Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 14⏐⏐6. April 2007 A909
A K T U E L L
PATIENTENVERFÜGUNGEN
Abgeordnete uneins
Nach einer mehr als dreistündigen Grundsatzdebatte im Bundestag ist immer noch unklar, ob und wie der Umgang mit sogenannten Patien- tenverfügungen gesetzlich geregelt werden soll. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) sprach sich für die uneingeschränkte Geltung schriftlicher Willenserklärungen aus.
Auch in dem Entwurf der SPD-Ar- beitsgruppe „Recht“ mit dem Vor- sitzenden Joachim Stünker kommt der Patientenverfügung höchste Pri- orität zu. Das Vormundschaftsge- richt soll demnach nur in Ausnah- mefällen eingeschaltet werden. Der FDP-Politiker Michael Kauch warn- te in der Debatte ebenfalls vor einer
„Fremdbestimmung des Menschen“.
Dagegen plädierte Unions-Frak- tionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) für eine eingeschränkte Verbindlich- keit von Patientenverfügungen. In einem entsprechenden Antrag for- dern Bosbach und andere Abgeord- nete, die Gültigkeit von Patienten- verfügungen nur auf die Fälle zu be- schränken, in denen die Grunder- krankung einen irrreversiblen und absehbar tödlichen Verlauf nimmt.
Wenige Tage vor der Debatte hat- te sich auch die Bundesärztekammer (BÄK) in die Diskussion eingeschal-
tet. In einer gemeinsamen Empfeh- lung zum Umgang mit Patientenver- fügungen warben die BÄK und die Zentrale Ethikkommission bei der Bundesärztekammer für eine Kom- bination von Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht (siehe DÄ, Heft 13/2007). Bei der Vorstellung des Papiers sprach sich der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med.
Jörg-Dietrich Hoppe, gegen detail- lierte gesetzliche Regelungen aus. Er bezeichnete es als fraglich, ob mit einem Gesetz tatsächlich Rechtssi- cherheit hergestellt werden könne.
Die Debatte über ein Patienten- verfügungsgesetz soll nun in den Fraktionen fortgesetzt werden. Frü- hestens im Sommer soll mit kon- kreten Beratungen für das Gesetz
begonnen werden. SR
Sollen Patientenverfügungen ge- setzlich geregelt werden? Sollte ein Behandlungsabbruch grundsätzlich von einem Vormundschaftsgericht genehmigt werden? Und wie lässt sich der mutmaßliche Wille ermit- teln, wenn keine Patientenverfü- gung vorliegt? Über diese Fragen
wird zurzeit in Deutschland intensiv und ernsthaft diskutiert.
In den USA dagegen hat man jetzt eine mögliche „Lösung“ gefun- den: Man befragt einfach einen Computer. Es sei besser, sich auf die Ansicht von Personen zu stützen, die den gleichen Hintergrund hätten wie die betroffenen Personen, mein- te David Wendler vom National Insti- tutes of Health Department of Clini- cal Bioethics in Bethesda (PLOS 2077; 4; e35). Wenn also die Frage anstehe, ob ein gebürtiger männli- cher US-Amerikaner im Alter von 70 Jahren mit hohem Bildungsniveau, der an einer schweren Alzheimer- Demenz leidet, im Fall einer Pneu- monie mit Antibiotika behandelt werden soll, dann sollte eine Gruppe von US-Amerikanern mit ähnlichen Erkrankungen und seinen Eigen- schaften befragt werden. Auf Knopf- druck entscheidet der Rechner dann, ob der Patient aller Wahr- scheinlichkeit nach weiterleben will oder nicht. Da es unmöglich sei, bei jedem Patienten eine größere Grup- pe von Patienten zu befragen, könn- te ein Computerprogramm, ein so- genannter bevölkerungsbasierter In- dikator, Auskunft geben.
Zur Verbesserung des „bevölke- rungsbasierten Indikators“ müssten weitere notwendige Umfragen durchgeführt werden. Dazu bedarf es allerdings, so Wendler, in den meisten Ländern einer Änderung der gesetzlichen Bestimmungen.
Und dazu wird es – hoffentlich – nicht kommen.
RANDNOTIZ
Gisela Klinkhammer
Lebenswille per Computer
VATERSCHAFTSTESTS
Mehr Rechte für Männer
Männern soll die juristische Klä- rung ihrer Vaterschaft erleichtert werden. Dies sieht ein Gesetz- entwurf vor, den Bundesjustiz- ministerin Brigitte Zypries (SPD) am 27. März vorstellte. Männer können demnach die Abstam- mung ihres Kindes genetisch feststellen lassen, ohne bei ei- nem negativen Befund automa- tisch die Vaterschaft zu verlie- ren. Bislang haben Väter nur die Möglichkeit einer Anfechtungs- klage. Ist sie erfolgreich, ver- liert das Kind zwingend sei- nen Unterhaltsanspruch und der Vater sein Sorgerecht. Unab-
hängig von dem neuen soge- nannten Klärungsverfahren bleibt das eigentliche Verfahren zur An- fechtung der Vaterschaft aber bestehen.
Der Gesetzentwurf sieht au- ßerdem vor, dass Väter ebenso wie Mütter oder Kinder einen Anspruch auf Klärung der Ab- stammung haben. Alle Betrof- fenen müssen demnach in die genetische Abstammungsunter- suchung einwilligen und die Entnahme der erforderlichen Proben dulden. Zypries kommt damit einem Urteil des Bundes- verfassungsgerichts vom Febru- ar dieses Jahres nach. Darin hat- ten die Karlsruher Richter eine Neuregelung der gesetzlichen Bestimmungen gefordert. SR
Höchste Priorität will Justizministerin Zypries Patienten- verfügungen ein- räumen.
Foto:dpa Foto:ddp