Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 47⏐⏐24. November 2006 A3161
P O L I T I K
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ie sagt man dem Chefarzt, dass die Performance seiner Klinik relativ schlecht ist? Dass dies mitunter problematisch sein kann, liegt auf der Hand. Das Zauberwort in der externen stationären Qua- litätssicherung lautet „strukturierter Dialog“. Gemeint ist damit das Ver- fahren, das über die Landesge- schäftsstellen Qualitätssicherung in Gang gesetzt wird, sobald es beim Vergleich bestimmter Prozeduren in den Krankenhäusern zu statistischen Auffälligkeiten kommt. Der struktu- rierte Dialog – wie werden schlech- te Behandlungsabläufe identifiziert, welche Impulse kann man geben? – bildete einen der Arbeitsschwer- punkte der von der Bundesgeschäfts- stelle Qualitätssicherung (BQS) am 7. November in Berlin veranstalte- ten „Ergebniskonferenz externe sta- tionäre Qualitätssicherung“. Wichtig sei es, führte Dr. med. Frank Thölen von der BQS aus, beim strukturier- ten Dialog das Subsidiaritätsprinzip zu beachten, das heißt, so viel wie möglich müsse von den Ärzten an dem jeweiligen Krankenhaus selbst in Angriff genommen werden.Suche nach Auffälligkeiten
Eine Abweichung nach unten vom statistischen Mittelwert – etwa bei der Zahl erfolgreich verlaufener Hüft-To- talendoprothesen-Wechsel – lasse zunächst noch keinen direkten Rück- schluss auf eine mangelhafte Qualität bei der medizinischen Versorgung in einem bestimmten Krankenhaus zu.Daten seien stets erklärungsbedürftig, und es sei durchaus vorstellbar, dass eine solche Abweichung durch eine hohe Anzahl von Hochrisikopatienten erklärt werden könne.
Die Stichhaltigkeit der Begrün- dungen wird von ausgewiesenen Ex-
perten in den BQS-Fachgruppen überprüft. Die Fachgruppen auf Lan- desebene entscheiden, ob statistische Auffälligkeiten erklärt werden konn- ten oder ob Handlungsbedarf besteht, zum Beispiel in Form einer Be- gehung des Krankenhauses durch ei- ne interdisziplinär zusammengesetz- te Kommission, die möglicherweise Defizite in der medizinischen Versor- gung feststellt. Ziel sei es, auf jeden Fall die spezifische Situation eines Krankenhauses zu berücksichtigen, betonte Dr. med. Christof Veit von der Hamburgischen Krankenhausge- sellschaft. Andere Referenten merk- ten an, dass es mitunter einer gewis- sen Hartnäckigkeit im Dialog mit den betroffenen Krankenhäusern bedürfe.
Dr. med. Hans-Joachim Bücker-Nott von der Ärztekammer Westfalen- Lippe verwies auf die hundertprozen- tige Rücklaufquote bei der Landes- geschäftsstelle Qualitätssicherung.
„Wenn wir eine Antwort im struktu- rierten Dialog erwarten, dann kriegen wir sie auch.“ Aber: Manchmal seien Mahnungen nötig oder, wenn alles nichts helfe, ein Telefonat mit dem Kammerpräsidenten, der dann aktiv werde. In letzter Konsequenz könne ein Berufsgerichtsverfahren drohen, was bisher aber noch nicht vorge- kommen sei.
Mit ihrer Anwesenheit bei der BQS-Ergebniskonferenz unterstrich Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, welch große Bedeutung die Gesundheitspolitik der Qua- litätssicherung beimisst. „Qualitäts- sicherung ist für mich ein wesentli- cher Bestandteil eines guten Ge- sundheitswesens“, versicherte sie.
Über das Setzen von Qualitätsstan- dards werde sich immer mehr ein Qualitätswettbewerb entwickeln.
„Wir wünschen, dass sich der Patient
zukünftig anhand der Qualitäts- indikatoren für eine bestimmte Kli- nik entscheidet.“ Zu diesem Zweck sei es wichtig, dass etwa auch die Er- gebnisse des BQS-Qualitätsreports den Patienten noch besser vermittelt würden. Die Gesundheitsministerin verteidigte die im GKV-Wettbe- werbsstärkungsgesetz vorgesehene direkte Anbindung einer einrich- tungsübergreifenden Qualitätssiche- rung an den Gemeinsamen Bundes- ausschuss. Die Verbände und Orga- nisationen des Gesundheitswesens sollten weiter mit einbezogen blei- ben, versicherte Ulla Schmidt.
Einheitliches Verfahren nötig
Auf die hohe Beteiligungsrate und Akzeptanz der Krankenhäuser beim BQS-Verfahren verwies Prof. Dr.med. Michael-Jürgen Polonius, Vor- sitzender des G-BA in seiner für Krankenhausbehandlung zuständi- gen Besetzung. Stichprobenartige Überprüfungen belegten eine ver- lässliche Dokumentation durch die Krankenhäuser. Aus den Rückkop- pelungen mit den Krankenhäusern hätten sich konkrete und für die Pa- tientenversorgung bedeutende Qua- litätsverbesserungen ergeben. Zu- künftig sei es wichtig, zu einem sek- torenübergreifenden Verfahren zu kommen, um Langzeitergebnisse erheben zu können und Schnittstel- lenprobleme zu überwinden. Polo- nius kritisierte, dass die Fehler- und Qualitätskultur in den einzelnen Bundesländern noch sehr unter- schiedlich ausgeprägt sei. Es sei dringend erforderlich, die von Bun- desland zu Bundesland unterschied- lichen Verfahren zum strukturierten Dialog zu einem einheitlichen Ver- fahren zusammenzuführen. n Thomas Gerst