Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 50⏐⏐15. Dezember 2006 A3423
M E D I Z I N
Nachteile
Der Beitrag von Böhm et al. ist sehr zu begrüßen, weil hier unabhängige Experten fundiert Stellung be- ziehen. Dennoch bleibt die unmittelbare Auseinan- dersetzung mit dem so genannten Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) fruchtlos und verzehrt nur Energien, zumal uns Ärz- ten dabei immer eigennützige Interessen unterstellt werden. Es ist doch gerade die Aufgabe des IQWiG, Therapieoptionen einzuschränken. Eigens dafür wur- de es von der Politik und den Krankenkassen gegrün- det. Entsprechend kommen die Mit- und Zuarbeiter des IQWiG nur dem Auftrag ihres Brötchengebers nach. Denn so wie das IQWiG aus dem Nichts ge- schaffen wurde, kann es auf Wunsch der Auftragge- ber auch jederzeit wieder im Nichts verschwinden, wenn es nicht den gewünschten Zweck erfüllt. Den Mitarbeiter desIQWIG bleibt daher gar nichts ande- res übrig, als das, was sie gerade tun: Therapieoptio- nen einschränken.
Die nachteiligen Folgen der Tätigkeit des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheits- wesen tragen leider die Patienten. Ärzte sind aller- dings weder deren Vormund, noch deren Vorkämpfer, sondern eher deren Berater. Daher sollten wir den Patienten über verfügbare Therapieoptionen infor- mieren, basierend auf den Leitlinien der Fachgesell- schaften. Die Fachgesellschaften – und hier sehe ich unsere Aufgabe als Ärzte in diesem Kontext – sind aufgefordert, objektive, optimale und aktuelle Leit- linien, Therapieempfehlungen und Konsensusbe- schlüsse zu formulieren. Den Patienten und ihren Vertretern in Selbsthilfeorganisationen bleibt es über- lassen, ihre Ansprüche gegenüber ihren Versicherern durchzusetzen. Wir Ärzte können nur die Munition für den Kampf liefern, kämpfen für ihre Rechte müssen die Patienten schon selbst. Schließlich finan- zieren sie die über 220 Krankenkassen Deutschlands – und auch das Institut für Qualität und Wirtschaft- lichkeit im Gesundheitswesen.
Prof. Dr. med. Friedrich Jockenhövel Evangelisches Krankenhaus Innere Medizin – Endokrinologie Wiescherstraße 24
44623 Herne
E-Mail: f.jockenhoevel@EVK-Herne.de
Quantensprung
Die Diskussion um das Gutachten des IQWiG zur Nutzenbewertung der Statine ist ein Quantensprung in der wissenschaftlichen und öffentlichen Auseinan- dersetzung innerhalb der Ärzteschaft zu Fragen der Arzneimittelversorgung.
Sie macht auf vier Seiten deutlich, wie dringend diese Gesellschaft zum einen den „Gemeinsamen Bundesausschuss“ und zum anderen das „IQWiG“ – eine Instanz, die ohne Verbindungen zur Pharma-In- dustrie streng wissenschaftlich vorgeht, analysiert und das Ergebnis zur Diskussion stellt – gebraucht hat.
Gleichwohl dürften die Ausführungen der Kardio- logen-Gruppe viele Leser nachdenklich gemacht ha- ben. Wie schwach, so fragt man sich, scheinen die Argumente in der Sache und hinsichtlich des metho- dischen Designs des IQWiG-Gutachtens zu sein, wenn bereits die ersten vier Punkte des Kardiologen- Beitrags lediglich formale Verfahrensmängel rügen.
Die wird man zudem in Zukunft noch berücksichti- gen können. Im Übrigen steht das Gutachten doch zur Diskussion, – öffentlich, nicht in irgendwelchen Zir- keln. Ob es wirklich besser ist, wenn vorher alle mög- lichen Gruppen und Gesellschaften gehört wurden und die Gutachten „stromlinienförmig(er)“ werden, mit dem Ergebnis, dass die öffentliche Diskussion da- nach nicht mehr wahrgenommen wird, wage ich zu bezweifeln. Die Antwort des IQWiG ist bemerkens- wert klar und eindeutig ausgefallen.
Und einige weitere Fragen stellen sich: Können Wissenschaftler, die über derartig umfangreiche Kon- takte zur Pharmaindustrie verfügen, wie hier zum Teil ausgewiesen, wirklich wissenschaftlich unab- hängig sein und bleiben? Ist angesichts der zahllosen materiellen und immateriellen Zuflüsse nicht jeder in seiner Un- oder Überparteilichkeit überfordert? Und muss man nicht spontan den Wunsch haben, dass mehr IQWiG-Mitglieder, oder andere unabhängige Wissenschaftler, auch in den Gremien der Leitlinien- Prüfer und den Ausschüssen der Fachjournale mit- wirken?
Dr. med. Helmut Piechowiak Liesl-Karlstadt-Straße 6 85757 Karlsfeld
E-Mail: hpiechowiak@freenet.de
Interessenkonflikt
Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committe of Medical Journal Editors besteht.
zu der Debatte
Nutzenbewertung der Statine unter besonderer Berücksichtigung von Atorvastatin
Stellungnahme einer Gruppe von Kardiologen zu einer Veröffentlichung des IQWIG und dessen Entgegnung
von Prof. Dr. med. Michael Böhm et al., Prof. Dr. med. T. Sawicki et. al.
in Heft 34–35/2006