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Archiv "Hospiz: Einfachen Dingen mehr Bedeutung schenken" (24.09.2010)

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A 1822 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 38

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24. September 2010 Kennt ein Krieg, der keiner sein

soll, keine Heimkehrer, keine Trau- matisierten, keine Hinterbliebenen?

Doch. „Das ist auch euer Krieg“, mahnt Heike Groos mit ihrem neu- en Buch. Sie war als Oberstabsärz- tin zwei Jahre lang in Afghanistan eingesetzt. Bereits ihre erste Veröf- fentlichung „Ein schöner Tag zum Sterben“ zeigte in bedrückender Weise die Wunden an Leib und See- le der dort Stationierten.

Jetzt treten Soldaten und Ange- hörige aus dem Schatten und schil- dern ihre Erlebnisse im Krieg am Hindukusch. Eine junge Mutter, die noch nicht weiß, dass sie bereits Witwe ist, bekommt Besuch vom Pfarrer. Ein Arzt kann nichts Sinn- volles mehr tun in diesem um- kämpften Land. Ein Soldat jagt sich KRIEGSERLEBNISSE

Das Gesicht der Angst

im Bad eine Kugel in den Kopf, sei- ne Kameraden kratzen das Gehirn aus dem Ausguss. „Das ist schon ein tolles Gefühl, wenn man Tau- sende Kilometer fernab seiner Hei- mat einfach benutzt wird.“

Die erschütternden Berichte stammen von Menschen, die man im Alltag nicht wahrnimmt. Sie lei- den in und an diesem Krieg, kehren geschlagen zurück, benötigen ärzt- liche Hilfe. Mittlerweile entlässt die Bundeswehr viele Soldaten wegen posttraumatischer Störungen, sie stehen mittellos da. Ärzte behan- deln sie zuweilen kostenfrei, diese Rückkehrer ohne Krankenversiche- rung. Das reicht nicht aus. Ihnen hilft jetzt die deutsche Kriegsopfer- fürsorge oder die Selbsthilfegruppe

„traumalos“. Wer wissen will, was

Menschen in einem „Verteidi- gungskrieg“ machen und was der in ihnen anrichtet, der lese dieses Buch, das Roger Willemsen wütend einleitet. Groos fordert einen präzi- sen Auftrag für den Einsatz in Af- ghanistan. Sie ist nicht verbittert, will kein Mitleid. Sie gibt der Angst ein Gesicht und dem Zweifel an dem, was man dort tut. Svenja Ludwig

„Wenn dem Leben schon keine Tage mehr geschenkt werden kön- nen, dann wenigstens den Tagen mehr Leben geben!“ Dies ist das Leitbild des Hospizes Leuchtfeuer in Ham- burg-St. Pauli und wird täglich vom Koch Ru- precht Schmidt neu zum Leben erweckt.

Ärzte und professionel- le Helfer dürfen sich dann zu Tisch begeben, um sich dem Thema Sterben einmal auf eine ganz an - dere Art und Weise zu nähern. Sie dürfen dem Hospizkoch über die Schultern schauen und dabei seinen Menü- und Gedankengängen fol- gen. Er wird ihnen keine abschlie- ßenden Antworten geben oder die Ängste nehmen, aber sie werden berührt. Sie erleben, wie aus Patien- ten Gäste werden, die angehalten HOSPIZ

Einfachen Dingen mehr Bedeutung schenken

werden, ihre individuellen Wün- sche zu äußern. Sei es dann ein ku- linarisches Gericht oder einfache Hausmannskost, „Essen heißt, ich lebe noch!“ Essen heißt auch, sich zu erinnern, an ein schönes Gericht oder Mahl, an glückliche Tage aus der Kindheit, Jugend oder dem spä- teren Leben. Diese Momente und Erinnerungen noch einmal zu durchleben, geradezu genussvoll auf dem Gaumen zergehen lassen.

Doch der Koch betört nicht nur die Sinne, sondern gibt durch seine Zuwendung den Hospizbewohnern Mut und Lebensfreude. In dieser Weise bekocht zu werden, heißt, beachtet und geachtet zu werden – nicht abgeschoben und aussortiert.

Was ist der Gesellschaft ein würde- voller Tod wert? Das Hospiz jeden- falls lebt nicht ohne Spenden, da - bei wäre allen doch am Ende des Lebens ein Koch wie Ruprecht Schmidt gewünscht. Das Buch kommt bescheiden daher, dabei lie-

fert die Autorin ihr Meisterstück ab, feinfühlig, genau beobachtet, nie manipulativ. Dem Leser wird nicht „nur“ das Thema Tod und Sterben behutsam näher gebracht, Schipper gelingt es, dass man inne- hält und über das eigene Leben nachzudenken beginnt. Wie kann man einfachen Dingen wieder mehr Bedeutung beimessen? Viel- leicht ein Gericht von der Speise- karte von Ruprecht Schmidt einmal nachkochen und es genießen? Wie kann man mit den Mitmenschen und Angehörigen umgehen, damit am Ende des Lebens keine Gewis- sensbisse plagen und man ohne Ballast in Ruhe und Würde ein- schlafen darf.

Vielleicht gibt das Buch dem ei- nen oder anderen auch die Erkennt- nis, auf eine professionelle Hilfe im Hospiz an seinem Lebensende nicht verzichten zu wollen, um Zeit für sich und für einander zu gewinnen.

Svante Gehring Dörte Schipper: Den

Tagen mehr Leben geben. Über Ruprecht Schmidt, den Koch, und seine Gäste.

Lübbe, Köln 2010, 256 Seiten, gebunden, 19,99 Euro

Heike Groos: „Das ist auch euer Krieg!“ Deutsche Soldaten berichten von ihren Einsätzen.

Krüger Verlag, Frankfurt am Main 2010, 207 Seiten, gebunden, 18,95 Euro

K U L T U R

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