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Archiv "Afghanistan/Pakistan: Als HNO-Arzt in Peshawar" (15.06.1989)

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Afghanistan/Pakistan

Als HNO-Arzt in Peshawar

Entgegen allen Hoffnungen geht der Krieg in Afghanistan in unverän- derter Heftigkeit weiter. Die meisten Kämpfe spielen sich um Kabul und Jalalabad ab, so daß in dieser Ge- gend viele Menschen heimatlos sind und über die Grenze nach Pakistan fliehen. Dementsprechend findet man jenseits des Khyber-Passes im Raum Peshawar inzwischen über 1,5 Millionen Flüchtlinge, deren Zahl weiter zunimmt. Sie leben weitver- streut in Zeltstädten oder dürftigen Lehmbauten unter elenden hygieni- schen Bedingungen. Zwar kümmert sich Pakistan um die medizinische Versorgung dieser Menschen, doch ist diese Hilfe nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

In Peshawar haben sich mehrere internationale Hilfsorganisationen angesiedelt, die jetzt versuchen, ihre Aufgaben zu koordinieren. Die Kriegsverletzten und Minenopfer werden primär im Krankenhaus des Internationalen Roten Kreuzes ver- sorgt, wo permanent drei chirurgische Teams arbeiten. Für die chronisch Kranken gibt es nur wenige Hospitä- ler und kleinere Kliniken Der „Af- ghanistan Nothilfe", bei der ich ar- beitete, ist es gelungen, ein für die dortigen Verhältnisse sehr gutes 80-Betten-Krankenhaus aufzubauen, das von einem humorvollen deut- schen Chirurgen geleitet wird. Ne-

ben Ärzten der chirurgischen und in- ternistischen Abteilung gibt es eine Zahnärztin und einen Augenarzt.

Abgesehen davon unterhält die

"Afghanistan Nothilfe" noch eine Poliklinik in Quetta (Südwesten des Landes) und insgesamt zehn Ge- sundheitsstationen in Afghanistan.

Erstaunlicherweise arbeitete bei keiner Organisation längerfristig ein HNO-Arzt, so daß ich bald reichlich viel zu tun bekam. Glücklicherweise lieh mir ein Kollege, der gerade in Peshawar tätig war, HNO-Instru- mente, ohne die die Arbeit sehr pro- blematisch gewesen wäre. Vormit- tags kamen durchschnittlich 50 Pa- tienten in die Poliklinik Viele litten unter Halsschmerzen und wünschten eine Tonsillektomie, wobei es sich häufig um eine ausgeprägte Pharyn- gitis granulosa handelte, die jedoch so schmerzhaft war, daß sie laufend Medikamente, auch gefährliche wie Chloramphenicol und Clindamycin, nahmen. Interessant war, daß viele Kinder und Jugendliche extrem gro- ße, ja oftmals „Kissing Tonsils" hat- ten, die zu starken Schluckbeschwer- den führten. Ich führte in sieben Mo- naten 98 Tonsillektomien in Vollnar- kose durch, so daß ich das Wundbett in Ruhe mittels Naht versorgen konnte, was unbedingt erforderlich war, da viele Patienten schon am nächsten Tag gehen wollten.

Der Autor

bei der Behandlung afghanischer Kinder und Frauen Foto: privat

Eines der größten Probleme stellten die chronischen Mittelohr- entzündungen dar, die auch bei klei- neren Kindern schon sehr verbreitet waren und häufig nicht auf Antibio- tika ansprachen. Eine Verbesserung der Ventilation des Mittelohres durch Adenotomie war natürlich nur bei einem geringen Prozentsatz der Fälle möglich. So kamen viele Pa- tienten mit beidseitigen Mittelohr- entzündungen und konsekutiver Be- teiligung des äußeren Ohres. Die lo- kale Pflege erwies sich als ergiebiger als systemische Antibiotikagabe. Er- staunlich war, wieviele Menschen unter Innenohrschäden litten, wobei es sich oft um Explosionstraumen durch Aufenthalte im Kampfgebiet handelte. Viele Afghanen klagten über Nasenatmungsprobleme, mei- stens durch Muschelhyperplasie, Septumdeviation und Polyposis nasi bedingt. Aber auch durch Traumata verursachte funktionelle Störungen waren nicht selten. Viele Gesichts- verletzungen waren schlecht oder überhaupt nicht versorgt — eine Her- ausforderung für jeden plastisch orientierten HNO-Arzt. Erstaunlich ist, wie zäh manche Afghanen sind.

Ein Mann, der seit dem Vortag ei- nen Steckschuß im Großhirn hatte, ging, wenn auch gestützt, zu Fuß in die Poliklinik. Ein Sechzigjähriger kam mit einer Orbitalphlegmone bei seit einem Monat bestehender Pansi- nusitis links aus dem Inneren Afgha- nistans. Das linke Auge war prak- tisch blind, der Knochen zum Groß- teil osteomylitisch verändert. Zehn Tage nach der Operation begab er sich wieder auf die Heimreise.

Eine gewisse Kontinuität der ärztlichen Versorgung wäre wün- schenswert. Hierfür und für die Er- haltung des Krankenhauses und an- derer Projekte braucht die „Afghani- stan Nothilfe" Spendengelder oder Sachspenden, da es keine offizielle Finanzierung gibt.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Gerd Schultze-Seemann Afghanistan Nothilfe Alter Markt 24-25 4050 Mönchengladbach 1

Spendenkonto: Deutsche Bank;

bundesweit Konto 7070

A-1828 (30) Dt. Ärztebl. 86, Heft 24, 15. Juni 1989

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