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PLANUNG OHNE WACHSTUM

JENSEITS DES WIRTSCHAFTSWACHSTUMS?

Matthias Schmelzer

POSTWACHSTUM IN DEN RAUMWISSENSCHAFTEN Christian Schulz

ENERGIEGENOSSENSCHAFTEN Britta Klagge, Thomas Meister

KEIMZELLEN DES WANDELS Gabriele Schmidt

POSTWACHSTUM UND SCHRUMPFUNG Heike Brückner

NEUE FORMEN DES PRODUZIERENS Bastian Lange

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Akademie für Raumforschung und Landesplanung

Hohenzollernstraße 11 30161 Hannover Tel. +49 511 34842-0 Fax +49 511 34842-41 arl@arl-net.de www.arl-net.de Redaktion:

Dr. Gabriele Schmidt (v.i.S.d.P.) Sprachliches Lektorat:

Heike Wegner Satz und Layout:

Gabriela Rojahn, Oliver Rose Cover:

© Martin Sondermann Druck:

Linden-Druck Verlagsgesellschaft mbH 30453 Hannover

Die Nachrichten der ARL erscheinen viermal im Jahr.

Die PDF-Version ist unter shop.arl-net.de frei verfügbar (Open Access).

CC-Lizenz BY-ND 3.0 Deutschland Heft 04, April 2018

47. Jahrgang Auflage: 2300

ISSN 1612-3891 (Print-Version) ISSN 1612-3905 (PDF-Version)

Inhalt gedruckt auf 100% Recyclingpapier

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EDITORIAL

Gabriele Schmidt 2

AKTUELL

Neuer Sonderforschungsbereich „Re-Figuration von Räumen“

Ilse Helbrecht 5

THEMA

Jenseits des Wirtschaftswachstums?

Matthias Schmelzer 8

Postwachstum in den Raumwissenschaften

Christian Schulz 11

Energiegenossenschaften aus einer Postwachstumsperspektive

Britta Klagge, Thomas Meister 15

Keimzellen des Wandels

Gabriele Schmidt 20

Passen Postwachstum und Schrumpfung zusammen?

Heike Brückner 28

Neue Formen des Produzierens in der Stadtregion

Bastian Lange 33

AUS DER ARL

Mehr Kompetenz für die Region

Barbara Warner 38

Wohnen in städtischen Räumen

Judith Marie Böttcher, Mei-Ing Ruprecht,

Mathias Jehling 41

Die COST-Action LAND4FLOOD

Barbara Warner 46

Herausforderung Wohnen

Gabriele Schmidt, Rebekka Jakob 48 Regionale Beteiligung Jugendlicher

Alexandra Terhorst 51

Neuerscheinungen 53

Personen 55

AUS RAUMFORSCHUNG UND -PLANUNG

Druck auf die Fläche – Suche nach neuen Antworten

Sandra Passlick 58

Soziale Innovation in der Stadt- und Regionalentwicklung

Milad Abbasiharofteh 60

Auszeichnung für IÖR-Projekt Urban NBS

Heike Hensel 61

Mitgliederversammlung des Förderkreises für Raum- und Umweltforschung

Andreas Klee 62

Förderkreis für Raum- und Umweltforschung 64 Ausgewählte Zeitschriftenbeiträge 65 Neuerscheinungen aus anderen Verlagen 70

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der Titel des aktuellen Themenschwerpunktes „Planung ohne Wachstum“ verweist auf eine internationale Debatte um Alternativen zum kapitalistischen Wachstumsmodell, die bislang vorwiegend in der Zivilgesellschaft und in den Gesellschafts-, Umwelt- und Wirtschaftswissenschaften geführt wurde. Die Ansätze der Raumforschung und Raum- ordnung bleiben hingegen meist noch dem traditionellen Wachstumsparadigma verhaftet. Dabei gibt es zahlreiche Anknüpfungspunkte zu Diskussionen in den Raumwissen- schaften – befasst sich die Raumplanung doch seit Langem mit Ressourcen- und Flächenverbrauch und der Frage, wie die Flächenneuversiegelung reduziert werden kann. Den- noch wurden die Diskussionen bislang weitgehend getrennt voneinander geführt. Diesen Umstand zu ändern und die diskursive Lücke zu schließen, ist Ziel des vorliegenden Themenheftes. Es flankiert die Arbeit des neu eingerichte-

ten ARL-Arbeitskreises zum Thema „Postwachstum“.

Die Kritik am Ressourcenverbrauch ist nicht neu; be- reits in den 1970er Jahren warnte der Club of Rome vor der weiteren Ausbeutung von Rohstoffressourcen. Da- mals bildete sich die Idee des qualitativen Wachstums her- aus, ein Konzept, das über technische Innovationen Um- weltschutz und Wirtschaftswachstum in Einklang zu bringen versucht und vor allem von den Vertretern eines Green New Deal verfochten wird. Doch im Kontext der Weltwirtschaftskrise 2007 und zunehmender Umweltkata- strophen hat sich über Frankreich, Spanien und Italien eine weiterreichende Kritik am wirtschaftlichen Wachs- tumskurs in den angelsächsischen Raum bis nach Deutsch- land ausgebreitet: Unter den Begriffen „Décroissance“,

„Degrowth“ und „Postwachstum“ wird eine breite Debatte darüber geführt, wie eine sozialökologische Transformati- on möglich ist und welche Alternativen es zum kapitalisti- schen Wachstumsparadigma gibt. Dabei geht es auf der individuellen Ebene um die Verringerung von Konsum, um Selbstproduktion und neue Modelle des Teilens (z.B. in Form von Urban Gardening und Sharing-Plattformen). Auf gesellschaftlicher Ebene geht es um das Zurückdrängen von Marktmechanismen, manche fordern den Abbau von Machtverhältnissen und die Vergesellschaftung zentraler Wirtschaftsbereiche. Wichtige Bausteine der Diskussion sind Gemeingüter, die Stärkung von Projekten der solidari- schen Ökonomie, eine radikale Arbeitszeitverkürzung so- wie Grund- und Maximaleinkommen.

Wie könnten Postwachstumsszenarien für die Raum- entwicklung aussehen? Welchen Beitrag kann die Disziplin Raumplanung im Diskurs um Postwachstum leisten? Und wie kann eine Brücke geschlagen werden zu Diskussionen in anderen Disziplinen und in zivilgesellschaftlichen Initiati- ven und Organisationen? Diese Fragen stehen im Zentrum dieses Themenschwerpunktes.

Einen konzeptionellen Einstieg in die Debatte, ihre Genese und die zentralen Begriffe gibt Dr. Matthias Schmel- zer, Wirtschaftshistoriker an der Universität Zürich und freier Mitarbeiter beim Konzeptwerk Neue Ökonomie.

Nach einer kurzen Einführung ins Thema stellt er die wich- tigsten Diskursstränge in der deutschsprachigen Diskussi- on um Postwachstum vor. Gemeinsam ist allen, dass sie den Technikoptimismus der 1990er Jahre kritisieren und konkrete Utopien als Alternativen zum Wachstumsparadig- ma entwerfen. Unterschiede lassen sich hingegen an der Reichweite der Reformvorschläge festmachen – das Spekt- rum reicht von sozialreformerischen und suffizienzorien- tierten Ansätzen bis zu sozialistischen Ansätzen, die eine planwirtschaftliche Schrumpfung und die Verstaatlichung der Produktionsmittel anstreben.

Christian Schulz, Professor für Geographie und Raumplanung an der Universität Luxemburg und Leiter des ARL-Arbeitskreises „Postwachstum“, führt in seinem kon- zeptionell-einführenden Text in den Stand der Diskussion in den Raumwissenschaften ein und zeigt, welchen Beitrag die Raumwissenschaften auf konzeptioneller, empirischer, planerischer und politischer Ebene zum Postwachstums- diskurs leisten können und vor welchen Herausforderun- gen die Raumwissenschaften diesbezüglich stehen.

Nachdem die ersten beiden Beiträge konzeptioneller Art sind, geht es in den nachfolgenden vier Themenbeiträ- gen darum, das Thema aufzuspannen und die Vielfalt der Handlungsfelder sowie gelebte Alternativen aufzuzeigen.

Prof. Dr. Britta Klagge und Thomas Meister vom Geo- graphischen Institut der Universität Bonn widmen sich in ihrem Beitrag den Energiegenossenschaften und diskutie- ren ihre Besonderheiten vor dem Hintergrund des Post- wachstumsdiskurses. Hernach stellen sie ausgewählte Er- gebnisse einer Ende 2016 bis Anfang 2017 durchgeführten Befragung zu Tätigkeitsfeldern, Mitgliederstruktur und Re- gionalität sowie Zielen, Dividende und Wachstumsorientie- rung von Energiegenossenschaften in Deutschland vor.

EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,

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Der Beitrag von Dr. Gabriele Schmidt, Referentin für Wissenschaftskommunikation in der ARL-Geschäftsstelle, fokussiert Postwachstumsbewegungen in der Stadtent- wicklung. Nach einem Überblick über die Wurzeln der Tran- sition-Town-Bewegung in Deutschland widmet sich der Bei- trag den Motiven, Zielen und Projekten von Akteuren im Feld am Beispiel von Transition Town Berlin-Brandenburg.

Um Postwachstum und Schrumpfung geht es im Bei- trag von Heike Brückner, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung Bauhaus Dessau. Schrumpfung ist in vielen ländlichen Räumen bereits seit Langem ein Thema, ohne dass die Debatten über neue Organisationsformen und in- novative Konzepte der Daseinsvorsorge in Zusammenhang gebracht würden mit Thesen und Diskussionsbeiträgen aus dem Postwachstumsdiskurs. Brückner versucht diese Lü- cke zu schließen, indem sie am Beispiel der IBA 2010 in Sachsen-Anhalt aufzeigt, welche Innovationspotenziale schrumpfende Räume für alternative Lebensformen bieten.

Weiterhin zeigt sie auf, welchen Beitrag Raumentwicklung und -planung für die Entfaltung einer Postwachstumsöko- nomie leisten können und welche Steuerungsinstrumente und Planungsansätze es bräuchte, um zivilgesellschaftliche Initiativen dabei zu unterstützen, zukunftsfähige, alternati- ve Wirtschaftsformen vor Ort auszuprobieren.

Der letzte Beitrag des Themenschwerpunktes wid- met sich den neuen Formen des Produzierens am Beispiel von „Offenen Werkstätten“. PD Dr. habil. Bastian Lange, Gründer des Forschungs- und Strategieberatungsbüros Multiplicities, geht in seinem Beitrag den Fragen nach, was genau offene Werkstätten eigentlich sind, welche gesell- schaftspolitischen Erwartungen mit ihnen verbunden wer- den und welchen Beitrag diese zur Gestaltung einer nach- haltigen Stadtökonomie leisten.

In der Rubrik „Aktuell“ stellt Ilse Helbrecht, Professo- rin für Geographie an der Humboldt-Universität zu Berlin, den neuen und ersten raumwissenschaftlichen Sonderfor- schungsbereich „Re-Figuration von Räumen“ vor.

In den Rubriken „Aus der ARL“ und „Aus Raumfor- schung und -planung“ stellen wir Ihnen wie gewohnt Neuig- keiten aus dem Netzwerk der ARL und aus anderen Einrich- tungen der Raumforschung und -planung vor.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!

DR . GABRIELE SCHMIDT Stabsstelle

Wissenschaftskommunikation Tel. +49 511 3484256

schmidt@arl-net.de

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Ob Großbritanniens Austritt aus der Europäischen Union, die neue US-amerikanische Geopolitik unter Donald Trump oder die Folgen des langen Sommers der Migration in Deutschland und Europa: Das Verhältnis der Menschen zu ihren Räumen, die räumliche Strukturierung sozialer Praxis, wird gegenwärtig intensiv neu verhandelt.

Einer interdisziplinären Initiative unter Leitung von Prof. Dr. Martina Löw ist es gelungen, in Berlin einen Son- derforschungsbereich (SFB) zu etablieren, der sich voll- kommen auf aktuelle Fragen der Raumproduktion konzen- triert. Dies ist eine einmalige Chance für die Raumwissen- schaften in Deutschland, integriert und langfristig im Ver- bund der Disziplinen zu forschen. Denn nur das Förderfor- mat des SFB erlaubt eine zwölfjährige Förderdauer, die Ge- legenheit zu einzigartigen Langzeitstudien und zu intensiver, vertrauensvoller Kooperation zwischen den Fächern bie- tet.

Die inhaltliche Idee des neuen Berliner Sonderfor- schungsbereichs, der am 1. Januar 2018 seine Arbeit auf- genommen hat, besteht darin, in den Veränderungen und Konflikten eine gemeinsame Figur zu erkennen, die wir mit dem Begriff der Re-Figuration bezeichnen. Der SFB geht von der Annahme aus, dass sich gegenwärtig weltweit auf vielen Maßstabsebenen neue Raumstrukturen bilden. Die- se entstehen beispielsweise in Kämpfen um Innovation und Veränderung ebenso wie in Auseinandersetzungen um den Erhalt tradierter Raumnutzungen – sei es durch neue geo- politische Strategien in der Politik, veränderte Wertschöp- fungsketten in der Wirtschaft oder im Mobilitätsverhalten städtischer Bewohnerinnen und Bewohner, etwa unter den Bedingungen der Smart City.

Der SFB wird angeleitet von einer stark gesellschafts- wissenschaftlichen Perspektive. Seine Sprecherin ist die Raumsoziologin Martina Löw, Professorin für Planungs- und Architektursoziologie an der TU Berlin. Der For- schungsverbund ist aber zugleich fachlich breit aufgestellt, indem Geographen, Architekten, Raumplaner, Politikwis- senschaftler und Künstler gemeinsam forschen. Damit ist der Berliner SFB der derzeit einzige Sonderforschungsbe- reich in Deutschland, der eine dezidiert raumwissenschaft- liche Perspektive verfolgt. Raum wird aus multidisziplinärer Perspektive untersucht, als Medium gesellschaftlicher Ver- änderungen. Gerade die raumwissenschaftliche Perspekti- ve erlaubt dabei eine integrative Betrachtung und Analyse

des Wandels der sozialen Ordnung. Durch die Fokussie- rung auf Prozesse und Phänomene der Re-Figuration von Räumen gerät die Rolle der Materialität der gebauten Um- welt in ihrer performativen Wirkmacht auf soziale Ordnung in den Blick. Ziel des SFB ist es, eine empirisch begründete Theorie sozialer Ordnung zu entwickeln, die dezidiert auf der räumlichen Re-Figuration der Gesellschaft fußt. Hierfür wird die empirische Forschung in drei Clustern gebündelt.

Raumwissen

In dem ersten Projektbereich A (Sprecherin Prof. Dr. Ilse Helbrecht, HU Berlin) geht es um „Raumwissen“. Wir be- schäftigten uns hier mit der subjektiven Seite der Re-Figu- ration von Raum. Wie verändern sich die subjektiven Erfah- rungen der Menschen, ihre Affekte sowie Vorstellungen von Raum und wie ihre räumlichen Praktiken? Denn stimmt die Diagnose eines anhaltenden Re-Figurationsprozesses von Raum seit den 1970er Jahren, der fundamentale Ver- änderungen in den räumlichen Ordnungen auf globaler und lokaler Ebene hervorbringt, dann muss sich diese Verände- rung auch in einem Wandel des subjektiven Raumwissens, der Orientierung von Menschen im Raum und der Vorstel- lungen der Menschen von Raum niederschlagen. Und tat- sächlich lässt sich an aktuellen Entwicklungen wie etwa dem Brexit ablesen, dass manche Veränderungsdynamiken gegenwärtig offenbar so groß sind, dass sie ganz neue Ängste in Bezug auf die Globalisierung schüren, einen neu- en Nationalismus und extrem emotionale und affektive Re- aktionen auf räumliche Wandlungen hervorbringen – auch hier in Deutschland etwa mit dem Aufstieg der AfD. Man kann sagen, dass es ein Alleinstellungsmerkmal des SFB ist, Soziogenese und Psychogenese zusammenzudenken, und die Wechselverhältnisse beider in Bezug auf Re-Figuration von Raum zu untersuchen.

Der Projektbereich A analysiert diese subjektive Sei- te, dieses Affiziertsein der Subjekte von der Re-Figuration des Raumes. Wir tun das mit dem Fokus auf subjektives Raumwissen. Raumwissen umfasst für uns das sozialisierte, subjektive Erleben und Erfahren von Raum, sowie die mit dem Raum verbundenen Emotionen und Affekte. Raum- wissen wird einerseits von institutionellen Wissensbestän- den geprägt, wie etwa von der Schule oder Einrichtungen der Wissenschaft und Kunst. Diese vermitteln den Subjek- ten Vorstellungen davon, in welchen Räumen sie leben Ilse Helbrecht

NEUER

SONDERFORSCHUNGSBEREICH

„RE-FIGURATION VON RÄUMEN“

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oder in welchen Hierarchie- und Machtverhältnissen unter- schiedliche Skalen zueinander stehen. Andererseits erar- beiten sich die Subjekte als Handelnde eigene Sinnvorstel- lungen, subjektiv biographisch erlebte und konstruierte Raumvorstellungen. Diese subjektiven Wissensbestände sind hochgradig differenziert nach Alter, Milieuzugehörig- keit und vielen anderen Positionierungen mehr. Im Mittel- punkt der gemeinsamen Arbeit im Projektbereich A steht die Frage: Wie artikuliert sich die Re-Figuration im Raum- wissen, in den Raumpraktiken und den biographischen Sinnkonstruktionen der Akteure?

Kommunikation, Medien, Räume

In dem Projektbereich B (Sprecherin Prof. Dr. Gabriele Christmann, Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialfor- schung) geht es um die Bedeutung von Kommunikation und Medien für die Re-Figuration des Raumes. Unter der Überschrift „Räume der Kommunikation“ wird die radikale Umstrukturierung kommunikativen Handelns durch tech- nische Medien, vor allem auch digitale Kommunikations- medien (z. B. Internet, Smartphones), untersucht. Hier wird gefragt, wie die Prozesse der Mediatisierung sich bei- spielsweise auf die Praktiken in den Stadtplanungsämtern auswirken oder aber ob auch neue Formen der Kontrolle des Raumes durch digitale Überwachungstechnologien möglich werden. Der Projektbereich B ist durch seinen di- rekten Bezug zu Planungsthemen (z. B. Smart City) sicher- lich gerade für die ARL ein besonders spannendes For- schungsfeld und möglicher Kooperationspartner.

Zirkulation und Ordnung

Der dritte Projektbereich C (Sprecherin Dr. Johanna Hoer- ning, TU Berlin) befasst sich mit Phänomenen der „Zirkula- tion und Ordnung“. Ausgangspunkt hierbei ist, dass auf- grund von Globalisierung und Transnationalisierung eine intensivierte Zirkulation von Menschen, Gütern, Technolo- gien und Informationen zu beobachten ist. Dieses neue Ausmaß an Vernetzungen in vergrößerten Reichweiten und erhöhten Geschwindigkeiten kreiert im Wechselverhältnis von Zirkulation und Ordnung auch neue Räume. Um diese Re-Figuration von Räumen grundlegend zu verstehen, wird im SFB anhand ausgewählter Fallbeispiele etwa im Bereich der Migration, der Warenwirtschaft oder des Agierens von Nichtregierungsorganisationen das Entstehen neuer Relati- onen und Anordnungen untersucht.

Insgesamt bietet der Sonderforschungsbereich die große Chance, im Verbund der Disziplinen von Sozialwis- senschaften, Geographie, Planung und Architektur grund- lagentheoretische Innovationen zu ermöglichen, die uns das Wechselverhältnis von räumlicher und sozialer Ord- nung im 21. Jahrhundert besser verstehen lassen. Auch die (internationale) Sichtbarkeit der Raumwissenschaften wird durch die Etablierung des Berliner SFBs gestärkt.

Nicht zuletzt bietet der SFB natürlich durch die Finanzie- rung einer Vielzahl von Promotions- und Postdocstellen dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine hervorragende Chance, exzellente raumwissenschaftliche Forschung ken- nenzulernen. Eine Graduiertenschule ist deshalb integrier- ter Bestandteil des SFB, um auch die Ausbildung des wis-

senschaftlichen Nachwuchses im Bereich der Raumfor- schung professionell zu betreiben.

Wer sich näher für den SFB interessiert und vielleicht sogar bereits erste Ergebnisse präsentiert bekommen möchte, ist sehr herzlich eingeladen, nächstes Jahr im Feb- ruar nach Berlin zu kommen. Am 20./21.02.2019 findet die erste einer Reihe von internationalen Tagungen statt, die der SFB „Re-Figuration von Räumen“ veranstaltet, um seine Forschungsergebnisse zu diskutieren. Vielleicht sehen wir uns also (spätestens) im Februar 2019 zur ersten SFB-Ta- gung in Berlin? Ich würde mich freuen, viele Kolleginnen und Kollegen aus der ARL dort zu treffen.

ILSE HELBRECHT

ist Professorin am Geographischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin und Direk- torin des Georg-Simmel-Zentrums für Metro- polenforschung (GSZ) der HU Berlin. Sie ist Mitglied der ARL.

Tel. +49 30 20936830

ilse.helbrecht@geo.hu-berlin.de

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Postwachstum. Degrowth. Décroissance. Das sind die Schlagworte einer wachsenden europäischen Bewegung von Aktivistinnen und Aktivisten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die das vorherrschende Entwick- lungsmodell des kontinuierlichen kapitalistischen Wachs- tums kritisiert. Gesucht werden Alternativen zum Wachs- tumsparadigma und zur weitreichenden Ökonomisierung gesellschaftlicher Lebensbereiche. Die Kritik am Wirt- schaftswachstum ist nicht neu. Es gibt sie fast so lange wie das Wirtschaftswachstum selbst. Besonders im Kontext des ersten Berichts an den Club of Rome von 1972 gab es eine breite gesellschaftliche Diskussion um „Die Grenzen des Wachstums“ auf einem endlichen Planeten. Die neues- te Welle wachstumskritischer Debatten am Beginn des 21.

Jahrhunderts knüpft daran an, bringt aber auch viel Neues.

In diesem Einführungsbeitrag soll ein Überblick über zent- rale Begriffe und ihren Entstehungskontext gegeben wer- den.

Kritik an grünem Wachstum

Der wichtigste neue Impuls für die aktuelle wachstumskriti- sche Diskussion kam von der Décroissance-Bewegung, die sich in den letzten zehn Jahren von Frankreich über Spani- en und Italien in den angelsächsischen Raum ausgebreitet hat und auch in Deutschland aufgegriffen wurde. „Décrois- sance“, was so viel heißt wie Wachstumsrücknahme oder Ent-Wachstum, ist ein Kampfbegriff gegen die Allgegen- wärtigkeit des Wachstumsparadigmas. Er richtet sich so- wohl gegen die Unendlichkeitsvorstellungen der neoklassi- schen Wachstumsökonomie als auch gegen öko- keynesianische Bestrebungen, die krisengeschüttelten Ökonomien durch einen Green New Deal wieder auf Wachstumskurs zu bringen (D’Alisa/Demaria/Kallis 2014).

Auch im deutschsprachigen Raum entwickelte sich unter dem Stichwort „Postwachstum“ ein vielgestaltiges Feld von Positionen zur sozial-ökologischen Transformati- on. Gemeinsam ist ihnen, dass sie alle den Technikoptimis- mus der 1990er Jahre kritisieren – die Vorstellung, dass durch Öko-Technologien „grüne“ Produktion und „grü-

ner“ Konsum vom Umweltverbrauch entkoppelt und be- grenzt werden könnten. Ökologische Gerechtigkeit, so der Schluss, müsse daher ein Ende des Wachstums im globa- len Norden bedeuten.

Die zweite wesentliche Gemeinsamkeit liegt in dem Versuch, konkrete Utopien als Alternativen zum Wachs- tumsdiktat zu entwerfen und diese mit widerständigen Praktiken zu verbinden. Inspiriert durch so unterschiedli- che Quellen wie ökologische Ökonomik, Kritik an Entwick- lungspolitik und Diskussionen zum „Guten Leben“ beschäf- tigen sich die unterschiedlichen Ansätze mit der Frage, wie die sozial-ökologische Transformation in den hochindustri- alisierten Ländern aussehen könnte.

Dabei geht es ausdrücklich um die Länder des globa- len Nordens, auch wenn soziale Bewegungen aus dem Sü- den wichtige Bündnispartner sind (z. B. die Diskussionen zu Buen Vivir und Graswurzel-Umweltbewegung der Armen).

Der Rohstoff-, Ressourcen- und Landschaftsverbrauch so- wie das Abfallaufkommen und die Emissionen der reichen Länder sollen auf ein Niveau gesenkt werden, das langfristig nachhaltig ist und den Ländern des Südens gleichberech- tigte Entwicklungsmöglichkeiten lässt.

Eure Krise ist nicht unser Postwachstum!

Das Ausbleiben von Wachstum oder die Schrumpfung von Wirtschaften ist gemeinhin bekannt aus kapitalistischen Wirtschaftskrisen. Ungesteuerte Schrumpfungsprozesse gehen einher mit einem starken Anstieg von Arbeitslosig- keit, Schulden, Armut und dem generellen Rückgang von Lebensqualität. Innerhalb der vorherrschenden auf Wachs- tum gepolten gesellschaftlichen Strukturen haben ökono- mische Krisen desaströse Folgen. Nach dem Motto „Leur récession n’est pas notre décroissance!“ (Eure Krise ist nicht unser Postwachstum!) geht es deshalb bei Post- wachstum um eine mehr oder weniger grundsätzliche Um- gestaltung der Gesellschaft. Anstatt einfach und pauschal eine Schrumpfung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu fordern (und so die Zielsetzung des gegenwärtigen Wirt- schaftssystems umzukehren), sollen konkrete Verände- rungsprozesse in Ökonomie und Gesellschaft angestoßen werden, die sich an den menschlichen Bedürfnissen, dem Guten Leben und an ökologischer Nachhaltigkeit orientie- ren. Als Ergebnis soll eine Stabilisierung oder Reduktion von Produktion und Konsum erreicht werden.

Matthias Schmelzer

JENSEITS DES

WIRTSCHAFTSWACHSTUMS?

Einführung in die Begriffe und den Entstehungskontext der Postwachstumsbewegung

1

1 Dieser Artikel ist eine stark überarbeitete Variante des Beitrags

„Spielarten der Wachstumskritik: Degrowth, Klimagerechtigkeit, Subsistenz – eine Einführung in die Begriffe und Ansätze der Post- wachstumsbewegung“. In: Le Monde diplomatique et al. (Hrsg.) (2015): Atlas der Globalisierung. Weniger wird mehr. Berlin, 116- 121.

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Da Wirtschaftswachstum eine Schlüsselrolle bei der dynamischen Stabilisierung kapitalistischer Gesellschaften spielt, geht es in allen Varianten um die Frage, wie die be- stehenden ökonomischen und gesellschaftlichen Institutio- nen so verändert werden können, dass sie vom Wachstum unabhängig werden (Dörre/Lessenich/Rosa 2009). Beson- ders einflussreich waren die Arbeiten des französischen Ökonomen und Philosophen Serge Latouche, der den Wachstumsglauben als eine Religion charakterisiert, von der es sich durch die „Dekolonialisierung der Vorstellungs- welt“ zu befreien gelte (Latouche 2006). In der englisch- sprachigen Literatur waren vor allem die Arbeiten von Tim Jackson sehr einflussreich, der neben ersten makroökono- mischen Überlegungen zu einer Wirtschaftspolitik jenseits des Wachstums auch die Unmöglichkeit grünen Wachs- tums und ein neues Verständnis von Wohlergehen disku- tiert (Jackson 2009).

Die gängigen Leitgedanken und Forderungen der Postwachstumsvertreterinnen und -vertreter finden sich seit längerem in der ökologischen, industrialismuskriti- schen, globalisierungskritischen und feministischen Dis- kussion. Hinzu treten jedoch spezifische Forderungen wie Deglobalisierung von Produktion und Lebensweise, radika- le Arbeitszeitverkürzung und gerechte Verteilung von „pro- duktiver“ Arbeit und „reproduktiver“ Sorgearbeit, auch zwischen Männern und Frauen, Maximaleinkommen sowie gemeingüterbasierte Wirtschaftsdemokratie (D’Alisa/De- maria/Kallis 2014; Konzeptwerk Neue Ökonomie/DFG-Kol- leg Postwachstumsgesellschaften 2017; Schachtschneider/

Adler 2017).

Wachstumskritik in Deutschland – ein umkämpftes Terrain

Im deutschsprachigen Raum wurde Wachstumskritik be- sonders im Kontext der Weltwirtschaftskrise ab 2007 laut.

Neben einem zunehmenden Forschungsinteresse an Uni- versitäten lassen sich dabei vier Ansätze mit unterschiedli- cher gesellschaftspolitischer Stoßrichtung unterscheiden:

1. sozialreformerische, 2. suffizienzorientierte, 3. kapitalis- muskritische und 4. feministische Ansätze. Auch wenn sie nur teilweise Verbindungen zur Décroissance-Bewegung aufweisen, werden sie hier kurz dargestellt, da sie die aktu- ellen wachstumskritischen Diskussionen prägen. Diese gro- be Skizze kann natürlich nur einen oberflächlichen, etwas verkürzenden, aber trotzdem notwendigen Überblick über eine ausgesprochen komplizierte Diskussionslandschaft bieten.

Sozialreformerische Ansätze

Charakteristisch für die Diskussion in Deutschland ist ers- tens der starke Einfluss einer ökologisch ausgerichteten, sozialreformerischen, liberalen und den Umweltverbänden nahestehenden Wachstumskritik, die vor allem die Ökono- minnen Angelika Zahrnt und Irmi Seidl stark gemacht ha- ben. Dieser Ansatz geht davon aus, dass die politische Fixie- rung auf das Wirtschaftswachstum ökologisch und moralisch falsch ist. Als wesentliche Triebkräfte für Wirt- schaftswachstum werden wachstumsabhängige gesell- schaftliche und ökonomische Institutionen sowie politi-

sche Parteien ausgemacht. Die Ökonominnen fordern ein Ende dieser Wachstumspolitik, eine Reduzierung des Ener- gie- und Ressourcenverbrauchs entsprechend den Nach- haltigkeitszielen, und – das macht den Kern ihres Ansatzes aus – den Umbau bislang noch wachstumsabhängiger und -treibender Bereiche, Institutionen und Strukturen. Ob das Ergebnis weiteres Wirtschaftswachstum oder eine Abnah- me von Produktion und Konsum ist, bleibt offen. Wachs- tumskritik ist hier strukturkonservativ gedacht: Es geht nicht um eine grundlegende Transformation, die umfas- send gesellschaftliche Probleme in den Blick nimmt, son- dern darum, Institutionen wie Alterssicherungssysteme, Gesundheitsversorgung, Bildung, Arbeit, Steuern, Finanz- märkte und Staatsfinanzen umzubauen – sofern sie vom Wachstum abhängig sind (Seidl/Zahrnt 2010). Sozialrefor- merische Ansätze zielen also nicht auf einen bewusst her- beigeführten Rückgang der Wirtschaftsaktivität mit dem Ziel des Guten Lebens ab.

Suffizienzorientierte Ansätze

Suffizienzorientierte Ansätze sehen dies anders: Sie halten eine grundlegende Abkehr vom Wachstum für unumgäng- lich und erstrebenswert, wenn ökologische Ziele ernst ge- nommen werden und globale Klimagerechtigkeit kein Luft- schloss bleiben soll. Der Oldenburger Ökonom Niko Paech hat ein konkretes Modell einer Postwachstumsökonomie vorgelegt: Ausgehend von dem Postulat, alle sieben Milliar- den Menschen der Erde hätten das gleiche Anrecht auf Um- weltraum (d. h. beispielsweise 2,7 t CO2-Ausstoß pro Person und Jahr), macht Paech zwei Wachstumstreiber aus: auf der individuellen Ebene Konsumentinnen und Konsumen- ten, die überproportional viel Umweltraum in Anspruch nehmen (für Wohnen, Essen, Autofahren, technische Gerä- te etc.), auf der ökonomischen Ebene die Fremdversorgung und Arbeitsteilung in globalisierten Märkten, die über lange Wertschöpfungsketten Wachstum erzwingen, oft noch ver- stärkt durch Zinsen. Darauf aufbauend stützt sich Paechs Postwachstumsökonomie auf zwei Grundpfeiler: eine indivi- duelle Strategie der Suffizienz kombiniert mit einem radika- len Rückgang der Fremdversorgung zugunsten regionaler und lokaler Ökonomien, Selbstversorgung und Eigenpro- duktion. Die wichtigsten Akteure des Wandels sind dabei

„Prosumentinnen“, also Personen, die nicht nur weniger konsumieren, sondern auch gemeinsam z. B. in Reparatur- werkstätten die Lebensdauer vorhandener Produkte verlän- gern, Formen von Eigenproduktion entwickeln (Urban Gar- dening) und so Lokalisierung und Entkommerzialisierung praktisch vorantreiben (Paech 2012).

Kapitalismuskritische Ansätze

Ein dritter Ansatz betont die umfassenden gesellschaftli- chen Veränderungen, die eine sozial-ökologische Transfor- mation beinhalten. Als Ursachen der multiplen Wachs- tumskrisen werden kapitalgetriebene Akkumulation und das kontinuierliche Zur-Ware-Machen zunehmender Le- bensbereiche durch Privatisierungen und die Ausdehnung von Märkten benannt. Die Vertreterinnen und Vertreter dieses Ansatzes streben daher an, Marktmechanismen zu- rückzudrängen, zentrale Wirtschaftsbereiche zu vergesell-

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schaften und gesellschaftliche Machtverhältnisse abzubau- en. In Abgrenzung zu den vorher genannten Positionen wird betont, dass die soziale und die ökologische Frage nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Wichtige Bausteine der angestrebten solidarischen Postwachstums- ökonomie sind die Ausweitung von Gemeingütern (oder Commons), Deglobalisierung, die Stärkung von Projekten der solidarischen Ökonomie, eine radikale Arbeitszeitver- kürzung sowie die Einführung von Grund- und Maximalein- kommen. Zentrale Akteure sind soziale Bewegungen und Menschen, die sich in Alternativprojekten engagieren (Rätz et al. 2011; Schmelzer/Passadakis 2011; Muraca 2014).

Feministische Ansätze

Der vierte Ansatz ist die feministische Ökonomie, insbe- sondere die Subsistenzperspektive. Sie wurde zwar nicht explizit als Beitrag zur Postwachstumsdiskussion konzi- piert, ist aber eine wichtige Inspirationsquelle und zuneh- mend integraler Bestandteil der Postwachstumsalternati- ven. Ihre Vertreterinnen und Vertreter erklären die sozialen und ökologischen Krisen aus der patriarchalen, kapitalisti- schen Ausbeutung von (weiblicher) Reproduktionsarbeit, der Natur und den (postkolonialen) Ökonomien des glo- balen Südens. Vor allem die lange Tradition der Kritik am BIP hat deutlich gemacht, wie umfassend das Wachstums- paradigma nichtmarktförmige Arbeit (zum Beispiel Kinder- erziehung, Pflege) „weiblich“ konnotiert und entwertet. Im Gegensatz dazu zielen feministische Perspektiven darauf ab, diese Tätigkeiten, die zugleich die Basis für die Gesell- schaft und das Leben überhaupt darstellen, in den Mittel- punkt der Ökonomie zu rücken sowie die Trennung zwi- schen Produktion und Reproduktion zu überwinden – beispielsweise durch eine radikale Verkürzung der Erwerbs- arbeitszeit für alle und die gleichzeitige gerechte Verteilung der Sorgetätigkeiten zwischen Menschen aller Geschlech- ter. Zentrale Prinzipien sind dabei Vorsorge, Kooperation und Orientierung am für das Gute Leben Notwendigen (Netzwerk Vorsorgendes Wirtschaften 2012; Bennholdt- Thomsen 2010).

Fragen, die nicht mehr wegzudenken sind Auch wenn Postwachstum ein umkämpftes Terrain ist: Die Fragen und Vorschläge, die in der Postwachstumsdiskussi- on aufgeworfen werden, lassen sich aus den Diskussionen um eine nachhaltige Zukunft nicht mehr wegdenken. Das Feld ist sehr breit und umfasst nicht zuletzt Diskussionen darüber, wie grundlegend die Wachstums- und Steige- rungslogik in die von Menschen konstruierte Umwelt einge- lassen ist – von Konsumgegenständen (geplante Obsoles- zenz) über Wohnhäuser (zunehmende Vereinzelung), Raumplanung (Zersiedelung und Urbanisierung) bis hin zu Infrastrukturen (individuelle Mobilität). Ob es tatsächlich eine Postwachstumsbewegung im klassischen Sinne gibt, ist weithin umstritten – bisher gibt es keine großen Massen- demonstrationen, wenn die Wirtschaftsweisen wieder

„wachstumsfreundliche Reformen“ fordern oder die Auto- industrie immer mehr SUVs auf die Straße bringt (Eversberg/Schmelzer 2016). Aber die Probleme, die die Postwachstumsdiskussion aufgeworfen hat, bleiben: Be-

sonders die Unvereinbarkeit von Nachhaltigkeit und Wachstum und die Tatsache, dass Wirtschaftswachstum kaum noch zu einer steigenden Lebensqualität in den Zent- ren führt und global gesehen immer auf Kosten anderer geschieht (Lessenich 2016). Wachstumskritische Perspek- tiven werden zunehmend von unterschiedlichsten sozialen und ökologischen Bewegungen integriert und es bleibt zu hoffen, dass die Postwachstumsperspektiven stärker als bisher in unterschiedlichsten Wissenschafts- und Politikfel- dern aufgegriffen werden (Konzeptwerk Neue Ökonomie/

DFG-Kolleg Postwachstumsgesellschaften 2017; Schacht- schneider/Adler 2017).

MAT THIA S SCHMELZER

arbeitet beim Konzeptwerk Neue Ökonomie und ist Permanent Fellow am DFG-Kolleg

„Postwachstumsgesellschaften“ der Uni- versität Jena.

m.schmelzer@knoe.org

Literatur

Bennholdt-Thomsen, V. (2010): Geld oder Leben: was uns wirklich reich macht. München.

D’Alisa, G.; Demaria, F.; Kallis, G. (eds.) (2014): Degrowth: A Vocabu- lary for a New Era. London/New York.

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Vor dem Hintergrund der lebhaften Debatten über Post- wachstumsansätze, die derzeit vor allem in zivilgesell- schaftlichen Foren und Organisationen geführt werden, beginnen auch die Raum- und Planungswissenschaften, sich dem Thema zu öffnen (Krueger et al. 2017; Zademach/

Hillebrand 2013; Schulz/Bailey 2014). Es mag verwundern, dass dies nicht schon früher geschah, waren es doch gera- de die Raumwissenschaften, die schon früh auf Grenzen des Wachstums hingewiesen und umfangreich zu den ne- gativen Folgen des globalen Ressourcenverbrauchs ge- forscht und publiziert haben. Auch die Raumplanung be- fasst sich traditionell mit der Knappheit von Böden, Landschaften, Habitaten und Ressourcen und ist bestrebt, Flächenverbrauch sinnvoll zu kanalisieren bzw. zu be- schränken.

Dennoch bleiben die vorherrschenden Konzepte, Modelle und Theorieansätze in den Raumwissenschaften meist einem nicht weiter hinterfragten Wachstumspara- digma verhaftet. So basieren etwa gängige Indikatorensys- teme und Leitbilder in der Regionalentwicklung auf der An- nahme, dass quantitatives Wachstum (z. B. von Arbeits- märkten, Bevölkerung, Unternehmensumsätzen, Infra- strukturinvestitionen) als wichtigster Motor jeder positi- ven Entwicklung zu gelten habe. Negative Externalitäten dieses Entwicklungsparadigmas wie z. B. Umwelt- und Ge- sundheitsfolgen werden zwar problematisiert und es wird deren Minderung und Steuerung angestrebt. Ein grund- sätzlicheres Infragestellen der Sinnhaftigkeit kontinuierli- chen Wachstums bleibt jedoch weitgehend aus.

Dies gilt paradoxerweise auch für die jüngere For- schung zu schrumpfenden Städten oder zum demografi- schen Wandel im ländlichen Raum, indem weitaus seltener die Chancen des Wandels thematisiert werden als die Pro- bleme und die Möglichkeiten zur Rückkehr auf Wachs- tumspfade. Um hier jedoch gleich ein Missverständnis zu vermeiden: Postwachstum ist nicht gleichzusetzen mit Schrumpfung (z.  B. der Bevölkerung) oder Rezession (z. B. der Wirtschaftsleistung). Wie im voranstehenden Beitrag von Matthias Schmelzer ausgeführt, geht es viel- mehr um eine Abkehr vom Wachstumsglauben, also der illusorischen Vorstellung, die gegenwärtigen Produktions- systeme und Konsummuster könnten langfristig und glo- bal wachsen, solange sich der Ressourcenverbrauch durch technologische Innovationen und Effizienzgewinne konti- nuierlich mindern lässt. Diese Erwartung einer absoluten Entkopplung von Wirtschaftswachstum und globalen Res-

sourcenverbräuchen konnte in mehr als zwanzig Jahren

„ökologischer Modernisierung“ nicht empirisch bestätigt werden. Im Gegenteil, relativen Gewinnen in der Ressour- cenproduktivität stehen absolut wachsende Verbräuche von natürlichen Ressourcen und Energie gegenüber (Gil- jum/Luther 2015). Der Ökonom Nico Paech spricht des- halb – neben anderen  – zu Recht von einem „Entkopp- lungsmythos“ (Paech 2010).

Postwachstum heißt aber auch nicht, dass grundsätz- lich kein materielles Wachstum mehr möglich sein soll. Die meisten Postwachstumsansätze gehen vielmehr davon aus, dass räumliche Differenzierungen notwendig sind (z. B. pro poor growth in wirtschaftlich benachteiligten Regionen).

Im Kern geht es darum, Wachstum neu zu bewerten und die langfristige Sinnhaftigkeit bestimmter Entwicklungen zu prüfen und ggf. nach Alternativen zu suchen. Sinnhaftig- keit ist hier nicht nur im Sinne ökologischer Vernunft ge- meint, sondern auch im Hinblick auf Sinnstiftung bezüglich individueller und gesellschaftlicher Bedürfnisse (Gemein- wohlorientierung vs. ökonomischer Profitabilität für Ein- zelne). Dabei kommt auch ein erweitertes Verständnis von

„Wirtschaft“ zum Tragen, das neben formal verfassten, nach Marktprinzipien agierenden Unternehmen auch For- men der sozialen und solidarischen Ökonomie sowie ande- re private (z. B. häusliche Pflege) und kommunitäre (z. B.

Nachbarschaftshilfe, Tauschringe) Aktivitäten umfasst.

Dies soll keineswegs heißen, dass auch Letztere künftig nach Marktlogiken erfasst und quantifiziert werden sollten.

Vielmehr sollte ihre Rolle in der Schaffung gesellschaftli- chen Wohlstands als gleichwertig zu BIP-relevanten Aktivi- täten anerkannt werden.

Vor diesem Hintergrund sind die Raumwissenschaf- ten mit ihrem originären Interesse an Nachhaltigkeitsfra- gen besonders gefordert, sich kritisch mit gegenwärtigen Debatten über Grünes Wachstum, Circular Economy, Smart Cities, Sharing Economy auseinanderzusetzen.

Gleichzeitig ist eine systematischere Beschäftigung mit al- ternativen Wirtschaftsformen dringend geboten, um die teilweise noch ephemeren, teilweise deutlich an Relevanz gewinnenden Ansätze (z. B. solidarische Landwirtschaft) verstehen und hinsichtlich ihres transformativen Potenzials bewerten zu können.

Nach dieser knappen Einordnung sollen im Weiteren die Herausforderungen für die Raumwissenschaften auf konzeptioneller, empirischer, planerischer und politischer Ebene angerissen werden.

Christian Schulz

POSTWACHSTUM IN DEN

RAUMWISSENSCHAFTEN

(14)

Herausforderungen für die Raumwissenschaften

Konzeptionell und terminologisch

Neben der Frage, was wir im Kontext postwachstumsöko- nomischer Überlegungen unter Wirtschaft verstehen, sind eine Reihe weiterer gängiger Begriffe neu zu bewerten bzw.

ihr Einsatzbereich zu erweitern. Dies gilt nicht nur auf se- mantischer Ebene, sondern vor allem hinsichtlich ihrer konzeptionellen Bedeutung für die Erforschung räumlicher Entwicklungsprozesse und zugehöriger Governance-Mus- ter. Beispielhaft seien hier nur drei zentrale Begriffe ge- nannt:

Regionalentwicklung: Unser analytisches Verständnis von regionalen Entwicklungsprozessen ist in der Regel un- trennbar verbunden mit den herkömmlichen Verfahren zu deren Messung bzw. Bewertung. Trotz langjähriger und mannigfaltiger Kritik an rein quantitativ-monetären Kenn- größen (z. B. BIP, Produktivität, Direktinvestitionen, Ausga- ben für Forschung und Entwicklung) beherrschen diese Indikatoren weiterhin die wissenschaftlichen Analysen wie auch die politischen Debatten. Zwar liegen bereits alterna- tive Zugänge zur Bewertung von Nachhaltigkeit vor, wie z.  B. die Lebenszufriedenheit und das Ausmaß sozialer

Kohäsion/Solidarität. Doch diese, teilweise von großen Or- ganisationen wie der UN oder der OECD initiierten bzw.

entwickelten Indikatoren, fristen – nicht zuletzt wegen ih- rer höheren Komplexität – bisher ein Schattendasein.

Innovation: Auch wenn soziale Innovationen in den letzten Jahren Eingang in die raumwissenschaftliche For- schung gefunden haben (Avelino et al. 2017), so bleiben die meisten Arbeiten doch einem eher technisch-organisa- torischen Verständnis von Innovation verbunden. So geht es vornehmlich darum, sowohl die räumlichen Wirkungen inkrementeller Verbesserungen von Produktionsabläufen (z. B. Effizienzsteigerungen durch neue Herstellungsver- fahren; Optimierung logistischer Abläufe) zu erforschen als auch die Folgen disruptiver Innovationen bzw. Inventio- nen, wie etwa des sogenannten Internets der Dinge. Ein erweitertes Innovationsverständnis würde es hingegen er- lauben, zusätzlich gesellschaftlichen Wandel und damit ver- bundene Innovationen etwa in den Bereichen politischer Partizipation, lokaler Gemeinschaften, Lebensstile und Konsummuster zu erfassen.

Unternehmen: Die Raumwissenschaften gehen zu- meist nicht nur von einem engen Konzept von Wirtschaft aus, sondern auch von einer traditionellen Auffassung von Unternehmen als zentralen Akteuren. In der Regel werden Unternehmen verstanden als formal verfasste Organisatio-

Urban Gardening in Dessau

Foto: Heike Bckner

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nen, die den Regeln des Marktes unterworfen sind und mo- netären Rentabilitätszielen folgen. Auch öffentliche Unter- nehmen (z.  B. kommunale Versorgungsbetriebe) oder soziale bzw. solidarwirtschaftliche Unternehmen (z. B. Ge- nossenschaften und gemeinnützige Organisationen) wer- den eher aus marktlogischer Perspektive betrachtet. Die- ses Verständnis von Unternehmen lässt wenig Spielraum für hybride und teilweise temporäre Akteurskonstellatio- nen, gemeinwohlorientierte Initiativen und andere hetero- doxe Organisationsformen alltäglichen Wirtschaftens, de- nen in der Postwachstumsdebatte eine besondere Bedeu- tung beigemessen wird (s. empirische Ebene).

Vor diesem Hintergrund bedürfen die gängigen Raumentwicklungsmodelle und theoretisch-konzeptionel- len Ansätze einer konsequenten Überprüfung. Hierzu zäh- len etwa die Forschung zu Clustern, zu globalen Produkti- onsketten und -netzwerken oder zu regionalen Inno- vationssystemen.

Empirisch

Aus raumwissenschaftlicher Perspektive sind viele der Postwachstumsphänomene nicht nur hochgradig relevant, sondern bedürfen auch einer intensiven wissenschaftli- chen Begleitung, um aus den Frühphasen der Initiativen zu lernen und Schlüsse für künftige Vorhaben sowie für die Politikberatung (s. u.) ziehen zu können.

Während etwa alternative Energiekonzepte (z. B. ge- meinwohlorientierte Energiegenossenschaften, s. Beitrag Klagge/Meister in diesem Heft) sowie Aspekte der gemein- schaftlichen Nahrungsmittelproduktion in Städten (urban gardening/farming, s. Rosol 2018) bereits sehr intensiv be- arbeitet werden, steckt die empirische Beschäftigung mit anderen postwachstumsorientierten Ansätzen noch in den Kinderschuhen. Beispielhaft seien folgende Themenberei- che genannt:

Boden/Immobilien: Auch wenn es alles andere als ein neues Thema für die Raumwissenschaften und die räumli- che Planung sein mag (s. Hertweck 2018), so rücken aktu- elle Debatten über steigende Immobilienpreise und Woh- nungsknappheit die Frage des Bodeneigentums wieder in den Mittelpunkt des Interesses (Difu/vhw 2017; Hesse 2018). Fragen der Nicht-Steuerbarkeit von Siedlungsent- wicklung in Zeiten fortschreitender Privatisierung und Kommerzialisierung sind eng verbunden mit der Frage nach der Art des erwünschten Wachstums (z. B. welche Art von Wohnraum für wen?). Neben sozialen und gestalterischen Aspekten (inkl. nachhaltiger Baustandards) geht es dabei auch um die Frage, wie Wohnformen ermöglicht und ge- fördert werden können, die Raum für postwachstumsori- entierte Lebensstile und Produktionsweisen bieten. Eine Option ist z. B., (vergleichsweise) kleine private Wohnflä- chen mit gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten (Ar- beitszimmer, Werkstätten, Spiel- und Sportflächen, Gär- ten) zu kombinieren. Ferner geht es auch um Formen des gemeinschaftlichen Planens, Investierens und Wohnens (z. B. Baugruppen, Genossenschaften).

Urbane Produktion: Aspekte der Siedlungsgestal- tung sind wiederum eng verbunden mit den Entwicklungs- möglichkeiten neuer Formen urbaner Produktion. Neben

der urbanen Landwirtschaft gehören dazu auch offene Werkstätten bzw. sogenannte Maker Spaces (s. Beitrag Lange in diesem Heft), Formen gemeinschaftlicher oder temporärer Büronutzungen (Co-Working Spaces – zuneh- mend in Kombination mit Kinderbetreuungs- und Gastro- nomieangeboten) sowie eine Vielzahl anderer Arten ge- teilter Nutzungen. Gleichzeitig ist nicht jede Spielart der Sharing Economy per se postwachstumsorientiert bzw.

nachhaltiger als herkömmliche Nutzungsformen. Im Ge- genteil, eine ganze Reihe kommerzieller Dienste bestehen nur vordergründig aus Angeboten zum Teilen (z. B. große Carsharing-Anbieter, Airbnb) und sind zunehmend Gegen- stand kritischer Betrachtungen (Martin 2016).

Landwirtschaft: Mit der Veränderung von Konsum- mustern und zunehmender Rückbesinnung auf regionale Nahrungsmittelproduktion kommt auch neuen Formen der aktiven oder passiven Mitwirkung – durch Arbeitskraft oder durch Kapitalbeteiligung – an der solidarischen Landwirt- schaft (neudeutsch: CSA – Community Supported Agricul- ture) eine besondere Bedeutung zu. Neben ökologischen Aspekten der Umnutzung von Flächen und räumlichen Mustern veränderter Versorgungsbeziehungen weckt hier insbesondere die sozioökonomische Dimension das raum- wissenschaftliche Interesse an Fragen von Kohäsion, Parti- zipation und Ko-Produktion.

Ländlicher Raum: CSA-Initiativen sind nicht nur im Umland städtischer Agglomerationen zu finden, sondern prägen zunehmend auch den ländlichen Raum. Auch hier geht es um Fragen der Gestaltbarkeit, Versorgungssicher- heit und sozialen Kohäsion. Über die Landwirtschaft hin- ausgehend zeigen vielfältigste Initiativen im ländlichen Raum (z. B. Nachbarschafts-/Dorfläden, Tauschringe, Lo- kalwährungen, Energiekooperativen) wachstumskritische Ansätze, die häufig unter dem Dach von Transition Town-In- itiativen gebündelt sind. Auch hier bieten sich reizvolle Zu- gänge für die Raumwissenschaften (s. Beitrag Brückner in diesem Heft).

Organisationsformen: In allen genannten Themenfel- dern sind neue Formen sozialer Beziehungen und formaler Organisationsformen zu finden. Letztere gehen oft über das herkömmliche Verständnis von privatwirtschaftlichen Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen hinaus und umfassen unterschiedlichste Formen hybrider Organisati- onen. Damit sind neuartige Konstellationen wirtschaftli- cher, öffentlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure ge- meint, wie sie etwa im Handel durch Fair-Trade-Produkte oder in der dezentralen Produktion erneuerbarer Energien entstanden sind (Dufay/Huybrechts 2016). Ihnen wird in den Raumwissenschaften (etwa der Wirtschaftsgeogra- phie) bisher allenfalls am Rande Beachtung geschenkt.

Planerisch

Auf allen Ebenen planerischen Handelns können Post- wachstumsaspekte mehr oder weniger explizit Berücksich- tigung finden. Vor allem in Stadtplanung und Architektur sind zunehmend Ansätze zu erkennen, durch gestalterische und infrastrukturelle Voraussetzungen postwachstumsori- entierte Aktivitäten zu fördern oder erst zu ermöglichen.

Die Gestaltung von Wohn- und Gewerbebauten oder die

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Konzeption öffentlicher Flächen kann etwa proaktiv Räume des Teilens (Co-Working, Gemeinschaftsgärten) und not- wendige Infrastrukturen (Werkstätten, Car-/Bikesharing) schaffen. In diesem Zusammenhang sei hier auch auf die Ideenlabore der Initiative Postwachstumsgesellschaft der Regionalgruppe NRW im Jungen Forum der ARL verwiesen, die sich sehr kreativ mit Zugängen zur Postwachstumspla- nung auseinandersetzen (Schulze Diekhoff/Lamker 2017).

Politisch

Nicht zuletzt stellt sich auch die Frage, wie intensiv sich die Raumwissenschaften an diesen politischen und gesell- schaftlichen Debatten beteiligen wollen. Zwischen einer defensiv-beobachtenden Position, die sich primär aus em- pirischem oder konzeptionellem Interesse mit Postwachs- tumsphänomenen beschäftigt, und einer explizit aktivisti- schen Rolle gesellschaftlich engagierter Forschender, die sich selbst als Teil einer Bewegung verstehen (Participato- ry Action Research), besteht eine große Variationsbreite.

Postwachstum in der ARL

Mit der Einsetzung des Arbeitskreises „Postwachstums- ökonomien“ im vergangenen Jahr hat die ARL ein klares Zeichen gesetzt. Die Mitglieder des AK haben sich zum Ziel gesetzt, das Thema „Postwachstum“ für die ARL-Mitglieder in Planung, Politik und Wissenschaft zugänglich zu machen und seine Relevanz zu vermitteln. Gleichzeitig arbeitet der AK daran, Postwachstumsinitiativen durch Interventionen und Maßnahmen des Wissenstransfers aktiv zu unterstüt- zen. Hierbei geht es z. B. um innovative Formate von Betei- ligung an Prozessen, Kommunikation und der Lehre/Wei- terbildung, welche die für die ARL üblichen Handreichungen für Politik und Planung (Glossar, Positionspapiere) ergän- zen. Darüber hinaus wird der AK den im Jahr 2019 stattfin- denden ARL-Kongress zum Thema „Transformation“ nut- zen, um seine Zwischenergebnisse einem breiteren Publi- kum zugänglich zu machen und in einen intensiveren Dialog mit ARL-Akteuren einzutreten.

CHRISTIAN SCHULZ

arbeitet am Institut für Geographie und Raum- planung der Universität Luxemburg und leitet den ARL-Arbeitskreis Postwachstumsökono- mien.

Tel. +352 4666446327 christian.schulz@uni.lu

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Arch+ 231 (in Druckvorbereitung).

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Zademach, H.-M.; Hillebrand, S. (2013): Alternative Economies and Spaces. New Perspectives for a Sustainable Economy. Bielefeld.

(17)

Die aktuelle Debatte über alternative, sozial gerechtere Ge- sellschaftsmodelle und Wirtschaftsformen speist sich aus mindestens zwei Quellen. Zum einen haben die Weltwirt- schafts-, Finanz- und Schuldenkrise und die damit verbun- denen Umverteilungs- bzw. Verarmungsprozesse das Ver- trauen in das kapitalistische Wirtschaftssystem geschwächt.

Zum anderen zeigen die Auswirkungen des Klimawandels sowie der Umwelt- und Ressourcenprobleme die Grenzen des kapitalistischen Wachstumsparadigmas auf.

Die Diskussion über Entwicklungsschritte hin zu einer nachhaltigen Sozioökonomie versucht auf diese gesell- schaftlichen Herausforderungen Antworten zu finden. Die- se reichen von kapitalismuskritischen Ansätzen (z. B. diver- se economies, Degrowth- bzw. Décroissance-Ansätze) bis hin zu verschiedenen Modellen einer stärker lokal und/oder gemeinwohlorientierten Wirtschaft und/oder einer stärke- ren Berücksichtigung ökologischer Aspekte innerhalb des kapitalistischen Systems (z. B. green capitalism/growth).

Die Bedeutung und (vermeintliche) Notwendigkeit von Wirtschaftswachstum wird in den verschiedenen An- sätzen unterschiedlich thematisiert. Einen klaren Gegen- satz bilden Green-Growth- und Degrowth-Konzepte; ver- mittelnde Positionen finden sich dagegen in der inzwischen sehr breiten Diskussion über sogenannte Postwachstums- ökonomien (siehe auch die einführenden Beiträge von Schmelzer und Schulz in diesem Heft).

Genossenschaftliche Organisationsformen werden aufgrund ihrer demokratischen Organisation und Gover- nance sowie ihres Fokus auf andere als (rein) wirtschaftli- che Ziele oftmals als Beispiel für Postwachstumsökonomi- en bzw. alternative Ökonomien genannt (Lötzer 2008). Im Falle der deutschen Energiegenossenschaften kommen außerdem ihre Bedeutung für die Transition zu einem nachhaltigen Energiesystem sowie ihre oftmals regionale Orientierung hinzu (aber siehe auch Klagge/Schmole 2017). Angesichts veränderter Rahmenbedingungen – konkret dem Auslaufen der garantierten Einspeisevergü- tungen für Strom aus erneuerbaren Energien – stehen Energiegenossenschaften allerdings vor vielfältigen Her- ausforderungen und müssen ihre Geschäftsmodelle über- denken und ggf. anpassen.

Vor diesem Hintergrund haben wir in den Jahren 2016/17 eine Befragung aller deutschen Energiegenossen- schaften durchgeführt, um mehr über ihre aktuellen und zukünftigen Aktivitäten und Ziele zu erfahren. In diesem

Beitrag stellen wir ausgewählte Ergebnisse unserer Befra- gung vor und untersuchen, ob und wie Energiegenossen- schaften in Zukunft (weiter)wachsen wollen (für eine aus- führlichere Analyse siehe Klagge/Meister 2018). Dabei gehen wir zunächst auf die Rechtsform der Genossen- schaft, die Besonderheiten von Energiegenossenschaften sowie mögliche Implikationen aus Sicht der Wachstums- thematik ein. Dann erläutern wir die Vorgehensweise und die Ergebnisse der Befragung und diskutieren abschließend die Entwicklung der Energiegenossenschaften aus einer Postwachstumsperspektive.

Genossenschaften, Energiewende, Wachstum Die ersten Genossenschaften in Deutschland wurden Mitte des 19. Jahrhunderts als Reaktion auf tiefgreifende sozio- ökonomische Veränderungen durch die Industrialisierung gegründet. In diesen Selbsthilfeorganisationen sollten die Mitglieder gemeinsam ihre wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Interessen fördern (Selbsthilfe- und Förder- prinzip). Die Mitglieder waren und sind auch heute noch (idealerweise) gleichzeitig Kapitalgeber, Produzenten und Kunden (Identitätsprinzip). Unternehmensentscheidun- gen treffen sie dabei demokratisch, das heißt, Mitglieder haben unabhängig von der Höhe ihrer Kapitalbeteiligung nur eine Stimme. Neben der juristischen Regulierung durch das Genossenschaftsgesetz förderten diese drei bis heute geltenden Prinzipien die Verbreitung der Genossenschafts- idee in unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen – neben der Land- und Wohnungswirtschaft auch im Energiebe- reich (Blome-Drees/Bøggild/Degens et al. 2015: 38-42).

In Deutschland sind Energiegenossenschaften also kein neues Phänomen, sondern eine Unternehmensform mit langer Tradition. In jüngerer Zeit haben Energiegenos- senschaften allerdings einen starken Aufschwung erlebt (Abb. 1). Grundlage hierfür bildete zum einen das Erneu- erbare-Energien-Gesetz (EEG) aus dem Jahr 2000, mit dem erstmals eine fixe Einspeisevergütung für Strom aus erneuerbaren Energien garantiert wurde (zur Governance der deutschen Energiewende siehe Becker/Klagge 2017;

Klagge 2013). Zum anderen war die Reform des Genossen- schaftsgesetzes im Jahre 2006 sehr bedeutsam, weil sie Genossenschaftsgründungen stark vereinfachte. Seit 2012 ist die Zahl der Neugründungen jedoch deutlich zurückge- gangen. Dies hängt vor allem mit den EEG-Reformen von 2012 (Ausbaugrenzen für PV-Anlagen) sowie 2014 und Britta Klagge, Thomas Meister

ENERGIEGENOSSENSCHAFTEN

AUS EINER POSTWACHSTUMS-

PERSPEKTIVE

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2017 (Einführung von Ausschreibungsverfahren für Erneu- erbare-Energien-Anlagen) zusammen. In der Folge müssen sich Energiegenossenschaften an die stärker marktorien- tierten Rahmenbedingungen anpassen (Klagge/Schmole/

Seidl et al. 2016). Spannend ist nun, inwieweit sie dabei Wachstumsstrategien verfolgen.

Abb. 1: Neugründungen von Energiegenossenschaften in Deutschland / Quelle: DGRV 2016

Generell spielt Wachstum in vielen alternativen, vor allem kapitalismuskritischen Ansätzen eine zentrale Rolle und ist überwiegend negativ konnotiert. Allerdings beto- nen einige Autoren, dass Wachstum nicht per se schädlich sei. Vielmehr könne es, zumindest in einem gewissen Um- fang, wohlfahrtssteigernd wirken, solange es nicht mit ei- ner (zusätzlichen) Ausbeutung nicht erneuerbarer Res- sourcen verbunden ist oder auf andere Art und Weise (zusätzliche) ökologische oder gesellschaftliche Schäden verursacht (Seidl/Zahrnt 2010). In diesem Sinne argumen- tieren bspw. Kunze und Becker (2015), dass selektives Wachstum jener Wirtschaftsbereiche und Organisationen gefördert werden sollte, die Ressourcen nachhaltig einset- zen, keine Profite anstreben und alternative Eigentumsmo- delle aufweisen. Neben den Wachstumsvorstellungen ha- ben wir deshalb auch Struktur und Ziele der Energiegenossenschaften analysiert.

Befragung deutscher Energiegenossenschaften

Methodisch basieren die folgenden Forschungsergebnisse auf einer teilstandardisierten Befragung, die von Ende 2016 bis Anfang 2017 durchgeführt wurde. Hierfür wurde in ei- nem ersten Schritt auf Grundlage des Genossenschaftsre- gisters eine Datenbank aller Energiegenossenschaften in Deutschland erstellt. Wir identifizierten 828 aktive Energie- genossenschaften, die Ende 2016 von uns postalisch ange- schrieben wurden. Nach mehreren Erinnerungsschreiben bzw. -anrufen nahmen 213 Energiegenossenschaften an unserer Befragung teil (Rücklaufquote 26 %), wobei 84 schriftlich und 129 per Onlinefragebogen antworteten.

Von den Rückläufern schließen wir fünf Energiegenossen- schaften aus unserer Betrachtung aus: vier von ihnen, da

sie sehr alt sind (Gründung in der ersten Hälfte des 20. Jh.) und als Stromnetzbetreiber ein eher außergewöhnliches Tätigkeitsfeld haben, und eine Genossenschaft, da sie mit über 20.000 Mitgliedern für Energiegenossenschaften un- typisch groß ist.

Für die nachfolgenden Analysen differenzieren wir die verbleibenden Energiegenossenschaften nach ihren Tä- tigkeiten. Es lassen sich drei klar abgrenzbare Gruppen identifizieren, die in der Summe 178 von 206 Energiege- nossenschaften erfassen, die Angaben zu ihren Aktivitäten gemacht haben:

(a) 62 Energiegenossenschaften, die nur Strom erzeugen und keine weiteren Aktivitäten verfolgen, i. F. „reine Stromerzeugung/sgenossenschaften“

(b) 74 Energiegenossenschaften, die Strom erzeugen und weitere Aktivitäten verfolgen, aber kein Wärmenetz betreiben, i. F. „diversifizierte Stromerzeugung/sge- nossenschaften“

(c) 42 Energiegenossenschaften, die ein Wärmenetz be- treiben und keinen Strom erzeugen, i. F. „Wärmenetz/

genossenschaften“

Die verbleibenden Genossenschaften haben entwe- der keine Angaben zu ihren Aktivitäten gemacht (2) oder bilden Mischformen bzw. weisen ein heterogeneres Tätig- keitsspektrum auf (28); sie werden im Folgenden nicht mehr gesondert, sondern nur noch bei der Darstellung der Gesamtergebnisse berücksichtigt.

Mitgliederstruktur, Regionalität, Identitätsprinzip

Hinsichtlich der Mitgliederstruktur gibt es Gemeinsamkei- ten und Unterschiede, die klare Hinweise auf die regionale bzw. lokale Ausrichtung der Energiegenossenschaften ge- ben. In allen drei Gruppen sind Privatpersonen aus der ei- genen Region die am häufigsten vertretene Mitgliederkate- gorie. Danach folgen Gemeinden, die in allen Gruppen in rund der Hälfte der Energiegenossenschaften Mitglieder sind. Nur in Wärmenetzgenossenschaften spielen Landwir- te eine noch größere Rolle als Gemeinden und sind in fast zwei Dritteln dieser Gruppe als Mitgliederkategorie vertre- ten. Die drei Gruppen unterscheiden sich deutlich in ihrer Größe bzw. Mitgliederzahl, aber auch darin, inwieweit Mit- glieder gleichzeitig Kunden der Genossenschaft sind. Diver- sifizierte Stromerzeugungsgenossenschaften sind mit durchschnittlich 335 (Median 180) Mitgliedern am größ- ten, gefolgt von den reinen Stromerzeugungsgenossen- schaften mit durchschnittlich 173 (Median 116) Mit- gliedern. Wärmenetzgenossenschaften sind mit durch- schnittlich 75 (Median 58) Mitgliedern am kleinsten, wobei hier am häufigsten Mitglieder auch Kunden sind (Abb. 2).

Aufgrund der auf lokale Zusammenhänge begrenzten Reichweite von Wärmenetzen und dem damit in der Regel verbundenen Geschäftsmodell der Eigenversorgung mit Wärme ist dieses Ergebnis nicht überraschend.

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Abb. 2: Das Identitätsprinzip in den drei Gruppen – Genossenschafts- mitglieder als Kunden / Quelle: Eigene Befragung

Stromerzeugungsgenossenschaften haben hingegen nicht nur lokale Vertriebsoptionen, und eigene Mitglieder treten hier seltener als Kunden auf (Abb. 2). Dies gilt insbe- sondere für die reinen Stromerzeugungsgenossenschaf- ten, von denen deutlich über die Hälfte ausschließlich die garantierte EEG-Einspeisevergütung in Anspruch nimmt und damit den einfachsten Vertriebsweg gewählt hat. Das für Genossenschaften typische Identitätsprinzip bzw. die Idee vom Konsumenten als Produzenten („Prosumer“) ist damit bei Energiegenossenschaften in sehr unterschiedli- chem Umfang erfüllt bzw. bisher häufig nicht erfüllt. Dies wirft die Frage nach den Zielen der Energiegenossenschaf- ten auf.

Ziele, Dividende, Wachstumsorientierung Energiegenossenschaften verfolgen gemäß den Aussagen ihrer Repräsentanten vor allem umweltbezogene und regi- onale Ziele (Abb. 3). Finanzielle Ziele sind demzufolge klar nachgeordnet, jedoch für immerhin rund die Hälfte rele- vant. So haben im Jahr 2015 weniger als die Hälfte der Ge- nossenschaften eine Dividende ausgeschüttet, davon etwa die Hälfte bis 3 % und ein weiteres Viertel bis unter 5 %. Der Mittelwert liegt (unter Berücksichtigung der Genossen- schaften ohne Dividende, also mit 0 %) bei 1,9 % Dividende.

Aus einer Wachstumsperspektive interessant ist, dass rund die Hälfte der Antwortenden Mitgliederwachs- tum als eher oder sogar sehr wichtiges Ziel für die eigene Energiegenossenschaft ansieht. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Antworten auf die direkte Frage danach, ob und in welchen Bereichen Energiegenossenschaften in den nächs- ten fünf Jahren wachsen wollen.

Neben der Mitgliederzahl sollen auch der Geschäfts- umsatz, die Produktionskapazitäten und die Kundenzahl in der Mehrheit der befragten Energiegenossenschaften et- was oder sogar stark wachsen (Abb. 4). Hingegen sind die Wachstumsziele bei der Zahl der Geschäftsfelder und der bezahlten Stellen deutlich verhaltener, rund die Hälfte der Energiegenossenschaften will hier das erreichte Niveau (nur) halten. Beim aufgenommenen Fremdkapital strebt sogar rund die Hälfte der Energiegenossenschaften einen Rückgang an. Differenziert man nach Tätigkeitsschwer-

Erläuterung der verwendeten Abkürzungen: EE = erneuerbare Energien, EVU = Energieversorgungsunternehmen Abb. 3: Ziele von Energiegenossenschaften / Quelle: Eigene Befragung

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punkten, so wird deutlich, dass insbesondere diversifizierte Stromerzeugungsgenossenschaften – im Gegensatz zu sol- chen, die in erster Linie ein Wärmenetz oder nur Stromer- zeugung betreiben – deutlich wachstumsorientierter sind und mehrheitlich in allen abgefragten Kategorien wachsen wollen.

Energiegenossenschaften zwischen Wachstum und Postwachstum

Die Ergebnisse der Analyse zeigen, dass die im Zuge der Energiewende gegründeten Energiegenossenschaften eine heterogene Gruppe sind. Sie unterscheiden sich sowohl hinsichtlich ihrer Größe und ihres Tätigkeitsspektrums als

Abb. 4: Angestrebte Entwicklung in den nächsten fünf Jahren / Quelle: Eigene Befragung

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