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Die Kartierung unserer Galaxis

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Academic year: 2022

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Die Kartierung unserer Galaxis

Im Jahr 2011 will die Esa den Satelliten Gaia auf die Reise schi- cken. Das Weltraumteleskop soll eine Milliarde Sterne vermes-

G A IA -MIS SION

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Hier funkeln etwa

hundert Mil- liarden Sterne und Sternhaufen. Im un- teren Teil dieser Panoramaansicht der Milchstraße sind die Magellanschen Wolken zu erkennen (Infrarotaufnah- me des Two Micron All Sky Survey).

INFRARED PROCESSING AND ANALYSIS CENTER / CALTECH & UNIVERSITY OF MASSACHUSETTS

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BLIND T E X T

W

as da in einigen Jahren pas- sieren wird, könnte unser Bild der Galaxis revolutio- nieren. Denn mit dem Gaia-Satelliten hat sich die europäische Weltraumbehörde Esa ein gewaltigen Technologiesprung vorgenommen: Mit einer bisher undenk- baren Präzision soll das Orbitalobser- vatorium den Sternhimmel vermessen.

Zu den Positionen und Bewegungen von Sternen kommen Farb- und Helligkeits- messungen. Und es geht dabei nicht nur um die schon heute bekannten Himmels- objekte. In dem Datensatz wird auch viel Neues zum Vorschein kommen. »Gaia wird eine Entdeckungsmaschine«, pro- phezeit Michael Perryman, Chefwissen- schaftler des Projekts.

Im Fokus der Mission steht unser Milchstraßensystem. Hier soll das Welt- raumobservatorium rund eine Milliarde Sterne ins Visier nehmen – und unzähli-

Insbesondere Gasplaneten, die auf Bah- nen ähnlich wie Jupiter und Saturn um andere Sterne kreisen, sollen dem roboti- schen Entdecker ins Netz gehen. Denn vergleichbare Riesenplaneten auf ähn- lich weiten Orbits sind für die Doppler- Methode, mit der fast alle der bislang rund 180 Exoplaneten aufgespürt wur- den, derzeit kaum sichtbar. Mit seinem hohen räumlichen Aufl ösungsvermögen ist Gaia in der Lage, die Taumelbewe- gungen der fernen Gestirne direkt zu messen und somit Beweise für solche Exoplaneten zu liefern.

20 000 Sterne auf einmal

Wenn alles klappt, wird es Ende 2011 los- gehen. Dann startet Gaia an Bord einer Sojus-2-Trägerrakete ins All – und zwar in Kooperation mit der russischen Welt- raumbehörde Roskosmos von einem neuen Startkomplex des Esa-Weltraum-

grange benannte Position wird Gaia eine stabile Umlaufbahn einschlagen. In die- sem Erdabstand, etwa viermal so weit wie der Mond, hoffen die Wissenschaft- ler auf optimale Beobachtungsbedingun- gen. Den fernen Ausguck werden in Zu- kunft auch andere Forschungssatelliten nutzen, etwa das amerikanisch-europä- ische James-Webb-Space-Teleskop, das voraussichtlich im Jahr 2013 die Nachfol- ge des Hubble-Weltraumteleskops antre- ten wird.

Doch Gaia funkt keine bunten Bilder von Gasnebeln oder Galaxien zur Erde.

Gaia wird ihre Mission

in 1,5 Millionen Kilometer Entfernung von der Erde beginnen. Die bei ihrem Start 1700 Kilogramm schwere Sonde hat mit ihrem Sonnensegel einen Durch- messer von elf Metern.

ESA / MEDIALAB

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vermessen. Unermüdlich werden die bei- den rechteckigen Hauptspiegel nach und nach den ganzen Himmel scannen –, bis fünf Jahre später die genaueste und um- fangreichste Kartierung des Milchstra- ßensystems fertig ist. Durchschnittlich siebzigmal nehmen Gaias Teleskopaugen dabei jedes einzelne Objekt ins Visier. Am Ende mündet die Datenfl ut in eine gigan- tische dreidimensionale Animation, ei- nen Zeitrafferfi lm der Sternbewegungen in unserer Galaxis.

Galaktische Geschichtsforschung Bereits der Esa-Satellit Hipparcos (kurz für: High Precision Parallax Collecting Satellite) war ein Meilenstein in der Ent- wicklung der Astrometrie, also der Mes- sung der Positionen und Bewegungen von Himmelskörpern. Während seiner vierjährigen Beobachtungen (1989 bis 1993) lieferte er Sternpositionen mit einer Genauigkeit einer tausendstel Bogen- sekunde. Rund 120 000 sonnennahe Ster- ne wurden so katalogisiert. Hinzu ka- men zwei Millionen Sterne mit geringe- rer Präzision. Gaias Messungen sollen nun nicht nur fünfzigmal genauer wer- den als die von Hipparcos, der Nachfol- ger wird auch zehntausendmal mehr Sterne erfassen. Dies entspräche einem repräsentativen Querschnitt der Sterne unserer Galaxis.

Entsprechend hoch sind auch die Er- wartungen der Himmelsforscher. So will Pavel Kroupa von der Universität Bonn beispielsweise überprüfen, ob sich offene

Sternhaufen tatsächlich so entwickeln, wie es gegenwärtige Computermodelle vorhersagen. Die überwiegende Mehr- heit der Sterne bildet sich in Haufen, die in große Molekülwolken eingebettet sind. Kroupa glaubt, am Himmel die einzelnen Vertreter der verschiedenen Entwicklungsstadien solcher Sternhau- fen ausgemacht zu haben. Da ist einer- seits der kaum eine Million Jahre junge Trapezhaufen im Orion. Mit hundert Millionen Jahren durchleben dagegen die Plejaden gerade ihr bestes Alter. Und schließlich die uralten Hyaden. Die ha- ben bereits eine halbe Milliarde Jahre auf dem Buckel. »In kaum einem Drittel ei- nes Himmelsquadranten sind damit die drei Entwicklungsstadien sogar mit blo- ßem Auge auszumachen«, konstatiert der Forscher aus Bonn.

In seinen Modellrechnungen spielt der Ausstoß von Gasen aus der Molekül- wolke eine entscheidende Rolle. Die Er- eignisse überschlagen sich, sobald die heißen, massereichen O-Sterne zünden und dem Gas von innen heraus einhei- zen. Denn ohne das plötzlich fehlende Gas ist der Haufen instabil: Die Mehr- zahl der Haufensterne fl iegt nach außen.

Der Astronom vermutet, dass insbeson- dere kleine Galaxien von solchen Prozes- sen stark gebeutelt werden. Gaia, so hofft Kroupa, könnte die nach außen streben- den Sterne fi nden – ein wichtiges Indiz für seine Theorie.

Eine Frage brennt vielen Astronomen ganz besonders unter den Nägeln: Wie

ist unsere Galaxis entstanden und wie hat sie sich entwickelt? Was sich in ster- nenklarer Nacht über den Himmel zieht, ist eine Sternsystem, das aus zwei Schei- ben besteht – einer rund 4000 Lichtjahre starken dickeren und einer dünneren, die gerade ein Viertel davon ausmacht.

Die jüngeren Sterne bevölkern diese dün- ne Scheibe – darunter auch unsere Son- ne. Sie umkreist mit ihren Planeten die Galaxienmitte in rund 26 000 Lichtjahren Abstand. Im Zentrum ballen sich die Sterne zu einer Aufwölbung, dem »ga- lactic bulge«. Innerhalb der dünnen Scheibe gibt es Zonen höherer Stern- dichte – die charakteristischen Spiral- arme, die sich um das Zentrum winden.

Die im Durchmesser hunderttausend Lichtjahre große Scheibe ist in einen ku- gelförmigen Halo aus Kugelsternhaufen und Einzelsternen eingebettet. Diese sind die ältesten Sterne der Galaxis.

Der Aufbau unseres Sternsystems ist recht gut erforscht (AH 12/05, S. 36).

»Seine Geschichte ist bisher jedoch alles andere als geklärt«, sagt Ulrich Bastian vom Zentrum für Astronomie der Uni- versität Heidelberg, das bei der Daten- auswertung federführend ist. Die »cold- dark-matter«-Theorien, die heute die meisten Forscher vertreten, besagen, dass sich die Gasmassen nach dem Ur-

Für die präzisen Messungen peilt Gaia immer zwei verschiedene Himmelsregi- onen gleichzeitig an, beide trennt ein Winkel von 106,5 Grad. Die beiden Te- leskope an Bord von Gaia haben mehr als 35 Meter Brennweite und eine Öffnung von 1,45 mal 0,5 Metern.

Indem sich Gaia alle sechs Stunden ein- mal um ihre eigene Achse dreht, wird je- den Tag ein kleiner Ring am Himmel ab- getastet. Durch langsame Kippung, die sich an der Richtung zur Sonne orientiert, wird im Lauf der Zeit der gesamte Him- mel erfasst.

Täglich ein bisschen Himmel

Dieser Prototyp

von Gaias Win- kelmesser dient dem Test des Laser- interferometers. Er soll winzige Ver- änderungen des Winkels zwischen den angepeilten Himmelsregionen auf- zeich nen (siehe Kasten oben).

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ESA / J. PIJNENBURG, R. VINK & B. BRAAM (TNO TPD DELFT), BERTRAND CALVEL (EADS ASTRIUM TOULOUSE) UND BERND HARNISCH (ESA-ESTEC)

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knall zunächst in kleineren Einheiten konzentrierten. »Es bildeten sich Mini- galaxien mit einigen Millionen Sternen, später größere Zwergsysteme mit zehn und hundert Millionen Sternen«, so Gaia- Wissenschaftler Bastian. Verglichen mit den mehr als hundert Milliarden Sternen unserer Galaxis waren das also nur klei- ne Fische. Erst deutlich später, das er- geben die Berechnungen, konnte sich ausreichend viel Gas zusammenfi nden, um Sternsysteme von Milchstraßenfor- mat hervorzubringen. Bastian: »Die Fra- ge ist nun, wo die ganzen Zwerggalaxien geblieben sind. Eigentlich müssten Hun- derte oder gar Tausende von ihnen unse- re Galaxis umkreisen.«

Gefräßige Galaxis

Doch bekannt sind nur ganz wenige, da- runter die Magellanschen Wolken am Südhimmel. Des Rätsels mögliche Lö- sung: Die Zwerge wurden gefressen. Bei Kollisionen mit unserer Heimatgalaxis endete ihr Dasein, sie wurden von Gezei- tenkräften zerrissen und anschließend geschluckt. Tatsächlich fand der Gaia- Vorgänger Hipparcos Hinweise dafür.

Ein Team um Amina Helmi, damals an der Universität im niederländischen Lei- den, führte Ende der 1990er Jahre eine Zählung der Riesensterne in der Sonnen- umgebung durch. Dabei fi elen der Astro-

war dagegen zufällig verteilt. Das Dut- zend im Gleichschritt war ein Überbleib- sel einer geschluckten Zwerggalaxie! Ob- wohl es nur um wenige Exemplare ging, wurde bald klar, dass dahinter ein großer Sternstrom stecken musste. Simulations- rechnungen offenbarten, dass er sich weit in den Halo erstreckt und wohl Mil- lionen Sterne umfasst: »Das Relikt einer Kollision vor Milliarden von Jahren«, vermutet Bastian.

Mit Gaia wollen die Forscher zehn- bis hunderttausend Sterne dieses Halo- stroms vermessen. »Dann wird es mög- lich sein, die damalige Galaxienkollision zu rekonstruieren«, erwartet der Heidel- berger Astronom. Eine Hand voll solcher Haloströme ist mittlerweile bekannt, darunter etwa die Sagittarius-Galaxie, die gegenwärtig, kaum sichtbar hinter

dem galaktischen Zentrum, vom Milch- straßensystem verschlungen wird. Le- diglich durch statistische Untersuchun- gen der Farbklassen dortiger Sterne er- hielten die Astronomen Kenntnis des fernen Dramas.

Trotz dieser Funde sprechen die For- scher aber noch immer von einem »mis- sing dwarf problem«, dem Rätsel der verschollenen Zwerge. Denn der Ver- bleib all der von den Kosmologen postu- lierten Kleingalaxien wird mit einigen wenigen Haloströmen nicht plausibel er- klärt. Haben die Theoretiker Recht, so wird Gaia Hunderte weiterer Halostern- ströme fi nden. »Ansonsten ist etwas faul an der Cold-dark-Matter-Kosmologie«, so Bastian.

»Über Jahrhunderte hinweg war As- tronomie im wesentlichen Astrometrie«, blickt Michael Perryman zurück. Dann, mit der aufkommenden Spektroskopie, kam das kosmische Vermessungswesen in den Verruf, altmodisch zu sein. Doch der Wind hat sich gedreht. Im kommen- den Jahrzehnt steht auch dank Gaia für die gesamte Himmelsforschung ein gro- ßer Sprung nach vorne an. <<

Thorsten Dambeck hat sich von seinen Berli- ner Schreibtisch losgeeist und für eine Woche in Paris unter die Gaia-Forscher gemischt.

Gaia wird von EADS Astrium in Fried- richshafen und Toulouse gebaut. Die Ge- samtkosten des Projekts werden auf knapp 560 Millionen Euro veranschlagt.

Gaias Winkelmessungen sollen mit ei- ner Genauigkeit von 20 bis 25 Millions- tel einer Bogensekunde extrem präzise sein. Dieser winzige Bruchteil eines Win- kelgrads entspricht ungefähr dem schein- baren Durchmesser eines Golfballs auf

igkeit ist unter anderem der fünffach grö- ßeren Öffnung der beiden Hauptspiegel zu verdanken. Aber auch die besseren CCD-Detektoren tragen dazu bei. Hinzu kommt die vergleichsweise große Zahl der Messwiederholungen im Lauf der Mission.

Die Kontrolle des Satelliten erfolgt durch das Esa-Kontrollzentrum Esoc in

In Kürze

G A IA -MIS SION

So soll die Brennebene

von Gaia einmal aussehen. Dieser knapp achtzig Zentimeter breite Prototyp aus Siliziumkarbid wiegt nur acht Kilo- gramm. Die Öffnungen sollen die CCD-Sensoren aufnehmen.

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EADS ASTRIUM

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