Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 2016. Mai 2008 A1083
G E L D A N L A G E
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elch ein glücklicher Tag war das vor gut einem Jahr für die amerikanische Anwalts- kanzlei Debevoise & Plimpton, als sie den Auftrag erhielt, das Kor- ruptionsverfahren bei Siemens zu durchleuchten.Seither sind Heerscharen unter- wegs, gegen üppige Bezahlung, ver- steht sich, und sie finden täglich neue Beweise für den globalen Schmiergeldsumpf. Nicht mehr lan- ge, dann wird auch die allerletzte Spesenabrechnung in Feuerland ge- gengecheckt sein.
Der ganze Almauftrieb an An- wälten und Beratern hat nur einen einzigen Zweck: die US-Börsenauf- sicht milde zu stimmen. Das war zu Beginn der Korruptionsaffäre auch im Sinne aller Beteiligten, ein Zei- chen sollte gesetzt werden. Doch mittlerweile nimmt die Hatz Aus- maße an, deren Kosten vermutlich noch über denen der ominösen schwarzen Kassen liegen dürften.
Im letzten Quartal flossen allein sagenhafte 175 Millionen Euro Ho- norar. Dass sich die amerikanische Aufsichtsbehörde SEC so nebenbei als Schutzmacht der US-Industrie aufbaut, steht auf einem ganz an- deren Blatt.
Übrigens: Hätte die SEC wenigs- tens nur die halbe Sorgfalt bei der Überwachung dubioser Immobilien- darlehensverbriefungsgeschäfte an den Tag gelegt und nur annähernd mit der gleichen Elle gemessen, mit der sie ausländische Konzerne drangsaliert, dann wäre die US-Sub- prime-Krise möglicherweise nie eingetreten.
Damit wir uns bloß nicht miss- verstehen. Korruption ist ein ziem- lich übles Geschäft und gehört rigo- ros verfolgt. Aber nicht, wenn es nur einen trifft und ein Weltkonzern gnadenlos demontiert werden soll.
Nicht nur Siemens hat geschmiert, alle haben geschmiert. Jüngste Mel- dungen bringen auch den franzö-
sischen Energie- und Transportkon- zern Alsthom ins Gerede, ähnliche Vorwürfe stehen schon seit einiger Zeit gegen die EADS, die britische BAE Systems und den Rüstungs- konzern Thales im Raum, um nur einige wenige zu nennen.
Forderungen mancher Politiker, die Manager und Aufsichtsräte die- ser Konzerne zum Schadensersatz zu verdonnern, zeugen bloß von alberner Ahnungslosigkeit. Dazu be- dürfte es erst einmal, nach Schaf- fung vernünftiger Antikorruptions- gesetze, eines rechtskräftigen Urteils und eines vollstreckbaren Titels.
Meines Wissens ist hierzulande noch kein Topmanager oder Auf- sichtsrat diesbezüglich juristisch aufgefallen. Schon der legendäre Deutschbanker Hermann Josef Abs (der, als er einmal gefragt wurde, wie Deutsche Bank buchstabiert wird, schlicht erwiderte „A wie Abs, B wie Abs, S wie Abs“) war der Auffassung, einen Aufsichtsrat we- gen etwaiger Pflichtverletzungen zur Leistung von Schadensersatz zu verurteilen, sei ungefähr so unmög- lich, wie eine eingeseifte Sau am Schwanz zu packen. So war es, so ist es.
BÖRSEBIUS