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Archiv "Arzt und Schauspieler: Ein Faible für das Kriminelle" (06.10.2006)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 40⏐⏐6. Oktober 2006 A2609

T H E M E N D E R Z E I T

W

enn Dr. Joseph Roth den Kom- missaren Freddy Schenk und Max Ballauf von Schmauch- spuren, Strangulationsmerkmalen oder Messerstichverletzungen be- richtet, dann weiß er, wovon er spricht. Denn der Schauspieler Josef Bausch-Hölterhoff, der den manch- mal etwas raubeinigen Rechtsmedi- ziner im Kölner Tatort verkörpert, ist selbst Arzt. Mit Verbrechern kennt sich der Mann mit dem glatt rasierten Kopf und dem rötlichen Schnurrbart ebenfalls bestens aus: Er arbeitet als Gefängnisarzt und Regierungsmedi- zinaldirektor in der Justizvollzugs- anstalt (JVA) Werl bei Soest.

Der Weg zu Bausch-Hölterhoffs Arbeitsplatz führt durch viele lange Flure des fast hundert Jahre alten Gebäudes. Die Gänge sind durch al- le Etagen offen und mit dicken Net- zen überspannt. Blaue Türen mit ab-

genutzen Schlössern gehen links und rechts davon ab. Dahinter leben die Patienten, die Bausch-Hölter- hoff gemeinsam mit einem Kolle- gen und einem Team aus 15 Pflege- kräften betreut: darunter Mörder, Gewaltverbrecher und Kinder- schänder. Viele der rund 900 Insas- sen sind „harte Jungs“ mit langen Haftstrafen. Die JVA Werl ist ein Hochsicherheitsgefängnis.

Bausch-Hölterhoff ist zwar gerne für seine Patienten da, doch in das Arztzimmer des 53-Jährigen kommt man nicht einfach so. Außen an der Tür ist ein Knauf angebracht. Zutritt zu dem Raum hat man nur, wenn der Allgemeinmediziner den Öffner betätigt, einen Knopf, den er an sei- nem Schreibtisch wie von einem Schaltpult aus bedient. Brummend öffnet sich die Tür. Zurückgelehnt sitzt er auf seinem Stuhl – in einer

Hand eine Kaffeetasse, in der ande- ren eine Zigarette.

Seit 1986 ist Bausch-Hölterhoff hinter den dicken Gefängnismauern tätig. „Ich habe als Schauspieler schon so viele Mörder und Verbre- cher gespielt, dass ich deshalb seit 20 Jahren dafür einsitze“, sagt er und lacht. Unterbrochen wurde die Zeit in Werl nur von Weiterbil- dungsstationen im Krankenhaus der nahe gelegenen JVA Fröndenberg und in einer allgemeinmedizini- schen Praxis. Dass er so viele Jahre als Gefängnisarzt arbeiten würde, hat er zu Beginn seiner Tätigkeit nicht vermutet. „Ich dachte, das ist mal was Exotisches, das machst du ein oder zwei Jahre.“ Aber der Fach- arzt für Allgemeinmedizin merkte schnell, dass ihm die abwechslungs- reiche Arbeit Spaß machte. „Ich bin gerne Generalist“, sagt er.

Die Zuständigkeit als Gefängnis- arzt reiche „von den Haaren bis zur Sohle“, betont Bausch-Hölterhoff.

Man könne nicht „mal eben auf die Schnelle“ einen Kollegen konsi- liarisch hinzuziehen. „Ich kann nicht, sagen: Neurologie kann ich nicht, oder Haut interessiert mich nicht.“ Ob Patienten außerhalb der Mauern behandelt werden müssen, will ebenfalls gut überlegt sein.

„Das sind die vulnerablen Punkte, wenn jemand zur Behandlung raus- muss“, gibt er zu bedenken.

Hinter der Begeisterung für das Generalistentum steckt nicht zuletzt ein Hausarzt, den Bausch-Hölter- hoff in seiner Kindheit und Jugend erlebt hat. An den Landarzt in sei- nem Geburtsort Waldbrunn im Wes-

DAS PORTRÄT

über Josef Bausch-Hölterhoff

ARZT UND SCHAUSPIELER

Ein Faible für das Kriminelle

Viele kennen ihn als den raubeinigen Rechtsmediziner Dr. Joseph Roth im Köln-„Tatort“.

Im „wirklichen Leben“ arbeitet Josef Bausch-Hölterhoff als Gefängnisarzt.

Tatort Köln:

Freddy Schenk (Dietmar Bär), Jo- seph Roth (Josef Bausch-Hölterhoff) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, von links) sind ein eingespieltes Team.

Foto:WDR

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A2610 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 40⏐⏐6. Oktober 2006

T H E M E N D E R Z E I T

terwald erinnert er sich noch gut:

„Das war ein Hausarzt vom alten Stil, der noch mit seinem alten, grü- nen Mercedes über die Dörfer fuhr.

Der kannte jeden und machte alles, von Geburten bis hin zu Krankheits- bildern, die man heute eher auf der Intensivstation behandeln würde.“

Und diesem Landarzt habe er es

wohl auch zu verdanken, dass er überhaupt studieren konnte. Denn wäre es nach seinem Vater gegan- gen, dann würde Bausch-Hölterhoff heute als Landwirt arbeiten, weil er als ältester Sohn den elterlichen Bauernhof übernehmen sollte. Doch der Hausarzt der Familie sagte schon früh zu seinem Vater: „Dein Sohn ist klug, lass den Abitur machen.“

Mit dem Interesse für die Allge- meinmedizin hätte die Berufswahl schon geklärt sein können. Aber

Bausch-Hölterhoff ist eben ein viel- seitig interesssierter Mensch. Zu- nächst studierte er Theaterwissen- schaften, Politik und Germanistik in Köln, dann Jura in Köln und Mar- burg. Schließlich bewarb er sich doch für ein Medizinstudium, gleich- zeitig an der Filmhochschule Mün- chen. „Das waren eigentlich die zwei Sachen, die ich immer wollte“, sagt er. Schließlich schlug er das Angebot aus München aus und begann 1976 sein Medizinstudium in Bochum.

Schon während des Studiums widmete sich Bausch-Hölterhoff dennoch der Schauspielerei und gründete mit zwei Freunden die Theatergruppe „Theater Pathologi- sches Institut“, die Anfang der Acht- zigerjahre besonders im Ruhrgebiet bekannt wurde. Als ernsthaft, tra- gikomisch bezeichnet er die meist

selbst verfassten Stücke, die sie da- mals aufführten. Die Charaktere:

psychisch Kranke, Verbrecher, Au- ßenseiter, sagt Bausch-Hölterhoff.

Die Jobsuche nach dem Studium ha- be das nicht erleichtert, denn viele Ober- und Chefärzte kannten Bausch- Hölterhoff aus den teils tabubre- chenden Inszenierungen. „Die hatten mich alle schon mit heruntergelas- sener Hose gesehen“, lacht er. Auch das war ein Grund, warum er schließlich in der JVA landete.

Einem großen Publikum bekannt wurde Bausch-Hölterhoff durch sei- ne Rolle in „Zahn um Zahn“ mit Götz George (1984). Episodenauf- tritte hatte er unter anderem in den Serien „Der Fahnder“ und „SK- Kölsch“. Seit fast zehn Jahren kennt man ihn in der Rolle des Gerichts- mediziners im Köln-Tatort, Dr. Jo- seph Roth. Dass er in der Regel Rol- len spielt, die im Krimi-Genre ange- siedelt sind, stört ihn nicht. „Die Rolle des sympathischen Kinder- gärtners oder des freundlichen Leh- rers würde ich mir auch nicht ge- ben“, meint Bausch-Hölterhoff.

So sehr ihm die Schauspielerei am Herzen liegt – aus seiner Arbeit in der JVA zieht Bausch-Hölterhoff viel Energie. Besonders die Insas- sen aus schwierigen sozialen Ver- hältnissen würden aus gesundheitli- cher Sicht von dem Aufenthalt in der JVA profitieren, meint er. „Das macht Spaß, weil man segensreich gute Medizin machen kann“, sagt er.

Dabei nimmt er seine Arbeit sehr ernst. „Man muss gut ausgebildet sein, um die Souveränität zu haben, das Monopol der nicht freien Arzt- wahl auszufüllen“, betont er. Man

habe eine ganz besondere Verant- wortung, weil der Patient hinter Git- tern nicht sagen könne: „Dem trau ich nicht, ich geh woanders hin.“

Verantwortung übernimmt Bausch- Hölterhoff auch jenseits der Ge- fängnismauern. Zusammen mit sei- nen Tatort-Kollegen Klaus J. Beh- rendt und Dietmar Bär engagiert er sich für die Rechte von Gefängnis- kindern auf den Phillippinen (www.

tatort-verein.org). Die Idee dazu entstand im Rahmen der Dreharbei- ten zum Tatort „Manila“ 1997. Vor drei Jahren war Bausch-Hölterhoff für die Hilfsorganisation ora inter- national Deutschland e.V. in Afgha- nistan ärztlich tätig.

Bausch-Hölterhoff ist ein unkon- ventioneller Mensch – nicht nur be- ruflich, sondern auch privat. So gehört er wohl zu den wenigen Männern, die den Namen ihrer Ehe- frau an den eigenen Familiennamen gehängt haben. „Ich bin da nicht so konformistisch.“ Für ihn sei das ei- ne Respektsbezeugung, und außer- dem klinge es irgendwie besser. Er ist seit 20 Jahren verheiratet und hat eine 17-jährige Tochter.

Bausch-Hölterhoffs Freizeit ist knapp bemessen. Neben der norma- len Arbeit in der JVA und der Schau- spielerei war er die letzten Jahre für Dienste eingespannt – sowohl als Hintergrundbereitschaft in Werl als auch im Krankenhaus der JVA Frön- denberg. Bausch-Hölterhoff ist froh, dass er nun seit zwei Monaten keine Dienste mehr macht. Man darf je- doch bezweifeln, dass er künftig nun mehr Zeit haben wird.

Mitte November startet Bausch- Hölterhoffs erste eigene Sendung mit dem Titel „Kriminalzeit“ im WDR-Fernsehen. Darin wird er spektakuläre Kriminalfälle aus Nord- rhein-Westfalen aufarbeiten. Mode- ration und Interviews mit den dama- ligen Opfern oder deren Angehörigen sind dabei seine Aufgabe. Das sei noch mal eine neue Herausforde- rung, weil er sich im Gefängnis in erster Linie mit der Täterperspektive beschäftige. Weiterhin wird er aber auch seinen Kollegen Ballauf und Schenk zur Seite stehen, denn aus dem Kölner Tatort ist er nicht weg-

zudenken. I

Dr. med. Birgit Hibbeler

Ich habe als Schauspieler schon so viele Mörder

und Verbrecher gespielt, dass ich deshalb seit 20 Jahren dafür einsitze.

Hinter Gittern:

Seit 1986 arbeitet Bausch-Hölterhoff als Arzt in der JVA Werl.

Fotos:privat

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