300 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 16|
20. April 2012M E D I Z I N
DISKUSSION
Risikofaktoren berücksichtigen
Es ist wenig informativ das Auftreten von QT-Verlänge- rung bei verschiedenen Arzneistoffen zu listen, ohne dass bekannte Risikofaktoren dabei berücksichtigt wer- den, denn so kann nicht zwischen beider Wirkung unter- schieden werden. Richtigerweise schreiben die Autoren, dass eine QT-Verlängerung fast immer beeinflusst wird durch Risikofaktoren wie Hypokaliämie (30 %) oder Hypomagnesiämie. Doch werden diese Elektrolytstö- rungen noch immer viel zu selten beachtet. Magnesium, das zweithäufigste intrazelluläre Kation nach Kalium wird beim Elektrolytstatus in der Regel nicht berück- sichtigt. Dabei ist ein Kaliummangel fast immer mit ei- nem Magnesiummangel verbunden und kann nur durch gleichzeitige Magnesium-Gabe ausgeglichen werden.
Das Fazit daraus: Wenn Medikamente mit re- oder depolarisierendem Einfluss gegeben werden sollen, zum Beispiel mit potenzieller QT-Verlängerung, dann muss zuvor eine bestehende Hypokaliämie und Hypo- magnesiämie ausgeglichen werden. In akuten Fällen wird Magnesium-Sulfat intravenös verabreicht, in allen anderen Fällen Magnesium-Aspartat oral. Von Interes- se ist dann nur das Auftreten von Torsade de pointes bei ausgeglichenem Elektrolythaushalt, doch das muss schon bei der Prüfung eines Medikaments erfolgen.
DOI: 10.3238/arztebl.2012.0300a
LITERATUR
1. Schroll A: Importance of magnesium for the electrolyte homeosta- sis—an overview. In Smetana R (ed.): Advances in magnesium re- search: magnesium in cardiology: Proceedings of the 5th European congress on magnesium. London: John Libbey & Company 1997:
463–72.
2. Wenzel-Seifert K, Wittmann M, Haen E: QTc prolongation by psycho- tropic drugs and the risk of torsade de pointes. Dtsch Arztebl 2011;
108(41): 687–93.
Dr. rer. nat. Dr. med. Armin Schroll München
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Schlusswort
Bei fast allen publizierten und in unserer Tabelle zu- sammengefassten Fällen, bei denen es unter Therapie mit Psychopharmaka zu QTc-Intervallverlängerungen oder gar Torsades de Pointes-Episoden gekommen war, lagen mehrere zusätzliche Risikofaktoren vor. Dazu
zählen auch Hypokaliämien (Prävalenz 13–16 %, bei über 65-jährigen Frauen 20 %) und Hypomagnesi - ämien (Prävalenz 5–15 %, bei geriatrischen Patienten 38 %), die häufig miteinander assoziiert sind und per se ventrikuläre Arrhythmien verursachen können. Beide Risikofaktoren können nicht nur durch Diuretika, Pro- tonenpumpeninhibitoren, Glukokortikoide und Laxan- zien verursacht werden, sondern kommen auch un - abhängig davon häufig bei übermäßigem Alkohol - abusus, Fehlernährung und Herzinsuffizienz (aufgrund des sekundären Hyperaldosteronismus) vor. Da die Serummagnesiumkonzentration die intrazelluläre Mag- nesiumkonzentration nur unzulänglich widerspiegelt und daher auch bei normalen Magnesiumspiegeln (0,73–1,06 mmol/L) ein Magnesiummangel vorliegen kann, ist es empfehlenswert zum Ausgleich von Hypo- kaliämien Kalium- und Magnesiumpräparate (40 mmol beziehungsweise 10 mmol pro Tag) zu verordnen. Bei- de Elektrolyte sollten vor und bei Risikopatienten auch unter Therapie mit Psychopharmaka kontrolliert und im hoch-normalen Bereich gehalten werden.
Wir möchten unser Schlusswort dazu nutzen, darauf aufmerksam zu machen, dass die Firma Lundbeck am 31. Oktober und am 5. Dezember letzten Jahres in Ro- te-Hand-Briefen über ein erhöhtes Risiko dosisabhän- giger Verlängerungen des QTc-Intervalls unter Thera- pie mit Cipramil (Citalopram) und Cipralex (Escitalo- pram) informiert hat. Darin wird empfohlen, die maxi- male Tagesdosis von Citalopram auf 40 mg zu be- schränken. Über 65-jährige Patienten sollten täglich nicht mehr als 20 mg Citalopram beziehungsweise 10 mg Escitalopram erhalten. Die gleichzeitige Anwen- dung von Citalopram beziehungsweise Escitalopram mit anderen die QTc-Zeit verlängernden Arzneimitteln ist kontraindiziert. Es ist zu erwarten, dass zumindest die im Rote-Hand-Brief empfohlenen Änderungen zur Verordnung von Cipramil auf alle Citaloprampräparate ausgeweitet und dann rechtsverbindlich sein werden.
DOI: 10.3238/arztebl.2012.0300b
LITERATUR
1. Huang CH, Kuo E: Mechanism of hypokalemia in magnesium defi- ciency. J Am Soc Nephrol 2007; 18: 2649–52.
2. Arinzon Z, et al.: Prevalence of hypomagnesiemia (HM) in a geriatric long-term care (LTC) setting. Arch Gerontol Geriatr 2010; 51:
36–40.
3. Wenzel-Seifert K, Haen E: Rote-Hand-Briefe zu Citalopram und Es- citalopram. Psychopharmakotherapie 2012; 19: 25–9.
4. Wenzel-Seifert K, Wittmann M, Haen E: QTc prolongation by psy- chotropic drugs and the risk of torsade de pointes. Dtsch Arztebl 2011; 108(41): 687–93.
Dr. med. Katharina Wenzel-Seifert
Klinische Pharmakologie, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Universität Regensburg Katharina.Wenzel-Seifert@klinik.uni-regensburg.de
Interessenkonflikt
Die Autorin erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
zu dem Beitrag
Psychopharmakaassoziierte QTc-Intervall- Verlängerung und Torsade de Pointes
von Dr. med. Katharina Wenzel-Seifert, Dr. med. Markus Wittmann, Prof. Dr.
med. Dr. med. habil. Dr. rer nat. Ekkehard Haen in Heft 41/2011