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Das Problem bei der Messung des Fleisch–Qualit¨atsmerkmals

”Zartheit“ ist, daß es sich um eine komplex zusammengesetzte sensorisch erfaßbare Eigenschaft han-delt, die wie folgt beschrieben wird:

”Zartes Fleisch ist beim Kauen angenehm weich, m¨urbe oder locker, man hat das Gef¨uhl, daß das Fleisch einem auf der Zunge zergeht oder zerf¨alllt“ (Lee 1984). Die Erfassung einer solchen Eigen-schaft ist nat¨urlich am besten mit einer sensorischen Untersuchung m¨oglich, die zwar einerseits mit einer gewissen Unsicherheit durch die Subjektivit¨at der te-stenden Personen behaftet ist, andererseits erfassen chemische oder physikalische Meßverfahren immer nur einzelne Elemente des Ph¨anomens Zartheit.

2.8.1 Sensorische Erfassung der Zartheit

Obwohl eine sensorische Analyse prim¨ar auf subjektiven Sinneseindr¨ucken beruht, wird dabei heute ein hoher Grad an objektiver, d.h. allgemeing¨ultiger Aussage angestrebt. Dies ist bei gut ausgebildeten Testpersonen und einem festgelegten Pr¨ufschema wie bei den DLG–Qualit¨atspr¨ufungen f¨ur Fleischerzeugnisse heutzu-tage m¨oglich (Hoffmann1986).

Gegen¨uber den sensorischen Erfassungsmethoden, die zwar die Zartheit umfas-sender beschreiben, haben die chemischen und physikalischen Meßmethoden den Vorteil der besseren Reproduzierbarkeit, leichteren Standardisierung und Zeiter-sparnis.

2.8.2 Mechanische Meßmethoden

Um die Zartheit zu messen, wurden in der Vergangenheit zahlreiche mechanische Methoden entwickelt, die meist auf einem der folgenden Prinzipien basieren:

sche-ren, durchschneiden, penetriesche-ren, zerkleinern oder komprimieren (Asghar und Pearson, 1980). Wenn man von der oben zitierten Definition der Zartheit aus-geht, die den sensorischen Eindruck zarten Fleisches beim Kauen beschreibt, er-scheint es folgerichtig, als

”physikalisches Gegenst¨uck“ f¨ur diese sensorische Wahr-nehmung eine Zartheits-Meßmethode anzuwenden, die die Funktion der Z¨ahne nachahmt. Aus diesem Grund hat sich der Warner-Bratzler-Scherapparat als am h¨aufigsten genutzte Vorrichtung der Zartheitsmessung durchgesetzt (Hecht 1986, Honikel 1999). Bei diesem Ger¨at wird eine geometrisch genau definierte Probe zwischen ein keilf¨ormig zulaufendes stumpfes Scherblatt gelegt und durch-trennt. Das Scherblatt wird dabei zuerst in das Fleisch gedr¨uckt, das an dieser Stelle zuerst komprimiert und dann durchgeschert wird. Die dazu ben¨otigte Kraft wird als Scherkraft [N] bezeichnet. Bei diesen Meßverfahren wird meist die ma-ximal ben¨otigte Kraft (maximale Scherkraft, Peak Shear Force) in kPa oder N angegeben.

Die maximale Scherkraft ist neben der Reifungsdauer des Fleisches von der Tem-peratur, bis zu der das Fleisch vor der Messung erhitzt wurde, abh¨angig.

Sielaff und Thiemig (1990) fanden eine stetige Erh¨ohung der Scherkraft bei Temperaturen bis 50 – 60o C, dann einen rapiden Abfall und dann einen erneuten Anstieg auf ein Maximum bei 75 – 80o C.

Mit Scherkaftmessung ist es m¨oglich, in einem fr¨uhen Stadium der Fleischreifung recht sichere Voraussagen ¨uber die Zartheit des Fleisches am Ende der Reifungs-zeit zu machen (AugustiniundSpindler2000,Freudenreichund Augusti-ni2001).Asghar undPearson(1980) betonen jedoch, daß die Ergebnisse von Scherkraftmessungen und die abgeleiteten Korrelationen zu anderen Zartheits-parametern immer auch im Zusammenhang mit den verwendeten statistischen Methoden und der Probenzahl gesehen werden m¨ussen. Da der Muskel in seiner

Textur nicht homogen aufgebaut sei, sei es wichtig, ausreichend viele Proben von verschiedenen Stellen zu vermessen.

Weitere Angaben zu Scherkraftmessungen an Rindfleisch finden sich in den Ar-beiten vonBouton et al. (1975),LeeundSch¨on(1986),Crouseet al. (1991), BoakyeundMittal(1993),Geesinket al.(1995),Wuet al. (1995), Watana-be et al. (1996) sowie Nishimura et al. (1998)

2.8.3 Analytische Methoden

Ein anderer Ansatz zur Bestimmung der Zartheit ist der analytische. Da man davon ausgeht, daß die Ver¨anderungen an den Myofibrillen w¨ahrend der Fleisch-reifung eine wichtige Grundlage f¨ur die Zunahme der Zartheit sind, benutzt man analytische Methoden, die diese Ver¨anderungen untersuchen. Dazu werden h¨aufig dieMyofibrill¨are Fragmentationund die Messung der Sarkomerenl¨ange gew¨ahlt. Der Vorteil dieser analytischen Methoden besteht darin, daß sie am ro-hen Muskel durchgef¨uhrt werden k¨onnen und nicht wie die Scherkraft-Messung erst nach Erhitzung. Sie reflektieren strukturelle Ver¨anderungen am reifenden Muskel, die von der Denaturierung der Fleischproteine beim Erhitzen unbeein-flußt sind.

2.8.3.1 Myofibrill¨are Fragmentation

Verschiedene Autoren haben in der Vergangenheit festgestellt, daß mit zunehmen-der Reifung p.m. die Myofibrillen eine erh¨ohte Tendenz haben, bei Zerkleinerung des Fleisches in kleine Fragmente zu zerbrechen. Dies beruht vor allem auf einer Schw¨achung der Strukturen im Bereich der Z-Scheiben. (Davey und Gilbert 1969, Gann und Merkel 1978, Katsaras et al. 1984). Da festgestellt wurde, daß diese Fragmentierung im Verlauf der Reifungszeit zunimmt, wurde an

Ver-fahren gearbeitet, sie als Myofibrill¨arer Fragmentations-Index (MFI) objektiv zu bestimmen. Außerdem wurde untersucht, wie der MFI mit parallel gemessenen Warner-Bratzler-Scherkraftwerten korreliert ist.

Die Fragmentation der Myofibrillen kann entweder direkt lichtmikroskopisch be-stimmt werden oder durch eine photometrische Tr¨ubungsmessung, bei der der MFI ermittelt wird. Photometrische Tr¨ubungsmessungen f¨uhrten Møller et al.

(1973),Olsonet al. (1976),OlsonundParrish(1977),Parrish(1978),Cole und Davis (1981) und K¨uhne (1990) durch, wobei Olson et al. parallel auch lichtmikroskopische Untersuchungen durchf¨uhrten. Bei der Tr¨ubungsmessungs–

Methode werden Fleischproben einer standardisierten Zerkleinerung und Aufar-beitung der entstandenen Suspension unterzogen. An dieser Suspension werden dann Absorptionsmessungen durchgef¨uhrt. Da der Grad der Tr¨ubung mit dem Gehalt an kleinen Myofibrillen–Bruchst¨ucken korreliert, k¨onnen R¨uckschl¨usse auf den in der Muskulatur vorliegenden Grad der Fragmentation gezogen werden. Das Ergebnis der Absorptionsmessung wird als MFI angegeben.

Die genannten Autoren fanden je nach untersuchtem Muskel, Lagerungstempe-ratur und -zeit, unterschiedlich enge Korrelation zwischen dem Fragmentations-Index und der Zartheit von Rindermuskeln, gemessen als Warner-Bratzler-Scher-kraftwerte (zwischen r=–0,65 und r=–0,97, Olson und Parrish (1977), Par-rish (1978) ).

Eine lichtmikroskopische Untersuchung f¨uhrten Katsaras et al. (1984) durch.

Sie mikroskopierten homogenisierte Rindermuskulatur und bestimmten an je 100 Myofibrillen den Anteil an fragmentierten Myofibrillen, die nur aus 1 – 5 Sar-komeren bestanden. Sie stellten fest, daß die Bruchbereitschaft der Myofibrillen vom 1. bis zum 20. Reifungstag st¨andig zunahm, wobei die st¨arkste Steigerung in den ersten sechs Tagen zu verzeichnen war.

2.8.3.2 Sarkomerenl¨angen

Eine weitere analytische Methode zur Zartheitsbestimmung ist die Messung der Sarkomerenl¨angen. Der Zusammenhang zwischen Sarkomerenl¨angen und Zartheit wurde schon seit l¨angerer Zeit von verschiedenen Autoren beobachtet und unter-sucht. Nach der anf¨anglichen Kontraktion der Sarkomeren w¨ahrend des Rigor Mortis kommt es w¨ahrend der Reifungszeit wieder zu einer Zunahme der Sar-komerenl¨angen, dabei wurde gleichzeitig eine Zunahme der Zartheit beobachtet (Locker 1960,Gotthardtet al. 1966, MarshundLeet1966,Katsaraset al. 1984). Die ultrastrukturellen Ver¨anderungen, die w¨ahrend der Reifungsphase an den Myofibrillen auftreten, wurden in dieser Arbeit schon an anderer Stelle beschrieben (vgl. Kap. 2.5). Diese Ver¨anderungen, die schließlich auch die myofi-brill¨are Fragmentation verursachen, werden f¨ur die L¨angenzunahme der Sarkome-ren und die Zunahme der Zartheit verantwortlich gemacht. Es sind hier vor allem die Desintegration der Z–Scheiben und die L¨osung der Aktin–Filamente aus ihren Verankerungen an der Z–Scheibe zu nennen. Die Dissoziation des Actomyosin-Komplexes soll nur von untergeordneter Bedeutung sein (Gotthardt et al.

1966, Davey und Dickson 1970, Katsaraset al. 1984).

Die Sarkomerenl¨ange wird meist lichtmikrokopisch ermittelt, entweder an Fleisch-proben, die ¨ahnlich wie zur MFI-Bestimmung homogenisiert wurden (Lockeret al. 1959,Katsaraset al. 1984), oder an histologischen Schnitten (Gotthardt et al. 1966) oder aber an einzelnen herauspr¨aparierten Muskelfasern (Davey undDickson1970,K¨uhne1990). Dar¨uber, ob eine Homogenisierung der Probe Einfluß auf die Sarkomerenl¨ange hat, gibt es in der Literatur unterschiedliche Aussagen (Voyle 1971, Pospiech und Honikel 1987).

Swartzet al. (1993) untersuchten Rindermuskulatur mit Hilfe von Fluoreszenz-Mikroskopie, um mit fluoreszierenden Konjugaten von Myosin–Subfragment–1,

Alpha–Actinin und Actin die Bindungsstellen in den Myofibrillen bei unterschied-lichen Sarkomerenl¨angen zu verdeutlichen.

Voyle (1971) beschreibt als Alternative zur Lichtmikroskopie die Methode der Laser-Diffraktionsmessung. Dabei wird die Sarkomerenl¨ange mit Hilfe der Ablen-kung eines monochromatischen He-Ne-Lasers (632,8 nm) durch das Streifengitter der Muskulatur gemessen. Pospiech und Honikel (1987) verglichen die licht-mikroskopische und die Lasermethode hinsichtlich ihrer Genauigkeit und fanden generell gute ¨Ubereinstimmung. Sie stellten fest, daß Diskrepanzen in den Ergeb-nissen auf der Verwendung unterschiedlicher Pufferl¨osungen bei der Aufbereitung der Proben beruhen und auf verschiedenen Berechnungsmethoden und gaben Hin-weise, wie diese M¨angel zu beheben seien. Zu Diskrepanzen kam es vor allem dann, wenn die Muskulatur stark verk¨urzt war. Sie empfahlen, die Laser-Messung als schnelles Screening–Verfahren einzusetzen und die Ergebnisse lichtmikroskopisch zu ¨uberpr¨ufen. Sie ließen allerdings die Frage offen, welcher der beiden Meßwerte der ”richtige“ ist und der wahren Sarkomerenl¨ange entspricht.