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In Würde sterben

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Bayerisches Ärzteblatt 11/2015

555 Leitartikel

Autor

Dr. Max Kaplan, Präsident der BLÄK Viele Menschen fürchten sich davor, dass

sie am Lebensende nicht mehr über sich selbst bestimmen können. Sie fürchten sich vor Schmerzen und einem schwer ertragbaren Zustand zwischen Leben und Tod und sie wollen in Würde sterben kön- nen. Seit einiger Zeit debattiert nicht nur der Deutsche Bundestag, sondern ganz Deutschland über entscheidende Fra- gen am Ende des Lebens; konkret, wie eine Sterbebegleitung ablaufen könnte.

In diesem Zusammenhang möchte ich insbesondere auf die Möglichkeit und Notwendigkeit der Vorsorgevollmacht ein- schließlich Patientenverfügung hinweisen und das „Advance Care Planning“ (ACP) in den Fokus rücken.

Ausgelöst wurde die Diskussion durch ein eigentliches Randthema in der Ster- behilfe, nämlich durch den von Sterbe- hilfevereinen wie „Dignitas“ oder „Exit“

durchgeführten organisierten Suizid. Im britischen Fachblatt „Lancet“ wurden hier- zu Zahlen veröffentlicht, die zeigen, dass der Anteil des assistierten Suizids in allen zitierten Ländern, wie beispielsweise den Niederlanden oder der Schweiz, im ein- stelligen Promillebereich, liegt. Dennoch:

Auch wenn der ärztlich assistierte Suizid in Deutschland zahlenmäßig eine ganz untergeordnete Rolle spielt, ist es wichtig, dass sich unsere Gesellschaft mit diesem sensiblen Thema der Sterbehilfe über- haupt befasst und ich bin überzeugt, dass wir ohne diese Diskussion nicht so schnell zu einem Gesetzentwurf zur Verbesse- rung der Palliativ- und Hospizversorgung gekommen wären.

Grundsätze

Bereits seit 1979 befasst sich die Ärz- teschaft intensiv mit dem Thema, unter anderem veröffentlicht die Bundesärz- tekammer regelmäßig – im Rahmen der Fortschritte in der Palliativmedizin sowie in der Rechtsprechung – aktualisierte Richt- linien, die mittlerweile den Titel „Grundsät- ze zur ärztlichen Sterbebegleitung“ tragen.

So wurden das dritte Betreuungsrechts- änderungsgesetz, das unter anderem die Patientenverfügung und das Gespräch zur Feststellung des Patientenwillens ge- regelt hat, und die Charta zur Betreuung Schwerstkranker und Sterbender vom

Jahr 2010 in der Grundsatz-Novelle 2011 berücksichtigt. Hier ist festgeschrieben, dass es Aufgabe des Arztes ist, unter Ach- tung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen so- wie Leiden zu lindern und Sterbenden bis zum Tode beizustehen. Doch die ärztliche Verpflichtung zur Lebenserhaltung besteht nicht „unter allen Umständen“. Es gibt Si- tuationen, in denen sich das Behandlungs- ziel geändert hat – weg von der Kuration hin zur palliativen Versorgung. Es geht um eine Basisbetreuung, wozu eine men- schenwürdige Unterbringung, Zuwendung, Körperpflege, Lindern von Schmerzen und Angstattacken, Atemnot und Übelkeit so- wie Stillen von Hunger und Durst gehören.

Art und Ausmaß dieser Behandlung sind gemäß der medizinischen Indikation vom Arzt zu verantworten. Er muss dabei den Willen des Patienten achten, bei seiner Entscheidungsfindung soll der Arzt mit ärztlichen und pflegenden Mitarbeitern ei- nen Konsens suchen. Darüber hinaus darf das Sterben durch Unterlassen, Begren- zen oder Beenden einer begonnenen me- dizinischen Behandlung ermöglicht wer- den, wenn dies dem Willen des Patienten entspricht. Dies gilt auch für die künstliche Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr.

Aufgaben des Arztes

Wir diskutieren aktuell über die Beihilfe zum Suizid, über den frei verantwortlichen Suizid im Unterschied zum sogenann- ten nicht frei verantwortlichen Suizid, der vorliegt, wenn ein Patient beispielsweise an einer schweren Depression erkrankt ist. Generell stellt sich die Frage, ob die Beihilfe strafrechtlich, zivilrechtlich oder berufsrechtlich geregelt werden muss. Zu- nächst gilt es zu prüfen, ob ein parlamen- tarischer Vorbehalt besteht, und dies eine Berücksichtigung im Bundes- oder im Lan- desgesetz erforderlich macht. Auch ist die Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.

Die Mehrheitsmeinung der Ärzteschaft ist, dass ein parlamentarischer Vorbehalt nicht unmittelbar gegeben ist, wir dennoch eine rechtliche Regelung der geschäfts- mäßigen Beihilfe zum Suizid nachvoll- ziehen können. Mehr soll der Staat auf keinen Fall regeln. Eine berufsrechtliche Regelung halten wir, insbesondere was

die ethische Bewertung betrifft, für not- wendig, hinterfragen jedoch ebenfalls die Verhältnismäßigkeit bezüglich einer Sank- tionierung. Diese Aspekte formulieren wir einmal in den oben erwähnten „Grundsät- zen“ mit: „Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung ist keine ärztliche Aufga- be.“ In der Berufsordnung (BO) stellen wir in den „Aufgaben des Arztes“ fest, dass es seine Aufgabe ist, das „Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wieder- herzustellen, Leiden zu lindern und Ster- benden Beistand zu leisten“. Im Paragraf 16 BO halten wir unter Beistand für Ster- bende fest: „Der Arzt hat Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und Achtung ihres Willens beizustehen“. Hierdurch stellen wir klar, dass wir Ärztinnen und Ärzte Ster- behilfe als Hilfe beim Sterben und nicht Hilfe zum Sterben sehen. Wir halten es aber auch für wichtig, dass jeder Patient sich darauf verlassen können muss, dass im geschützten Raum des vertrauensvol- len Arzt-Patienten-Verhältnisses ein offe- nes Gespräch auch über suizidale Gedan- ken und Absichten des Patienten geführt werden kann und der Patient eine lebens- orientierte Beratung und Begleitung durch den Arzt erhält. Hierbei handelt es sich immer um eine ganz individuelle Entschei- dung zwischen Patient und Arzt, die wir durch das Berufsrecht nicht regeln oder normieren können und auch grundsätzlich von einer Sanktionierung freihalten wol- len, was jedoch eine Einzelfall-Bewertung nicht ausschließt. Durch eine Überregu- lierung laufen wir Gefahr, dass wir etwas legalisieren, was wir nicht legalisieren wol- len und dazu gehört eindeutig der ärztlich assistierte Suizid, der keinesfalls zur ge- sellschaftlichen Norm werden darf.

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