• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Bonus-Malus-Regelung: Gefährlicher Köder" (24.03.2006)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Bonus-Malus-Regelung: Gefährlicher Köder" (24.03.2006)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 12⏐⏐24. März 2006 AA743

KOMMENTAR

D

er Gesetzgeber ist dabei, einen verhängnisvollen Weg einzuschla- gen. Mit dem vom Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (Arznei- mittelversorgungs-Wirtschaftlichkeits- gesetz – AVWG) soll das Verschrei- bungsverhalten von niedergelassenen Vertragsärzten durch finanzielle Köder beeinflusst werden. Diese Vorschriften werden als Bonus-Malus-Regelung be- zeichnet, weil Ärztinnen und Ärzte, die einen vorgegebenen Finanzrahmen nicht ausschöpfen, kollektiv belohnt werden sollen, während solche, die die- sen Finanzrahmen überschreiten, individuell an der Finanzierung des Mehrbedarfs aus der eigenen Tasche mitbeteiligt werden, also bestraft werden sollen.

Diese Regelung kann nicht nur, sie muss dazu führen, dass Ärztinnen und Ärzte bei ihren Verordnungen dem Preis der Arz- neimittel mindestens dieselbe Aufmerksamkeit zuwenden wie der Frage nach dem Nutzen für ihre Patien- tinnen und Patienten. Die jetzige Ärz- tegeneration wird dies mit Widerwillen und schlechtem Gewissen vollziehen (müssen), was die Unzufriedenheit mit dem Beruf natürlich verstärken muss.

Die nächsten Ärztejahrgänge werden es gar nicht mehr anders kennen: Er- kennen des Patientenproblems, Ermitt- lung des zur Verfügung stehenden Bud- gets,Verordnung des dafür zu erstehen- den Arzneimittels – so werden die Ent- scheidungsabläufe der Zukunft ausse- hen – zur Vermeidung von noch mehr Prüforgien, als sie heute schon mit Arz- neimittelvereinbarungen, Wirtschaft- lichkeitsprüfungen und allerlei Richt- größen existieren.

Patientinnen und Patienten aber müssen misstrauisch werden: Denkt ihr Arzt an ihr Problem, ihre Not und das, was die Medizin nach dem Stand der Wissenschaft zur Abhilfe leisten kann, oder doch mehr an die mögliche Bela- stung des eigenen Geldbeutels – so wird die Frage lauten.Auch sollen nicht

nur Ärztinnen und Ärzte verlockt wer- den, bei ihren Verordnungen aufs Geld zu schielen. Es ist auch vorgesehen, dass Patientinnen und Patienten finan- zielle Vorteile haben sollen, wenn sie bei ihren Ärzten darauf bestehen, ein besonders preisgünstiges Präparat ver- ordnet zu bekommen, was natürlich die ärztliche Seite der Therapiefreiheit be- schädigt und von dieser Warte die Pa- tient-Arzt-Beziehung belastet. Diese möglichen nachteiligen Auswirkungen auf die Patientenversorgung haben den Bundesrat bewogen, am 10. März mit der Mehrheit der unionsgeführten Länder den Vermittlungsausschuss an-

zurufen. Hinzu kommt der zu be- fürchtende bürokratische Aufwand, der zur Überprüfung des Verordnungs- verhaltens von zigtausend Ärztinnen und Ärzten unvermeidlich ist. Damit hat der Bundesrat selbstverständlich völlig Recht.

Die gesamte Ärzteschaft Deutsch- lands und ihre verbandlichen Organisa- tionen, besonders die Bundesärztekam- mer, haben die Entscheidung des Bun- desrates ausdrücklich begrüßt. Es ist aber auch bekannt, dass dieses Gesetz nicht zustimmungspflichtig ist, somit durch eine erneute Abstimmung im Deutschen Bundestag Rechtskraft er- langen kann.

Bundesgesundheitsministerin Schmidt hat nun in einem „Offenen Brief an die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte“

abgestritten, dass mit diesem Gesetz das Verordnungsverhalten beeinträchtigt werden solle und die oben geschilderten Bedenken als Missverständnisse be- zeichnet. Sie weist in diesem Brief auch jegliche ethische Bedenken zurück, oh- ne die Gründe dafür zu spezifizieren. Ih-

re Argumente für das Gesetz sind rein wirtschaftlicher Natur. Diese Denkwei- se ist aber zu eindimensional. Hier geht es schlicht nach dem Motto „Geld ist das adäquate Erziehungsmittel für Erwach- sene“.Diese Einstellung verrät viel über die Wertschätzung ärztlicher Arbeit und des Patient-Arzt-Verhältnisses.

Die verfasste Ärzteschaft hat alles Erdenkliche dafür getan, insbesonde- re Ärztinnen und Ärzte, die häufig mit der Verordnung von Medikamenten zu tun haben, gegen Verlockungen al- ler Art zu schützen. Dazu hat der Deutsche Ärztetag sogar Paragraphen in die ärztliche Berufsordnung aufge- nommen, um Fehlverhalten be- rufsrechtlich ahnden zu können.

Diese Berufsordnung basiert auf den Heilberufe-/Kammergeset- zen der Bundesländer und hat somit selbst Gesetzescharakter.

Fazit: Es ist Ärztinnen und Ärz- ten nicht erlaubt, für ihre Lei- stungen, hier also die Verord- nung von Medikamenten, Vor- teile anzunehmen, wozu im Umkehr- schluss auch die Vermeidung von Nachteilen gehört. Genau dies sieht aber das neue Gesetz vor.

Somit hat dieses Gesetz nicht nur ei- ne sehr gewichtige ethische Dimension für Patient und Arzt im individuellen Verhältnis, sondern darüber hinaus ei- ne politische Dimension, weil Landes- recht (Heilberufe-/Kammergesetze der Länder mit daraus abgeleiteten Berufs- ordnungen der Ärztekammern) in Konflikt gerät mit Bundesrecht (Sozial- gesetzbuch V). Die Berufsordnungen für Ärzte schützen das Patient-Arzt- Verhältnis, das Sozialrecht schützt – zu- mindest mit der hier besprochenen Be- stimmung – die Beitragszahler der Ge- setzlichen Krankenversicherung. Die Angelegenheit verlangt nach einer ju- ristischen Klärung, vielleicht sogar durch das Bundesverfassungsgericht.

Bundesregierung und Bundestag ist dringend anzuraten, ihre Beschlussfas- sung in dieser für das Patient-Arzt-Ver- hältnis entscheidenden Frage zu über- prüfen. Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe

Bonus-Malus-Regelung

Gefährlicher

Köder

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

So wird ein Seminar wesentliche Grundlagen und neue Erkenntnisse der Im- munologie-Forschung darlegen, während die Themen Infektiologie, Dermatologie, Rheumatologie, immunolo-

sich eine im ganzen Bundes- gebiet aktive Selbsthilfegrup- pe, in der sich Eltern von herzkranken Kindern zusam- mengeschlossen haben.. Ex-

Beth Gil- bert, eine begabte Chirurgin, die sich in der Provinz das nö- tige Rüstzeug aneignen will.. Wer will schon ein behin-

Bei vorangegangener intensiver Behandlung mit Diuretika oder bei renovaskulärem Hochdruck oder bei Herzinsuffizienz kann es innerhalb einer Stunde nach der ersten CAPOZIDE-Gabe

Kontraindi- kationen: Exsikkose, Niereninsuffizienz mit Anurie, Calcium-Magnesium- Ammoniumphosphatsteine, Magnesiocard Ampullen sollen nicht ange- wandt werden bei

Hans Mohl unter dem Titel „Nachfragen zu AIDS" eine Live-Diskus- sion mit namhaften Wissen- schaftlern und Politikern statt, die auch Antwort geben werden auf Fragen zu

Indikationen: Periphere arterielle Druchblutungsstörungen wie Claudicatio intermittens (Stadium II nach Fontaine), pektanginö- se Beschwerden, vaskulärer Kopfschmerz..

Oktober (22.45 Uhr) sind unter an- derem Simon Wiesenthal und der Kölner Schriftsteller Dieter Wellershoff als Gäste vorgesehen.. •■■ ••• •