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Archiv "Eckpunktepapier: Am Versicherungssystem scheiden sich die Geister" (17.12.1993)

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POLITIK

Detail schließlich aussehen mag, die Anforderungen an eine neue Hono- rarstruktur sind nach Witteks Auffas- sung die Ausrichtung an der Lei- stung, eine Vereinfachung des EBM und die Befreiung von überborden- der Bürokratie und Prüfung. Eine neue Honorarstruktur müsse ferner das schädliche Konkurrenzverhalten reduzieren und zu mehr Honorarge- rechtigkeit führen. Anzustreben sei- en letztendlich die Berücksichtigung und Begünstigung der ärztlichen Er- fahrung, die Sicherung der Vergü- tung für Leistungen mit besonderen Qualifikationsvoraussetzungen, die Sicherung der Vergütung und volle Kostendeckung für Leistungen mit besonderem apparativen Aufwand und die Sicherung eines angemesse- nen Anteils am Gesamthonorar für Grundleistungen.

An Witteks Ausführungen schloß sich eine mehrstündige, äu- ßerst kontroverse Diskussion an, die in folgende Beschlüsse mündete:

113

Die Reform des EBM hin- sichtlich mehr Honorargerechtigkeit soll nicht durch Honorarverteilungs- bestimmungen realisiert werden, sondern durch Umstrukturierung und Umbewertung von „ungerech- ten" Gebührenordnungspositionen und -regeln.

fp

Leistungsunabhängige Pau- schalen — außer im Labor — werden nicht eingeführt. Teilbudgets werden nicht durch den EBM festgelegt.

• Der Vorstand der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung wird beauftragt, eine neue Gebührenord- nung unter Berücksichtigung be- triebswirtschaftlicher Erfordernisse der einzelnen Fachgebiete als Ersatz für den EBM zu erarbeiten und ein entsprechendes Konzeptionspapier zur Vertreterversammlung im Herbst 1994 vorzulegen.

Ob für die Erarbeitung dieser Konzepte und für die erneut anbe- raumten Diskussionen überhaupt noch hinreichend Zeit bleibt, er- scheint Kennern der Bonner Ge- sundheitspolitik eher fraglich. Sie be- fürchten vielmehr, daß der Gesetzge- ber, der relativ klare Vorgaben ge- macht hat, dem langwierigen Hin und Her ein abruptes Ende bereiten könnte, indem er selbst festsetzt, was zu geschehen hat. Josef Maus

KBV-VERTRETERVERSAMMLUNG

Eckpunktepapier

„Eine echte Erneuerung unseres Systems muß aus der Ärzteschaft heraus gelingen." Mit diesem Appell leitete Dr. med. Winfried Schorre die Diskussion um die Weiterentwick- lung des Gesundheitswesens ein.

Nach zahlreichen Überarbeitungen legte der KBV-Vorstand nunmehr 34 Eckpunkte zur Abstimmmung vor. In Köln sollte das gelingen, was zuvor

Erneuerung des Systems aus der Ärzteschaft her- aus: Der KBV-Vorsitzende Dr. Winfried Schorre warb für eine Offensive der Kassenärzte

im September in Bonn vertagt wer- den mußte: die Verabschiedung des Eckpunktepapiers.

Neben Schorre ging zunächst Dr. med. Roderich Nehls als Vorsit- zender des zuständigen Vorstands- ausschusses auf die Grundzüge des Papiers ein. Nehls gliederte das ge- samte Konzept in sieben Abschnitte.

Einvernehmen herrschte bei den Delegierten über die Vorstellungen zu den „ärztlichen Grundwerten".

Ziel sei es, dem Patienten eine wohn- ortnahe und qualifizierte ärztliche Versorgung zu gewährleisten. Die Vertreterversammlung stimmte darin überein, daß dies nur in einer Kombi- nation von haus- und fachärztlicher Versorgung möglich sei. Dabei müsse dem Patienten auch weiterhin das

Recht auf freie Arztwahl garantiert werden.

Von wenigen Ausnahmen abge- sehen, konnten sich die Delegierten auch über die Eckpunkte zur Struk- tur sowie zur Sicherstellung der ärzt- lichen Versorgung einigen. Danach sollen künftig auch neue Kooperati- onsformen gebildet werden. Außer- dem plädierten die Delegierten für eine intensivere Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Berufen wie Diätassistentinnen, Physio- oder Psy- chotherapeuten und Pflegedienstlei- stenden. Kategorisch abgelehnt wur- de das sogenannte Primärarztmodell.

Für die Sicherstellung der ärztli- chen Versorgung soll gelten: „Die heute im Krankenhaus tätigen Ärzte können künftig auch als Freiberufler arbeiten und dann sowohl stationär als auch ambulant tätig sein — ebenso wie im Gegenzug den heute nieder- gelassenen Ärzten die Möglichkeit eingeräumt wird, stationär zu arbei- ten."

Kaum diskutiert werden mußten die Eckpunkte, die sich mit der „Be- darfsplanung" befassen. Denn die Delegierten lehnten Zulassungsbe- schränkungen zum Arztberuf aus- nahmslos ab.

Nicht angetastet werden soll darüber hinaus das System der ärztli- chen Selbstverwaltung. Die Ärzte wollen ihre Angelegenheiten auch künftig nicht durch den Staat vertre- ten wissen, sondern durch die Ärzte- kammern und Kassenärztlichen Ver- einigungen.

Eigene Vorstellungen gefordert

Keine abgeschlossene Mei- nungsbildung erzielten die Delegier- ten jedoch bei den Vorstellungen zum ärztlichen Vergütungssystem und zum Versicherungssystem insge- samt. Da hier der Ausschuß nur ei-

Am Versicherungssystem scheiden sich die Geister

Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 50, 17. Dezember 1993 (19) A1-3355

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Abstimmung: Ja zu den Grundsatzaussagen des Eckpunktepapiers

POLITIK

nen „Minimalkonsens", so Nehls, vorgelegt hat, wurden die Vorschläge zu diesen Kapiteln zur weiteren Be- arbeitung an den Vorstand zurück- überwiesen. Einige Delegierte quit- tierten diese Entscheidung jedoch mit heftiger Kritik. Auch in diesen Punkten habe man sich endgültige Klarheit erhofft. Sichtlich verärgert umschrieb Dr. med. Eckhard Weis- ner die Situation mit den Worten:

„Die KBV kommt mir vor wie ein Schiff in Seenot, dessen Kapitän und Offiziere im Kasino sitzen und end- los debattieren."

Demgegenüber begrüßte der KBV-Vorsitzende die Chance zur weiteren Diskussion. Im Gegensatz zu den Autoren des Eckpunktepapie- res, die das Thema „Versicherungs- system" am liebsten allein der Politik überlassen wollen, halte er es für not- wendig, daß sich die Ärzte hier zu ei- genen Vorstellungen bekennen, sag- te Schorre den Delegierten. Ihm ge- he es vor allem darum, die Frage der Neugliederung des Versichertenkrei- ses zu überprüfen. Nach Schorres Auffassung sei im Versicherungswe- sen der Patient ein wichtiges Steue- rungselement, dem durchaus mehr Eigenverantwortung als bisher zuge- mutet werden könne. Aber auch der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung sowie deren Fi- nanzierungsbasis sollen nach dem Willen des KBV-Vorsitzenden neu definiert werden.

„Ich bin fest davon überzeugt, daß wir den Mut finden müssen, der Politik ein System zukünftiger Ver- sorgung mit mehr sozial freiheitli- chen Elementen und Elementen von

KBV-VERTRETERVERSAMMLUNG

Dr. Roderich Nehls: 34 Eckpunkte zur Weiterent- wicklung des Gesundheitswesens

Eigenverantwortung anzubieten und das Sachleistungssystem auf ein sinn- volles Maß zu reduzieren. Damit fän- de nach meiner Überzeugung der po- litische Zwang zur planwirtschaftli-

Die Situation der Ärztinnen und Ärzte in Ostdeutschland war eben- falls ein Thema der Vertreterver- sammlung. Dr. med. Winfried Schor- re wies in seinem Bericht zur Lage auf den Punktwertverfall in den neu- en Ländern hin. Bereits im II. Quar- tal 1993 sei der Ersatzkassenpunkt- wert von den vor- her vereinbarten 7,9 auf 7,2 Pfen- nige gesunken.

„Damit können die Kollegen in den neuen Bun- desländern nicht leben", stellte Schorre unter dem Beifall der Delegierten fest.

Die KBV und die Kassen- ärztlichen Verei- nigungen in Ost- deutschland hat-

chen Reglementierung keine Legiti- mationsbasis mehr", unterstrich Schorre seine Position.

Er habe seine Zweifel, so der KBV-Vorsitzende weiter, daß die GKV in ihrer jetzigen Form die An- forderungen an eine moderne Medi- zin der Zukunft meistern kann. Denn die verantwortlichen Politiker gingen bisher von der Prämisse aus: „Die Qualität muß bleiben, der Patient be- kommt alles, das Geld ist begrenzt, der Arzt muß es zu diesen Konditio- nen machen." Wohin das führe, er- lebten die Ärzte an den Auswirkun- gen des Gesundheitsstrukturgesetzes tagtäglich in ihrer Praxis.

Eindringlich warnte Schorre sei- ne Kollegen davor, Veränderungen im Gesundheitswesen gegen die Poli- tiker durchsetzen zu wollen. Eine Weiterentwicklung der ärztlichen Versorgung sei nur mit der Politik möglich. Petra Spielberg

ten versucht, das Bundesgesundheits- ministerium zum Einsatz für Nach- besserungen zu bewegen. Dabei ging es nach Schorres Erläuterung beson- ders um den Ausgangsbetrag für die Budgetierung. Als Grundlage des Honorarbudgets 1993 in den neuen Ländern wurde seinerzeit das ver- doppelte Vergütungsvolumen des 1.

Halbjahres 1992 plus einem Zuschlag von vier Prozent angesetzt. Diese Summe sollte 1993 und 1994 zusätz- lich zur Veränderung der Grund- lohnsumme um jeweils drei Prozent erhöht werden. Das Ministerium hat- te geschätzt, daß sich besagte Grund- lohnsumme im Laufe dieses Jahres um 9,5 Prozent erhöhen würde. Tat- sächlich waren es für die ersten drei Quartale 1993 schon 17,7 Prozent.

Schorre berichtete, daß das Mi- nisterium seine Empfehlung nun auf 13,5 Prozent aufgestockt habe. „Nach unseren Informationen sind aber die Kassen nicht bereit, dieser Empfeh-

Neue Bundesländer

Punktwertverfall

gefährdet Arztpraxen

A1 -3356 (20) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 50, 17. Dezember 1993

Referenzen

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