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Archiv "Grüner Ärztetag: Auf der Suche nach Dialog" (03.06.2011)

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A 1214 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 22

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3. Juni 2011

P O L I T I K

GRÜNER ÄRZTETAG

Auf der Suche nach Dialog

Vier Bundestagsabgeordnete, eine Veranstaltung: Die Grünen luden ein, um über Qualität, Bürokratie und Anforderungen an die Gesundheitspolitik zu diskutieren.

E

in „grüner“ Ärztetag? Das klinge rund zwei Wochen vor dem regulären Deutschen Ärztetag

„etwas vermessen“, räumte Jürgen Trittin ein. Das Etikett solle ausdrü- cken, „dass wir Grünen nicht nur über Gesundheitspolitik aus unserer Sicht diskutieren wollen, sondern mit anderen über Probleme und Wandel“, sagte der Fraktionsvorsit- zende von Bündnis 90/Die Grünen.

Zudem werde damit die Ärztezen- trierung des deutschen Gesund- heitswesens aufgegriffen: Ärztin- nen und Ärzte seien „eine große und starke Truppe, das haben schon mancher Gesundheitsminister und manche Gesundheitsministerin ler- nen müssen“.

Warum erst jetzt ein grüner Ärz- tetag? „Die Zeit ist reif, in den Dia-

log einzutreten“, befand der grüne Bundestagsabgeordnete Dr. med.

Harald Terpe, der ihn zusammen mit drei weiteren für das Themen- feld Gesundheit zuständigen Abge- ordneten der Fraktion und deren Mitarbeitern organisiert hatte. Grü- ne Werte wie Ressourcenschonung, Selbstbeteiligung oder Gerechtig- keit seien auch für die Gesundheits- politik gute Maßstäbe. Themen wie demografischer Wandel, Prävention oder auch Unter-, Über- und Fehl- versorgung beschäftigten die grü- nen Abgeordneten intensiv. Im Rahmen des grünen Ärztetags am 14. Mai in Berlin würden, kündigte Terpe am Morgen an, aktuelle De- batten aufgegriffen.

Um Wandel und Herausforde- rungen des Arztberufs zu durch-

leuchten, hatten die Grünen Prof.

em. Dr. med. Friedrich Wilhelm Schwartz eingeladen, ehemaliger Direktor des Instituts für Sozialme- dizin, Epidemiologie und Gesund- heitssystemforschung der Medizi- nischen Hochschule Hannover.

Schwartz umriss Megatrends, auf die Ärzte und Gesundheitspolitiker vorbereitet sein müssten. Einerseits verwies er auf bekannte Entwick- lungen, andererseits aber auch auf unbekanntere oder vernachlässigte.

Orthopädie: Wenig präventiv

So wird nach Schwartz’ Auffassung zwar nicht bestritten, dass chroni- sche Erkrankungen zunehmen wer- den. Doch während über Alzheimer oder Diabetes viel gesprochen wird, sind alkoholabhängige Erkrankun-

Birgitt Bender ist gesundheitspolitische Sprecherin. Die Juristin war circa zehn Jahre lang Mitglied im baden- württembergischen Landtag und kann bei Bedarf schwäbeln. Viele hätten sie sich dort als Gesundheitsministerin vorstellen können.

Maria Klein- Schmeink ist Fachfrau

für die Themen Patien- tenrechte, Prävention

und psychische Ge- sundheit. Die Soziologin war zuvor Referentin im nordrhein-westfälischen Landtag. Ihr Lebensmit- telpunkt ist, wie der von Daniel Bahr, Münster.

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gen kein großes Thema, obwohl sie nach seiner Darstellung häufiger Anlass für Krankenhauseinweisun- gen sind. Ebenso komme beim fest- gestellten Trend zu chronifizierten Rückenschmerzen und Gelenker- krankungen zu kurz, dass es vieler- orts an präventiver Anstrengung mangele: „Leider werden Orthopä- den vor allem chirurgisch ausgebil- det.“

Schwartz führte darüber hinaus einen Trend zur Verwissenschaftli- chung an, der zwar alle Zweige der Medizin erfasse, aber, bemängelte er, es fehle an öffentlicher For- schungsförderung und in Teilberei- chen gebe es kaum Studien: „Wir brauchen Studien über sanfte The- rapie, Physiotherapie – ach, ich kann gar nicht alles aufzählen!“

Auch Forschung vor allem an und mit Zentren kritisierte der Wissen- schaftler: Dieser Ansatz sei zu ver- sorgungsfern.

Vorsicht, Bürgerversicherung!

Den Grünen gab er noch eine Bot- schaft mit: „Unser Gesundheitssys- tem ist ‚GKV-/PKV-zentriert‘.“ In seinen wichtigsten gesetzlichen Grundlagen sei zwar der Gedanke der Solidarität mit Kranken und Be- hinderten verankert, nicht aber ein

„humanitäres Ziel der Gesundheit für alle“. Dies solle die Partei be- denken, wenn sie für eine Bürger- versicherung und damit quasi für die Erweiterung der gesetzlichen Krankenversicherung plädiere.

Am Ende seines Vortrags ging Schwartz auf Mythen und reale Herausforderungen für die Gesund- heitspolitik ein. „Deutschland hat genug Ärzte, sie sind nicht gut ver- teilt“, urteilte er. Diese quasi mit

Gewalt aufs Land zu verfrachten, werde aber nichts bringen, schon gar nicht, solange man engagierte Ärzte dort übers Honorar bestrafe.

Für bedenklich hält es Schwartz allerdings, dass es in Deutschland vergleichsweise viele Ärztinnen und Ärzte gebe, die den Erhebun- gen zufolge mehr arbeiteten als ih- re Kollegen anderswo in Europa und dennoch weniger Zeit pro Pa- tientenkontakt aufwendeten sowie in erheblichem Maß über Bürokra- tie klagten.

Den Gründen müsse man nach- gehen, verlangte er und ergänzte ironisch: „Finden es die Deutschen zu schön in den Praxen? Ist der Ein- tritt zu billig?“Auf jeden Fall müsse die Politik als wesentlicher Gestal- ter der Rahmenbedingungen die Klagen der Ärzte ernst nehmen, so Schwartz: „Das kann die Politik nicht in Ruhe lassen.“

Ruhe war auch für die Teilneh- mer des grünen Ärztetags nicht vor- gesehen. Zwischen Einstiegsvorträ- gen und Podiumsdiskussion am Ende wurden Vortrags- und Diskussions- runden angeboten. „Ist die Zukunft der Medizin weiblich?“, lautete die Überschrift über einem Angebot.

Noch gebe es keinen Ärztinnen- überschuss in der Versorgung, sagte Dr. med. Regine Rapp-Engels, Prä- sidentin des Deutschen Ärztinnen- bundes. Und vieles, was inzwischen unter der Forderung der Vereinbar- keit von Familie und Beruf disku- tiert werde, betreffe überdies nicht nur Ärztinnen oder Eltern: „Auch Menschen, die keine Kinder haben, möchten heute eine geregelte Ar- beitszeit.“

Im Gespräch zwischen Rapp-En- gels, Dr. med. Ursula Hurst, der

Vorsitzenden des Chefärztinnen- Netzwerks Sophia e.V., und Teil- nehmern zeigte sich, dass die Suche nach guten Lösungen nicht einfach ist. Nach Hursts Ansicht sollte die Weiterbildung gut strukturiert sein, um sie schnell absolvieren zu kön- nen. Ein abgespeckter Operations- katalog, wie von manchen gefor- dert, schaffe jedoch Probleme:

Dann müsse man eventuell die Kol- leginnen und Kollegen im OP nach- qualifizieren. Die Option, sich halb- tags weiterzubilden, befriedigt auch nicht alle, wie eine junge Ärztin be- tonte: Sie habe keine Lust, zwölf Jah- re in der Weiterbildung zu verbringen.

System voll falscher Anreize

„Qualität oder überbordende Büro- kratie?“ – darüber diskutierten Dr.

med. Günther Jonitz, Präsident der Ärztekammer Berlin, und Prof. Dr.

med. David Klemperer, Fachhoch- schule Regensburg. „Die Zeiten, in denen man als Arzt sagte: Das, was wir hier machen, ist nicht messbar, sind vorbei“, betonte Klemperer.

„Es ist aber noch viel Entwick- lungsarbeit zu leisten.“ Noch zu häufig schließen seiner Meinung nach zudem ärztliche Organisatio- nen ihre Augen vor der eigenen Ver- antwortung für qualitätvolle Medi- zin, und zwar aus falscher Rück- sicht auf Kollegen.

Demgegenüber verwies Jonitz darauf, dass es eine Vielzahl von Anstrengungen zur Qualitätsver- besserung gebe, aber: „Das System ist voller fehlsteuernder Anreize.“

So sei die Art und Weise, wie Ärzte bezahlt würden, häufig nicht hilf- reich für das, wohin sie mit ihrer Versorgung eigentlich wollten. ■

Sabine Rieser

Elisabeth Scharfen- berg hat sich im Bun- destag als pflegepoliti- sche Sprecherin ihrer Fraktion einen Namen gemacht. Die freiberuf- liche Berufsbetreuerin aus Oberfranken ist seit dem Jahr 2005 Mitglied des Deutschen Bundes- tags.

Harald Terpes Schwer- punktthemen sind Dro- gen und Sucht. Der Pa- thologe aus Rostock ist zudem Obmann seiner Fraktion im Gesund- heitsausschuss. Zudem gehört er zum Vorstand der Ärztekammer Meck-

lenburg-Vorpommern.

Fotos: Bündnis 90/Die Grünen

Foto: Annette Rausch

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