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Ur-Gründer eines Weltkonzerns

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104 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Juli 2017 | www.diepta.de

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ich pharmazeutisch auf un- bekanntes Terrain vorzu- wagen, Neues zu verfolgen, sich flexibel den Gegeben- heiten anzupassen und womöglich etwas Großes zu schaffen – das war seine Vision. Die wohl genialste Idee hatte er, als er beschloss, Pflaster und

Wundsalbe zu kombinieren. Nicht immer erwies er sich allerdings als sehr geschäftstüchtig. Und private Unglücke machten dem beruflichen Erfolg schließlich einen Strich durch die Rechnung. Doch der Reihe nach…

Am 26. März 1836 kam Paul Carl Beiersdorf in Neuruppin, Branden- burg, auf die Welt, verbrachte dort Kindheit und Jugend. Nach der elf- ten Klasse verließ er allerdings das Gymnasium und machte ab1853 erst einmal eine Apothekerlehre. Daran schloss sich das Pharmaziestudium an der Universität Berlin an, das er 1860 mit dem Staatsexamen bestand.

Nach seiner Approbation übernahm er die Leitung einer Galvanisieran- stalt in Moskau und lernte dort auch seine spätere Frau kennen. 1864 ging er zurück nach Berlin, wo er Mitin- haber einer Firma für optische Ge- räte (Schmidt & Haensch) wurde.

Seine umfassenden physikalischen Kenntnisse stammen aus dieser Zeit.

1871 heiratete er die in Moskau ge- borene Antonie Maria Mauß, die ihm kurz darauf eine Tochter sowie bis 1887 drei Söhne gebar.

Mit Apotheken wenig erfolg- reich Knapp zehn Jahre blieb Beiers- dorf bei Schmidt & Haensch in Berlin, bevor er – aus unbekannten Gründen – der Stadt den Rücken kehrte und 1874 in Bärwalde im Kreis Königsberg-Neumark eine Apotheke erwarb. Damit kehrte er zu seinen Wurzeln, der Pharmazie, zurück. Ob erfolgreich, sei dahinge- stellt, denn schon nach nur knapp zwei Jahren veränderte er sich schon

Ur-Gründer eines Weltkonzerns

Seine Innovation war der revolutionäre Fortschritt in der Behandlung von Hautkrankheiten – das Guttapercha-Pflaster. Das persönliche Schicksal von Paul Carl Beiersdorf war dagegen tragisch.

© Beiersdorf

PRAXIS BERÜHMTE APOTHEKER

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | Juli 2017 | www.diepta.de

wieder, kaufte nun die Löwen-Apo- theke in Grünberg, Schlesien. Auch hier blieb er nicht lange, verkaufte diese 1879 wieder und antwortete kurzentschlossen auf eine Verkaufs- annonce einer Apotheke in Ham- burg. Mit dem Kauf dieser Apotheke nahe der St. Michaelis-Kirche, einem der Wahrzeichen in Hamburg, sollte der Traum der Selbständigkeit in einer Großstadt Wirklichkeit wer- den. Das Geschäft ging schnell über die Bühne. Besondere Nachfor- schungen zur Rentabilität der Apo- theke stellt der damals 44-jährige Beiersdorf nicht an. Er verließ sich auf die Ausführungen des Verkäu- fers, eines südamerikanischen Be- rufskollegen, den es zurück in die Neue Welt zog. Dieser versprach ihm gute Geschäfte in dieser dicht besiedelten Gegend nahe dem Ham- burger Hafen.

Es war eine Kleine-Leute-Gegend, die heute so berühmte Speicherstadt war noch nicht einmal gebaut.

Pferdekutschen und -karren holper- ten über die Straßen. Und entspre- chend holprig begann auch die Zeit in Hamburg. Denn sein Vorgänger war mit seiner südamerikanischen Art bei den umliegenden Ärzten nicht sonderlich beliebt oder gar an- erkannt gewesen. Die Ärzte schick- ten ihre Patienten deshalb nicht die Mühlenstraße, sondern zu anderen Apotheken der Umgebung. Auch nach dem Inhaberwechsel änderte sich dies zunächst nicht. Die Ge- schäfte liefen schlecht.

Start-Up Apothekenlaborato- rium Klinkenputzen bei den Ärzten war angesagt. Beiersdorf besuchte als erfahrener Apotheker mit um- fangreichen physikalischen Kennt- nissen, die Mediziner und bot ihnen seine Dienste an – physiologische und nahrungsmitteltechnische Un- tersuchungen. Seine Fähigkeiten sprachen sich herum, sein Kunden- kreis vergrößerte sich. Darunter be- fand sich auch Prof. Paul Gerson Unna, der führende Dermatologe seiner Zeit. Dieser suchte nach neuen, wirkungsvolleren Anwen-

dungsformen für Arzneien, um Hautkrankheiten zu behandeln, hatte selbst schon herumexperi- mentiert und war bisher gescheitert.

Beiersdorf nahm sich des Themas an, das Apothekenlaboratorium wurde hierzu von ihm ausgebaut. Er experi- mentierte mit in heiße Salben ge- tränktem Mull als Heilpflaster. Dazu benutzte er auch eine klebrige Masse aus dem Kautschuk- und Gutta- percha-Baum. Die Pflaster sollten selbstklebend sein, eine standardi- sierte Menge Arzneistoff unverän- dert auf der Haut freigeben, zudem eine stabile, nach außen schützende Wundauflage darstellen. Es gelang – nach einigen Um- und Irrwegen! Am 28. März 1882 erhielt er vom Kai- serlichen Patentamt in Berlin das Reichspatent mit der Nummer 20057 für die „Herstellung gestrichener Pflaster“ (Guttaperchapflastermulle).

Das Laboratorium der Merkur- Apotheke in der Mühlenstraße Hamburgs wurde so die Geburts- stätte des Beiersdorf-Konzerns, das Da tum der Patentschrift gilt heute als Gründungsdatum der Firma Beiersdorf AG.

Kurz darauf, im Juni 1883, trennte sich Beiersdorf von der Apotheke in der Mühlenstraße, zog samt Familie nach Altona und gründete dort sein

„Laboratorium dermatotherapeuti- scher Präparate“, manchmal auch als

„Fabrik für dermotherapeutische Präparate“ bezeichnet. Faktisch han- delte es sich jedoch eher um eine Manufaktur. Die Nachfrage nach den Beiersdorf´schen Pflastern stieg kontinuierlich, die Zusammenarbeit mit Paul Gerson Unna wurde inten- siviert, Auslandsbestellungen (aus Italien, Niederlande, Belgien etc.) verbesserten die Geschäftsgrund lage zusätzlich. Das Marketing war aller- dings Beiersdorfs Sache nicht. Und so verkaufte er 1890 unter anderem als Folge des Selbstmordes seines damals 16-jährigen ältesten Sohns Carl Albert, der sich erschoss, weil er im Gymnasium sitzenzublei ben drohte, seine Firma an einen Apo- thekerkollegen: Dr. Oscar Troplo- witz (1863 bis 1918). Ver kaufs-

summe: 70 000 Mark, eine zu Kai serzeiten äußerst stolze Summe.

Zum damaligen Zeitpunkt beschäf- tigte das Unternehmen Beiersdorf neben dem Inhaber nämlich gerade mal acht Arbeiter, zwei Expedienten und einen Laboranten.

Expansion dank neuer Produkte und Marketing Wie bei Zeitge- nosse Dr. A. Oetker (siehe Berühmte Apotheker-Serie 01/2017) und vielen anderen Innovationsträgern war auch hier das Marketing der ent- scheidende Erfolgsfaktor, um aus kleinen Anfängen zu einer der er- folgreichsten deutschen Unterneh- men aufzusteigen. Das Potenzial der Firma hatte Marketingtalent Oscar Troplowitz erkannt – auch für wirkstofffreie Pflaster zur Wund- versorgung. Er ließ vom Chef- Chemiker Isaak Lifschütz einen geeigneten Klebstoff entwickeln – auch wenn dieser erst einmal eher zum Flicken beschädigter Fahrrad- schläuche diente. 1901 wurde ein mit einer Zinkoxid-Kautschuk- harz-Masse bestrichenes Viskose- band entwickelt – und Leukoplast genannt. Und die Produkt- und Markenentwicklung ging rasant wei- ter. Wohl kaum ein anderer Konzern hat so viele Bezeichnungen geschaf- fen, die als Gattungsnamen Eingang ins Wörterbuch fanden. Für die meisten Deutschen heißt jeder Sal- benstift zur Lippenpflege „Labello“, jedes Pflasterband „Leukoplast“, jeder Klebestreifen „Tesa-Film“ – egal wer sie produziert hat.

Beiersdorf selbst erlebte dies alles jedoch nicht mehr. Er verlor sein Vermögen an Immobilienspekulan- ten, ein beruflicher Neustart im Apo- thekenwesen scheiterte. Trauriges Ende ist sein Tod am 17. Dezember 1896 in Hamburg durch Selbstmord mittels Gift. ■

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin

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