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Archiv "Sanitätsdienst der Marine: Spitzenmedizin auf hoher See" (30.10.2009)

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A 2184 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 44

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30. Oktober 2009

SANITÄTSDIENST DER MARINE

Spitzenmedizin auf hoher See

Eigentlich beliefert der „Einsatzgruppenversorger Berlin“ Kampfschiffe mit Treibstoff, Proviant und Munition. Doch bei Bedarf entsteht

auf dem Schiff ein modernes Rettungszentrum mit drei OP-Sälen.

A

ufregende Wochen liegen hinter ihm. Immerhin führte ihn sein letzter Einsatz in das zur- zeit wohl gefährlichste Seegebiet der Welt – vor die Küste Somalias.

Seine Aufgabe: Teilnahme an der Antipiraten-Mission der Europä - ischen Union. Doch nun ist für ihn die Zeit in der „Operation ATALANTA“ vorbei und von Auf- regung ist absolut nichts mehr zu spüren. Ganz ruhig liegt der „Ein- satzgruppenversorger Berlin“ am Marinestützpunkt in Wilhelmsha- ven vor Anker. Farblich scheint er sich seiner Umgebung angepasst zu haben, denn sowohl der Himmel als auch die Nordsee sind heute ebenso grau wie die stählerne Au- ßenhaut des mächtigen Schiffs.

Der Einsatzgruppenversorger (EGV) Berlin lässt die anderen Fre- gatten an der Kaimauer des Mari - nestützpunkts wie Spielzeugboote

aussehen. Es handelt sich um eines der größten Schiffe der deutschen Marine: 174 Meter lang und 24 Me- ter breit. Sticht der EGV in See, be- finden sich bis zu 240 Besatzungs- mitglieder an Bord.

Antipiraten-Mission am Horn von Afrika

Der EGV beliefert Kampfschiffe der Marine mit Material aller Art. Dabei sind die Mengen, die das Versor- gungsschiff transportiert, enorm. So hat es Platz für 230 Tonnen Proviant und 9 000 Kubikmeter Treibstoff.

Aber es spielt auch eine besondere Rolle bei der medizinischen Versor- gung der Soldaten. Denn bei Bedarf kann an Bord ein Marineeinsatzret- tungszentrum (MERZ) entstehen.

Dort kann ein Team aus bis zu 54 Sanitätssoldaten bis zu 43 Verletzte behandeln. Es gibt drei OP-Säle, sodass eine chirurgische und in-

tensivmedizinische Erstversorgung stattfinden kann. Bis zu zwölf Ärzte arbeiten in einem MERZ. Diese kommen aus Bundeswehrkranken- häusern, zum Teil handelt es sich aber auch um Reservisten aus zivi- len Kliniken.

Kurz vor Ostern dieses Jahres kam der Befehl: Vor der Küste So- malias soll ein aktiviertes MERZ vorgehalten werden. „Das war für uns eine ganz besondere Herausfor- derung“, erinnert sich Dr. med. Vol- ker Hartmann (49), Leiter des Sani- tätsdienstes der Einsatzflottille 2.

„Wir hatten nur wenige Tage Zeit.“

Der EGV Berlin lag zu dem Zeit- punkt im Mittelmeer vor Zypern und nahm dann Kurs auf Dschibuti, wo das klinische Personal an Bord kam. Bis Juli war das Schiff am Horn von Afrika stationiert. Eine große Anzahl von Verletzten muss- te das MERZ aber nicht versorgen, Zufrieden bei der

Marine: Oberstabs- arzt Marko Seelig, Sanitätsoffiziers - anwärterin Carina Awater, Stabsarzt Ingo Buchholz und Flottenarzt Volker Hartmann (von links) vor der „Berlin“

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30. Oktober 2009 A 2185

T H E M E N D E R Z E I T

Der „Einsatzgruppenversorger Berlin“ gehört zur Einsatzflottille 2 – einem von zwei Großverbän- den der deutschen Marine mit Standort Wilhelms- haven. Die Einsatzflottille 2 besteht unter ande-

rem aus 15 Kampfschiffen (Fregatten) und zwei Einsatzgruppenversorgern (EGV). Auf beiden EGV steht ein Marineeinsatzrettungzentrum (MERZ) zur Verfügung und kann bei Bedarf aktiviert wer- den. Circa 4 500 Soldaten und zivile Mitarbeiter gehören zur Einsatzflottille 2, 105 sind im Sani- tätsdienst tätig – davon 13 Ärzte und sechs Ärz- tinnen.

Die Einsatzflottille 1 hat ihren Hauptsitz in Kiel. Zu ihr gehören unter anderem U-Boote, Minenstreitkräfte und spezialisierte Einsatzkräfte wie Kampfschwimmer.

Rund 365 Soldaten und zivile Mitarbeiter sind beim Marinesanitätsdienst beschäftigt. Davon entfallen 69 Planstellen auf Ärzte.

Foto: PIZ Marine

vom Typ Airbus A 310 – eine flie- gende Intensivstation – kann bei- spielsweise nicht auf jedem Roll- feld und schon gar nicht in unsiche- ren Gegenden landen. Entsprechende Flughäfen gibt es in der Region nur in Dschibuti und im kenianischen Mombasa. Dort befinden sich eben- falls Krankenhäuser, in denen Bun- deswehrsoldaten behandelt werden können. Doch es gibt ein Problem:

Je nachdem, wo sich ein Schiff mit einem Verletzten befindet, können es bis dorthin schon einmal 1 000 Seemeilen (1 852 Kilometer) sein.

Das sind aber Entfernungen, die ein Hubschrauber nicht an einem Stück zurücklegen kann. Das MERZ ist deshalb in bestimmten Situationen ein ganz entscheidender Bestandteil der Versorgungskette auf See.

Der Sanitätsdienst der Bundes- wehr hat die Aufgabe, eine medizi- nische Versorgung zu leisten, die im Ergebnis dem Standard im Heimat- land entspricht. „Das ist ein hoher Anspruch, den wir haben“, erläutert Flottenarzt Hartmann. „Die deut- sche Marine und der zentrale Sani- tätsdienst gewährleisten aber si- cherlich den höchsten Standard un- ter allen Marinen auf hoher See.“

Tatsächlich ist die Ausstattung des MERZ beeindruckend. Es besteht aus 26 Containern, die in zwei Stockwerken übereinander aufge- stellt und miteinander verbunden sind. Mit dem Schiff sind sie durch dicke Versorgungsleitungen etwa für Strom und Wasser verbunden.

Neben den OP-Sälen gibt es ein La- bor, ein Blutdepot, eine Röntgen- und eine Sterilisationsabteilung so- wie eine Apotheke und einen Zahn- arztcontainer.

Rettungszentrum mit drei Intensivplätzen

Die Bettenstation liegt nicht in den Containern, sondern im Schiffsinne- ren. Hier befinden sich 24 Kranken- hausbetten. Bei Bedarf können drei Intensivplätze eingerichtet werden.

Sauerstoff-, Druckluft- und Strom- anschlüsse sind an allen Bettenstell- plätzen vorhanden. Darüber hinaus gibt es zehn Kojen für Leichtverletz- te. Hinzu kommen weitere neun Plätze im eigentlichen Schiffslaza- rett, die auch verfügbar sind, wenn das MERZ nicht in Aktion ist. Die technischen Geräte entsprechen alle dem üblichen Krankenhausstandard.

Aber der EGV Berlin hat auch Hightech zu bieten: Mitten auf hoher See produziert das Schiff autark Sauerstoff und Druckluft. Auf dem EGV können bis zu zwei Großraum- hubschrauber stationiert sein, die je sechs Verwundete liegend transpor- tieren können – bis hin zu Intensiv- patienten.

Die Marine verfügt über zwei Einsatzgruppenversorger, auf denen ein MERZ eingerichtet werden kann.

Nach einer Testphase hat die Marine seit 2002 in acht Fällen ein solches schwimmendes Rettungszentrum aktiviert – unter anderem im Rah- men der UNIFIL-Mission vor der

MARINE IM ÜBERBLICK

Foto: Torsten von Reeken

denn zu entsprechenden Auseinan- dersetzungen mit Piraten kam es nicht. Auch eine geplante Geiselbe- freiungsoperation der Grenzschutz- gruppe (GSG) 9, die ein gekapertes deutsches Schiff stürmen sollte, wurde abgeblasen. Wohl aber muss- te beispielsweise ein Soldat mit akutem Abdomen aufgrund eines Bridenileus an Bord der Berlin ope- riert werden. Außerdem wurden Piraten von Schiffen des deutschen Verbands in Gewahrsam genom- men. „Die werden natürlich auch medizinisch versorgt und erhalten eine Eingangs- und Abschlussun- tersuchung, bevor sie den kenia - nischen Behörden übergeben wer- den“, berichtet Hartmann.

Die Räumlichkeiten und die Ausstattung für ein MERZ ist zwar an Bord der Berlin immer vor - handen, aktiviert wird es aber nur bei Spezialeinsätzen. Doch dann ist es Gold wert – wie auch bei der

„Operation ATALANTA“ vor So- malia. Denn in einem Seegebiet, das na hezu zehnmal so groß ist wie Deutschland, kann man Verletzte nicht ohne Weiteres ausschiffen oder -fliegen. Eine MedEvac-Maschine

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30. Oktober 2009 Küste des Libanon. Die Aufgabe

der Marine bestand darin, Waffen- lieferungen an die Hisbollah zu un- terbinden. An einen besonderen Einsatz erinnert sich Hartmann gern: Als an Weihnachten 2004 der Tsunami die Küsten Südostasiens verwüstete, entsandte die Bundes- regierung zur humanitären Hilfe die Berlin mit aktiviertem Ret- tungszentrum. Mitte Januar – am Tag 18 nach der Katastrophe – traf

das Schiff in Banda Aceh ein. „Es war beeindruckend zu sehen, wie wir dort helfen konnten“, sagt er.

Die Berlin konnte damals nicht an- legen, weil alle Hafenanlagen zer- stört waren. Mit Hubschraubern wurden die Patienten an Bord ge- bracht und Hilfsgüter verteilt. Au- ßerdem habe das Schiff das Ret- tungszentrum der Bundeswehr an Land unterstützt, ergänzt Achim Hönninger (44), Schiffsarzt der Berlin. Beispielsweise seien an Bord chirurgische Instrumente ste- rilisiert und dann wieder abgeholt worden. „Unsere Steri-Abteilung war zum Teil rund um die Uhr in Betrieb“, berichtet Hönninger.

Im Normalbetrieb befindet sich auf den EGV ein Schiffslazarett. An Bord ist dann ein Schiffsarzt mit ei- nem Team von vier Mitarbeitern. So ist eine allgemein- und notfallmedi- zinische Grundversorgung gewähr- leistet. Auch auf den Kampfschiffen der deutschen Marine, den soge- nannten Fregatten, gibt es ein sol- ches Lazarett. Das Personal wird aber aufgestockt, wenn ein Schiff

zum Beispiel nicht in der Ostsee un- terwegs ist, sondern im Indischen Ozean oder im Südatlantik. Dort herrschen andere Raum- und Zeit- faktoren. Deshalb ist dann zusätz- lich ein Facharztteam aus Bundes- wehrkrankenhäusern dabei, das ei- ne chirurgische Erst- und weiter - gehende Notfallversorgung rund um die Uhr gewährleistet. Das trifft auch auf die deutschen Fregatten zu, die zurzeit noch im Rahmen

von ATALANTA vor der Küste Somalias eingesetzt sind. Im Schiffslazarett kann der Behand- lungsraum in einen Operationssaal umgewandelt werden. Es gibt ein Intensivbett und ein Röntgengerät (C-Bogen).

Ärztemangel ist bisher kein Problem

Mit der schiffsärztlichen Tätigkeit ist Hönninger sehr zufrieden. Die Arbeit sei sehr vielfältig, und man müsse mit allen Situationen klar- kommen. „Man braucht ein breites Wissen und manchmal auch ein breites Kreuz“, meint er. So konser- vativ wie möglich, so operativ wie nötig – das sei ein hilfreiches Motto auf See. Die Arbeit bei der Marine gefällt ihm gut. „Ich bin gern auf See und unterwegs“, sagt Hönnin- ger. Auch aus Sicht von Flottenarzt Hartmann ist das Arbeitsumfeld sehr attraktiv. Vom Ärztemangel sei der Bordsanitätsdienst bisher nicht stark betroffen.

Ein Beweis dafür ist Ingo Buch- holz (39). Er ist der Schiffsarzt der

Fregatte Hessen, die zurzeit eben- falls in Wilhelmshaven liegt. Der Stabsarzt hat seinen Job als Internist im Krankenhaus an den Nagel ge- hängt und kam als Quereinsteiger zur Marine. „Für mich war das ge- nau die richtige Entscheidung“, er- klärt er. Mit seiner Arbeit in der Kli- nik war er zum Schluss sehr unzu- frieden. Zwei wichtige Gründe: das DRG-System und die Bürokratie.

„Dafür habe ich nicht Medizin stu-

diert“, betont er. Den Schritt zur Bundeswehr habe er keine Sekunde bereut, denn im zivilen Bereich ha- be man als Arzt überhaupt keine Zeit mehr für die eigentliche Arbeit am Patienten. Sicherlich sei man bei der Marine oft von zu Hause weg.

„Wir sind im Schnitt 200 Tage im Jahr auf See“, gibt er zu bedenken.

Aber die Tätigkeit entschädige für die Entbehrungen. Ein bisschen Abenteuerlust sei allerdings wohl auch dabei. Buchholz hatte seinen Grundwehrdienst bei der Marine ab- solviert. Die Arbeit als Schiffsarzt habe ihm nun seine Berufszufrie- denheit zurückgegeben, sagt er. Auf seinen nächsten Einsatz in Übersee freue er sich schon.

Bis dahin dauert es noch. Für die Berlin brechen erst einmal ruhige Zeiten an, denn zunächst geht sie in die Werft. Dort wird das Schiff auf Vor dermann ge- bracht und dann neu ausgerüstet – damit an Bord weiterhin Spitzen- medizin auf hoher See stattfinden

kann. ■

Dr. med. Birgit Hibbeler Medizinische Versorgung auf der Berlin: Schiffsarzt Achim Hönninger im Lazarett des Versorgungschiffes

und das Marineeinsatzrettungszentrum (MERZ) ohne Patienten sowie in Aktion

Fotos: Torsten von Reeken, Bundeswehr/Dr. Hartmann

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