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1 Der Niedersächsische Beirat für Bibliotheksangelegenheiten berät und unterstützt das Niedersächsische Ministerium für

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im Rahmen der Öffentlichen Konsultation des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz

zur Evaluierung des Bildungs- und Wissenschafts-Urheberrechts (§§ 60a bis 60h des Urheberrechtsgesetzes)

Allgemeine Anmerkungen

Dank der zwei Novellierungen des Urheberrechts - namentlich durch das Urheberrechts- Wissensgesellschafts-Gesetz (UrhWissG) und dem am 07.06.2021 in Kraft getretenem Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts - wurde die rechtliche Ausgangssituation für die Wissenschaft und Forschung insgesamt verbessert. Die Neuordnung und Ausweitung der Schrankenregelungen führte zu einer schnelleren Verständlichkeit und besseren Nutzbarkeit in der Praxis.

Für große Unsicherheit sorgte jedoch die Befristung dieser Regelungen durch

§ 142 UrhG, sodass sich beispielsweise Bibliotheken in der Nutzung der eingeräumten neuen Erlaubnisse zunächst zurückhielten, da keine Sicherheit über den 28.02.2023 hinaus bestand. Aus diesem Grund wurden beispielsweise Digitalisierungsprojekte auf Grundlage der neuen Regelungen nur mit Zurückhaltung durchgeführt, da die gesetzliche Grundlage zum 01.03.2023 außer Kraft getreten wäre. Die Streichung dieser Befristung mit dem Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts war notwendig und sorgt jedoch erst nach mehr als zwei Jahren für Rechts- , Investitions- und Planungssicherheit.

Mit den nun unbefristet geltenden gesetzlichen Regelungen ist das Ziel, Zugang zu urheberrechtlichen Schutzgegenständen zugunsten von Wissenschaft, Forschung, Lehre und Bildung sowie Kultur zu angemessenen Bedingungen und in ausreichendem Umfang zu schaffen (BT-Drs. 18/12329 v. 15.05.2017, S. 1ff.), jedoch noch nicht erreicht.

Insbesondere sind weitere rechtliche Rahmenbedingungen erforderlich, damit Bibliotheken die Herausforderung der digitalen Transformation meistern können.

Im Rahmen dieser Evaluierung ist es daher notwendig, nicht nur die Regelungen der beiden Novellierungen zu bewerten, sondern sich auch die Frage zu stellen, in wie weit die Möglichkeiten und Aufgaben von Bibliotheken zukunftsfähig ausgestaltet werden können. Notwendig ist hierfür insbesondere die Schaffung eines Rechtsrahmens, der es Bibliotheken ermöglicht, digitale Werke rechtssicher für sich und ihre Nutzerinnen und Nutzer zu lizenzieren und zu nutzen, um ihren Auftrag auch in der digitalen Informationsgesellschaft erfüllen zu können.

1 Der Niedersächsische Beirat für Bibliotheksangelegenheiten berät und unterstützt das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur im Umgang mit aktuellen und zukünftigen Fragen von wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliotheken.

Weitere Informationen sind abrufbar unter: https://bit.ly/3gzNnKn (Stand: 20.08.2021)

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1. Übergreifende Fragen

1.1. Praxistauglichkeit und Normenklarheit der gesetzlichen Erlaubnistat- bestände

Die Neuordnung, Konsolidierung und Vereinfachung der Vorschriften über die erlaubnisfreien Nutzungen für Bildung und Wissenschaft im Unterabschnitt 4

„Gesetzlich erlaubte Nutzungen für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen“

haben grundsätzlich dafür gesorgt, dass nicht nur die Auffindbarkeit, sondern auch die Verständlichkeit für die unterschiedlichsten Anwenderinnen und Anwender verbessert wurden.

Durch die Neufassung der gesetzlichen Erlaubnisse wurden unbestimmte Rechtsbegriffe durch konkrete Formulierungen ersetzt und einheitlich verwendet, wodurch die Verständlichkeit für die praktischen Anwenderinnen und Anwender erheblich verbessert wurde.

1.2. Zukunftstauglichkeit der gesetzlichen Erlaubnistatbestände

Die unzulänglichen rechtlichen Rahmenbedingungen erschweren es Bibliotheken, im digitalen Zeitalter ihren gesetzlichen Grundauftrag zu erfüllen. Durch den Wandel von der analogen zur digitalen Nutzung wandeln sich die Bedürfnisse von Bibliotheken und ihren Nutzern. So stellen digitale Werke einen Großteil der neu beschafften, bzw. laufend gehaltenen Werke in Bibliotheken dar. Nicht alle

„analogen“ rechtlichen Erlaubnisse wurden jedoch auf die digitale Welt übertragen.

So warten Bibliotheken immer noch auf die Einführung einer gesetzlichen Erlaubnis zum „E-Lending“. Bestrebungen von Bibliotheken, sich zukunftsgerecht aufzustellen, bleiben trotz der gesetzlichen Erlaubnisse abhängig von der Verhandlungsbereitschaft der (internationalen) Verlage. Die bisher geführten Diskussionen und geprüften Lösungswege im Rahmen von Einzellizenzierungen führten mit den Rechteinhabern zu keinem praxistauglichen Ergebnis. Es wird daher eine rechtliche Grundlage benötigt, die die Gleichstellung des E-Books mit dem gedruckten Buch eindeutig regelt. Eine weitergehende Differenzierung muss dabei vermieden werden (keine Analogie von Lehrbüchern zu Schulbüchern, Stichwort: Schulbuchausnahme).

1.3. Anmerkungen zur Lizenzierungspraxis im Allgemeinen

Bei der Lizenzierungspraxis der wissenschaftlichen Bibliotheken sind insbesondere im Bereich der elektronischen Medien neue Lizenzmodelle hinzugekommen. So sind mit den DEAL-Verträgen2 und anderen Transformationsverträgen deutliche Steigerungen des Open-Access-Anteils von wissenschaftlichen Publikationen zu verzeichnen. Die Anzahl der durch Transformationsverträge finanzierten Open-Access-Artikel steigerte sich so von 1.121 im Jahr 2018 bis hin zu 21.731 Artikeln im Jahr 2020.3

2 https://www.projekt-deal.de/ (Stand: 20.08.2021)

3 https://esac-initiative.org/market-watch/ (Stand: 20.08.2021)

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2. Zu den einzelnen Erlaubnistatbeständen

2.1. § 60a UrhG Unterricht und Lehre

2.1.1. Reichweite und Praxistauglichkeit

Die in § 60a Abs. 1 UrhG erfolgte Präzisierung des Umfangs der zustimmungsfrei zulässigen Nutzungshandlungen hat in der Praxis insgesamt für mehr Rechtssicherheit gesorgt, was sich in der Akzeptanz der Nutzung von elektronischen Semesterapparaten gezeigt hat4. Allerdings hat sich die in

§ 60a Abs. 1 UrhG vorgesehene Obergrenze von 15 % eines veröffentlichten Werkes (der Gesetzesentwurf für das UrhWissG sah nach der Bundesratsbefassung noch 25 % vor) mit Blick auf die Erfordernisse der Bildung und Lehre als zu eng erwiesen und genügt damit nicht den Erfordernissen eines zeitgemäßen wissenschaftlichen Studiums. Um diesen gerecht zu werden, bedarf es daher einer quantitativen Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten nach § 60a UrhG von derzeit 15 % auf mindestens 25 %.

Nicht nur in Zeiten der Corona-Pandemie und den damit verbundenen temporären Schließungen wird es in der Praxis immer deutlicher, dass Bibliotheken Möglichkeiten bekommen müssen, ihren Nutzerinnen und Nutzern neben der Nutzung vor Ort den Online-Zugang zu den Informationen sichern zu können.

Durch eine Erhöhung der Nutzungsmöglichkeiten im Rahmen des § 60a UrhG würde sich die digitale Grundversorgung an Bildungs- und Forschungseinrichtungen sicherstellen lassen. In diesem Zusammenhang besteht durch die mit Wirkung zum 7.6.2021 eingefügte Fiktion des Handlungs- und Erfolgsortes in § 60a Abs. 3a UrhG die Hoffnung, dass Rechtsunsicherheiten beseitigt werden, die für Bildungseinrichtungen im Rahmen des elektronischen Fernunterrichts (z. B. auch Online-Seminare während der Corona-Pandemie) bestehen – zumindest hinsichtlich Lehrenden und Studierenden im erfassten räumlichen Bereich (EU/EWR).

Die erst im parlamentarischen Verfahren aufgenommene Beschränkung in § 60a Abs. 2 UrhG und § 60c Abs. 3, nach der Aufsätze oder Artikel in Zeitungen oder Zeitschriften nur dann zustimmungsfrei genutzt werden dürfen, wenn es sich um Beiträge aus Fachzeitschriften oder wissenschaftlichen Zeitschriften handelt, führt in der Praxis zu erheblichen Problemen.

Zwar können Zeitungen und Publikumszeitschriften über § 60a Abs. 1 UrhG erfasst sein. Der Ausschluss von der Erweiterung des Werkumfangs nach

§ 60a Abs. 2 UrhG führt jedoch zu einer praktischen Weniger- bzw. Nichtnutzung der Schrankenregelung im Rahmen der Lehre – insbesondere Tageszeitungen haben einen nicht unerheblichen Lehranteil in bestimmten Fächern, die eine

4 Die Anzahl der beispielsweise an der Georg-August-Universität Göttingen in StudIP (elektronische Semesterapparate)

eingestellten Dokumente blieb über die Einführung des § 60a UrhG konstant, wobei ein deutlicher Rückgang der Supportanfragen durch Nutzerinnen und Nutzer zu verzeichnen war. Bezogen auf das SoSe 2019 stieg die Anzahl der eingestellten Dokumente coronabedingt im WiSe 2020/21 auf das Doppelte an.

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umfangreichere Nutzung notwendig machen. Insofern wird auch in Zukunft auf eine Gleichstellung gedrängt.

Weiterhin ist eine klare Abgrenzung zwischen Fachzeitschriften, wissenschaftlichen Zeitschriften und „Kiosk-Zeitschriften“ häufig nicht eindeutig möglich. Im Zweifel werden Zeitschriften, die nicht eindeutig als wissenschaftliche Zeitschrift oder Fachzeitschrift identifizierbar sind, von Lehre und Forschung nicht unter den Voraussetzungen der gesetzlichen Erlaubnisse genutzt.

Nachvollziehbar kann diese Beschränkung für die tagesaktuelle Berichterstattung sein – nicht jedoch für solche Artikel, die nicht mehr der tagesaktuellen Berichterstattung dienen, sondern vielmehr der Auseinandersetzung mit historischen oder zeithistorischen Geschehnissen. Dieser Umstand sorgt dafür, dass derzeit weder Lehre noch Forschung der Zugang zu historischen Artikeln aus Zeitungen und Zeitschriften ermöglicht werden kann. Zwar gibt es wenige, große Zeitungen, die gesonderte Lizenzen zur Verwendung älterer Presseartikel anbieten, dieses Modell entspricht aber keinem praxistauglichen Umgang mit den Beständen der Bibliotheken.

2.1.2. Verhältnis Schranke – Vertrag (§ 60g UrhG)

Der in § 60g Abs. 1 UrhG geregelte Vorrang der Schrankenregelung gegenüber vertraglichen Regelungen hat sich teilweise bewährt. Für die Nutzer hat sich mit dieser Klarstellung, dass die erlaubten Nutzungshandlungen stets erlaubt sind, ohne dass es der vorherigen Prüfung bedarf, ob bezüglich des geschützten Werkes ein Lizenzvertrag besteht oder nicht, die Anwendung erheblich erleichtert.

Problematisch wird das Verhältnis Schranke – Vertrag jedoch bei internationalen Lizenzverträgen, die nicht nach deutschem Recht auszulegen sind So werden z.B.

in bilateralen internationalen Lizenzverträgen Nutzungen, die nach deutschem Urheberrecht erlaubt wären, ausdrücklich verboten und bei Missachtung ggf. sogar mit Vertragsstrafen oder Sperrung des Zugangs durch den Lizenzgeber sanktioniert. Theoretisch wurde dieses Problem mit dem §60g Abs. 1 UrhG gelöst, wonach sich der Rechteinhaber nicht auf Vereinbarungen, die erlaubte Nutzungen nach den §§ 60a bis 60f zum Nachteil der Nutzungsberechtigten beschränken oder untersagen, berufen kann. Grundsätzlich geht auch die überwiegende Meinung in der Literatur5 davon aus, dass die Schranken nach dem Schutzlandprinzip dennoch Anwendung finden und auch entsprechend durchsetzbar sein könnten. Eine dahingehende Rechtssicherheit fehlt jedoch in der Praxis für Bibliotheken, um digitale Lizenzangebote internationaler Verlage dauerhaft verfügbar und rechtssicher im Rahmen der Schrankenregelung nutzbar zu machen.

5 vgl. Ahlberg/Götting/Lauber-Rönsberg, BeckOK Urheberrecht, Kollisionsrecht und internationale Zuständigkeit Rn. 11 ff.; Nack, in:

Götting/Meyer/Vormbrock, Gewerblicher Rechtsschutz, § 5 Rn. 17.

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2.1.3. Vergütungsfragen (§ 60h UrhG)

Es wird auf die Ausführungen in der Stellungnahme des Hochschulausschusses der Kultusministerkonferenzen, der Allianz der Wissenschaftsorganisationen und des Deutschen Bibliotheksverbands verwiesen.

2.2. § 60b UrhG Unterrichts- und Lehrmedien Keine Anmerkungen.

2.3. § 60c UrhG Wissenschaftliche Forschung

2.3.1. Reichweite und Praxistauglichkeit

Ebenso wie für Bildung und Lehre genügt die in § 60c UrhG vorgesehene prozentuale Grenze nicht den Erfordernissen der Wissenschaft und Forschung.

Die Ausführungen zur Notwendigkeit einer quantitativen Erweiterung des Nutzungsumfangs unter Ziff. 2.1.1 von derzeit 15 % auf mindestens 25 % und zur Nutzbarkeit von Tageszeitungen und Publikumszeitschriften gelten für § 60c UrhG entsprechend.

2.3.2. Verhältnis Schranke – Vertrag (§ 60g UrhG) s.o. (Ziffer 2.1.2)

2.3.3. Vergütungsfragen (§ 60h UrhG)

Es wird auf die Ausführungen in den Stellungnahmen des Hochschulausschusses der Kultusministerkonferenzen, der Allianz der Wissenschaftsorganisationen und des Deutschen Bibliotheksverbands verwiesen.

2.4. § 60d UrhG Text und Data Mining für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung

2.4.1. Reichweite und Praxistauglichkeit

Mit der durch das Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts erfolgten Ausweitung der Ausnahmen zugunsten von Text und Data Mining wurde der urheberrechtliche Schrankenkatalog in einem zu begrüßenden Umfang aufgewertet.

Die Erlaubnis, Vervielfältigungen zum Zwecke automatisierter Auswertungsprozesse anfertigen und die bearbeiteten Vervielfältigungen als Korpus (begrenzt) öffentlich zugänglich machen zu dürfen, ist mittlerweile auch für Bibliotheken, Hochschulen und Forschungseinrichtungen eingeräumt. Dadurch

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können Bibliotheken ihr Serviceangebot für Angehörige ihrer Hochschule bzw.

Forschungsinstitution erweitern.

In der Praxis wurde seit Einführung des § 60d UrhG bisher eine moderate Nutzung verzeichnet. Ein häufiger Hinderungsgrund für die Durchführung von Text und Data-Mining-Projekten in Bibliotheken war dabei der Zugang zu den benötigten Texten bzw. Daten, die teilweise nicht frei verfügbar waren bzw. durch technische Schutzmaßnahmen gesichert waren (siehe hierzu unter Sonstige Anmerkungen).

2.4.2. Verhältnis Schranke – Vertrag (§ 60g UrhG)

s.o. (Ziffer 2.1.2)

2.4.3. Vergütungsfragen (§ 60h UrhG)

Es wird begrüßt, dass als unmittelbare Folge der DSM-Richtlinie mit dem durch das zum 07.06.2021 in Kraft getretene Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts in neu eingefügten

§ 60h Abs. 2 Nr. 3 die bisher vergütungspflichtig gestellte Regelung des

§ 60d UrhG in Bezug auf die Vervielfältigungen für Text und Data Mining nach Abs. 1 vergütungsfrei gefasst wurde.

Nicht umfasst hiervon ist jedoch die sich an die Vervielfältigung nach Abs. 1 anschließende öffentliche Zugänglichmachung nach Abs. 4, sodass entgegen der Erwägungen in der DSM-Richtlinie (ErwG 17) weiterhin von einer teilweisen Vergütungspflicht ausgegangen werden muss.

2.5. § 60e UrhG Bibliotheken

2.5.1. Reichweite und Praxistauglichkeit

Insgesamt wurde die rechtliche Ausgangssituation für Bibliotheken mit Einführung des § 60e UrhG verbessert. Die Neuordnung und Ausweitung der Schrankenregelungen führte zu einer schnelleren Verständlichkeit und besseren Nutzbarkeit in der Praxis.

So haben Bibliotheken nun klare Regelungen, die ihnen die Anwendung der urheberrechtlichen Erlaubnisse auf ihren Bestand in der Praxis ermöglicht.

Hervorzuheben ist hier die Einführung einer gesetzlichen Regelung zum Vervielfältigungsrecht von Bibliotheken (§ 60e Abs. 1 UrhG). Fragestellungen bzgl. der digitalen Langzeitarchivierung des Bestands wurden dahingehend gelöst, dass seit der Entfristung der Regelung die Bestandsdigitalisierung und damit zusammenhängende digitale Langzeitarchivierung von Bibliotheken nunmehr grundsätzlich rechtlich abgesichert sind.

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2.5.1.1. Terminalschranke, § 60e Abs. 4 UrhG

Die Erweiterung der Erlaubnis nach § 60e Abs. 4 UrhG zur Zugänglichmachung von Werken aus eigenem Bestand an Terminals in den Räumen der Bibliothek an Nutzerinnen und Nutzer für deren Forschung oder private Studien hat keine großen Veränderungen in der Nutzung der Terminals verursacht. Geplante Etablierungen von Terminalarbeitsplätzen wurden in der Praxis spätestens nach Prüfung der Wirtschaftlichkeit verworfen, da die „angemessene Vergütung“ nicht mit der zu erwartenden Nutzung harmonierte. Hilfreich könnte diese Erlaubnis jedoch für solche Einzelfälle sein, bei denen eine eindeutige Rechteklärung nicht möglich oder zu aufwändig ist. Praxisbeispiele zur Terminalnutzung gem.

§ 60e Abs. 4 UrhG sind jedoch nicht bekannt. Weiter hat es sich in der Praxis gezeigt, dass die aktuelle Begrenzung von Verwertungshandlungen auf 10 % nicht den Erfordernissen von Bildung und Lehre nachkommen. Es ist daher notwendig, diese Begrenzung mindestens entsprechend §§ 60a und 60c UrhG auf 25 % zu erhöhen, um eine Kongruenz zwischen den Befugnissen der Berechtigten nach

§§ 60a und 60c UrhG und der Bereitstellung durch Bibliotheken herzustellen.

Weiterhin scheint die Beschränkung auf die Nutzung innerhalb der Räume der Einrichtung nicht mehr zeitgemäß. Die Corona-Pandemie hat eindrücklich gezeigt, dass die Bibliotheksräume durch äußere Umstände ggf. über einen langen Zeitraum nicht genutzt werden können. Ein Zugriff von außerhalb auf die der Schrankenregelung unterfallenden Bestände scheint ohne Weiteres möglich. Die Ermöglichung des Zugriffs lediglich durch autorisierte Nutzerinnen und Nutzer ist auch bei anderen, lizenzierten elektronischen Medien etabliert und kann für die Nutzungen nach § 60e Abs. 4 UrhG nachgenutzt werden.

Eine Erlaubnis des Remote-Zugangs würde auch die sich wandelnde Arbeits-, Lern- und Forschungsumgebung berücksichtigen. Zugang während des mobilen bzw. agilen Arbeitens, Lernens und Forschens kann somit zur jeweiligen Produktivität beitragen und eine bedarfsgerechtere Nutzung der Schranken- regelung bewirken.

Die Ausführungen zum Ausschluss von Zeitungen und Publikumszeitschriften aus der erweiterten Nutzungsmöglichkeit bei § 60a Abs. 2 UrhG (2.1.1) gelten entsprechend.

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2.5.1.2. Kopiendirektversand, § 60e Abs. 5 UrhG

Mit der Einführung der Regelung des § 60e Abs. 5 UrhG wurde nur teilweise eine Verbesserung der Möglichkeiten für Wissenschaft und Forschung in der Praxis festgestellt. Im Rahmen der nicht-kommerziellen Nutzung wurden die Zugangsmöglichkeiten maßgeblich erweitert.

Für eine ausreichende Informationsversorgung in Wissenschaft und Forschung sind folgende Punkte notwendig:

Bei den Erlaubnissen gibt es für die Praxis nach jetziger Gesetzeslage folgenden problematischen Widerspruch: Derzeit können Dozenten und Forschende bis zu 15 % eines veröffentlichen Werkes verwenden (§ 60a, § 60c UrhG), Bibliotheken dürfen ihren Nutzern jedoch nur 10 % eines Werkes zusenden (§ 60e Abs. 5 UrhG). Dies hat zur Folge, dass Forschende sowie Dozentinnen und Dozenten teilweise keinen Gebrauch von ihrem Recht machen können, da Bibliotheken sie nicht vollumfänglich beliefern können. Der Rahmen für die erlaubte Nutzung von Werken sollte daher an den des § 60a UrhG angepasst werden, damit eine rechtssichere Nutzung von Werken durch die Wissenschaft und Forschung ermöglicht werden kann.

Weiter gilt auch hier das unter 2.1.1. erörterte Problem der Unzulässigkeit der Zusendung von Zeitungen bzw. Kioskzeitschriften entsprechend für

§ 60e Abs. 5 UrhG. Gerade für den Kopiendirektversand ist hier dringender Handlungsbedarf geboten, wie bereits im strategischen Konzept der AG Leihverkehr der AG der Verbundsysteme vom 03.08.2020 dargelegt.6

Hinzu kommt die Nichterwähnung von Abbildungen in der erweiterten Schrankenerlaubnis, die durch den Verweis auf die Regelung des § 60c Abs. 3 in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/12329, S. 44) Unklarheiten für die Handhabung begründet. Eine Klarstellung hätte hier zu mehr Rechtssicherheit beigetragen.

Durch den Wegfall der ausdrücklichen Erlaubnis, auch kommerzieller wissenschaftlicher Forschung den bibliothekarischen Kopiendirektversand zu ermöglichen, konnten Bibliotheken einen wesentlichen Teil des bei ihnen gesammelten Wissens weder Unternehmen noch Kooperationen oder Verbundprojekten von Hochschulen mit maßgeblicher Beteiligung der Industrie zur Verfügung stellen. Dies war vor der Einführung des UrhWissG jedoch weitestgehend rechtssicher möglich. Teilweise konnte diese fehlende Erlaubnis zwar durch einzelvertragliche Regelungen gelöst werden. Diese decken aber in

6 S. hierzu: Strategiepaper “Lücke in der überregionalen Literaturversorgung“;

abrufbar unter: https://bit.ly/2W7wLm0 (Stand: 20.08.2021)

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keiner Weise die benötigte Nutzung vieler bibliothekarischer Werke durch die kommerziellen Nutzerinnen und Nutzer ab.

Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass es diverse Spezialsammlungen gibt, die für die kommerzielle und nicht-kommerzielle Forschung von großem Interesse sind, die zentral aber nur einmal in den jeweiligen Spezialbibliotheken in Deutschland verfügbar sind. Gerade auf Grund der Einzigartigkeit ist für diese Werke eine Ausleihe nicht immer möglich. Insgesamt betrachtet führt die aktuelle Erlaubnis somit zu einer Benachteiligung der gesamten wissenschaftlichen Forschung.

Weiter wird darauf hingewiesen, dass der innerbibliothekarische Leihverkehr („Fernleihe“) eine elementare Rolle in der bibliothekarischen Informationsversorgung spielt. Rechtsgrundlage für die Fernleihe ist der zwischen Bund, Ländern und VG Wort geschlossene Gesamtvertrag „Kopienversand im innerbibliothekarischem Leihverkehr“7. Dieser Gesamtvertrag ermöglicht den Bibliotheken jedoch keine digitale Übermittlung an ihre Nutzerinnen und Nutzer. In der Praxis müssen daher die nehmenden Bibliotheken die Dokumente, die sie im Rahmen der Fernleihe digital erhalten, vor Aushändigung an ihre Nutzerinnen und Nutzer ausdrucken, um sie in Papierform zu übergeben. Auf Grund der pandemischen Situation in Deutschland, die eine Schließung vieler Bibliotheken gebot, wurde eine befristete Sonderregelung8 geschaffen, die es Bibliotheken erlaubte, die benötigten Dokumente auch in elektronischer Form an ihre Nutzerinnen und Nutzer weiterzugeben. In der Praxis wurde diese befristete Interimsregelung überwiegend genutzt. Als Konsequenz aus diesem erfolgreichen Beispiel sollte der Gesamtvertrag dauerhaft für das digitale Zeitalter angepasst werden und die digitale Auslieferung der nehmenden Bibliotheken an ihre Nutzerinnen und Nutzer entsprechend des § 60e Abs. 5 UrhG ermöglicht werden.

2.5.2. Verhältnis Schranke – Vertrag (§ 60g UrhG)

Es wird auf die Ausführungen in den Stellungnahmen des Hochschulausschusses der Kultusministerkonferenzen, der Allianz der Wissenschaftsorganisationen und des Deutschen Bibliotheksverbands verwiesen.

2.5.3. Vergütungsfragen (§ 60h UrhG)

Nicht erst seit der Pandemie ist es Standard, dass Forschende und Lehrende nicht immer vor Ort sind, aber Zugriff auf wichtige Inhalte aus dem bibliothekarischen Bestand, der noch nicht digital verfügbar ist, benötigen. Dabei ist es auch eine Aufgabe der Bibliothek, Kopien für die Hochschulangehörigen anzufertigen und ihnen diese zu übermitteln (Campuslieferdienste). Im Moment besteht jedoch

7 https://bit.ly/3ggugoc (Stand: 20.08.2021)

8 https://bit.ly/3B0HuO5 (Stand: 20.08.2021)

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keine Klarheit, ob diese Übermittlung von Vervielfältigungen unter den

§ 60e Abs. 5 UrhG (Kopiendirektversand) fällt und somit vergütungspflichtig wäre.

Wenn diese Art der Übermittlung als Kopiendirektversand zu werten wäre, hätte dies zur Folge, dass mit jeder Kopie, die in der Bibliothek für die Hochschulangehörigen angefertigt werden, eine angemessene Vergütung an die VG Wort zu leisten wäre. Diese Ansicht steht deshalb im Widerspruch zu der Realität, da Bibliotheken ihren Bestand erwerben, um die Inhalte gerade ihren Angehörigen zur Verfügung zu stellen. Dabei darf es keinen Unterschied machen, ob die Angehörigen ihre Kopien selbst erstellen oder den Kopiervorgang an die Kolleginnen und Kollegen vor Ort delegieren. Daher benötigen Bibliotheken für die Praxis eine gesetzliche Klarstellung, aus der hervorgeht, dass Kopien und deren Übermittlung innerhalb von Bildungseinrichtungen nicht unter die Regelungen des

§ 60e Abs. 5 UrhG fallen und somit nicht vergütungspflichtig sind.

Daher sollte die Ausnahmeregelung in § 60h Abs. 2 um eine Nr. 3 (neu) ergänzt werden, dass Nutzungen gem. § 60e Abs. 5 UrhG von Hochschulbibliotheken zum Versand an immatrikulierte Studierende und Angehörige der Einrichtung auf Einzelbestellung und zu nicht kommerziellen Zwecken von einer Vergütungspflicht ausnimmt.

2.6. § 60f UrhG Archive, Museen und Bildungseinrichtungen Keine Anmerkungen.

3. Sonstige Anmerkungen

Die bereits angesprochene Durchsetzbarkeit der Schrankenbestimmungen gegen technische Schutzmaßnahmen (§ 95b UrhG) spielt eine nicht unerhebliche Rolle in der Nutzung der Schrankenbestimmungen des UrhWissG. Galt diese Regelung bisher als wenig wirksam, so lassen die Änderungen des Abs. 3 zum 07.06.2021 (u.a. hinsichtlich Online-Angeboten), zumindest hoffen, dass die berechtigten Einrichtungen (z. B. Bildungseinrichtungen nach Abs. 3 Nr. 4, Forschungsorganisationen und Kulturerbeeinrichtungen nach Abs. 3 Nr. 5 und Bibliotheken nach Abs. 3 Nr. 6) in Zukunft einen verhältnismäßigen Aufwand für die Durchsetzung der Berechtigungen der in Abs. 3 aufgezählten Schrankenbestimmungen erwarten können und somit von dieser Möglichkeit verstärkt Gebrauch machen werden.

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4. Zum Dialog Lizenzierungsplattform

In dem im Jahr 2018 als dialogischer Prozess durch das BMJV organisierten Austausch zur Notwendigkeit einer Lizenzierungsplattform wurden die verschiedenen Positionen der Stakeholder ausgetauscht. Bibliotheken waren Teil dieses Dialogs und konnten ihre Positionen darlegen.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass es aus Sicht der Bibliotheken keiner gesonderten Lizenzierungsplattform bedarf. Weiter ist anzumerken, dass auch durch die Einführung der kollektiven Lizenzierung (§§ 51ff Verwertungs- gesellschaftengesetz) eine neue Möglichkeit geschaffen wurde, die massenhaften Nutzung von Werken auf vertraglicher Basis, zu ermöglichen, wenn Rechteinhaber oder Wahrnehmungsberechtigte nicht auffindbar sind.

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