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Die elektrische Leitfähigkeit als Diagnoseparameter für die Rindfleisch-Reifung

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(1)

und –technologie und dem Physiologischen Institut

der Tier¨ arztlichen Hochschule Hannover

Die elektrische Leitf¨ahigkeit als Diagnoseparameter f¨ ur die

Rindfleisch-Reifung

INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer Doktorin

der Veterin¨armedizin (Dr. med. vet.)

durch die Tier¨arztliche Hochschule Hannover

Vorgelegt von

Stefanie Schmidtke geb. B¨ahr aus Rendsburg

Hannover 2002

(2)

Priv.–Doz. Dr. med. vet. F. Feldhusen

1. Gutachter: Apl. Prof. Dr. med. vet. L. Szentkuti

2. Gutachter: Priv.–Doz. Dr. med. vet. M. K¨uhne

Datum der m¨undlichen Pr¨ufung: 21.11.2002

Diese Arbeit wurde aus Mitteln der Fritz–Ahrberg–Stiftung gef¨ordert.

(3)

1 Einleitung 1

2 Wissenschaftliches Schrifttum 5

2.1 Morphologische und physiologische Grundlagen . . . 5

2.1.1 Morphologie der Skelettmuskulatur . . . 5

2.1.1.1 Ultrastruktur der Muskelfasern . . . 6

2.1.1.2 Kontraktion . . . 8

2.1.1.3 Sarkotubul¨ares System . . . 10

2.1.2 Kompartimentierung und Ionenverteilung im Muskel . . . 11

2.1.2.1 Permeabilit¨at der Zellmembran f¨ur Ionen . . . 11

2.1.2.2 Das Ruhepotential . . . 12

2.1.2.3 Die Na–K–Pumpe . . . 14

2.1.2.4 Potentialabh¨angige Membrankan¨ale und das Ak- tionspotential . . . 15

2.1.2.5 Struktur der potentialabh¨angigen Ionenkan¨ale . . 16

2.2 Physikalische Grundlagen der Leitf¨ahigkeit . . . 21

2.2.1 Definition der elektrischen Leitf¨ahigkeit . . . 21 iii

(4)

2.2.2 Die elektrische Leitf¨ahigkeit von Elektrolytl¨osungen . . . . 22

2.2.2.1 Beziehung zwischen ¨Aquilvalentleitf¨ahigkeit und Konzentration . . . 23

2.3 Passiv-elektrisches Verhalten von Fleisch . . . 24

2.3.1 Die Messung der elektrischen Leitf¨ahigkeit – Ergebnisse anderer Untersucher . . . 27

2.3.2 Untersuchungen ¨uber die Leitf¨ahigkeit von Rindfleisch . . . 31

2.4 Biochemische Abl¨aufe w¨ahrend der Fleischreifung . . . 33

2.5 Postmortale ultrastrukturelle Ver¨anderungen . . . 35

2.6 Fl¨ussigkeitshaushalt und Ionenverteilung . . . 38

2.6.1 Wasserbindungsverm¨ogen . . . 39

2.6.1.1 Einfluß des pH-Wertes auf das WBV . . . 41

2.6.1.2 Einfluß von Sarkomerenverk¨urzung, ATP–Wert und Rigor mortis auf das WBV . . . 41

2.6.1.3 Einfluß der Proteinl¨oslichkeit . . . 42

2.6.2 Die Entstehung des Tropfsaftes . . . 43

2.6.3 Die Zusammensetzung des Tropfsaftes . . . 43

2.6.3.1 Die Bildung des Tropfsaftes . . . 44

2.6.4 Die Vergr¨oßerung des extrazellul¨aren Raumes . . . 45

2.6.5 WBV von erhitztem Fleisch und Kochverlust . . . 47

2.7 Zartheit . . . 49

2.8 Methoden zur Messung der Zartheit . . . 50

2.8.1 Sensorische Erfassung der Zartheit . . . 50

2.8.2 Mechanische Meßmethoden . . . 50

(5)

2.8.3 Analytische Methoden . . . 52

2.8.3.1 Myofibrill¨are Fragmentation . . . 52

2.8.3.2 Sarkomerenl¨angen . . . 54

2.9 Fleischfarbe . . . 55

2.9.1 Methoden zur Messung der Fleischfarbe . . . 57

3 Eigene Untersuchungen 59 3.1 Material . . . 59

3.2 Versuchsplan . . . 60

3.3 Versuchsdurchf¨uhrung . . . 60

3.3.1 Probengewinnung . . . 60

3.3.2 Probenbearbeitung . . . 61

3.3.2.1 Muskelproben . . . 61

3.3.2.2 Serum . . . 61

3.3.3 Untersuchungsmethoden . . . 62

3.3.3.1 Chemikalien . . . 62

3.3.3.2 Messungen der elektrischen Leitf¨ahigkeit . . . 62

3.3.3.3 Analyse der Elektrolyte . . . 68

3.3.3.4 pH-Wert . . . 68

3.3.3.5 Tropfsaftverlust . . . 69

3.3.3.6 Extrazellul¨arer Raum . . . 69

3.3.3.7 Zartheitsparameter . . . 73

3.3.3.8 Farbe . . . 77

3.4 Statistische Auswertung . . . 80

(6)

4 Ergebnisse 83

4.1 Ergebnisse der Leitf¨ahigkeitsmessungen . . . 83

4.2 Fl¨ussigkeits- und Elektrolyt-Haushalt . . . 87

4.2.1 Tropfsaft-Verluste . . . 87

4.2.2 Vergr¨oßerung des extrazellul¨aren Raumes . . . 89

4.2.3 Beziehung des LF-Wert-Anstiegs zur Zunahme von Tropf- saft und ECR . . . 91

4.2.4 Elektrolyt-Konzentrationen . . . 94

4.3 Fleischreifungs–Parameter . . . 98

4.3.1 pH-Werte . . . 98

4.3.2 MFI . . . 99

4.3.3 Sarkomerenl¨ange . . . 100

4.3.4 Scherkraft . . . 101

4.3.5 Kochverluste . . . 102

4.3.6 Fleischfarbe: Lab-Werte . . . 103

4.3.7 Reflexionsmessungen . . . 104

4.3.8 Korrelationen zwischen den Fleischreifungs–Parametern . . 106

5 Besprechung der Ergebnisse 113 5.1 Leitf¨ahigkeitsmessungen . . . 113

5.2 Zur ¨Atiologie des LF-Anstieges . . . 117

5.3 Fl¨ussigkeits- und Elektrolytverschiebungen . . . 119

5.3.1 Modell-Berechnungen . . . 121

5.3.2 Ergebnisse der Modellrechnungen . . . 125

5.3.3 Diskussion der Modellberechnungen . . . 126

(7)

5.3.4 Abschließende Betrachtung . . . 129 5.4 LF–Anstieg und Fleischreifungsparameter . . . 130 5.5 Schlußfolgerungen . . . 134

6 Zusammenfassung 137

7 Summary 141

8 Anhang 145

8.1 Modell-Berechnungen . . . 145

9 Schrifttumsverzeichnis 155

9.1 Wissenschaftliches Schrifttum . . . 155 9.2 Rechtliches Schrifttum und amtliche Verlautbarungen . . . 182

(8)

Abk¨ urzungsverzeichnis

Abb. Abbildung

ATP Adenosintriphosphat

c Konzentration

C Coulomb

ca. circa

Ce extrazellul¨are Konzentration

Ci intrazellul¨are Konzentration

cm Zentimeter

dest. destillata

DIN Deutsche Industrienorm

dpi dots per inch

EDTA Ethylendiamintetraessigs¨aure

ECR Extrazellularraum

Fa. Firma

F Faraday–Konstante

g Erdbeschleunigung (9,81 m/s2)

G elektrischer Leitwert

h Stunden

H.E. H¨amalaun-Eosin

ICR Intrazellularraum

kg Kilogramm

LF Leitf¨ahigkeit

m molar

M Molekular-Gewicht

MB Megabyte

(9)

MFI Myofibrill¨arer Fragmentationsindex

mg Milligramm

min Minute

ml Milliliter

M. long. dorsi Musculus longissimus dorsi

mm Millimeter

mM Millimol

mS Milli-Siemens

mS/cm Milli-Siemens pro Zentimeter

mV milliVolt

µm Mikrometer

n Stichprobenumfang

nm Nanometer

Ω Ohm

PC Personal Computer

p.m. post mortem

R allgemeine Gaskonstante

R elektrischer Widerstand

REM Raster-Elektronen-Mikroskop

RZB relative Zentrifugenbeschleunigung

S Siemens

s Standardabweichung

sec Sekunde

T Temperatur

U/min Umdrehungen pro Minute

x arithmetischer Mittelwert

Z Impedanz

(10)
(11)

Einleitung

In den letzten Jahren versucht man zunehmend, dem Wunsch des Verbrauchers nach besserer Fleischqualit¨at nachzukommen. Voraussetzung f¨ur entsprechende Qualit¨atssicherungsprogramme sind schnelle, praktikable und zuverl¨assige Meß- methoden, um nach der Schlachtung Qualit¨atsmerkmale zu erfassen, die es ge- statten, Aussagen ¨uber den Verlauf der Fleischreifung zu machen.

Die postmortale Fleischbeschaffenheit ergibt sich aus der Geschwindigkeit und Intensit¨at der postmortalen biochemischen, strukturellen und physikalischen Ab- l¨aufe (Feldhusen 1987). Um diese Abl¨aufe zu erfassen, finden zus¨atzlich zur bew¨ahrten Messung des pH–Wertes in zunehmendem Maße auch Ger¨ate Ver- wendung (Schmittenet al. 1984,Schw¨agele1992, Becket al. 1992), die die elektrische Leitf¨ahigkeit (LF) des Muskelgewebes messen. Diese Leitf¨ahigkeits- meßger¨ate haben gegen¨uber den pH–Meßger¨aten den Vorteil, nahezu wartungsfrei und sehr viel praktischer in der Anwendung zu sein.

Die LF–Messung hat sich an Schweinefleisch als praktikable, schnelle und wenig st¨oranf¨allige Methode bew¨ahrt (Sack 1988). Aufgrund enger Korrelationen mit

1

(12)

dem pH–Wert bietet sich die M¨oglichkeit, vor allem Schweinefleisch mit ¨uberst¨urz- ter Glykolyse zu selektieren (Reul et al. 1984, Feldhusen 1987).

Die Ursachen der postmortalen LF–Ver¨anderungen im Fleisch sind bisher weit- gehend unklar, ihr zeitlicher Verlauf im Rahmen der Fleischreifung und die ¨atio- logischen Zusammenh¨ange wurden noch nicht genauer untersucht. So ist ¨uber die postmortalen Ver¨anderungen der Verteilung freier Elektrolyte (Na+, K+, Cl usw.) zwischen den extra– und intrazellul¨aren R¨aumen des Skelettmuskels bisher sehr wenig bekannt. Nach dem Zusammenbruch der energieabh¨angigen Ionen- pumpen treten Konzentrationsverschiebungen der Elektrolyte auf, die sich dann durch Denaturierungserscheinungen und Membransch¨aden weiter verst¨arken. So wird ein freier Austausch von intra– und extrazellul¨arer Fl¨ussigkeit und den darin enthaltenen freien Elektrolyten erm¨oglicht. Dar¨uber, wie diese Elektrolytverschie- bungen zusammen mit den bekannten strukturellen Ver¨anderungen des Fleisches post mortem zu einem ver¨anderten passiv–elektrischen Verhalten und damit zu einer erh¨ohten Leitf¨ahigkeit im Fleisch f¨uhren, liegen noch keine ausreichenden Kenntnisse vor.

NachFeldhusen(1987) sind bei Messungen der LF ¨uber l¨angere Zeitr¨aume aber Aussagen zum Fleischreifungszustand und zur Zartheit des Rindfleisches m¨oglich, da zwischen der LF und Zartheitsparametern hohe Korrelationen nachgewiesen wurden, die Ursachen dieser Zusammenh¨ange konnten in seiner Arbeit jedoch nicht gekl¨art werden.

Ziele der vorliegenden Arbeit waren es,

1. zu ergr¨unden, wie Fl¨ussigkeits- und Elektrolytverschiebungen in den Kom- partimenten der Muskulatur neben den anderen Strukturver¨anderungen des reifenden Muskels zu einem ver¨anderten elektrischen Verhalten des Fleisches und damit zu einer LF–Erh¨ohung f¨uhren,

(13)

2. die Elektrolytkonzentrationen und die LF der intra- und extrazellul¨aren Fl¨ussigkeit im Rindfleisch sowie im austretenden Tropfsaft zu verschiedenen Zeitpunkten p.m. f¨ur einzelne Kompartimente des Muskels durch Messung und Berechnung zu ermitteln und

3. die Beziehung zwischen dem Anstieg der elektrischen Leitf¨ahigkeit des Rin- dermuskels und dem Verlauf der Fleischreifung aufzuzeigen. Dazu wurden die folgenden Zartheitsparameter an den Proben gemessen: Der Myofi- brill¨are Fragmentationsindex, die Sarkomerenl¨ange, die Scherkraft unter Beachtung des Wasserbindungsverm¨ogens, die Fleischfarbe und die Myo- globinanteile.

(14)
(15)

Wissenschaftliches Schrifttum

2.1 Morphologische und physiologische Grund- lagen

2.1.1 Morphologie der Skelettmuskulatur

Der quergestreifte Skelettmuskel besteht aus einem Gef¨uge von Bindegewebe und bis zu 20 cm langen, zylindrischen, vielkernigen Zellen von 10−100µm Durchmes- ser, den Skelettmuskelfasern. Von der ¨außeren bindegewebigen H¨ulle des Muskels, dem Epimysium, dringen Bindegewebssepten in das Muskelinnere ein und gren- zen als Perimysium externum die Sekund¨ar–Muskelfaserb¨undel voneinander ab, die ihrerseits aus Gruppen von Prim¨arb¨undeln zusammengesetzt sind. Diese sind vom Perimysium internum umgeben, im Perimysium verlaufen Gef¨aße und Ner- ven. Die einzelne Muskelzelle wird von feinsten Bindegewebsfasern, dem Endo- mysium umh¨ullt (Asgharund Pearson1980,Schiebleret al. 1986,Sielaff und Thiemig1990).

5

(16)

2.1.1.1 Ultrastruktur der Muskelfasern

Das Sarkolemm der Muskelfaser ist lichtmikroskopisch nicht sichtbar. Die Mus- kelfasergrenzschicht ist eine H¨ulle aus Bindegewebsgrundsubstanz, Basallamina und feinsten Retikulinf¨aserchen (Leonhardt1985).Bargmann(1977) definiert als Sarkolemm das Plasmalemm der Muskelfaser, als Myolemm die Umh¨ullung aus Basallamina und Gitterfaserstrumpf. Dieses Myolemm stellt die Verbindung zu dem jede Muskelfaser umgebenden Endomysium dar, das die benachbarten Muskelzellen miteinander verbindet. Jede Muskelzelle enth¨alt mehrere subplas- malemmal gelegene Kerne und steht ¨uber eine myoneurale Synapse mit einem innervierenden α–Motoneuron in Verbindung, dessen Soma sich im Ventralhorn des R¨uckenmarkes befindet. Die wesentlichen Strukturelemente und Organellen der Muskelfaser sind in Abbildung 2.1 dargestellt.

Die Hauptmasse der Muskelfaser wird von den Myofibrillen gebildet, von denen jede periodisch durch die sogenannten Z–Scheiben in 2,2–3,6 µm lange F¨acher, die Sarkomere, unterteilt ist. Die Myofibrillen sind zylindrisch, haben einen Durchmesser von ca. 1µm und verlaufen in L¨angsrichtung durch die Muskelzelle (Schiebler et al. 1986). Die Sarkomere einer Myofibrille lassen bei lichtmikro- skopischer Betrachtung abwechselnd helle und dunkle B¨ander erkennen – daher die Bezeichnung

”quergestreifte Muskulatur“ – , die durch die Anordnung der kontraktilen Proteine Myosin und Aktin zustandekommen (Leonhardt 1985).

Es zeigt sich die helle I–Bande (bleibt im polarisierten Licht dunkel, isotrop) und die dunkle A–Bande (leuchtet im polarisierten Licht auf, anisotrop). Die st¨arkere Vergr¨oßerung zeigt, daß die Streifung an die Myofibrillen gebunden ist und bringt noch eine zus¨atzliche, feinere Querstreifung ans Licht, inmitten des I–Streifens liegt die Z-Scheibe (Zwischenscheibe, Telophragma), in der Mitte der A–Bande liegt die H–Zone (helle Zone, Hensensche Zone), die von dem feinen

(17)

Abbildung 2.1: Aufbau einer Skelettmuskelzelle und kontraktile Proteine, die Z-Streifen begrenzen ein Sarkomer (Peiper 1994).

dunklen M–Streifen durchzogen wird. Diese Streifung kehrt in gleicher Folge pe- riodisch wieder, eine Periode reicht von Z-Scheibe zu Z-Scheibe und bildet die kleinste Struktureinheit der Myofibrille, das Sarkomer (Hamm 1972, Sielaff und Thiemig1990). Die Myofibrillen sind in einer Muskelfaser parallel zueinan- der angeordnet, so daß gleiche Abschnitte nebeneinander zu liegen kommen. So wird ihre individuelle Streifung zur Streifung der Faser (Leonhardt 1985).

Die Myofibrillen sind aus kurzen Proteinf¨aden, den Myofilamenten, zusammenge- setzt. Man unterscheidet

”d¨unne“ (6 nm) Aktin–Filamente aus Aktin, Troponin und Tropomyosin, die ca. 1µm lang sind, und

”dicke“ (12 nm) Myosin-Filamente von ca. 1,5 µm L¨ange. Die Aktinfilamente sind in der Mitte an der Z–Scheibe fixiert, jeweils eine Kettenh¨alfte der etwa 2000 Aktin–Filamente ragt in zwei be-

(18)

nachbarte Sarkomere. In der N¨ahe der Z–Scheiben besteht das Sarkomer nur aus Aktin–Filamenten und bildet die I–Bande. Die Region, in der sich die Aktin–

und Myosin–Filamente ¨uberlappen, ist als A–Bande sichtbar, diejenige, in der sich nur Myosin–Filamente befinden, als H–Zone. Im Zentrum des Sarkomers sind die Myosin–Filamente durch Ger¨ust–Eiweiße verbunden und verdicken sich zur M–Linie.

Myosin–Filamente sind stabf¨ormig und aus zwei Peptid–Helices gewunden, am Ende des Molek¨uls befindet sich ein kleiner globul¨arer Kopf an einem beweglichen Hals. Dieser

”Kopf“ ist Tr¨ager der ATPase–Aktivit¨at und f¨ur die Bindung des Aktins verantwortlich. Das Myosinmolek¨ul besteht aus HMM S1 und HMM S2 (Heavy Meromyosin), die

”Kopf“ und

”Hals“ des Myosins bilden, und dem Schaft aus LMM (Light Meromyosin).

Aktin ist eine lange Filamentstruktur aus zwei Ketten globul¨arer G–Aktin–Mole- k¨ule. Weitere Bestandteile dieser Filamente sind Tropomyosin und Troponin. Das langgestreckte, starre Tropomyosin–Molek¨ul liegt in den Rinnen zwischen den ge- wundenen F–Aktin–Ketten, die Tropomyosinmolek¨ule sind untereinander durch je einen Troponin–Komplex verbunden. Er besteht aus drei Untereinheiten: TN–

T, das Troponin und Tropomyosin verbindet, TN–C, das Calcium–Ionen bindet, und TN–I, das in Ruhe die Br¨uckenbildung zwischen Aktin und Myosin hemmt, indem es die Bindungsstelle f¨ur Myosin blockiert (Leonhardt1985,Schiebler et al. 1986). Abbildung 2.2 zeigt schematisch den Aufbau der dicken Myosin– und der d¨unnen Aktin–Filamente eines Sarkomers.

2.1.1.2 Kontraktion

Bei der Verk¨urzung der Muskelfaser gleiten die Aktin–Filamente tiefer zwischen die Myosin–Filamente.

(19)

Abbildung 2.2: Schematische Darstellung der Myosinfilamente (oben) und der Aktinfi- lamente (unten) (Peiper 1994).

Beim Eintreffen des Aktionspotentials wird die Membran–Leitf¨ahigkeit des Sar- koplasmatischen Reticulums (SR) f¨ur Calcium–Ionen f¨ur einige Millisekunden erh¨oht, so daß die Konzentration freier Ca-2+–Ionen im Sarkoplasma (im Ru- hezustand etwa 5·108 M/l) auf etwa 106 M/l – 105 Mol/l steigt. Bei einer Konzentration von ¨uber 1µmol/l im Sarkoplasma werden freie Ca2+–Ionen durch Troponin–C gebunden (

”Calcium–Schalter“), wodurch sich die r¨aumliche An- ordnung der Troponin–Untereinheiten so ¨andert, daß das Tropomyosin–Molek¨ul tiefer in die Rinne zwischen den Aktin–Filamenten verlagert wird und die Myosin–

Bindungsstelle freigibt. Aufgrund der hohen Affinit¨at der Myosin–K¨opfchen zum Aktin kommt es spontan zu einer

”Querbr¨uckenbildung“ zwischen Myosin und Aktin. Die Myosink¨opfe werden durch Aktin und durch Mg2+–Ionen aktiviert und binden je ein ATP–Molek¨ul. Da die Myosink¨opfe an das Aktin gebunden sind,

(20)

schieben sie bei der Bewegung das Aktin– ¨uber das Myosin–Molek¨ul hinweg, es kommt zur Kontraktion des Muskels.

Der nach der ATP-Spaltung vorhandene Actomyosin-Komplex ist stabil, zum L¨osen der Bindung und f¨ur den Ablauf weiterer Aktin–Myosin–Br¨uckenbildun- gen ist erneut ATP notwendig (sogenannte Weichmacher–Wirkung des ATP).

Nach Ablauf der Kontraktion werden Calcium–Ionen mit Hilfe der ebenfalls ATP- abh¨angigen Calciumionenpumpe, der Ca–ATPase, wieder ins SR zur¨uckbef¨ordert.

Ist die Ca2+–Konzentration im Sarkoplasma dann wieder auf einen niedrigen Wert gesunken, ¨ubt der Tropomyosin–Troponin-Komplex wieder seine hemmende Wir- kung auf die Myofilamente aus und die Muskelfaser geht in den Ruhezustand ¨uber und relaxiert.

Ist post mortem das ATP in der Muskelzelle weitgehend verbraucht, k¨onnen weder Calcium–Ionen ins SR zur¨uckgepumpt werden noch kann der Aktomosin–

Komplex gel¨ost werden, der Rigor mortis tritt ein (Hamm 1979, Peiper1994).

2.1.1.3 Sarkotubul¨ares System

Mit der regelm¨aßigen Anordnung der Myofilamente in den Myofibrillen korrespon- diert eine periodische Einfaltung des Plasmalemms, das T–System, sowie eine periodische Anordnung des sarkoplasmatischen Reticulums, das L–System. Die Tubuli des T–Systems umgeben als transversale, schlauchf¨ormige Einfaltungen des Sarkolemms auf H¨ohe der Grenze zwischen A– und I–Streifen die Myofibril- len und bilden ein anastomosierendes Kan¨alchensystem ¨uber den gesamten Quer- schnitt der Muskelzelle. Das Sarkoplasmatische Reticulum umh¨ullt als L–System zwischen zwei periodisch aufeinanderfolgenden T–Systemen jede Myofibrille mit Zisternen, die insgesamt ein in longitudinaler Richtung gestrecktes Netz bilden.

Das L–System ist in sich geschlossen, steht also weder mit dem Intra– noch mit

(21)

dem Extrazellul¨ar–Raum in Verbindung und dient als intrazellul¨ares Reservoir f¨ur Calcium–Ionen.

Uber das T–System wird die von der myoneuralen Synapse ausgehende Depola-¨ risation des Plasmalemms sehr schnell dem gesamten Faserquerschnitt mitgeteilt und springt dann auf das L–System ¨uber, wo sie eine Erh¨ohung der Membran- Leitf¨ahigkeit f¨ur Calcium–Ionen und damit ihre Freisetzung in das die Myofi- brillen umgebende Sarkoplasma bewirkt. So wird eine gleichzeitige Kontraktion aller Myofibrillen erm¨oglicht (elektromechanische Kopplung) (Leonhardt1985, Bechtel 1986).

2.1.2 Kompartimentierung und Ionenverteilung im Muskel

F¨ur die Beurteilung der Frage, inwieweit f¨ur Ionen durchl¨assige Membrankan¨ale bei den Leitf¨ahigkeitsver¨anderungen in der Muskulatur eine Rolle spielen, ist das Verst¨andnis dar¨uber von Bedeutung, wie das Membranpotential und die Ionen- verteilungen in den Kompartimenten des Muskels zustande kommen.

2.1.2.1 Permeabilit¨at der Zellmembran f¨ur Ionen

Durch das Sarkolemm wird das intrazellul¨are Kompartiment des Muskels — die Gesamtheit der intrazellul¨aren Fl¨ussigkeitsr¨aume der Muskelfasern mit Sarko- plasma und darin gelegenen Organellen und Strukturelementen— vom extrazel- lul¨aren Kompartiment, das sich in elektrolythaltige interstitielle R¨aume und den intravasalen Raum unterteilt, getrennt (Heckmann 1989). Durch die sarkolem- malen Einst¨ulpungen des T–Systems entsteht eine große Oberfl¨ache, ¨uber die die Muskelzelle in einem st¨andigen Stoffaustausch mit der extrazellul¨aren Gewebs- fl¨ussigkeit steht.

(22)

Tabelle 2.1: Intra- und extrazellul¨are Ionenkonzentrationen in der Muskelzelle eines Warmbl¨uters (nach Dudel 2000).

Intracellul¨ar Extracellul¨ar

Na+ 12 mmol/l Na+ 145 mmol/l

K+ 155 mmol/l K+ 4 mmol/l

Ca2+ 10−8 − 10−7 mmol/l Ca2+ 2 mmol/l

Cl 4 mmol/l Andere Kationen 5 mmol/l

HCO3 8 mmol/l HCO3 27 mmol/l

Große Anionen 155 mmol/l Cl 120 mmol/l

2.1.2.2 Das Ruhepotential

Die Elektrolyt–Zusammensetzung des Sarkoplasmas unterscheidet sich wesentlich von der des interstitiellen Mediums (vgl. Tab. 2.1). Aufgrund dieser ungleichm¨aßi- gen Ionenverteilung zwischen intra– und extrazellul¨arer Fl¨ussigkeit und den isolie- renden elektrischen Eigenschaften des Plasmalemms kann ¨uber der Zellmembran eine Potentialdifferenz von etwa 60–90 mV gemessen werden, wobei das Zellinnere gegen¨uber der Außenfl¨ache der Membran negativ geladen ist. Diese Potentialdif- ferenz wird als Ruhemembranpotential bezeichnet (Heckmann 1989, Greger 1994).

Die ungleiche Ionenverteilung in den Kompartimenten und das Ruhemembranpo- tential werden dadurch aufrecht erhalten, daß die Membran der ruhenden Zelle f¨ur K+–Ionen relativ gut permeabel ist, f¨ur Na+–Ionen dagegen kaum. Trotz des hohen Konzentrationsgef¨alles f¨ur Na+–Ionen k¨onnen diese daher kaum in die Zelle eindringen, ebensowenig wie Cl–Ionen, die ihnen zum Ladungsausgleich folgen w¨urden. K+–Ionen dagegen diffundieren in großer Menge aus der Zelle in den extrazellul¨aren Raum. Aufgrund ihrer positiven Ladung entsteht sehr schnell

(23)

ein Diffusionspotential an der Membran, da der ¨uberwiegende Teil der intra- zellul¨aren Anionen, im wesentlichen Protein– und Phosphat–Anionen, aufgrund seiner Gr¨oße nicht folgen kann und, wie erw¨ahnt, ein Ausgleich durch eine Diffu- sion von Na+–Ionen in die entgegengesetzte Richtung nicht stattfindet. (D¨oring et al. 1983). Als Resultat l¨adt sich die Membran außen positiv und innen negativ auf. Diese Potentialdifferenz konkurriert nun mit dem Konzentrationsgradienten der K+–Ionen und steigt solange weiter, bis sich die elektrostatischen Kr¨afte mit den osmotischen die Waage halten und das Gleichgewichtspotential, das f¨ur Ske- lettmuskelzellen bei etwa -90 mV liegt, erreicht ist. Das Gleichgewichtspotential Ex eines Ions zwischen der Innenseite und der Außenseite der Zellmembran l¨aßt sich nach der Nernstschen Gleichung berechnen:

Ex = R·T F ·z ·lnce

ci. (2.1)

R ist dabei die allgemeine Gaskonstante (R = 8,314J · K−1), T die absolute Temperatur (K¨orpertemperatur' 310 K), F die Faraday–Konstante (96,5 · 103

oC/mol), z gibt die Valenz und die Vorzeichen der Ionen an, ce und ci sind die extra– und intrazellul¨aren Ionenkonzentrationen (Neumcke 1982).

Setzt man die Ionenkonzentrationen von Natrium–, Kalium– und Chlorid–Ionen aus Tabelle 2.1 in die Nernstsche Gleichung ein, so erh¨alt man:

EK =−97mV, EN a= +67mV, ECl = +91mV. (2.2) Beim Ruhepotential dominiert die Kalium–Permeabilit¨at, wodurch das Ruhepo- tential (ca. -90mV) nahe EK liegt. Die geringe bleibende Differenz zum Kalium–

Gleichgewichtspotential kommt zustande, weil die Membran w¨ahrend des Ru- hepotentials auch noch eine geringe Leitf¨ahigkeit f¨ur andere Ionen besitzt, die Zellmembran hat also f¨ur jede Ionensorte eine bestimmte Permeabilit¨at P und bestimmtes Gleichgewichtspotential E, aus deren Summe sich dann insgesamt das

(24)

Ruhepotential Em zusammensetzt. Dieser Zusammenhang wird durch die

”con- stant field“-Theorie von Goldmann (1943) ber¨ucksichtigt, nach der Hodgkin und Katz (1949) die folgende Gleichung zu seiner Beschreibung fanden:

Em = R·T F ·z ·ln

"

PK[K+]e+PN a[N a+]e+PCl[Cl]i PK[K+]i+PN a[N a+]i+PCl[Cl]e

#

(2.3) Diese Gleichung entspricht der Nernst–Gleichung in erweiterter Form, in der gew¨ahlten Darstellung ber¨ucksichtigt sie nur drei Ionensorten, k¨onnte aber zur ge- naueren Berechnung um beliebig viele andere einwertige Ionen erweitert werden.

Die Permeabilit¨aten beschreiben die Permeation durch spezifische Ionenkan¨ale, bei der Gleichung wird vorausgesetzt, daß das Potential innerhalb der Membran gleichm¨aßig abf¨allt, als ob die Ionenkan¨ale die Membran wie ein Rohr durchspann- ten (dV/dl = konstant). Diese Voraussetzung wird in der Realit¨at kaum jemals erf¨ullt, dennoch f¨uhrt dieGoldman–Hodgkin–Katz–Gleichung zu recht guten Vorhersagen des Potentials (Greger 1994).

2.1.2.3 Die Na–K–Pumpe

W¨ahrend des Ruhepotentials besteht f¨ur Natrium–Ionen ein starker elektrochemi- scher Gradient ins Zellinnere (EN a = +67mV). Deswegen findet trotz der niedri- gen Permeabilit¨at immer eine Diffusion von Natrium-Ionen ins Sarkoplasma statt (Heckmann 1989).

Durch diesen

”Leckstrom“, durch den wieder positive Ladungstr¨ager ins Zellinne- re gelangen k¨onnen, w¨urden sich zumindest die intrazellul¨aren Konzentrationen von Natrium– und Kalium–Ionen allm¨ahlich den extrazellul¨aren angleichen. Um das Membranpotential dennoch stabil zu halten, sind aktive Transportprozesse erforderlich (Dudel 2000). Der wichtigste aktive Transportprozeß ist die Na–

K–Pumpe, die an praktisch allen Plasmamembranen der Zellen Natrium aus der Zelle und im Austausch dagegen Kalium hineinschafft und so intrazellul¨ar die

(25)

hohe K+– und die niedrige Na+–Konzentration und damit das Ruhemembran- potential aufrechterh¨alt. Es handelt sich bei diesem Transportmechanismus um eine ATPase, deren Aktivit¨at von der K+– und der Na+–Konzentration gesteuert wird. Sie spaltet an der Innenseite der Zellmembran ATP in ADP und Phos- phat und transportiert mit Hilfe der freiwerdenden Energie netto 3 Na+ aus der Zelle und gleichzeitig 2 K+ hinein. Die Pumpe ist also elektrogen, sie bef¨ordert bei jedem Transportvorgang eine positive Ladung aus der Zelle, wodurch sie zur Erniedrigung des Membranpotentials um etwa 10mV beitr¨agt (Fr¨omter1982).

So wird mit Hilfe der Na/K–ATPase zum einen das Ruhemembranpotential, zum anderen der osmotische Druck und damit das Zellvolumen konstant gehalten, beides sind wichtige Faktoren f¨ur die Betrachtung der Muskulatur als elektrischer Leiter insgesamt.

2.1.2.4 Potentialabh¨angige Membrankan¨ale und das Aktionspotential

W¨ahrend Wasser, gel¨oste Gase wie O2 oder CO2, lipidl¨osliche Stoffe und kleine polare Molek¨ule wie zum Beispiel Harnstoff leicht durch die die Muskelzelle um- gebende Lipidmembran diffundieren, ist sie f¨ur geladene Molek¨ule und auch f¨ur die kleinen anorganischen Ionen undurchdringlich. Dennoch k¨onnen Ionen durch die Plasmamembran diffundieren, dies wird durch Ionenkan¨ale erm¨oglicht. Das sind Poren, bei denen es sich um in die Plasmamembran eingelagerte Proteine handelt, die von einem wassergef¨ullten Kanal von weniger als einem Nanometer Durchmesser durchzogen werden. Durch diese Kan¨ale bewegen sich die Ionen ih- rem Konzentrationsgradienten und – als geladene Teilchen – dem herrschenden Membranpotential entsprechend.

(26)

Diese potentialabh¨angigen Membrankan¨ale sind f¨ur die Muskulatur von funda- mentaler Bedeutung, durch sie wird es erregbaren Membranen erm¨oglicht, zeit–

und potentialabh¨angig ihre Ionen–Leitf¨ahigkeit zu ver¨andern.

So kommt es w¨ahrend eines Aktionspotentials nach einer Vordepolarisierung zu einer Erh¨ohung der Na+–Leitf¨ahigkeit, was zu einer raschen Depolarisation und Potentialumkehr auf Werte ¨uber 60mV f¨uhrt. Nach kurzer Zeit gehen die Na+–Kan¨ale in einen inaktiven beziehungsweise refrakt¨aren Zustand ¨uber. Hier- durch sowie durch eine verz¨ogerte Zunahme der K+–Leitf¨ahigkeit repolarisiert das Membran-Potential wieder (Dudel 2000).

Das Verst¨andnis dieser Vorg¨ange ist durch die

”patch clamp“– oder Membran- fleck–Klemmen–Technik verbessert worden (Neher u. Sakmann 1976). Damit wurde es m¨oglich, Membranstr¨ome von etwa 1 µm2 kleinen Membranflecken zu messen und zum Beispiel auch den einzelnen kurzen Stromstoß von 1,6 pA, der f¨ur 0,7ms durch einen einzelnen ge¨offneten Natrium-Kanal fließt, zu identifizie- ren. Es kommt dabei zu Ionen-Transportraten von ¨uber 107 Ionen/s. So wurde deutlich, wie die molekularen Reaktionen der Kan¨ale, ihr ¨Offnen und Schließen, die Grundlage f¨ur die Potential– und Zeitabh¨angigkeit der Ionenstr¨ome bilden (Darnellet al. 1990, Catterall 1986).

Um dar¨uberhinaus aber die genauen molekularen Mechnismen der Funktion der potentialabh¨angigen Ionenkan¨ale zu verstehen, vor allem wie ihre Ionen–Selektivi- t¨at zustandekommt und welche spannungsabh¨angigen Konformations¨anderungen die Kanalaktivierung bewirken, mußte ihre Struktur aufgekl¨art werden.

2.1.2.5 Struktur der potentialabh¨angigen Ionenkan¨ale

Das Natrium–Kanal–Protein ist bisher am besten erforscht worden. Bei einem Molekulargewicht um 300.000 ist seine Hauptkomponente, die

”Alpha–Unter-

(27)

einheit“ (engl.:

”α–subunit“), ein einzelnes großes Polypeptid mit einem Mo- lekulargewicht von 260.000 – 290.000. Die

”α–subunit“ wurde mit Hilfe bio- chemischer Aufreinigungsmethoden und rekombinanter Gentechnologie in ihrer kompletten Aminos¨auresequenz von 1820 Aminos¨auren (beim Zitteraal) aufge- schl¨usselt (Barchi 1991, Greger 1994). Anhand der Aminos¨auresequenz wur- den dann Modelle der Terti¨arstruktur des Kanalproteins entwickelt. Diese basier- ten haupts¨achlich auf Vergleichen der Aminos¨auresequenzen des Kanalproteins verschiedener Tierarten und bei diesen verschiedener Gewebe, die einen hohen Grad an Homologie aufwiesen. Es stellte sich heraus, daß die Aminos¨auresequenz aus vier homologen Untereinheiten besteht, die wiederum aus sechs Segmenten aufgebaut sind, die sich in jeder Untereinheit weitgehend entsprechen (vgl. Abb.

2.3).

Abbildung 2.3: Vereinfachte Darstellung des Aufbaus der

”α–subunit“ des Na+- Kanalproteins aus 4 Untereinheiten (I–IV), von denen wiederum jede aus sechs sich weitgehend entsprechenden Segmenten S1–S6 aufgebaut ist (Aus: Greger 1994).

Aus ¨Uberlegungen dar¨uber, welche dieser Segmente aufgrund ihrer hydrophoben Eigenschaften die Membran ¨uberbr¨ucken k¨onnten, und welche aufgrund der vor- herrschenden Ladung ihrer Seitenketten geeignet w¨aren, die Ionen–Selektivit¨at in der Pore zu gew¨ahrleisten oder aber auf das Membranpotential im Sinne ei-

(28)

nes Spannungs–Sensors zu reagieren, wurden hypothetische Modelle f¨ur die Ter- ti¨arstruktur des Proteins entwickelt. Sie wurden durch Experimente ¨uberpr¨uft, bei denen mit Hilfe rekombinanter Gentechnologie gezielt einzelne Aminos¨auren in einer bestimmten Zielregion ver¨andert wurden, wodurch sich die Eigenschaften des Proteins in der erwarteten Weise ¨anderten. Auf diese Art konnte zum Beispiel die Sensitivit¨at des Natrium–Kanalproteins f¨ur die Kanal–Blocker Tetrodotoxin und Saxitoxin aufgehoben werden (Guy1988,Imoto1993). Abbildung 2.4 zeigt ein auf diesen Vorstellungen basierendes Modell der funktionellen Komponenten des Na+–Kanals.

Abbildung 2.4: Links: Modellvorstellung, wie die viermal sechs Segmente des Na+– Kanals um eine zentrale Pore herum angeordnet sein k¨onnten (Greger 1994).

Rechts: Modell der funktionellen Komponenten eines Na+–Kanals (Greger 1994).

Danach durchspannt das Kanalprotein die Lipiddoppelschicht der Membran und ist an der Innenseite am Zytoskelett der Zelle verankert. In seinem Inneren verl¨auft eine wassergef¨ullte Pore. Das f¨ur die hohe Ionen–Selektivit¨at verantwort- liche Filter befindet sich am ¨außeren Eingang dieser Pore. Der ¨Offnungszustand

(29)

des Kanals wird durch ein Tor kontrolliert, das durch einen im Inneren des Pro- teins befindlichen Potentialsensor gesteuert wird. Durch verschiedene Toxine und Lokalan¨asthetika kann der Kanal blockiert werden.

Wie diese funktionellen Komponenten in der Prim¨arstruktur des Kanalproteins exprimiert sind, ist noch nicht vollst¨andig erforscht. Die Natrium–, Kalium– und Calcium–Kan¨ale sind sich jedoch in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen in- sofern ¨ahnlich, daß vier homologe Untereinheiten die Kanalpore umgeben, die aus jeweils sechs Segmenten bestehen, von denen eines als Potential-Sensor fun- giert (Imoto1993). Diese Gemeinsamkeiten sind trotz struktureller Unterschiede zwischen den Kan¨alen deutlich zu erkennen. Abbildung 2.5 zeigt ein Modell der Struktur des Ca2+–Kanals im Skelettmuskel. Die gr¨oßte Untereinheit dieses Mo- lek¨uls, α1, weist in der Sequenz ihrer Prim¨arstruktur einen erstaunlich hohen Grad an Homologie zur

”α–subunit“ des Na+–Kanalproteins auf (Barchi1991).

Trotz funktioneller Unterschiede sind diese Kanalproteine im Laufe der Evolution offensichtlich aus derselben urspr¨unglichen Struktur entstanden.

Abbildung 2.5: Modell der Struktur des Ca2+-Kanals im Skelettmuskel, der sich aus den α1−, α2−, β−, γ−und δ−Untereinheiten zusammensetzt. (McCleskey 1993)

(30)

Einen guten ¨Uberblick ¨uber die Struktur des Na+–Kanalproteins und anderer spannungsabh¨angiger Membrankan¨ale bieten Guy (1988), Barchi (1991) und McCleskey et al. (1993).

(31)

2.2 Physikalische Grundlagen der Leitf¨ ahigkeit

2.2.1 Definition der elektrischen Leitf¨ ahigkeit

Biologische Gewebe sind, genauso wie Fl¨ussigkeiten und Metalle, in der Lage, elektrischen Strom durch die Bewegung von Ladungstr¨agern in ihrem Inneren zu leiten. Die F¨ahigkeit eines Stoffes, den Strom zu leiten, wird durch seinen Widerstand R, gemessen in Ω (Ohm), charakterisiert. Das Ohmsche Gesetz

R = U

I (2.4)

gilt bei Anliegen einer Gleichspannung. Bei Anlegen einer Wechselspannung wird stattdessen die Impedanz Z verwendet:

Z = U(t)

I(t). (2.5)

Der Kehrwert des Widerstandes ist der elektrische Leitwert G, gemessen in S (Siemens). Daraus folgt

G= 1

R. (2.6)

Der tats¨achliche Widerstand eines Leiters h¨angt vom Material und seiner Form ab. Der Widerstand ist der L¨ange l des Leiters direkt und seinem Querschnitt A umgekehrt proportional:

R=% l

A (2.7)

Die Proportionalit¨atskonstante%[Ωm] wird spezifischer Widerstand genannt und ist eine elektrische Materialkonstante:

%=R A

l . (2.8)

Analog zum Verh¨altnis des Leitwertes zum Widerstand ist die elektrische Leit- f¨ahigkeit als Kehrwert des spezifischen Widerstandes definiert:

κ= 1

%. (2.9)

(32)

Auch die elektrische Leitf¨ahigkeit κ [S/m] ist eine spezifische Materialkonstante, sie ist dem Querschnitt des Leiters direkt und seiner L¨ange umgekehrt propor- tional:

G=κ A

l . (2.10)

Die elektrische Leitf¨ahigkeit wird daher auch alsspezifischer Leitwertbezeich- net (Brdiˇcka1990).

Unmittelbar meßbar sind nur der Widerstand R oder der Leitwert G. Die Elek- trische Leitf¨ahigkeit κerh¨alt man aus dem Leitwert bei bekannten geometrischen Abmessungen der Probe oder nach Kalibirierung der Meßanordnung:

κ =G l

a. (2.11)

Der Faktor Al wird Zellenkonstante genannt und l¨aßt sich im Falle gew¨ohnlicher Leitf¨ahigkeits–Meßzellen nicht hinreichend genau aus ihren geometrischen Ab- messungen ermitteln. Er muß daher durch Kalibrierung bestimmt werden (WTW 1993).

2.2.2 Die elektrische Leitf¨ ahigkeit von Elektrolytl¨ osungen

In metallischen Leitern (Leiter 1. Klasse) erfolgt die Stromleitung durch freie Elektronen, w¨ahrend sie in Elektrolyten (Leiter 2. Klasse) durch die Wanderung freier Ionen erm¨oglicht wird (Brdiˇcka 1990). Dies ist auch in biologischem Ge- webe mit seinem hohen Wasseranteil der Fall. Elektronen fließen nicht durch die w¨aßrige L¨osung. Erzwingt man einen Stromfluß durch das w¨aßrige Medium, erfolgt an der Phasengrenze zwischen Elektroden und der L¨osung eine Redukti- on oder Oxidation von Elektroden und Elektrolyt (Prinzip der Elektrolyse). Eine Leitwertmessung mit Gleichstrom ver¨andert daher die Elektrodenoberfl¨achen und die Zusammensetzung der zu messenden L¨osung und erfaßt nicht den urspr¨ung- lichen Zustand der Probe. Bei der Verwendung von Wechselstrom treten diese

(33)

Ver¨anderungen nicht auf. Im Inneren des Elektrolyten schwingen Anionen und Kationen im Rhythmus der angelegten Frequenz der Wechselspannung hin und her. Jede Ionenart transportiert dabei jedoch eine unterschiedliche Ladungsmenge pro Zeiteinheit.

Um die Wertigkeit der Ionen mit zu ber¨ucksichtigen, verwendet man bei Salz- l¨osungen die ¨Aquivalentleitf¨ahigkeit Λ. Sie ist die Leitf¨ahigkeit einer einfachen Salzl¨osung dividiert durch die ¨Aquivalentkonzentrationceq [cmmol3]:

Λ = λ ceq

[S·cm2

mol ]. (2.12)

Der Beitrag jedes einzelnen Ions in der Salzl¨osung wird durch die Ionen– ¨Aquiva- lentleitf¨ahigkeit λ charakterisiert. Sie ist ein Maß f¨ur die Leitf¨ahigkeit eines Ions bezogen auf seine ¨Aquivalentkonzentration. Die ¨Aquivalentleitf¨ahigkeit Λ setzt sich dann additiv aus den Ionen- ¨Aquivalentleitf¨ahigkeiten zusammen:

Λ =X

X

λ(X). (2.13)

Befinden sich mehrere Ionenarten in beliebigen Konzentrationen in einer L¨osung, wird der Begriff der ¨Aquivalentleitf¨ahigkeit sinnlos. Es gilt:

κ=Xceq(X)· |z(X)|·λ(X). (2.14) (Christen 1985, Brdiˇcka 1990)

2.2.2.1 Beziehung zwischen ¨Aquilvalentleitf¨ahigkeit und Konzentra- tion

Die Leitf¨ahigkeit einer L¨osung nimmt mit steigender Konzentration zu. Der An- stieg ist f¨ur geringe Konzentrationen linear, zu hohen Konzentrationen hin steigt die Leitf¨ahigkeit langsamer an. Dieser Effekt wirkt sich bei

”starken“ Elektroly- ten nur wenig, bei

”schwachen“ jedoch sehr viel st¨arker aus. Schwache Elektrolyte

(34)

sind solche, die neben freien Ionen auch undissoziierte Molek¨ule enthalten, wobei diese in einem chemischen Gleichgewicht miteinander stehen. Da der Dissozia- tionsgrad mit zunehmender Verd¨unnung zunimmt, n¨ahert sich die Leitf¨ahigkeit dem Grenzwert Λ0 der unendlichen Verd¨unnung.

L¨osungen

”starker“ Elektrolyte enthalten dagegen ausschließlich Ionen und keine undissoziierten Molek¨ule, sodaß sich hier keine Ver¨anderungen des Dissoziations- grades mit der Konzentration ergeben. Die geringere Zunahme der Leitf¨ahigkeit mit steigender Konzentration r¨uhrt hier daher, daß sich die Ionen untereinander in ihrer Beweglichkeit beeinflussen (interionische Wechselwirkungen) und sich bei der Wanderung gegenseitig behindern. Dieser Effekt nimmt mit steigender Kon- zentration zu. Debye, H¨uckel, Onsager und Falkenhagen formulierten dazu die

”Theorie der starken Elektrolyte“ und fanden die Beziehung Λ = Λo−k√

c (2.15)

f¨ur den Zusammenhang zwischen Leitf¨ahigkeit und Konzentration bei starken Elektrolyten. Dabei ist Λ0 die molare Leitf¨ahigkeit bei unendlicher Verd¨unnung, c die molare Konzentration und k eine f¨ur den entsprechenden Elektrolyten cha- rakteristischer Faktor (Christen 1985).

Anhand dieser Beziehung lassen sich Leitf¨ahigkeiten von bekannten Salzl¨osungen gut berechnen. In der Praxis muß man jedoch bei der Ermittlung der Leitf¨ahigkeit realer L¨osungen auf umfangreiche Tabellenwerke der Leitf¨ahigkeit in Abh¨angig- keit von Konzentration und Temperatur zur¨uckgreifen (WTW 1993).

2.3 Passiv-elektrisches Verhalten von Fleisch

Die Umwandlung der tierischen Muskulatur in das Lebensmittel

”Fleisch“ ist ein komplexer Vorgang, der metabolische, physikalische und strukturelle Ver¨anderun-

(35)

gen beinhaltet. Die resultierende Fleischbeschaffenheit h¨angt von der Geschwin- digkeit und der Intensit¨at ab, mit der diese Ver¨anderungen erfolgen, also von zahlreichen inneren und ¨außeren Faktoren. Zun¨achst stehen in der fr¨uhpostmor- talen Phase physikalisch–chemische Ver¨anderungen im Vordergrund, w¨ahrend im weiteren Verlauf enzymatisch–autolytische Prozesse dominieren (ASGHAR und PEARSON, 1980).

Zur Erfassung einiger physikalischer Ver¨anderungen macht man sich das passiv- elektrische Verhalten des Fleisches zunutze.

Im Gegensatz zum aktiv–elektrischen Verhalten, bei dem ein biologisches Objekt als Spannungsquelle betrachtet wird, bezeichnet man mit passiv–elektrischem Verhalten das Leitf¨ahigkeitsverhalten eines biologischen Objektes, also die Leit- f¨ahigkeit bei einer bestimmten, von außen angelegten Spannung und Frequenz.

Schon seit l¨angerem werden neben den bekannten Parametern zur Erfassung des Reifegrades von Fleisch wie pH-Wert, Helligkeit, Farbe und Zartheitsmessungen auch Verfahren angewendet, die das passiv-elektrische Verhalten des Fleisches messen. Sie basieren im Prinzip alle auf einer Messung des Leitwertes. Am h¨aufig- sten wird die Messung der elektrischen Leitf¨ahigkeit bei einer festen Frequenz angewendet, wie sie auch in der vorliegenden Arbeit untersucht wird. Weitere Verfahren sind die Messung desdielektrischen Verlustfaktors, dieImpulsim- pendanzspektroskopieund darauf basierend die Messung des Py-Wertes. In der vorliegenden Arbeit wird die Messung der elektrischen Leitf¨ahigkeit betrach- tet. Ausf¨uhrliche Darstellungen zur Messung des dielektrischen Verlustfaktors und des Py-Wertes finden sich bei Pliquett (1979), Kleibel et al. (1983), Pliquettund Pliquett(1992),Pliquettet al. (1995), PliquettundPli- quett(1998), sowie bei Sch¨oberlein et al. (1999).

(36)

Das passiv–elektrische Verhalten wird von folgenden nach der Schlachtung ablau- fenden Ver¨anderungen bestimmt: Nach dem Tode kommt es durch das Einsetzen der anaeroben Glykolyse zu einem raschen Abfall des pH-Wertes und zu einem Anstieg der Temperatur in der Muskulatur. Gleichzeitig werden nach dem Versa- gen der Ca2+–Pumpe Calcium–Ionen aus den Speicherstrukturen in der Zelle wie Mitochondrien und sarkoplasmatischem Retikulum freigesetzt. (Auf diese bio- chemischen Ver¨anderungen unmittelbar postmortem wird in Kapitel 2.4 dieser Arbeit noch ausf¨uhrlich eingegangen).

So kommt es zu einer Zunahme an freien Ladungstr¨agern, vor allem der Ca2+– und H+– Ionen. Der niedrige pH-Wert und das Ansteigen der Fleischkerntemperatur f¨uhren dann zu Sch¨adigungen der Membransysteme der Zellen durch Proteinde- naturierung. Dies erm¨oglicht zunehmend einen freien Austausch zwischen intra–

und extrazellul¨arer Fl¨ussigkeit, hinzu kommt ein ver¨andertes dielektrisches Ver- halten der Membransysteme, die wie Kondensatoren wirken. Diese Punkte f¨uhren zu einem sich w¨ahrend der Fleischreifung stetig ¨andernden passiv–elektrischen Verhalten: Durch die Zunahme an frei beweglichen Ladungstr¨agern kommt es zu einer Erh¨ohung des Leitwertes (Reul et al. 1984, Feldhusen et al. 1987, Schw¨agele1992 a, Reichert1996).

Fleisch ist ein relativ schlechter elektrischer Leiter, intra– und extrazellul¨are Fl¨us- sigkeiten werden von Membranen, die wie Kondensatoren wirken, voneinander getrennt. Die Fl¨ussigkeit in den Extrazellul¨arspalten kann hingegen praktisch als homogener Elektrolyt betrachtet werden. Die Leitf¨ahigkeit des Fleisches ist abh¨angig von der angelegten Frequenz. Bei niedrigen Frequenzen fließt der Strom durch den Extrazellularraum, mit zunehmender Frequenz kommt ein zunehmen- der Strom durch die Zellen hinzu. Die Leitf¨ahigkeit geht damit mit zunehmender Frequenz einem Maximalwert entgegen. Es sind also zwei Strompfade durch die Muskulatur zu beachten. Der Pfad durch den extrazellul¨aren Raum geht durch

(37)

einen homogenen Elektrolyten, dessen Leitf¨ahigkeit frequenzunabh¨angig ist, da- gegen h¨angt die Leitf¨ahigkeit auf dem Weg durch die Zellen von der Frequenz ab.

(Pliquett 1979, Pliquett und Pliquett 1992, Pliquett und Pliquett 1998).

Der Leitwert hat in der Muskulatur also zwei Anteile, die durch normale ohmsche und durch kapazitive Widerst¨ande (Zellmembranen wirken wie Kondensatoren) in der Muskulatur erzeugt werden. Durch die kapazitiven Anteile des Meßobjektes kommt es zu einer Phasenverschiebung von Strom und Spannung. Dies f¨uhrt zu einem frequenzabh¨angigen Meßergebnis.

Daneben h¨angt die gemessene Leitf¨ahigkeit auch noch von der Meßzellenkonstan- ten ab, die die Geometrie der Meßelektroden ber¨ucksichtigt (vgl. Kap. 2.2.1), und von ¨außeren Bedingungen wie Temperatur und Einstichwinkel und –tiefe in die Muskulatur.

LF–Meßger¨ate, die bei nur einer, empirisch festgelegten Frequenz arbeiten, al- so nicht das gesamte durch das Meßgut beeinflußte Frequenzspektrum erfassen, finden in der Fleischwirtschaft breite Anwendung. Auch das in der vorliegenden Untersuchung verwendete Meßger¨at LF Digi 191 der Fa. WTW geh¨ort in diese Gruppe.

2.3.1 Die Messung der elektrischen Leitf¨ ahigkeit – Ergebnisse anderer Untersucher

Seit vielen Jahren ist man in der Fleischforschung bem¨uht, schnelle und zu- verl¨assige Methoden f¨ur die Bestimmung der Fleischqualit¨at zu finden, die zu verschiedenen Zeitpunkten nach dem Schlachten angewandt werden k¨onnen.

Eine M¨oglichkeit ist die pH–Wert–Messung 45 Minuten p.m., besonders, um PSE–

Fleisch beim Schwein zu erfassen. ¨Uber den fr¨uh–postmortalen Zeitraum hinaus

(38)

ist die pH–Wert–Messung zur Erfassung von PSE–Fleisch jedoch nicht sinnvoll, weil schon wenige Stunden nach dem Schlachten der End–pH erreicht ist, an dem sich normales und ver¨andertes Fleisch nicht mehr unterscheiden. F¨ur die Erkennung von DFD–Eigenschaften beim Rindfleisch eignet sich hingegen die pH–

Messung nach 24 Stunden. Unter Laborbedingungen bereitet die pH–Messung keine Probleme, in der Praxis sieht es jedoch anders aus. Die Messung exakt 45 Minuten p.m. ist im Schlachtbetrieb oft aus r¨aumlichen Gr¨unden oder wegen des Arbeitsablaufes nicht m¨oglich. Zudem sind die Glaselektroden der pH–Meßger¨ate f¨ur den Routine–Einsatz im Schlachtbetrieb zu empfindlich, die Messung dauert recht lange und die Ger¨ate m¨ussen h¨aufig geeicht werden. (Feldhusen 1987, Sack 1988,Schw¨agele 1992 a,Honikel 1995, Honikel, et al. 1995).

Andere Meßgr¨oßen zur Erfassung der Fleischqualit¨at, wie z.B. die Farb– und die Farbhelligkeitsmessung (mit dem G¨ofo–Ger¨at, Minolta o.¨a.), sind unmittelbar nach dem Schlachten ebenfalls nicht geeignet, da sich die zu messenden Eigen- schaften erst als Folge des pH–Wert–Abfalls und der gleichzeitig herrschenden Temperatur–Verh¨altnisse in Zeitversetzung ergeben. Zudem steht die Farbhellig- keit in keiner besonders engen Beziehung zu wichtigen Qualit¨atseigenschaften des Fleisches wie dem Wasserbindungsverm¨ogen (Honikel 1995).

Dies ist bei der Messung der elektrischen Leitf¨ahigkeit anders, weil diejenigen postmortalen Ver¨anderungen wie Membransch¨adigungen und Proteindenaturie- rung, die auch das Ansteigen der LF bedingen, gleichzeitig auch die Herabset- zung des Wasserbindungsverm¨ogens verursachen. Zudem ist die Messung der elektrischen Leitf¨ahigkeit in der Praxis auf dem Schlachthof problemloser durch- zuf¨uhren, weil die Meßelektroden stabil und unempfindlich sind und die Ger¨ate nur in gr¨oßeren Zeitabst¨anden geeicht zu werden brauchen. Von Nachteil ist bis- her noch, daß bei einem recht großen Angebot von Meßger¨aten auf dem Markt Ger¨ate mit gleichen Meßprinzipien und Meßeinheiten unterschiedliche Meßwerte

(39)

anzeigen. Auch hinsichtlich Meßlokalisation und –zeitpunkt gibt es noch keine Standardisierung. Meßwerte sind daher schlecht vergleichbar.

Bisher ist nur der Einsatz der Leitf¨ahigkeitsmessung zur Diagnose von PSE–

Fleisch beim Schwein gut untersucht, die Ergebnisse verschiedener Untersucher sollen im Folgenden einander gegen¨ubergestellt werden. ¨Uber LF–Messungen an Rindfleisch gibt es bisher nur wenige Untersuchungen, sie werden dann im An- schluß besprochen.

Fischer(1986) fand bei Untersuchungen des M. semimembranosus und des M.

longissimus dorsi beim Schwein Korrelationen von 0,83 und h¨oher zwischen den wichtigsten Glykolyse-Parametern (ATP, R-Wert, Lactat) und dem Leitf¨ahig- keitswert und schloß daraus, daß die durch Leitf¨ahigkeitsver¨anderungen zutage tretenden Membrandefekte zur Geschwindigkeit der postmortalen Glykolyse in engem Kausalbezug stehen.

Sack(1988),HonikelundGarrido(1993),Honikel(1995) undKirchheim et.al. (2001) fanden ebenfalls gute Korrelationen zwischen dem LF–Wert und der pH–Messung 45 Minuten p.m., wobei Honikel allerdings herausstellt, daß der LF–Anstieg erst bei pH–Werten unter 5,6 stattfindet, was fr¨uhestens 45 Minuten p.m. der Fall sei. Er empfiehlt eine LF–Messung 150 Minuten p.m. Dies ist sinn- voll, weil der LF–Anstieg strukturelle Ver¨anderungen der Muskulatur widerspie- gelt, die durch den pH–Abfall und den Temperatur–Anstieg verursacht wurden und er daher zeitlich versetzt zu ihnen auftritt.Schw¨agele(1992 a) betont, daß unmittelbar p.m. die Meßwerte der LF in der Muskulatur aller Schlachtk¨orper sehr eng beieinander liegen, so daß außer in Extremf¨allen keine pr¨azise Zuordnung in Fleischqualit¨atsklassen erfolgen k¨onne, daher solle der fr¨uheste Meßzeitpunkt nicht unter 60 min. p.m. liegen. Nur wenn zu einem fr¨uheren Zeitpunkt sehr hohe LF-Werte von ¨uber 15mS/cm festgestellt w¨urden, k¨onne dies zu diesem fr¨uhen

(40)

Zeitpunkt ein Hinweis auf das Vorliegen von PSE-Fleisch sein. AuchFeldhusen (1987) stellt heraus, daß bei einer fr¨uhen LF–Messung keine gute ¨Ubereinstim- mung mit dem pH45–Wert festzustellen sei, 2–48 Stunden p.m. die LF-Messung aber zu 90% im Kotelett und zu 80% im Schinken eine Bewertung des Fleisches wie nach dem pH50-Wert als Normalfleisch ergibt. Obwohl die meisten Autoren eine sp¨atere Messung empfehlen, wurden Grenzwerte f¨ur die Diagnose von PSE–

Fleisch haupts¨achlich f¨ur den LF40–Wert oder den LF50–Wert erarbeitet. Eine Ubersicht gibt Tabelle 2.2.¨

Tabelle 2.2: LF–Grenzwerte zur Differenzierung von Normal- und PSE-Fleisch (in mS/cm)

gut fraglich schlecht (PSE) Reul et al. (1984) LF50 <5,5 5,51 - 10,49 >10,0 Schmitten et al. (1984) LF40 <5,0 5,01 - 8,99 >9,0 Schmitten et al. (1986) LF40 <4,3 4,4 - 8,2 >8,3 LF50 <4,8 4,9 - 9,7 >9,8 Feldhusen (1987) LF50 <5,0 5,0 - 7,0 >7,0 Sack (1988) LF50 <4,8 4,9 - 9,7 >9,8

Der Grenzwert der LF, der PSE– von Normalfleisch trennt, schwankt von Tier zu Tier und Muskel zu Muskel (Honikel und Garrido 1993). Daher seien Messungen des pH45 zusammen mit anderen Qualit¨atsparametern wie LF oder Farbhelligkeit zur Festlegung der Grenzwerte n¨otig. Reichert (1996) kritisiert in diesem Zusammenhang, daß bisherige Untersuchungen zum LF–Wert zu wenig auf die Fleischqualit¨aten des Endproduktes ausgerichtet gewesen seien. Die Meß- werte seien meist mit dem pH–Wert und dem Tropfsaftverlust fr¨uhpostmortal korreliert worden, was er jedoch im Hinblick auf Aussagen die Fleischqualit¨at des

(41)

Endproduktes betreffend f¨ur wenig signifikant h¨alt. Er bezieht sich dabei auch auf die Arbeit von Jaud et al. (1992), die die dargestellten engen Korrelatio- nen zwischen pH45, LF und anderen Fleischqalit¨atsparametern nicht best¨atigen konnten. Sie bemerken zwar einschr¨ankend, daß die Ergebnisse bei einer sp¨ateren LF-Messung (ab 2 Stunden p.m.) besser seien, eine Messung zu diesem sp¨aten Zeitpunkt sei aber aufgrund der Arbeitsabl¨aufe am Schlachthof kaum zu verwirk- lichen. Neumann–Fuhrmann(1987) schreibt ebenfalls, daß sich bisherige Ein- stufungsvorschl¨age zur Fleischqualit¨at haupts¨achlich am pH45–Wert orientierten, da er entscheidende urs¨achliche Zusammenh¨ange im postmortalen Verlauf der Fleischreifung charakterisiere. Sie stellte jedoch bei ihren Untersuchungen fest, daß diese Zusammenh¨ange nicht immer best¨atigt werden konnten. Sie empfiehlt daher ebenfalls zur objektiven Erfassung der Ver¨anderungen w¨ahrend der Fleisch- reifung den gemeinsamen Einsatz der Parameter pH–Wert, LF–Wert, Farbe und Wasserbindungsverm¨ogen.

2.3.2 Untersuchungen ¨ uber die Leitf¨ ahigkeit von Rind- fleisch

Untersuchungen zur elektrischen Leitf¨ahigkeit als Diagnoseparameter f¨ur den Ver- lauf der Fleischreifung beim Rindfleisch f¨uhrten Feldhusen (1987) und Beck et. al. (1992) durch.

Feldhusen(1987) untersuchte den Verlauf der Fleischreifung von Rindern ¨uber 18 Tage p.m., wobei er in 2–3t¨agigen Abst¨anden neben der LF den pH–Wert, die Gesamtkeimzahl, die Penetration und die Scherkraft maß. Die Leitf¨ahigkeit des untersuchten Rindfleisches nahm in Abh¨angigkeit von der Lagerungsdauer kontinuierlich zu, und zwar um ca. 1 mS/cm pro Tag. Das galt f¨ur Fleisch mit normaler Glykolyse und DFD–Fleisch gleichermaßen. Zu den anderen Fleisch-

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reifungsparametern in Beziehung gesetzt, ergab sich, daß ein Abfall der Mus- kelscherkr¨afte und ein Anstieg der Penetrationswerte mit steigenden LF-Werten einherging, also mit zunehmender Zartheit stieg die Leitf¨ahigkeit an. Bei LF–

Werten ¨uber 16 mS/cm waren keine weiteren Zartheitszunahmen mehr zu be- obachten. Eine Beziehung zwischen den LF–Werten und dem pH–Wert konnte nicht ermittelt werden, ebenso nicht zur Gesamtkeimzahl. Ein Zusammenhang zwischen GKZ und LF deutete sich bei LF–Werten von mehr als 11 mS/cm an, ist aber auf durch Mikroorganismen verursachte enzymatische Fleischreifungs- vorg¨ange zur¨uckzuf¨uhren. Zusammenfassend kommtFeldhusenzu der Aussage, daß beim Rindfleisch die LF-Messung eine Diagnose des Fleischreifungszustandes unabh¨angig vom Fleischreifungstyp erm¨oglicht.

Beck et al. (1992) f¨uhrten bei Rindfleisch 1 Tag p.m. Messungen von pH, Leitf¨ahigkeit, intramuskul¨arem Fettgehalt (IMF) und Fleischfarbe durch, mit dem Ziel, anhand dieser Meßergebnisse Voraussagen ¨uber die sp¨atere sensori- sche Qualit¨at des Fleisches zu machen. Dazu verglichen sie die Ergebnisse bezie- hungsweise die Voraussagen mit Untersuchungen an Proben desselben Fleisches 20 Tage p.m. Dabei wurden Scherkraftmessungen und sensorische Evaluation durch ausgebildete Testpersonen durchgef¨uhrt. Sie kamen zu dem Ergebnis, daß sich anhand von Fettgehalt und Fleischfarbe sichere Voraussagen betreffend der sp¨ateren Fleischqualit¨at treffen lassen und bezogen die Ergebnisse von pH– und LF–Messungen leider nicht in ihre statistischen Auswertungen mit ein, da sie zu keiner weiteren Verbesserung der statistischen Sicherheit der Aussagen f¨uhrten.

Daher stehen aus dieser sonst interessanten Arbeit leider keine Daten zum Verlauf der LF ¨uber die Fleischreifungszeit beim Rind zur Verf¨ugung.

Untersuchungen ¨uber die Ver¨anderungen der elektrischen Leitf¨ahigkeit im Verlauf der Fleischreifung bei anderen Tierarten gibt es f¨ur Putenfleisch von Slowinski und Stolarski (1998) und f¨ur Schaffleisch von Funk–Eisele et al. (2001).

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2.4 Biochemische Abl¨ aufe w¨ ahrend der Fleisch- reifung

Durch den Vorgang des Schlachtens wird die Blutzirkulation unterbrochen, mit der Folge eines Sauerstoffmangels in der Muskulatur, ihr Stoffwechsel l¨auft jedoch weiter. F¨ur die Resynthese von ATP werden nun zun¨achst die Creatininphosphat–

Reserven verbraucht, dann setzt die anaerobe Glykolyse ein, die die Glykogen- Reserven im Muskel abbaut. Die Glykolyse ist aber, was die ATP–Ausbeute be- trifft, sehr viel ineffektiver als die oxidative Zellatmung und setzt statt dessen sehr viel mehr Energie in Form von W¨arme frei, dies f¨uhrt zum Ansteigen der Mus- keltemperatur. Das Endprodukt der anaeroben Glykolyse, das Lactat, kann nach dem Aussetzen der Blutzirkulation nicht mehr aus der Muskelzelle abtranspor- tiert werden und reichert sich in ihr an – es kommt zum Absinken des pH-Wertes (Lawrie 1980, Greaser 1986).

Gleichzeitig dringen p.m. Calcium–Ionen aus den Mitochondrien und bei Versa- gen der Ca2+–Pumpe aus dem Sarkoplasmatischen Retikulum in das Sarkoplasma ein. Sie f¨uhren zu einer Aufhebung des die Interaktion zwischen Myosin und Ak- tin blockierenden Troponin–Tropomyosin–Systems und zu einer Aktivierung der Myosin–ATPase. So wird weiter ATP abgebaut. Ist schließlich nicht mehr genug ATP vorhanden, um den Actomyosin–Komplex zu l¨osen, der w¨ahrend der Kon- traktion entsteht, kommt es zum Rigor mortis. Dies geschieht sogar in dem Falle, daß noch Glykogen–Reserven vorhanden sein sollten, weil durch den sinkenden pH–Wert — von in vivo etwa 7,2 bis auf unter 5,6 — die Enzyme der anaeroben Glykolyse inaktiviert werden und die ATP–Resynthese zum Stillstand kommt (hamm 1979, Lawrie 1992).

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Durch den erniedrigten pH–Wert und die erh¨ohte Temperatur kommt es neben der Inaktivierung von Enzymen auch zur Denaturierung und Sch¨adigung von Struktur– und Membranproteinen, das Wasserbindungsverm¨ogen der Muskulatur wird erniedrigt.

Muskeleigene Enzyme bewirken im Verlauf der Reifung eine Proteolyse der Struk- turproteine und damit eine Zunahme der Zartheit. Nach Lawrie (1992) ist die gleichzeitig auftretende Zunahme des NPN–Gehaltes der Muskelzelle auf den Zer- fall l¨oslicher Proteine im Sarkoplasma zur¨uckzuf¨uhren und nicht etwa auf die Dis- soziation der Actomyosin–Verbindungen oder eine weitergehende Proteolyse der kontraktilen Proteine. Es komme hingegen unter Einwirkung der Proteasen zu de- finiertem und spezifischen Aufbrechen der Peptidbindungen der Strukturproteine an bestimmten Punkten wie zum Beispiel den Z–Scheiben. Es treten also Degra- dationen von Desmin auf, weiterhin von Nebulin und Titinfilamenten.Koohma- raie (1994) betont, daß diese zunehmende Fragmentation der Myofibrillen mit der Zartheit stark korreliert (dieser Umstand soll in dieser Arbeit sp¨ater genauer besprochen werden) und daß daher die Ver¨anderungen, die zu einer Verbesserung der Fleischqualit¨at f¨uhren, haupts¨achlich durch endogene Proteasen verursacht werden.

Haupts¨achlich werden zwei proteolytische Enzymsysteme diskutiert, die Calcium–

aktivierte Protease (CAP, Calpain mit ihrem endogenen Inhibitor Calpasta- tin) und die lysosomalen Kathepsine (Lee 1984, Sielaff und Thiemig 1990, Dransfield 1992). Koohmaraie (1994) erw¨ahnt außerdem den Multicataly- tischen Proteinase–Komplex (MCP), der allerdings unter den bei der Fleischrei- fung herrschenden Bedingungen keinen Einfluß auf die Proteolyse der Myofibrillen haben soll. Das Calpain–System und die lysosomalen Kathepsine erg¨anzen sich abh¨angig von ihren pH– und Temperatur–Optima. Die Calcium-aktivierten Pro- teasen, Calpain I und II, haben ihr Optimum bei einem pH≥6 und werden durch

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den bereits erw¨ahnten Calcium–Einstrom ins Sarkoplasma aktiviert. Sie zerst¨oren Z–Streifen–Strukturen (Desmin), was zur Fragmentation von Myofibrillen f¨uhrt, und bewirken eine Degeneration von Troponin T, Connectin und Proteinen der M–Linie. Mit weiterem Fallen des pH–Wertes kommt es zu Membransch¨aden an den Lysosomen, aus denen die Kathepsine B, D und L freigesetzt werden, die bei niedrigen pH–Werten ihre optimale Wirkung entfalten. Sie f¨uhren zu einer relativ schnellen Degeneration von Troponin T und I und des C–Proteins, w¨ahrend Myo- sin, Aktin, Nebulin, Titin undα–Actinin langsamer angegriffen werden (Lawrie 1992,Halloran et al. 1997).

Koohmaraie(1994) sieht die CAP im Vordergrund, da sie durch Calcium–Ionen aktiviert werden und sich die Fleischreifung experimentell durch Infusionen von CaCl stark beschleunigen ließe, im Gegensatz dazu werde die Aktivit¨at von Ka- thepsin B durch Calcium-Ionen stark gehemmt. Das Calpain sei zudem im Cytosol haupts¨achlich an seinem spezifischen Angriffspunkt, den Z-Scheiben lokalisiert, w¨ahrend die Kathepsine im Cytosol verteilt in den Lysosomen eingeschlossen sei- en. Es sei zu bezweifeln, daß die Membranen dieser Organellen zu einem fr¨uhen Zeitpunkt der Fleischreifung soweit degeneriert seien, daß diese Enzyme austreten k¨onnten. Außerdem habe die Lagerung p.m. keinen Effekt auf Actin und Myo- sin, obwohl diese das Hauptsubstrat f¨ur die lysosomalen Kathepsine sein m¨ußten, wenn diese schließlich aus den zerst¨orten Lysosomen austreten.

2.5 Postmortale ultrastrukturelle Ver¨ anderun- gen

Die postmortal auftretenden strukturellen Ver¨anderungen an der Muskelfaser las- sen sich in initiale Vorg¨ange unmittelbar p.m., wie St¨orungen an Mitochondrien,

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am Sarkoplasmatischen Retikulum und an Zellmembranen, und in Sp¨atfolgen wie Filament– und Fibrillendenaturierung unterteilen.

Diese strukturellen Alterationen werden durch die bereits beschriebenen bioche- mischen und physikalischen Vorg¨ange bedingt, die mit dem Begriff der Fleisch- reifung verbunden sind: Durch die p.m. eintretende Gewebsanoxie, den fehlenden Abtransport von Stoffwechselschlacken, das Einsetzen der anaeroben Glykoly- se und des Rigor mortis und schließlich durch die enzymatischen autolytischen Prozesse (Bergmann 1976).

• Mit den morphologischen Ver¨anderungen am Skelettmuskel des Rindes ha- ben sich u.a. Stromer und Goll (1967), Davey und Dickson (1970), DaveyundGraafhuis(1975),Varriano-Marstonet al. (1976),Gann und Merkel (1977), Willet. al. (1980) Kieslich (1983),Katsaras et al. (1984) und Rowe (1989) besch¨aftigt.

• Varranio–Marstonet al. (1976) fanden unmittelbar p.m. Zerreissungen des die Faser umgebenden Membrankomplexes, die durch starke Kontrak- tion der Muskelfasern entstanden waren.

• GannundMerkel(1977) fanden beim Rind Unterschiede zwischen hellen Muskelfasern, an denen sie schon 1 Stunde p.m. einen leichten Verlust von Z–Scheiben–Material feststellten, und roten Muskelfasern, deren Z-Scheiben zu diesem Zeitpunkt unver¨andert sind. Das Sarkolemm liegt unmittelbar p.m. direkt auf den Myofibrillen u. weist keine strukturellen Ver¨anderungen auf und ist von unverletzten kollagenen Fasern umgeben.

• Will et al. (1980) fanden dagegen Zusammenhangstrennungen der Zell- membran schon 1 Stunde p.m., weiterhin Risse in den Membranen des Sarkoplasmatischen Retikulums, das allerdings erst 24 Stunden p.m. ausge-

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dehnte Degenerationen aufwies, sowie hydropische Schwellungen und Auf- reißen der Mitochondrien.

• Katsaras et al. (1984) fanden bei transmissions–elektronenmikroskop- ischen Untersuchungen an Rindermuskulatur unmittelbar nach der Schlach- tung intakte Muskelfasern mit typischer Myofibrillenstruktur und deutlich unterscheidbaren A- und I-Banden, gut erkennbaren Z–Linien und H–Zonen mit deutlich sichtbarer M-Linie. An der Grenze zwischen A– und I–Bande waren die Triaden der T–Tubuli gut erkennbar.

Mit dem Einsetzen des Rigor mortis kommt es dann zu einer je nach Tierart, Muskeltyp, Lagerungsart und -temperatur unterschiedlich starken Verk¨urzung der Sarkomere (Stromer et al. 1967,Greaser 1986). Katsaras et al. (1984) stellen sie am 2. Tag p.m. fest. Die Kontraktion f¨uhrt zu einem elektronenmikro- skopisch ver¨anderten Erscheinungsbild der Sarkomeren. Die Z-Scheiben erschei- nen verdickt, w¨ahrend die I–Bande schmal wird oder kaum noch zu erkennen ist, genau wie die M– und H–Streifen. Stark kontrahierte Sarkomere bekommen sogar eine”sanduhr¨ahnliche“ Form, wenn die Z–Streifen l¨anger sind als der Querdurch- messer eines Sarkomers (Kieslich 1983). Varranio–Marston et al. (1976) fanden ¨ahnliche, die Z–Scheiben repr¨asentierende Strukturen, die sie als

”Trans- verse Ridges“ bezeichneten.

Der degenerative Prozeß schreitet nun in der sp¨at–postmortalen Phase fort. Ro- we (1989) fand mit Hilfe von REM–Aufnahmen 24 Stunden p.m. ein Sarko- lemm, das sich von zusammengeklumpten Myofibrillen abgehoben hatte, sodaß große subsarkolemmale Hohlr¨aume entstanden waren. Sowohl er selbst als auch Varranio–Marston et al. (1976) beobachteten bei einer Lagerung des Rind- fleisches bei 2 oC an den Membranstrukturen 24 Stunden p.m. einen beginnenden Abbau, wobei die Oberfl¨ache des Sarkolemms dort, wo sie den Myofibrillen noch

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aufliegt, relativ glatt ist, aber zahlreiche kleine L¨ocher aufweist. Die Basalmem- bran unterliegt einer strukturellen Desintegration, es treten Defekte an Basal- membran und Endomysium auf, sodaß die einzelnen Myofibrillen unterscheidbar werden. Nach 4 Tagen liegt dann schließlich eine schwere Sch¨adigung des Sarko- lemms vor.

An den Myofibrillen macht sich post rigor eine fortschreitende Degradation der Z–Scheiben bemerkbar, die zun¨achst mit Br¨uchen der d¨unnen Filamente an ihrer Verbindung zur Z–Scheibe beginnt (myofibrill¨are Fragmentation). Am 6. Tag p.m.

sind dann durch den partiellen Zerfall der Z–Scheiben und der anderen transversal verlaufenden Strukturen, der T–Tubuli, intermyofibrill¨are R¨aume entstanden. Die Triaden der T–Tubuli sind zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu erkennen. Die Degradation der Z–Scheiben tritt bei weißen Muskelfasern fr¨uher auf als bei roten.

Bei roten Muskelfasern sind zwar Br¨uche der d¨unnen Filamente am Z–Streifen zu finden, wodurch die ganze Faser in Querrichtung verschoben werden kann, eine Zersetzung der Z–Scheibe trat bei Typ–1–Fasern jedoch auch am 9. Tag p.m.

noch nicht auf. Eine L¨osung der Aktinfilamente aus ihrer Verankerung an der Z–Scheibe ist zu diesem Zeitpunkt jedoch deutlich sichtbar.

Mit fortschreitender Reifung nehmen dann Querbr¨uche der Myofibrillen, die Bil- dung von interfilament¨aren R¨aumen und der Abbau der ¨außeren Schichten des Sarkolemms zu (Gann und Merkel 1977, Katsaras et al. 1984).

2.6 Fl¨ ussigkeitshaushalt und Ionenverteilung

Wie bereits oben erw¨ahnt, kommt es post mortem durch Temperaturver¨ande- rungen, sinkenden pH–Wert und die Muskelverk¨urzung beim Eintritt des Rigor mortis zu Ver¨anderungen in der Biochemie und Ultrastruktur des Muskels, durch die Enzymsysteme inaktiviert und Membransysteme gesch¨adigt werden. Dies hat

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zur Folge, daß sich der Fl¨ussigkeitshaushalt des Muskels gegen¨uber dem Zustand in vivo ver¨andert.

Durch Ver¨anderungen des Wasserbindungsverm¨ogens (WBV) kommt es zum Aus- treten von Gewebsfl¨ussigkeit aus dem Fleisch, dem sogenannten Drip. Mit dieser Umverteilung der fl¨ussigkeitsgef¨ullten R¨aume im Fleisch geht eine Vergr¨oßerung des extrazellul¨aren Raumes (ECR) einher und frei bewegliche Ionen k¨onnen sich neu verteilen. All dies hat auf das dielektrische Verhalten des Fleisches und damit auf seine elektrische Leitf¨ahigkeit wesentlichen Einfluß.

2.6.1 Wasserbindungsverm¨ ogen

Die Bedeutung des Wasserbindungsverm¨ogens f¨ur das Lebensmittel Fleisch wird aus dessen Zusammensetzung deutlich:

Muskeln bestehen zu 70–75% aus Wasser, zu etwa 20% aus Proteinen und zu nur 1,5–3% aus Fett.

Das Wasserbindungsverm¨ogen kann allgemein definiert werden als die F¨ahigkeit des Fleisches, das eigene oder unter Umst¨anden zugesetztes Wasser ganz oder teilweise festzuhalten (Honikel 1987). Das Wasser ist in der Muskulatur auf unterschiedliche Weise verteilt, und zwischen den Verteilungsr¨aumen bzw. ver- schiedenen Bindungszust¨anden gibt es fließende ¨Uberg¨ange.

Man unterscheidet

1. das Wasser des extrazellul¨aren Raumes,

das je nach Fortschreiten der postmortalen Prozesse 10–15% des Volumens einnimmt (Hamm 1963, Honikel 1987).

2. das Wasser des sarkoplasmatischen Raumes.

Es ist frei beweglich und wird nur durch Zellmembranen am Austritt aus

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