d , in dem nächiien überboten

(22)

« i fe'nn. E r gewahrt deiner, Leibeigenheif, und nichts iiberrafchet ihn mehr. W o wäre die Ausgeburt der Ungerechtigkeit und B ö s - heit, die dich überträfe?

E i n Menfch unbedingtes Eigenthum des andern! In dem Staate, den er allein erhälf, in feiner väterlichen Hütte, im Zirkel feiner K i n ­ der, in denen ermirfeiriem Tyrannen rieueLafl- thiere erzeugte, unbedingtes Eigenthum des andern! D i e Wichtigfte, nlttzlichfte B ü r g e r . klaffe gefefzlich freve Beute der überflüfsig- ften! Die eigentliche Volksmalle von allen Aeulferungen edlerer Geisteskräfte a u s g e . fchloffen, aller Menfchenrechte beraubt; von ungeheuren Pflichten und L e i t u n g e n in L a ­ uer und Stupidität herab gedrückt, damit die Drohnen des Staates von ihrem Elende fchwelgen und mit erträumter Erhabenheit verachtend auf fie herabfehen können: w e n n diefe Gränel nicht exiftirten, wer würde ihre

G g

(23)

— 4-66 —

Möglichkeit ahnden ' W e r würde (ich ein­

fallen laffen, d a ß man dies wah:;finnige und fchändliche Misverhä'ltnifs auch eine Staats- verfaffung nennen k ö n n t e , wenn foi-difant Gebildete und Aufgeklärte nicht ihre Ufur- pationen durch diefe Benennung rechtferti­

g e n w o l l t e n ? Ja, Schiller hat R e c h t ! Das Edlere i f t in feiner Depravation das Abfcheu- lichere. E i n Thier des W a l d e s würgt das andere, das fremdartige, und die Leiden def- felben find in einem Augenblicke begonnen und geendet. N u r das höhere W e f e n , nur der Menfch vermag e s , feinem Bruder den edelften Theil feines Wefeus zu entreißen und ihn doch als W e r k z e u g feiner Leiden.

fchaften fortdauern zu laffen; er allein ver­

m a g es, feine Beute Lebensalter hindurch le­

bendig zu zerfieifchen. Die Menfchen wären das Abfcheulicbfte in der N a t u r , wenn fie nur aus folclien Gewalthabern beftünden;

(24)

— 467

aber auch die tmfchuldig Leidenden find Mett*

fciien, find unfre Bruder. —'• R e t t u n g , Ret.»

tung ihnen, ihr, die es vermögt!

„ U n d dennoch haben diefe Gräuel in aU

„len Zeitaltern exiftirt. D i e freyen Griechen

„und Römer hatten S k l a v e n ; die freyen Arne*

„rikaner haben dergleichen, und felbft Rouf-

«,1'eau fcheint aii einem Orte zu behaupten,

„dafs fiel) eine Republik nur durch Sklaverl j.frey erhalten koline."

R i c h t i g ! E s ift aber ein grofsefIrrthum, Kenn man Sklaven und Leibeigene für gleich­

bedeutend halt. ( i ) Sklaverey ift freilich, wie Leibeigetiheit, eine fchreiende fürchter­

liche Graufamkeit, aber die erfte verhält fich zur letzteren, wie Erlegung des Feinde»

auf dem Schlachtfelde zum überlegten B r u - dermord.

Schon Ariftoteles fagte, «in S k l a v e ift immer ein F r e m d e r ; und giebt darin d e a

G g »

(25)

e w i g e n , unzerftörbaren Unterfchied zwifchen, ihm und dem Leibeigenen au. Ich weifs w o h l , dafs er eigentlich fagen w o l l t e : da­

durch, dafs ein Menfch Sklave wird, wird er ein Fremder, d. h. hört er auf, ein Theil des S t a a t e s zu feyn. A b e r wie können ganze Nationen in dem L a n d e , das ihnen gehört, F r e m d e w e r d e n ? W i e können, w a s hier noch mehr f a g t , ganze Stände aufhören, Theile des Staates z u feyn, der nur durch fie befteht?

E i n S k l a v e , das .heilst, ein dienender F r e m d e r kann da f e y n , kann fieh entfernen, ohne dafs er durch eines von beiden Einüufs auf das G a n z e hat. S o nothwendig er einem E i n z e l n e n feyn m a g , das Ganze bedarf fei­

ner nicht. Sein Dafeyn ward nicht bey der E r r i c h t u n g des Staates in Anfchlag gebracht;

es ift und bleibt eine unbedeutende Zufällig­

k e i t , w i e der Schatten einer vorüberziehen­

den W o l k e . D e r S t a a t g e w ä h r t i h m

(26)

— 4Ä9 —

n i c h t » , w e i l er n i c h t s v o u i h m f o r d e r t , ihm keine öffentliche L e i ß u n g auferlegt. Selbft dafs fein Leben unter dem S c h u t z der Gefetze ftehr, ift im Grunde blofse W o h l t h a t : denn weil er keine S i a a t s p f l i c h - ten trägt, hat er auch keine Rechte an den Staat. Sobald er hingegen anfängt zum B a ­ lten des Gemeinwefens mit zu w i r k e n , hört er auf, ein Fremder zu f e y n , und wird in- tcgrirender Theil deffelben. Tragt er gradezu z u m allgemeinen W o h l bey, fo befehlen G e ­ rechtigkeit und Politik, auch das feinige z u m Gegenftande des Allgemeinen z u machen.

Uebernimmt er alle Pflichten des Staatsbür­

g e r s , fo gehören ihm auch alle Rechte def­

felben: denn Pflicht und Recht find unzer­

trennlich, '— find eins. A b e r —

Legt einem Sklaven alle Pflichten des Staatsbürgers auf, verfagt ihm dagegen alle Gerechtfame deffelben, fo habt ihr einen L e i b -

(27)

— 47ö —

eigenen. Nie gab ein Sklave in Griechenland und R o m von feinem Vermögen etwas her, die Bedürfniffe des Staates zu befriedigen.

A b e r wer trägt in Rufsland und Böhmen und überall w o Leibeigenheit herrfcht, neun Zfchntheile der A b g a b e n ? der L e i b e i g e n e .i s) N i e zogen die Sklaven Griechenlands und R o m s , oder die Negerfklaven in Amerika für den S t a a t ins F e l d : aber woraus beliehen

*) Aber iß das nicht viel meftr der Erbiet r dejj'elben ? „IVie meine Herren ? IFollen Sit etwa wieder daß in zurück, dafs ihr Mitbür­

ger kein Eigentft um ftq.ben könne? Sie befchwer r-en ficfi ja, immer darüber > dafs ifir Bauer ihnen fchuldig bleibe: wie kßnn er den, wenn er kein Eigentfaau /rat. — Erinnern fie ßti ivenigjlens an die Bejeftle von 1765 —: über deren Notfiue^digkeit 'jeder Edle unter iHneip errötyieU.

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die Heere Rufsiands etc. ? Faft ganz aus Leibeigenen. N i e endlich war ein Sklave anfafsig, nie war das Land, in dem er lebte, fein V a t e r l a n d , denn ein Sklave ift immer ein Fremder. D i e Leibeignen, hingegen be­

fitzen Ländereien, die fie nicht einmal auf­

geben dürfen; fie haben fo offenbar ein V a . terland, dafs fie -es nieht einmal verlaffen dürfen, dafs fie als Produkte deffelben be­

handelt und als Theile des A c k e r s , den fie befiellen, mit ihm öffentlich verhückert werden.

Leibeigene find niciit Fremde, alfo auch

nicht Sklaven. Sie find T h e i l e , Bürger des S t a a t e s , fo nothwendige Theile und Bürger deffelben, dafs er ohne fie gar nicht beiteheti kö.mte. Nehmt ihre Gewaltigen w e g , und er wird fortdauern, fich gewifs beffer b e ­ finden als vorhe». Nehmt die A c k e r s l e u «

(29)

te, die Leibeignen w e g ; — er ift vernich­

tet.

(2)

Sklaverei ift immer nur das Verhältnifs E i n z e l n e r zu E i n z e l n e n , fie mögen fo zahl­

reich feyn als fie wollen. E s ghet den Staat nichts an, da der leidende Tlieil nicht zu feinen Gliedern gehört. Sklaven befitzen, ift alfo nur eine A r t des Frivatvermögens. W e n n Rouffeau f a g t : einer Republik fey es faß notji w e n d i g , dafs ihre Bürger Sklaven be- f a f s e n , um ihre ganze Sorgfalt auf die E r ­ haltung der Freiheit zu w e n d e n , fo heilst das nichts w e i t e r , als, fie müfsten im Stande feyn, Fremden ihre befchwerlichen Privatge- fcbäfte aufzutragen ; fie müfsten , mit einem W o r t e , fie müfsten begütert feyn. D e n n , wenn fie llatt der Sklaven Glieder eines frem­

den Staatskörpers dazu mietheten (wie die Holländer die weftphälifchejj B a u e r n ) , fo wäre die Hauptabficht eben fo vollkonnen erreicht.

(30)

— 173 -

Nicht Sklaven a l f o , fondern Wohlhabenheit der Bürger ift einein freien Staate noth.

wendig. *)

Leibeigenheit hingegen ift das Verhält.

nifs oder vielmehr Mifsverhä'ltnifs eines S t a n . des zum andern, durch das der wichtigfte Theil des Staates .'dem überflüfsigften aufge­

opfert und ihm zwey Drittheile feiner Kraft und feiner Glieder geraubt wird. Sie dient nicht zu feiner E r h a l t u n g , fondern fie ift eine Unl'örmliclikeit, eine V e r k r ü p p e l u n g , — die Vernichtung deflelben. Sie ift nicht das Pri­

vat TUnglück eines E i n z e l n e n , fondern eine L a n d p l a g e , die fich von Feit und H u n g e r s . noth nur dadurch unterfcheidet, dafs fie ohne Nachlaß» ein halbes Jahrtaufend lang wütet

*) Ihr aber , Erbherrin , [ttji ihr Bürger eines freijen Staate*, t

(31)

—. 474 ~

und a c h ! ihre Schlachtopfer nicht einmal tödtet.

D e r Unterfchied fcheint mir fo wichtig, dafs ich ihn noch einmal wiederholen mufs.

Der S k l a v e ift immer ein F r e m d e r , eine ein­

zelne B e u t e , welche ein Glied des Staates von einem andern Staatskörper erlangte, gleichviel ob durch G e w a l t , Lift oder Kauf.

E r hat keine R e c h t e , weil der Staat feinen Dienft verfchmäht und ilnn alfo nicht frey fieht, fie zu erwerben. Den Leibeignen hin­

g e g e n z w i n g t m a n , fie zw. verdienen, um fie ihm hernach z u ünterfchiageii. E r ill aktiver Staatsbürger der Leißling n a c h , ja, er bezahlt fogar für feinen Nebenmann und diefer — nimmt dafür feine Rechte in E m ­ pfang. Man ftelle fich z w e e u Gefährten vor, von denen der eine zum andern fpräche: al­

les w a s ich v e r z e h r e , bezahleft d u , und da­

für jft alles m e i n , w a s du verdienfty Das

(32)

iß das Vt-.häiniifs zwifchen dem Erbherr»

und den Leibeigenen. —> Dem Sklaven wieder- fuhrniireiu U n f a l l , da er feine Freiheit verlor, hernach ift in politischer Rückficht alles in feiner Ordnung. Die Leibeignen aber leiden eine fortdauernde fürchterliche Ungerechtig­

keit. — Sie find, mit einem W o r t e , [ein Stand, der von feinem N a c h b a r geplündert ward. E r ift nackt, nicht weil er keinen Rock befitzt, fonderu weil fein Gefährte ihn iimhieng.

Aber wie war es moglieh, eine fo ent.

fchiedene und empörende Ungerechtigkeit z u b e g e b e n ? W i e durfte, wie konnte der Staat fie dulden, weuiglcens fortdauern lalfen ? — W i e ? Der Staat duldete fie, weil er felbftver­

nichtet war (3), undihre Fortdauer ward m ö g ­ lich durch des Lehnsfyftem. Nur neben dem eigentlichen A d e l und durch i h n , konnte es

(33)

L e i b e i g n e geben. — Aber ich mtifs mein*

Begriffe über den A d e l aus einander fetzen.

M a n hat feit einigen Jahren einen la'r- inenden Streit über ihn und feine Rechtmä­

ß i g k e i t geführt. Ich bin weder Metaphyfiker noch Politiker g e n u g , mich in denfelben mi»

fcheil zu w o l l e n , aber mich däucht doch, er läuft, wie fonft alle piiilofophifchen Bal­

gereien, auf eine Kleinigkeit heraus, in der alle einig feyn würden und die jedes Kind entfcheideu k ö n n t e , fobald mau nehmlich nur feftgefetzt h ä t t e , wovon man eigentlich rede. Ob der Adel r e c h t m ä ß i g , n o t w e n ­ dig etc. fey, alles das glaube icli, müfite fehr einleuchtend aus der Frage hervorgehen:

w a s ift der A d e l ? Man hat fie zwar beant­

wortet, aber fo vorübergehend, fo undeutlich, dafs gar keine A n t w o r t heffer gewefen wäre.

( 4 ) Ich will hier alfo aus einander fetzen, was m i r der Adel, nach Anleitung der Gefchichte zu feyn f c h e i n t : denn f i e , und nicht die

(34)

— 477 —

Metaphyfik glaubte ich befragen zu miifsen.

um zu erfahren, woher die Ruinen kamen, die noch immer fo manchen Staat entftelleri, und die Saat verdorren machen , fo weit ihr giftiger Schatten reicht; — f i e , Und nicht die G e g e n w a r t , um zu erfahren, Was die urfprüngliche Beftimmung eines Standes fey, an dem die plaftifche Hand der Zeitläufe feit zehn Jahrhunderten modelte. Seine Rec'ht- mäfsigkeit kümmert mich n i c h t , — wenn fl«

nicht aus feiner Beftimmung hervorgeht.

Durch eine auffallende und alles verwir­

fende Verwechselung hat man die Begriffe, E d l e , Optimaten und A d e l für gleichbedeu­

tend gehalten , und daher den letzten überall zu entdecken g e g l a u b t , unter den Hotten-

;..tten und Eskimoh fo gut, als in E u r o p a ; in Lacedämon und R o m fo g u t , wie in Teutfchland. Gleichwohl exiftirt er felbff jetzt nur n o c h , und z w a r unvollkommen,- in

(35)

der T ü r k e i , R u ß l a n d , P o h l e n , Böhmen und wenigen Gegenden Teutfchiaitdes. Mau braucht nur die Entftehung, Belrimmung und Verfaffung diefer drey Bürgerklaffen zu Un­

teraichen, um das einzufehen.

W o die natürliche Verfchiedenheit der T a l e n t e , Kräfte und Tugenden Statt fand, das heifst, Wo die menfchliche Gefeilfchaft ans Menfchen beftand, mufste es nothwen- dig L e u t e g e b e n , welche iich durch vor*

zügliche Eigenfchaften, vorzügliche Ächtung und vorzügliches Gewiclu: in den Volksver»

fatnmlungen erwarben. Ihr Rath ward Volks*

befchlufs, denn er war der weifefte, oder fie wufsten ihn'dafür gelten z u m a c h e n ; ihre Entfcheidung ward G e f e t z , denn fie war die g e r e c h t e f t e , oder fiefchienes doch; ihr Schild w a r der Sammelpunkt der Kämpfenden in der S c h l a c h t , denn ihr Schwerdt pflegte jtets in Vorderreiheu ztt blitzen und den

(36)

— 479 —

Sieg zu entfcheiden. Hurten diefe Bedin­

gungen a u f , verloren fie das Zutrauen der U e b r i g e n , fo • waren fie nicht mehr als fie.

Ihre Vorrechte waren die natürliche F r u c h t ihrer V o r z ü g e ; zugeftanden hatte man fie ih­

nen nicht: fondern wie der Längfte über die Kleinern wegfieht, ohne dafs man es ihm zu erlauben braucht, mnfste der Wcifefte, R e c h t - fchaffenfte, T a y f e r f t e , am meiden geachtet w e r d e n , ohne alle Abmachung, eben weil er der Weifefte e t c . w a r .

N i c h t Mafchinen der Politik, nicht Gefchöpfe eines Gefetzes waren diefe M ä n n e r , fondern reine Produkte der N a t u r , ans deren Händen fie mit ihren gruftern F.igenfchaften auch ihre erhabnere Beftimmnng erhielten. Sie mach­

ten eigentlich keine beiöudere B i l r g e r - k l a f f e a u s , obgleich fie eine befondere M e n fc h e n r e i h e w a r e n ; auch konnten natürlich ihre Kinder nichts von ihrem A n .

(37)

felien erben , wenn fie nicht ihre Tugenden geerbt halten. Umfchimmerte gleich der N i m ­ bus eines g r o ß e n Vaters noch auf einige Z e i t den kleinen S o h n , fo diente er doch nur d a z u , die E r w a r t u n g , niclit die Huldi­

g u n g des V o l k e s auf ihn z u lenken. — E r ­ kennt ihr hier eure A d l i c h e u ? — Gewifs n i c h t ! E d l e waren es, und dergleichen gab und giebt es freilich überall, felbft j- * im Vertrauen g e f a g t , — unter euren Leibeige­

nen und z w a r nicht fo feiten, als ihr glaubt.

Wo ein weifer Gefetzgeber verhindern

w o l l t e , dafs entweder die Regierung den Souverain fpielen oder das Volk bey jedem Anfall übler Laune in der Regierung die Verfaffung umwerfen follte, Hellte er zwifched beyden eine Bürgerklaffe auf, die vorzüglich dabey interffirt w a r , die einmal eingeführte Ordnung der D i n g e zu behaupten und alfo

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— 4 ä i —>

beyde Theile an. ihrer Stelle feft zu hal­

ten. *)

Indem er ihr Intereffe mit dem der R e - gierung und auch mit dem des V o l k e s ver­

knüpfte, fitiiirte er fie fo, dafs fie bey jedem Unrecht, das einer der beyden Parteyen wie»

derfuhr mitlitt und alfo nothwendig die Par­

tie des S c h w a c h e m ergreifen mufste. Damit

B) Quelli che prudentemenle ordinano leggi,

elejjero un modo che partecipajfe di tutti, giudi- eandolo piü ftrmo e flabite* perche tum guarda Valtro, /endo in wia medefima citta U Pria- eipe, gli Qitimati ed il governo Popolare. Tra quelti che hanno per fimili coflitazioni meritate piü lade, i Licurgo, il quäle ordinh in modo

le fue leggi, jhe dando le parti fue ai Re, agli Ottimali ed al Popolo fece uno ßalo ehe durb pik che ottoeento anni etc. Macihitt*

v.etli. Hiß* Lib, J.

H b

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üe ihre Beftimmung kraftvoll erfüllen könnte, verfezte der Gefetzgeber die wohlhabenden und angefehenften Familien in diefelbe. Da.

mit ihr Wirkungskreis auf immer und un}

abäuderlich beftimmt fey, machte er fie e r b . lieh. ( 5 } Da haben w i r den A d e l ! „ ruft ihr. N i c h t d o c h ! F r e y l i c h w a r diefer Stand,

— den ich im allgemeinen Optimatenftand nennen will, — ein politifches Inftitut, fi»

,gnt wie der A d e l , aber welch ein Abfland i n der N a t u r und der Beltimmmig beyder.

Jn keiner Rücklicht befa&en die Optimaten die G e w a l t der Regierung über ihre Mitbür.

g e r : aber fie hatten die Macht, den Misbrauch der fiirftlicheu z u verhindern. N i e reprä- feutirteu fie den Souverain, d. h. das V o l k :

# b e r da fie ein TheJl deffelben w a r e n , machte i h r e Zuftimmung erft die Befchlüfse deffel.

4>en zu Gefetzen. S i e w a r e n m e h r a l s M o f s e S t a a t s b ü r g e r , d a m i t d i e

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- 433 -

ü b r i g e n f i c h e r w ä r e n , n i e w e n i ­ g e r z u f e y n : und darin werdet ihr ficher Wieder nicht den A d e l erkennen. *) Sie w a ­ ren Bürgen für die gegenfeitigen R e c h t e der Regierung und des V o l k s und für die F o r t ­ dauer des Staats. D e r wahre A d e l hinge­

gen follte dem Fürften ganz etwas anders verbürgen.

W o ein despotifcher Eroberer lieh feinq unbefchränkte.Macht und die fklavifche U n ­ terwürfigkeit der Unterjochten fichern wollte, f c h u f e r d e u A d e l ; d. h. um die Werkzeuge feiner Eroberung auf immer an fein Inter- effe zu knüpfen und fie zur Aufrechthaltung feiner fo genannten Eroberungsrechte zu be­

siegen, liefs er fie Theil an dem Genufs der»

*) Neltmlith den wahren Adel, wie er bey

feiner Errichtung war. Font englißhen, fehm, difchen etc. fprethe ich nicht.

H h a

(41)

— 484 —

felben nehmen. E r fandte fie aus unter das niedergetretene V o l k , in kleinern Diftrikteu z u tyrannifiren, wie er es im ganzen Reiche that, behielt fich aber auch feine Herrfcher­

rechte über fie felbft v o r : er blieb P r o t o - D e s p o t .

Ich werde unten ein viel älteres B e y . fpiel anführen, aber hier will ich nur bey den fränkifchen Eroberern , den eigentlichen Siftern des europäifchen Lehnadels, ftehen bleiben. Man denke fich in die L a g e Cliil- derichs oder Meroväus nach vollendeter E r ­ oberung, w e l c h e Einrichtujngen wird er tref.

f e n ? E t w a eine begünftigte Bürgerklaffe auf.

•ftellen, die feiner bis jetzt unbefchräiikten G e w a l t über die unterjochte Nation Schran­

k e n fetze und den Misbrauch derfelben hin­

d e r e ? N i c h t doch ! D e r erworbenen Länder und S k l a v e n nach feiner Phantafie und in Sicherheit z u geniefsen, ift feiu,; vornehm-

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— + 8 5 - r

der Z w e c k . A b e r es ift nicht die Sache eii r ^ einzelnen M a n n e s , den Geift einer g r o - fsen Nation in einem weiten Lande fortdau­

ernd nieder zu halten: dazu braucht er auf- nierkfame, thätige Gehiilfen und eine ßets gerüftete Kriegsmacht. Hier mufste fish ihm

«lifo ein Mittel darbieten, durch das er noch dazu feinen Waffenbrüdern die verfproche- iien Belohnungen ertheilen -konnte. A u f die Bedingung, beym erften Aufruf zu feiner .Unterftützung herbey zu eilen, ertheilte er j e ­ dem Anführer eine P r o v i n z , mit dem R e c h t , dort z u herrfchen, wie er felbft, mit könig- . licher Gewalt, das heifst, nach dem w i l d e *

Eroberungsrechte. Jeder Herzog verfuhr mit feiner Provinz eben f o ; jeder Unterbefehls.

h a b e r , viele gemeine Streiter fo gar beka«

w e n einen Theil der Ureinwohner zum E i ­ gen thume; jeder erhob nach Gefallen A b ­ g a b e n und Leiftungen, übte das R e c h t über

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— 4«« ~

|L«ben und T o d , das jus primae1 noctis und alle die Scheusliehkeiten aus, die uns fabelhaft fcheinen würden, wenn einzelne Ueberbleib.

fei nicht ihr voriges Dafeyn zu unlaugbar b'ewieFen. — D e r A d e l war gebohren und cTie leidende Mehfchheit feyerte feine G e b u r t durch A e c h z e n und W e h k l a g e n bey feinen Geifeihieben.

A l s die Franken unter Karl dem G r o - fsen ihr altes Vaterland, Teutfchland, erober­

ten, führten fie ihr Meifterfyftem der Tyran- ney, die Lehnsverfäffung, auch hier ein. V o n dort gieiig es nach Dännemark ü b e r , mit Willhelm dem Normaiin nach England und mit der Münchs - Religion n a c h . Freufsen, C u r - L i e f - und Efthländ. Durch ein politifch- religiö'fes Tafchen/piel wollte der Bifchof A l b e r t von Apelderen den Eifenftab der welt­

lichen Eroberer an fich bringen. E r erflehte vom Pabft und Kaifer für feine Neubekehr«

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— 4*7 —

« i i den Segen lehensmäfsiger Erbherrlichkeit

— zum Dienft der Jungfrau Maria. A b e r das Inftrument w a r für die weiche kraftlofe Hand der Geiftlichen z u rauch und g e w a l - i i g . In kurzem waren die Ritter Herren de3 L a n d e s und — der Bifchöfe. Liefland erlag unter allen Uebein der Lehensverfaffung, ohne dafs irgend ein Lehnsherr Vortheil da­

v o n z o g .

N a c h diefen Erörterungen wird, glaub' ich, der Unterfchied zwifchen E d e l n , O p t i ­ malen und A d e l einrichtend] feyu. Sie g e - nolfen alle ähnliche äufsete A u s z e i c h n u n g e n im S t a a t e , weil er überhaupt nicht fehr mannigfache Gaben zu fpeiulen hat: aber ihre Eutftehung und Beftimmung fetzt fie i » eine, ungeheure Entfernung von eiliander.

E d l e find,: ich widerhole e s , Produkte der N a t u r , d u r c h p e r f ö n l i c h e E i g e n « f e h a f t e n v o r z ü g l i c h e B ü r g e r ,

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«— 4SS —

d u r c h p e r f ö n l i c h e E i g e n f c h a f t e * d a z u b e f t i m m t , d i e L e i t e r k l e i n e r e r M e n T c h e n z u f e y n und an dem W o h l de*

Staates kraftvoll z u bilden. — Optimaten find Gefchö'pfe der Gefetze, vorzügliche BUr«

ger durch Bewilligung des Staates. Sie leiften der R e g i e r u n g für ihre gefetzmäfsige Macht und dem V o l k e für die Unverletzlichkeit feiner S o u v e r ä n i t ä t und feiner Bürgerrechte G e w a h r . I h r D a f e y n v e r b ü r g t d e m S t a a t e f e i n e F o r t d a u e r u n d d i e U n - T e j j b r ü c l i l i c h k c i t d e r G e f e t z e . —•

D e r A d e l h i n g e g e n , oder richtiger z u fpre- t h e n , der Erbherrenftand war der Beamte des D e s p o t e n , u n d b ü r g t e d i e f e m d a ­ f ü r , d a f s f e i n R e i c h n i e e i n S t a a t w e r d e n , f e i n e S k l a v e n n i e B ü r g e r « r e c h t e h a b e n , n i e e i n G e f e t z k e n -

« e nvf o l l t e n , a l s d i e W i l l k U h r d e s E r o b e r e r s , E r empfieng einen Theil de»

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Beute um für die Sicherheit des Uebrigea zu kämpfen. E r w a r das J o c h , das der D e s p o t auf den N a c k e n des Volkes legte, damit es fich nie erhöbe. E r repräfentirte den Despoten bey der N a t i o n , und follte dafür die A r m e e deffelben feyn. ( 6 ) Dia' Erbherren thaten das erftere, aber dem L e t z ­ tern fucIlten fie fich bald zu entziehen: diefs löst uns das R ä t h f e l , woher der A d e l in T e u t f c h l a n d , E n g l a n d , Schweden und andern L ä n d e r n , w o keine Leibeigenheit mehr ift*

feine urfprüngliche Geftalt fo fehr verändert

hat.

A l s nehmlich die Lehen erblich g e w o r ­ den w a r e n , als die Befitzer derfelben ihr Intereffe von dem des Fürften trennten, u n ­ abhängig zu werden fachten und ihren G e - horfam verfagten, fahen diefe fich g e z w u n ­ g e n , eine andre Stütze zu fliehen. S i e e r - richtiten flehende A r m e e n (7) und machten

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— 4?» —

fo den Heerbann u n n ü t z . Der Adel behielt alfo R e c h t e ohne entfprechende Pflichten z u t r a g e n , und die Fürften mußten fehr bald b e ­ m e r k e n , welch ein gefährlicher Uebelftand diels fey. Sie ergriffen jede Gelegenheit, ihn z u f c h w ä c l i e n , gaben der eigentlichen N a ­ tion allmählig ihre urfprünglichen Rechte Wieder, hoben endlich die Leibeigenheit auf und vernichteten auf die A r t wirklich den A d e l . D i e E d e ü e u t e z w a r blieben, aber dt fie j e t z t mit dem V o l k e wieder in eins g e - fchmolzeu w a r e n , fo bildeten fie, ohne es z u w o l l e n , eine A r t von Optimatenftand, — den der Bürger nur deswegen mit fcheelen A u g e n anfleht, weil er noch nicht g a n z ift, w a s er feyn follte: denn nicht überlegte G e ­ fetze , fondern der Zeitendrang hat den teut- fchen etc. A d e l z u Optimaten veredelt. W a s ihm noch von dem eigentlichen Wefen der Erbherrlichkeit übrig ift, verdient, wie e s

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mir f c h e i n t , den L ä r m n i c h t , den man d e * . halb macht. Obgleich feine V o r r e c h t e nicht, w i e Rouffeau b i t t e r f c h e r z t , nur darin befte«

n e u , dafs Edeileute nicht gehangen werden, fo find fie doch nur R a i n e n der alten R a u b ­ veite. Sie werden von felbft verwittern, w e n n man fie nicht zu einem befferu Gebäude v e r w e n d e t , w i e in England und S c h w e d e n jefchah.

N i c h t überal verfuhren die Flirrten fo.

M i t einer fonderbaren Inkonfequenz, hörte man auf, von dem Eibherrn die beftimmten Dienfte z u fordern und liefs ihm doch die fchrecklicheii Ungerechtfamen, die den L o h n

für diefelben ausmachten. Und w a s find die Erbherren dort? M a n fehe z. B . auf Lief­

land , und es wird einleuchten, dafs fie ein abgeftorbenes Glied des Staates find, das nur durch feine Schwere noch w i r k t ; oder v i e l ­ m e h r eih Staat im S t a a t e , der dem Fürfte«

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— W ~

Juchts nutzt und deffeu Intevefle mit dem .der Übrigen Stände nichts gemein hat. Sein J)afeyn ift mit dem ihrigen verknüpft, aber fein Wolilfeyn ift fehr von dem ihrigen ver- fchieden. — E s ift der Zufammenhang der L i a n e mit dem B a u m e , den fie umfchlang.

W ü r d e er vernichtet, fo müfste fie verdorren:

aber je prachtvoller fie grünt, defto ftärker fanlt er.

Ich bin fo weitläaftig über den A d e l g e w e f e n , dafs ich es wenigftens für kein n e u e s Verfehen h a l t e , wenn ich noch einige liiftorifche Bemerkungen hinzufüge , die , fo dürftig fie auch ausfallen m ö g e n , vielleicht Manchem Lefern willkommen feyn werden.

D e r ältefte Lehnsadel — wenigftens kenne ich keinen frühem, ift eine Geburt de»

O r i e n t s , w i e man aus feiner Befchaffenheit beynahe fchon fchliefsen könnte. A r t a x e r x e s , der Zerftärer des parthifchen Rei»hes und

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— 493 —

Stifter des mittlem perfifclienj fand PartldeH in z w a n z i g erbliche Satrapien zertheilt, w e l ­ che Abkömmlinge der Arfaciden befafsen.

E r zerftörte fie und zerftückte dafür, unge­

fähr im Jahre C . 240. das eroberte Land in fehr viele L e h n g ü t e r , die er « g e n a n n t e n perfifchen Edeln mit der Bedinnnng ver­

lieh , die Bewohner im F a l l eines Krieges feinem Heere zuzuführen.

E b e n diefe Einrichtung exiftirt noch j e t z t bey den Türken. D i e Lehensträger heifsen Timariotenl; ihre Beiehnung ift aber meilten-

theils nur lebenslänglich.

W i e das fränkifche Lehensfyftem entftand

«nd fich fiber Europa verbreitete, hat man oben gefehn. Bey den SlaviXchen Völkern fcheint es aber eine andere Quelle gehabt zu haben. In Pohlen ( 8 ) wenigftens e n t ­ b a n d der A d e l nicht durch den K ö n i g , fon- dern der König durch den A d e l . D i e S c z u »

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— 494 —

panen oder kleinen Füriten fanden fich durch K r i e g e in der N o t w e n d i g k e i t , ein gemein- fchaftliches Oberhaupt z u wählen, und durch 4 i e M a c h t , welche diefe allgemeine V e r b i n .

•düng verlieh, waren fie im Stande, ihre U n - jtertbanen bald als E i g e n t h u m , als Leibeigeue z u behandeln. —

D i e rufsifchen Optimalen wurden nur zufällig Erbherren. A l s nehmlich Iwan Waf- liliewitfch T? im i ß t e n Jahrhunterte Cafan

« n d Aftrakau erobert h a t t e , wanderten die jrufeifchen Bauern fchaarenweife nach diefen gefegneten L ä n d e r n a u s . D e r C z a r fah fich ftlfo g e n ö t h i g t , das A u s w a n d e r n überhaupt z u verbieten und damit dies V e r b o t gehalten w u r d e , fugte er h i n z u , dafs die Landleute ihren W o h n o r t nicht verändern follten. D i e F o l g e davon w a r , dafs die Gutsherren ihre Pächter bald als Theile des Gutes felbft b e . trachteten,

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— 4 9 5 —

Aehuliche Urfachen gaben den Schwerdt»

brüdern den V o r w a n d , die bekehrten freien.

L e t t e n erft an ihre Heimath zu feffeln, und bald fie wie Stücke ihrer Heerde einzeln oder in Schaaren z u verhö'ckern.

D e n rechtmäfsigften A d e l , weil man ihn doch fo nennt, in E u r o p a , bilden die vene»

tianifchen Nobili. Macchiavell giebtfeine E n t - ftehung folgendermaafsen an. A l s fich die Flüchtlinge in den L a g u n e n einte beftimmte R e g i e r u n g gegeben h a t t e n , ertheilten fie a n ­ fangs jedem Neuankommendeii ohne S c h w i e .

» rigkeit das Bürgerrecht. Indefs ward dieAn»

zahl derfelben fo grofs, dafs die alten Bürger fürchten m ü f s t e n , ihre Verfaffung würde für die V o l k s m e n g e nicht mehr paffen. Sie ver­

wandelte» fich alfo in einen gefchloffenen K ö r ­ per und die nachher ankommenden F l ü c h t ­ linge hatten die W a h l , blofs als Gäfte und B e - fchützte in Venedig zu l e b e n , oder weiter 3M

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* - -49« —'

gehen. Demungeachtet wuchs ihre Zattl bald felbft z u einem V o l k e an, _ und zur U n t e r . fcheidung von diefem n e u e n , nannten fich die Glieder des alten, N o b i l i : denn aus ihnen al­

lein werden die obrigkeitlichen A e m t e r befetzt, eine B e f t i m m u n g , z u der fie vollkommen be­

r e c h t i g t w a r e n . —

D i e Gefchichte des Lehnadels ift auch g e - wiffermaafsen die der Leibeigenheit, denn oh­

ne fie w a r er nicht m ö g l i c h ; das mag meine E n t f c h u l d i g u n g feyn filr diefe lange Digreffion über den eigentlichen A d e l , Ich gehe itzt zu einem wichtigeren Gegenftand Uber, nehmlich z u den W i r k u n g e n der Leibeigenheit. U m zu begreifen, wie nothwendig es f e y , ein Uebel fortzufchaffen, braucht man nicht fowohl z u erfahren, woher es k a m , als was es für F o l ­ g e n hat.

D e r Effect der Leibeigenheit lafst fich v o r ­ züglich i n d r e y Rückfichten-betrachten: Wie

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— 497 —

•wirkt fie auf den Leibeigenen felbft? wie auf die E r b h e r r e n ? W a s wird der Staat durch fie? Ich werde die Ordnung diefer F r a g e n beibehalten, denn fie ift die natür- lichfte. Die Beantwortung der zweiteu folgt aus der erften, und der letzte Punkt ift das Refultat beider vorgehenden.

W i e wirkt fie auf den Leibeigenen felbft ? Fürchterlich'. W e l c h e s Gemälde werd' ich dem Lefer aufftellen muffen, und wie beugt es mich nieder, dafs ich die Züge zu d e m - felben von meinem Vaterlande entlehnen m u f s !

E i n ganzes leibeigenes, der Menfchen- rechte, der Menichheit alfo beraubtes V o l k : welch ein Anblick'. Vergebens biete ich Wirk«

lichkeit und Phantafie auf, mir ein G e ­ genbild zu leihen. Nirgend gleicht ihm etwas an furchtbarer Scheußlichkeit. Selbft nicht das Todtengefilde des hebräifchen S e «

I i

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hers. *~) weit hin flog fein Blick Uber im«

ermefsliche Ebenen. Ueberall traf er a«<' wimmelndes Leben und Regfamkeit. A c h ! E s war lebendes, r e g e s , wimmelndes T o d ­

tengebein. — A b e r diefe Gebeine erftanden 2U befserem L e b e n ; jene Lebenden find mo- ralifch T o d t e auf ewig. Selbft nicht Klop- ß o c k s gräfslicher, hü'llifcher Triumph über die Hölle. M ä c h t i g e , hehre , eiiift liebens­

würdige DSmcmen werden in kraftlofe ekei- Jiafte Gerippe verwandelt, fchwinden zu u a - mächtigen Undingen zufammeii. — Sie tra­

gen die Strafe ihrer Schuld. A b e r was ver­

brachen die L e i b e i g e n e n , dafs der ediere T h e i l ihrer Menfchheit vernichtet,•dafs ihr D a f e y n ihnen zur Folter gemacht wird:' — M e i n e Brüder! Sollten wir ihr Elend nicht mildern k ö n n e n ?

») Etethiei.

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W e r die W i r k u n g e n der Leibeigenheit k e n n t — und die Erbherrn haben fie ja tag*

lieh v o r A u g e n — ' . ich begreife n i c h t , wie der nicht efrö'thet, w i e er nicht glühet vor S c h a a m , wenn man ihn als einen Erbherrn erkennt. Denn w a s ift die Erblierrlichkeit?

E i n e Eiterbeule an dem Körper eines S t a a ­ tes. — Ich habe viel g e t a g t , aber ich.werd«

es beweifen. N u r die Wirklichkeit bedarf ich abzufchreiben, und mein Verfprechen ift gelöft.

V o n der ftets gefchwenkten Peitfche des Treibers begleitet, beginnt der L e i b e i g e n e in früher Jugend — die fchwere E r o h n , die erft im Grabe endigen wird. E h feine kin- difche R e c h t e Stärke genug h a t , den Pflug sa leiten oder den Schlegel zu heben, w i r d er fchon herbey g e z e r r t , alle Kraft feines künftigen Mannesalters für feinen G e w a l t i g e n jtn v e r g e u d e n , und wenn er das zitternd«

I i »

1

(57)

H a u p t als Greis faft nicht mehr tragen k a n n , erlaubt man ihm k a u m , in Ruhe dem G r a b e entgegen z u k e u c h e n : denn treibt der Erbherr ihn nicht, fo thut es die N o t h . Sein g a n z e s Leben ift e i n fchwiller Erndtetag, deffen G e w i n n in den Beutel feines T y r a n ­ n e n fällt. E r kennt nur B e f c h w e r d e n , und fein E r w e r b ift H u n g e r , den das fegenreichfts Jahr k a u m in halbe Sättigung verwandeln k a n n . Unerfchöpfliche Reichthiimer erwirbt er dem L a n d e , aber er ift g l ü c k l i c h , wenn ihm v o n denfelben nur fo viel gelaffen oder zugeworfen w i r d , dafs er fein W e i b , feine Kinder nicht blofs mit Spreubrot fättigen, n i c h t blofs in Lumpen hüllen kann. E r hat ein V a t e r l a n d , aber es ift ihm ein Gefäng- n i f s , ein F o l t e r b a u s , das er nicht verlaffea darf. E r hat eine H e i m a t h , aber er ift nur das Produkt derfelben, das fie für feineu Gewaltigen nutzbar machen miifs. ( 9 ) E r

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befitzt eine Hütte — oder vielmehr eine»

rauchigten Stall mit feinem Viehe'gemein, — Ins es dem Erbherrn gefällt, ihn heraus z u jageu und fie einem andern zu übergeben mier fich felbft zuzueignen. Sein W e i b g e - hört i h m , wenn es nicht fcliön genug ift, die Lüfteroheit des Edelmannes z u r e i z e n ; feine Kinder hat er nur e r z e u g t , damit jener nach feinem Tode in den Sö'hnen neue Laftthiere, in den Töchtern neue Beyfchläferiunen finde, w e n n fein Weib veraltet ift. Selbft fein K ö r - per bleibt nur gefund, wenn der Erbherr ihn gütigft niclit zum Krüppel peitfcben läfst.

E r giebt einen anfehnlichen Theil feiner a r m - (eli£en Habe zur Erhaltung des Staates her, deffen Beftehen ihm nur die Unabänderlich- keit feines Jammers und feiner Rechtlofig- keit zufichert. E r k ä m p f t , er fällt für ihn, und doch wird er nicht einmal für einen T h e i l deffelben gerechnet. ( 1 0 )

(59)

D a s ift der Zuftand des wahren L e i b ­ e i g n e n , w i e er iu P o h l e n , L i e f - E f t h - u n d Curland noch wirklich exiftirt. D a s U n g e ­ h e u e r , das ein fchätzbarer Schriftfteller ( S . Ueber Humanität, L e i p z i g 1 7 9 3 . ) noch kürz­

lich für unmöglich erklärte, das W e f e n , das mir Pflichten und keine R e c h t e h a t : feit ei­

ner langen Reihe von Jahrhunderten ift es d a , ohne dafs man es eines aufmerkfamen mitleidigen B l i c k s würdigte. Buchftäblich nach Rouffeau, liehte man feine Nachften in A m e r i k a , den N e g e r , und tlberfah feinen N a c h b a r .

Noch empörender als diefer politifche Zuftand des Leibeignen find feine Wirkungen auf den moralifchen Charakter und den Geift deffelben. E r verunftaltet den erften, er lähmt den letzten. D a v o n belehrt uns fchon das Aeufsere des U n g l ü c k l i c h e n . In Lumpen geht er aus A r m u t h , aber den lahmfcbenk-

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— 5 0 3 — .

IjcIlten G a n g , den hängenden Kopf, dasfcheue Wefen in G e g e n w a r t feines G e w a l t i g e n , der iiiiftere feelenlofe B l i c k , das hündifche S t i e - felkiiffen etitfprlngeu aus feinem Charakter.

T e r Ehre jeder A r t unfähig e r k l ä r t , hält er es nicht der Mühe wertb, irgend eine E i g e n . fchaft zu erwerben, deren Lohn fie ift. E r ift niederträchtig, fobald eine A u s f i c h t auf den geringften G e w i n n , oder F u r c h t ihn reizen. E r ift heimtiickifch und bofshaft, weil er ftündlich Unrecht aller Art dulden;

m u f s , ohne auch nur Unzufriedenheit äufsern zu dürfen. E r ift f e i g e , weil mau ihm u n ­ aufhörlich als einem Nichtswürdigen b e g e g ­ net , und er hülflos vom der Hand des hab- gierigften und giaufarafteii Eigenwillen» b e - ätigftiget wird. E r ift t r ä g e , denn für fich etwas mehr als Spreubrot erwerben, läfst- man ihm nicht Zeit, oder e s wird bald freye Beute feines Gewaltigen. E r ift diebifch und

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— j04 —

l ü d e r l i c h , w e i l er immer darbt und es Be- dlirfnifs des Menfchen ift, zuweilen feines E l e n d s vergeffen zu können. Mit eiuem W o r t e : er ift ein V e r w o r f e n e r , weil er ein Leibeigner ift. W o l l t ihr wiffen, wozu ein Menfch durch V e r l u d der Freiheit herab.

unken k a n n , fo hört n u r , wie die Erbher­

ren felbft den Leibeigenen fchildern. Dafs er, w i e fie fagen, ein Scheufal von Ladern fey, ift w a h r ; dafs fie ihn aber dazu gemacht haben, ift es noch viel mehr.

B e y M e n f c h e n , deren höchfte Anftren«

g a n g nicht hinreicht, ihnen Menfchenrechte z u verfchaffen, darf eigentlich von Geift und A u s b i l d u n g deffelben gar nicht die Rede feyn.

Inftinktmäfsig fühlen fie, dafs Kenntnifs und N a c h d e n k e n , ohne mögliche Mittel ihrem Elende zu e n t g e h e n , fie nur unglücklicher machen müfsen: daher ift eine fein erfonne.

ue Spitzbilberey die hö'chfte Blüte ihres V e x «

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ftandes, und hierin erregen fie oft Erftaunen.

W a s könnten d i e f e . L e u t e nicht f e y n , wenn fie Menfchen wären. W i l l man eine e n t - fcheidende Probe , welche Kultur Leibeigeu- heit erlaubt ? Die niedrigflen Klaffen der Teutfchen find in Liefland eifrige Lefer äft- hetifcher Produkte aller A r t ; die Letten und Efthen dagegen, feit fechs Jahrhunderten Chriften, haben in ihrer Sprache kein W o r t für — T u g e n d ! ( n )

„ D i e Leibeigenen follen unglücklich f e y n :

„und doch fcheinen fie es felbft nicht z u

„fühlen. V i e l e werden G r e i f e , ohne einen

„emften Schritt z u E r l a n g u n g der F r e y -

„ h e i t zu thun. N o c h m e h r ! Seht das G e ­ t ü m m e l in ihren S c h e n k e n , bey ihren Hoch­

z e i t e n und Taufgelagen und fagt, ob

„diefe vor Freude kreifchenden Menfehen iin-

„glücklieh find." Ich antwortete: S o lauge die Verworfenheit ihres C h a r a k t e r s , ihre m o .

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- - $o6 —

ralifche A p a t h i e , die rtumpfe Befchränktheit ihres Geiftes notorifch ift, fo lange find fie e l e n d , auch wenn fie nie Verlland genug hatten, es zu fühlen. A b e r fie fühlen es, fühlen es fehr tief! Ihre F r e u d e n ? Nun j a , auch der Leibeigene freut fich über irgend einen Z u f a l l , w i e der Gefangene über einen S o n -

«enftral, der in feinen Kerker fällt. E i ­ gentlich fröhlich ift er aber n i e , als wenn er - in Schenken, bey Hochzeiten und Tauf- gelageu — feine Halbgedanken nur noch Rammeln k a n n . W e g alfo mit dem S o p h i s m ! A u c h der Blödfinnige lacht in feinem Jam­

mer und dieXhränen der empiindungslofefleii Zufchauer antworten ihm. Werdet ihr ihn glücklich preifen, dafs er f o lachen k a n n ? Dafs die Leibeigenen au ihrer Kette tanzen, dafs fie fich f o f r e u e n , d a s , eben das zeigt ihre entfetzliche Degradation.

Ich komme itzt z u einem andern eben-

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— j e : —

fo wichtigen Punkte, W a s find die Wirkun»

gen der Leibeigenen auf die freien S t ä n d e ? D i e eines Verwefetiden auf L e b e n d e : V e r . p e f t u n g . W i e im menfchlicben Körper die Befchädigung eines Gefäfsfyftems die S c h w ä . chung der andern, Kraftlofigkeit iiherberhaupt nach fich zieht, mufs im politifchen dieerzwun«

gene Nichtswürdigkeit einer Bürgerklaffe eine halb freiwillige Depravatioh der übrigen b e . wirken. W e n n die eine Pflichten bat, ohne Rechte zu h a b e n , fo mufs die andere noth«

wendig Rechte h a b e n , olme entfprechende Pflichten zu tragen. Diefer Zuftand ift nicht weniger unnatürlich als jener: er mufs alfo auch eben fo nachtheilige F o l g e n haben. Das lehren uns Vergangenheit und Gegenwart mit furchtbarer Unwiderlegbarkeit, und die Urfa- chen wurzeln tief im menfchlicben Herzen.

Die Leidenschaften wirbeln die Menfchen fo unaufhaltfam in ihrem Strome dahin, dafs

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— JOS —

es lauter Ungeheuer von Brutalität geben w ü r d e , wenn die äußrem Lagen jenen nicht entgegen wirkten. In einer guten bürgerli­

chen Gefellfcbaft ward jedem Druck ein G e ­ gendruck entgegen g e f e t z t : daher find die civilifirten Nationen menfchlich und milde.

N e h m t ihn h i n w e g , l a ß t jeden ungeftraft thun k ö n n e n , w a s er will, und jeder ift T y . rann fo weit feine Kraft reicht. Ich weifs w o h l , dafs dies gegen die A l l m a c h t ftreitet, die man der Geiftesbildung zufchreibt. Ich weifs wohl, dafs die Eigenliebe jeden G u t e n u n d Sanften überredet, er fey v o n Natiir fanft und g u t , denn nur wenige find gegen fich felbft fo offenherzig als Swift. (12) A b e r die E r f a h r u n g widerfpricht der gefälligen Schmeichlerimi. W o h e r fonft fo v i e l e , die im niedern Stande Menfchenfreunde waren, und im höhern hartherzige Despoten w u r ­ d e n ? W o h e r fo viele arme Tugendhafte', die

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\

— 5 0 9 —

der Reichthum lafterhaft machte? Woher di«

Umgeftaltung liebenswürdiger Jünglinge in haffenswerthe Männer ? D e r heilfanie G e ­ gendruck von aufsen hatte aufgehört. W o ­ her endlich der Widerfprnch in den H a n d . hingen e i n e s Menfchen, je nachdem der ift, mit dem er zu thun h a t ? Cato der Cenfor, das Muffer der Gerechtigkeit und T u g e n d , in dem, noch tugendhaften und gerechten R o m , verkaufte die S k l a v e n , die in feinem Dienft vor A l t e r unbrauchbar geworden w a ­ r e n , öffentlich auf dem M a r k t e : ein V e r f a h . r e n , das fich izt kein Gutdenkender g e g e n feine veralteten Pferde erlaubt. — E i n S o - krates h i n g e g e n , der feinen Sklaven nicht flraft, eben w e i l er im Zorn ift, ift in die- fer R ü c k f i c h t , wie in jeder andern, ein z u feltenes Phänomen, um in Anfchlag gebracht z u werden.

Gebt einer Nation Sklaven, Mitmenfchen,

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die der Willkühr ilirer frUhefien Jugend fchon mit niedriger Bereitwilligkeit frö'hnen niüfsen;

iafst ihre Kinder mit der Bequemlichkeit auf.

Wacbfen, an ihres Gleichen ihre Leideufchaf- ten mit wilder Uiigezkhmtheit auslaffcn zu dürfen, und feht welch einen Charakter fie annehmen wird. Gebt einer Nation Sklaven und lafst alles andere auf ihre Bildung b i n . Wirken: ihr werdet einen Haufen manierli­

c h e r , wedelnder T i g e r haben.

E i n auffallendes Beyfpiel davon gaben i m Alterthume die R ö m e r . Sie hatten im ihre Hauptfiädt alle Geiftesblüthen aller g e ­ bildeten Nationen verfammlet. Künfiler und Kitnftwerke, Wiffenfchaften und Gelehrte und Dichter* alles flofs aus S y r a k u s , Corintli, Athen und Alexandrien in R o m zufammen.

D i e Meifterwerke der Griechen waren die allgemeine L e k t ü r e , und R o m felbft hattt fchbn Geiftesprodukte geliefert, die mit je»

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— JII —

*) Senat. Co»/. SMan*

nen wetteiferten. A u c h eine weiche Lebens­

art Ii Ii d afiatifrhen L u x u s hatten feine Heere fchon in Alien erbeutet. A b e r lafst uns fe- hen, welch einen F.influfs das auf ihren Cha­

rakter hatte. A l l e s , ihre Gefetze wie ihre V e r g n ü g u n g e n , athmeten Wildheit und Blut»

dürft.

Sie hatten vortrefliche Gefetze in R ü c k ­ licht auf die B ü r g e r : aber eben diefe Gefetze befahlen bey allen Proceffen die Sklaven, äie etwa Zeiignifs geben konnten, zu foltern«

auch wenn fie freywillig f a g t e n , was fie wufsten. Ohne F o l t e r ward ihr Zeugnifs nicht für vollgültig angefehen. Sie befahlen, wenn ein ru'mifcher Bürger in feinem Haufe ermordet wnrde, alle Sklaven, <iie in feinem Hanfe w o h n t e n , hinzurichten, fie mochten fb unfehuldig f e y n , als fie wollten. *) S o

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koftete der T o d eines einzigen römifchen B ü r g e r s , wie T a c i t u s e r z ä h l t , einft vierhun­

dert Sklaven das L e b e n , obgleich fie keinen Antheil an feiner Ermordung hatten.

D i e Römer gaben GaftmaMe, bey denen alles erfchöpft w a r , w a s Sinne und Geift mit V e r g n ü g e n überfättigen k o n n t e , aber ein Thürhilter mit fchweren raffelnden K e t t e n , w i e er allenfalls in ein Zuchthaus gepafst h ä t t e , w a r der erfle A n b l i c k der Gäfle, wenn fie ins Haus traten. Sie wandten ihr V e r m ö g e n auf, ihren a r m e m Mitbürgern kofibare Schaufpiale zu g e b e n , aber der i h - tereffantefte Theil derfelben waren elende Sklaven, die fich einander felbft zerfleifchten, oder von wilden Thieren zerriffen wurden.

Mau m ö c h t e , " ruft der faufte menfchliche H u m e bey E r w ä h n u n g diefer Spiele aus,

„ m a n möchte aus Menfchlichkeit den barba- rifchen Wunfeh des Caligula erneuern, dafs

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«Tiefes V o l k nur e i n e n N a c k e n hätte. F r e u ­ de müfste es fall machen , ein folches G e . fchlecht von Ungeheuern durch e i n e n Hieb vernichten zw können.

Dies graufame Verfahren w a r nicht e t w a nur dem unedlem Theile der R ö m e r natt'ir«

lieh geworden. W e r hat nicht mit Misfal- len die gleichgültige, oft fcherzhafte A r t gelefen, mit der faft alle Schriftfteller R o m s v o n den Gladiatorfpielen Tprechen. A u c h fchränkte es fich nicht auf die Sklaven e i n . N e i n , an diefen hatte man fich zu d e n - M e t z e . lungen der bürgerlichen Kriege geübt. N u r w e i l Sylla Sklaven nach Belieben konnte kreuzigen laffen, konnte er auch mit kaltem Blute befehlen, fechstaufend feiner unbewaß»

net verfammelten Mitbürger auf einmal n i e . der zu hauen. D i e blutigen Profcriptioneu wären wahrfcheinlich anders ausgefallen, g e ­ linde Verbannungen g e w e f e n , wenn A u g u f t

K k

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und A n t o n i u s nicht v o u Jugend auf B l u t - vergiefsen als Zeitvertreib anlehn gelernt hätten.

Harne behauptet, dafs das tyrannifche Verfahren der Kaifer fich auf die wilde G e - mlithsart des Römifchen V o l k s g r ü n d e , und durch diefe faft gerechtfertigt w e r d e ; fie aber, fagt auch er f c h o n , emfprang aus der B e ­ handlung ihrer S k l a v e n . Ich glaube mit R e c h t hinzu fetzen zu k ö n n e n : dafs die A l ­ ten Sklaven hatten , und dafs die meiden.

n e u e m V ö l k e r , wenigftens in ihrem V a t e r ­ l a n d e , keine haben, kann als eine Hauptur- fache angefehen werden» warum die H u m a ­ nität der A l t e n in manchem Betracht gegen die neuere fo einfeitig w a r .

W i e die Sklaverey bey den R ö m e r n , fa wirkt die Leibeigenheit bey den neuern V ö l ­ kern. W o fie Statt findet, können die oberu Klaffen Bildung, A u f k l ä r u n g , Menfchenliebe,

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