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Archiv "Therapie lysosomaler Speicherkrankheiten" (27.08.2001)

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Academic year: 2022

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L

ysosomale Speicherkrankheiten stellen Stoffwechselstörungen dar, die durch einen genetisch beding- ten Defekt saurer Hydrolasen hervor- gerufen werden. Diese Enzyme sind für die Degradation hochmolekularer Sub- stanzen (Lipide, Proteine, Glykoprotei- ne, Glykosaminoglykane) verantwort- lich; ein durch einen Gendefekt hervor- gerufener Verlust an Aktivität eines oder mehrerer Enzyme führt zur Spei- cherung der entsprechenden Substrate innerhalb der Lysosomen. Die Akku- mulation der hochmolekularen Sub- stanzen hat zunächst Funktionsstörun- gen, schließlich den Untergang der Zel- le zur Folge. Die Speicherphänomene innerhalb der Zelle zeigen bei der histo- logischen Untersuchung, und vor allem auch im elektronenmikroskopischen Bild, charakteristische Muster, die häu- fig eine Verdachtsdiagnose erlauben (M. Gaucher, M. Fabry).

Die meisten lysosomalen Speicher- krankheiten werden autosomal rezessiv vererbt, eine Ausnahme sind die Muko- polysaccharidose (MPS) Typ 2 (M.

Hunter) und der M. Fabry, die dem X- chromosomalen Erbgang folgen. Eine pränatale Diagnose ist in allen Fällen durch Enzymmessung in kultivierten

Amnionzellen, teilweise auch in Cho- rionzellen, möglich.

In den letzten Jahren wurden nicht nur in der Erforschung der bioche- mischen und molekularbiologischen Grundlagen der lysosomalen Speicher- krankheiten große Fortschritte erzielt, sondern auch neue Therapieformen (zum Beispiel Enzymersatz) entwik- kelt, die hoffen lassen, dass auch diese Krankheiten einmal zu den behandel- baren Stoffwechselstörungen gehören werden.

Klinik der Speicherkrankheiten

Mukopolysaccharidosen

Unter dieser Bezeichnung werden Krankheiten zusammengefasst, deren gemeinsames Merkmal eine Störung im lysosomalen Abbau komplexer Koh- lenhydrate, der Mukopolysaccharide, ist. Mukopolysaccharide, die im Gewe- be als Proteoglykane an Proteine ge- bunden sind, stellen in einer Reihe von Organen (zum Beispiel Leber, Knorpel,

Gehirn) wesentliche Strukturelemente dar und erfüllen im Organismus vielfäl- tige Funktionen. Nach klinischen und biochemischen Merkmalen lassen sich sechs Formen der Mukopolysacchari- dosen (MPS) unterscheiden, die wie- derum in verschiedene Subtypen unter- teilt werden (Tabelle). Vor zwei Jahren wurde ein Krankheitsbild beschrieben, das als Mukopolysaccharidose Typ 9 bezeichnet wurde (13).

Der M. Hurler (MPS I-H, Iduronida- se-Defekt) stellt die klassische Form ei- ner Mukopolysaccharidose dar mit gro- ben Gesichtszügen, Makroglossie, ver- dickter Haut, Hornhauttrübung, Hepa- tosplenomegalie, Gelenkkontrakturen, disproportioniertem Minderwuchs und mentaler Retardierung. Patienten mit der leichten Form des Iduronidase-De- fektes (M. Scheie, MPS I-S) sind nor- mal groß und in ihrer geistigen Ent- wicklung nicht gestört.

Der M. Hunter (MPS II) wird X- chromosomal vererbt und weist eben- falls eine große klinische Variabilität auf: Der schwere Typ ist in seinem klini- schen Bild mit dem M. Hurler vergleich- bar, wobei jedoch eine Hornhauttrü- bung fehlt (Abbildung 1). Bei Erwach- senen zeigen sich Gelenkkontrakturen,

Therapie lysosomaler Speicherkrankheiten

Zusammenfassung

Lysosomale Speicherkrankheiten stellen eine große Gruppe von genetischen Stoffwechsel- erkrankungen dar, die sich durch einen pro- gressiven Verlauf, Manifestation an unter- schiedlichen Organsystemen und eine große phänotypische Variabilität auszeichnen. Nach klinischen und pathophysiologischen Kriteri- en lassen sich Mukopolysaccharidosen, Gly- koproteinosen, Gangliosidosen und Lipido- sen unterscheiden. Zur Behandlung lysoso- maler Speicherkrankheiten standen bisher le- diglich symptomatische Maßnahmen zur Ver- fügung. Ein völliges neues Behandlungsprin- zip stellt die Enzymersatztherapie dar, die sich bei M. Gaucher bereits sehr gut bewährt hat. Erste klinische Studien zur Enzymsupple- mentation bei M. Fabry, Glykogenose Typ 2 (M. Pompe) und Mukopolysaccharidose Typ 1 lassen hoffen, dass diese Therapieform auch

hier angewendet werden kann. Eine andere Möglichkeit, lysosomale Störungen zu be- handeln, besteht darin, die Synthese der Speichersubstanz durch Inhibitoren zu hem- men. Auch durch Vektoren vermittelter Gen- transfer eröffnet neue therapeutische Per- spektiven.

Schlüsselwörter: lysosomale Speicherkrank- heit, Enzymersatz, Substrathemmung, Gen- transfer, Speichersubstanz

Summary

Treatment of Lysosomal Storage Disorders Lysosomal storage disorders represent a lar- ge group of genetic metabolic diseases characterized by progressive course, manife- station of several organ systems and variable phenotypic expression. According to clinical

and pathophysiological criteria these disor-

ders are

divided in mucopolysaccharidoses, glycopro- teinoses, gangliosidoses and lipidoses. Until recently, affected individuals received pallia- tive treatment only. But in the last ten years enzyme replacement therapy has been devel- oped for treatment of patients with Gaucher disease. Presently, clinical studies are per- formed in patients with Fabry disease, Glyko- genosis type 2 (Pompe disease), and Mucopoly- saccharidosis type 1 to assess the effect of en- zyme supplementation also in these diseases.

In addition, in lysosomal storage disorders drugs are tested that may withdraw the stor- age material by inhibiting its synthesis. In the future gene transfer may become the treat- ment of choice.

Key words: lysosomal storage disorder, en- zyme replacement, substrate inhibition, gene

Universitäts-Kinderklinik (Leiter: Prof. Dr. med. Fred Zepp), Johannes Gutenberg-Universität, Mainz

Michael Beck

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Schwerhörigkeit und Organvergröße- rung bei normaler intellektueller Ent- wicklung. Vier verschiedene Enzymde- fekte (Typ 3A-D) führen zu dem ein- heitlichen Krankheitsbild des Morbus Sanfilippo, der durch einen raschen ze- rebralen Abbau mit häufig nur geringer Dysmorphie gekennzeichnet ist. Die Kinder werden im dritten bis fünften Lebensjahr durch umtriebiges Verhal- ten, Sprachstörungen und Verlangsa- mung der Lernfähigkeit auffällig. Später entwickeln sich Krampfanfälle und eine Spastik. Der Tod tritt nach einem vege- tativen Stadium meist vor dem 20. Le- bensjahr ein. Bei dem M. Morquio (Mu- kopolysaccharidose 4) stehen die Ske- lettveränderungen im Vordergrund des klinischen Bildes (Abbildung 2a und b):

Schwere Deformierungen der Wirbel- säule und des Thorax führen zu einem disproportionierten Minderwuchs, die Patienten erreichen eine Körperlänge von etwa 120 cm. Es sind jedoch auch hier leichte Verlaufsformen mit einer fast normalen Körpergröße bekannt.

Die geistige Entwicklung der Patienten ist normal. Die beiden Typen A und B werden durch unterschiedliche Enzym- defekte hervorgerufen. Patienten mit ei- nem M. Maroteaux-Lamy (MPS 6) bie- ten äußerlich ein klinisches Bild, das mit dem M. Hurler vergleichbar ist, sie zei- gen jedoch eine normale intellektuelle Entwicklung. Auch hier werden eine

schwere und eine leichte Form unter- schieden. Von der Mukopolysacchari- dose Typ 7 (M. Sly) sind nur relativ we- nig Fälle beschrieben. Die Patienten weisen ein ähnliches Symptommuster auf wie beim M. Hurler. Weiterhin kann sich die MPS 7 – wie auch die Sialidose und andere lysosomale Speicherkrank- heiten – in Form eines letalen Hydrops fetalis manifestieren. Andererseits sind auch extrem leichte Manifestationsfor- men mit nur geringen Skelettverände- rungen bei normaler mentaler Entwick- lung und normaler Lebenserwartung beschrieben worden.

Glykoprotein-Speicherkrankheiten, Mukolipidose 2 und 3

Glykoprotein-Speicherkrankheiten (a- Mannosidose, ß-Mannosidose, a-Fu- kosidose, Sialidose, Aspartylglukos- aminurie) haben viele Symptome mit Mukopolysaccharidosen gemeinsam, wie zum Beispiel Hepatosplenomega- lie, vergröberte Gesichtszüge, Dyso- stosis multiplex und pro- gressiven mentalen Ab- bau. Der Mukolipidose 2 und 3 liegen ein besonde- rer pathogenetischer Me- chanismus zugrunde: Die Aktivität der lysosomalen Enzyme ist ungestört; da den Enzymen jedoch auf- grund eines Gendefektes

(Defizienz einer Phosphotransferase) ein spezieller Zucker (Mannose-6- Phosphat) fehlt, werden sie nicht in das zugehörige Kompartiment, das Lyso- som, aufgenommen, sondern in den ex- trazellulären Raum sezerniert. Des- halb lässt sich bei den betroffenen Pati- enten im Serum eine hohe Aktivität unterschiedlicher lysosomaler Enzyme nachweisen, während innerhalb der Zelle die katalytische Aktivität stark vermindert ist. Klinisch werden eine schwere Form mit mentaler Retardie- rung (Mukolipidose 2, I-Cell Disease) und eine leichtere Form mit normaler geistiger Entwicklung (Mukolipidose 3) unterschieden.

Glykogenose Typ 2

Der Glykogenose Typ 2 (M. Pompe) liegt ein Defekt des Enzyms a-Glucosi- dase zugrunde. Die Glykogenspeiche- rung führt zu Funktionsstörungen des Herzens und der Muskulatur. Die klini- sche Ausprägung ist äußerst variabel:

Bei der infantilen Form entwickeln sich bereits in den ersten Lebenswochen ei- ne hypertrophe Kardiomyopathie und eine Muskelschwäche, die Kinder ster- ben meistens bereits im ersten Lebens- jahr. Bei der juvenilen und adulten Form steht die Muskelschwäche im Vordergrund, die in den späteren Le- bensjahrzehnten zu Atemstörungen führen kann.

´ TabelleCC´

Übersicht über die Mukopolysaccharidosen

Mukopolysaccharidose Eponym Enzymdefekt Genlokalisation

MPS 1 M. Hurler a-Iduronidase 4p16

M. Scheie

MPS 2 M. Hunter Iduronat-Sulfatase Xq28

MPS 3 A M. Sanfilippo A Sulfamidase 17q25

MPS 3 B M. Sanfilippo B N-Acetyl-a-Glukosaminidase 17q21

MPS 3 C M. Sanfilippo C N-Acetyltransferase –

MPS 3 D M. Sanfilippo D N-Acetylglukosamin-6-Sulfatase 12q14 MPS 4 A M. Morquio A N-Acetylgalaktosamin-6-Sulfatase 16q24

MPS 4 B M. Morquio B b-Galaktosidase 3p21

MPS 6 M. Maroteaux-Lamy Arylsulfatase B 5q13

MPS 7 M. Sly b-Glucuronidase 7q21

MPS 9 – Hyaluronidase 3p21.3

Abbildung 1: 8 Jahre alter Junge mit Mukopolysacchari- dose Typ 2 (M. Hunter). Kon- trakturen der großen Gelen- ke, Abdomen durch He- patosplenomegalie vorge- wölbt.

(3)

Lipidosen

Der M. Gaucher ist eine relativ häufige Lipidspeicherkrankheit, die durch den genetischen Defekt des Enzyms Glu- cocerebrosidase hervorgerufen wird.

Durch den Enzymdefekt akkumuliert Glucocerebrosid (ein Glykolipid) in den verschiedenen Geweben. Morpho- logisches Korrelat sind die histiozy- tären Speicherzellen (Gaucher-Zellen), die sich in Leber, Milz und anderen Or- ganen nachweisen lassen (Abbildung 3). Führendes klinisches Symptom bei der viszeralen Form (Typ 1) ist eine mäßige bis extreme Vergrößerung von Leber und Milz. Der Hypersplenismus führt zu Anämie und Thrombopenie.

Auch am Skelettsystem manifestiert sich der Krankheitsprozess in Form von krisenhaften Gelenkschmerzen (beson- ders Hüften) und auch osteolytischen Herden. Die akut neuropathische Form (Typ 2) des M. Gaucher ist durch einen raschen zerebralen Abbauprozess ge- kennzeichnet, der zum Tode der Kinder innerhalb der ersten drei Lebensjahre führt. Der Typ 3 stellt eine intermediäre Verlaufsform dar, wobei neben der Or- ganvergrößerung und hämatologischen Veränderungen auch neurologische Symptome wie Krampfanfälle und eine mentale Retardierung auftreten.

Der M. Fabry stellt eine X-chromo- somal erbliche Speicherkrankheit dar, die viszerale Organe, das Nervensystem und die Blutgefäße befällt. Der Stoff- wechseldefekt liegt im Katabolismus von Ceramiden (Glykosphingolipiden), die Komponenten verschiedener Or- gane darstellen. Durch die fehlende Aktivität der a-Galaktosidase kommt es bei Patienten mit M. Fabry zur Akkumulation eines bestimmten Gly- kosphingolipids, des Ceramid-Trihexo- sids, im Endothel von Gefäßen, Epithe- lien vieler Organe (besonders der Nie- ren) und Zellen der glatten Muskulatur.

Das ubiquitäre Vorkommen der Spei- chersubstanzen erklärt die Manifestati- on der Erkrankung in vielen Organsy- stemen.

Die Krankheit verläuft chronisch, er- ste Symptome sind Schmerzen und Parästhesien in den Extremitäten, oft besteht eine Hypohidrosis. Pathogno- monisch sind Angiokeratome (kleine, rötliche bis blauschwarze Gefäßektasi-

en), woraus sich der Krankheitsname Angiokeratoma corporis diffusum ab- leitet. Im Erwachsenenalter manife- stiert sich der M. Fabry am Herzen und den Nieren: Es können Herzrhythmus- störungen auftreten, häufig entwickelt sich eine Kardiomyopathie. Aufgrund einer Niereninsuffizienz werden die Pa- tienten häufig dialysepflichtig. Auch ze-

rebrovaskuläre Symptome werden be- obachtet. Systematische klinische Un- tersuchungen der Arbeitsgruppe des Autors belegen, dass die Überträgerin- nen des M. Fabry häufiger und schwe- rer betroffen sind, als bisher angenom- men wurde (16).

Weitere Speicherkrankheiten, wie zum Beispiel Gangliosidosen, M. Nie- mann-Pick, konnten in dieser Über- sichtsarbeit nicht berücksichtigt werden

Therapie

Symptomatische Behandlung

Die Behandlung der meisten lysosoma- len Speicherkrankheiten beschränkt sich derzeit noch auf symptomatische Therapiemaßnahmen. Mukopolysac- charidosen und Glykoproteinosen er- fassen als Systemerkrankung das ge- samte Skelett, sodass durch korrigie- rende Maßnahmen nur Teilsymptome

eines komplexen Geschehens behoben werden können. Bezüglich invasiver Maßnahmen ist deshalb prinzipiell Zurückhaltung geboten. Tritt jedoch durch eine Instabilität im Atlanto- Axialgelenk (Mukopolysaccharidose Typ 4: M. Morquio) oder Verdickung der Dura (Mukopolysaccharidose Typ 1 Scheie, Mukopolysaccharidose Typ 6) eine Kompression des Rückenmarks mit kon- sekutiver Querschnitts- lähmung auf (3), ist eine Entlastungsoperation (mit oder ohne Stabili- sierung) unumgänglich.

Ein Karpaltunnel-Syn- drom (häufig bei M.

Scheie) kann durch ei- nen einfachen chirurgi- schen Eingriff behoben werden, Rezidive lassen sich jedoch nicht immer vermeiden. In vielen Fäl- len (zum Beispiel Muko- polysaccharidose Typ 2, Typ 3, a-Fucosidose, Sia- lidose) bestimmt der pro- gressive, oft schubweise Verlust der zerebralen Funktionen den Krank- heitsverlauf. Die Be- handlung von Krampf- anfällen kann sich an den allgemeinen Richtlinien der Epilepsietherapie orien- tieren. Die erethischen Zustände und Schlafstörungen, die vor allem bei Kin- dern mit M. Sanfilippo beobachtet wer- den, sind nur wenig zu beeinflussen:

Die üblichen sedierenden Medikamen- te bringen meist nur eine vorüberge- hende Besserung oder sind sogar völlig wirkungslos. Befriedigende Ergebnisse können manchmal mit Melatonin oder Präparaten erzielt werden, die beim hy- perkinetischen Syndrom verordnet werden, wie beispielsweise Methyl- phenidat.

Bei kardialer Manifestation lysoso- maler Speicherkrankheiten sind regel- mäßige echokardiographische Untersu- chungen unumgänglich, um Verdickun- gen der Herzklappen oder eine Kar- diomyopathie rechtzeitig zu erkennen (17). Durch einen Herzklappenersatz kann das Leben erwachsener Patienten mit Mukopolysaccharidose 6 oder Mu- kopolysaccharidose 1 (M. Scheie) signi- Abbildung 2: a) 10 Jahre alter Junge

mit Mukopolysaccharidose Typ 4 A (M.

Morquio A): Thoraxdeformität, kurzer Hals, Genua valga, schlaffe Hand- und Fußgelenke. b) Röntgenaufnahme der Hand (MPS 4A): Strähnige Knochen- struktur, deformierte Metakarpalia, so genannte Zuckerhut-Phalangen, V-för- mige Stellung von Radius und Ulna.

a b

(4)

fikant verlängert werden. Eine Horn- hauttrübung (unter Umständen in Ver- bindung mit einem Glaukom) kann bei Patienten mit M. Scheie oder M. Maro- teaux-Lamy zur Erblindung führen.

Deshalb sollte rechtzeitig eine Horn- hauttransplantation durchgeführt wer- den, auch wenn meist ein Rezidiv nicht zu vermeiden ist.

Für Patienten mit M. Fabry bedeuten die oft unerträglichen Schmerzen eine große Belastung, die sogar zum Selbst- mord führen kann. Zur Linderung die- ser Beschwerden haben sich Carbama- zepin und Phenytoin bewährt, in letzter Zeit besonders auch Gabapentin (4).

Organtransplantation

Bevor die Möglichkeit der Enzymer- satztherapie bestand, wurde bei einigen lysosomalen Speicherkrankheiten ver- sucht, durch eine Organtransplantation eine klinische Besserung zu erreichen, zum Beispiel bei M. Niemann-Pick und M. Gaucher (12). Dieser schwerwiegen- de Eingriff ist bei der jetzt bestehenden Möglichkeit zur Enzymersatztherapie bei M. Gaucher nicht mehr vertretbar.

Jedoch stellt die terminale Niereninsuffi- zienz bei Patienten mit M. Fabry eine In- dikation zur Nierentransplantation dar;

in dem transplantierten Organ kommt es aufgrund der normalen Aktivität der a- Galaktosidase zu keinen Lipidablage- rungen mehr. Auf die Manifestation der Erkrankung am kardiovaskulären Sy- stem hat eine Nierentransplantation je- doch kaum einen Einfluss. Auch über ei- ne Herztransplantation bei einem Pati- enten mit M. Fabry wurde berichtet (6).

Bei einer Vielzahl von lysosomalen Speicherkrankheiten wurde allogenes Knochenmark transplantiert (9). Dies hat in einigen Fällen zu einer Stabilisie- rung des Zustandes und (wenigstens teilweise) auch zu einer klinischen Bes- serung geführt. Bei einer Manifestation der Erkrankung am Zentralnervensy- stem ist dieser Eingriff jedoch weitge- hend wirkungslos.

Enzymersatztherapie

Ein großer Durchbruch in der Behand- lung lysosomaler Speicherkrankheiten gelang mit der Einführung der Enzymer- satztherapie des M. Gaucher: Rekom-

binante ß-Glucocerebrosidase wird durch enzymatische Abspaltung von ver- schiedenen Zuckern so modifiziert, dass das Enzym über endständige Mannose- reste mit hoher Affinität an Makropha- gen, die Speicherzellen des M. Gaucher, gebunden wird. Durch die Enzymsubsti- tution kommt es zu einer Rückbildung der Hepatosplenomegalie und zu einer Normalisierung von Hämoglobin und Thrombozyten. Verlaufsbeobachtungen der letzten Jahren haben gezeigt, dass die Enzymersatztherapie zu einer Verbesse- rung nicht nur der viszeralen Symptoma- tik, sondern auch der Skelettmanifestati- on beiträgt. Durch die Behandlung wur- de auch eine Stabilisierung und teilweise auch Rückbildung der neurologischen Symptomatik bei Patienten mit M. Gau- cher Typ 3 beobachtet (14).

Versuche an Tiermodellen haben die Voraussetzung dafür geschaffen, klini-

sche Versuche auch bei anderen lysoso- malen Speicherkrankheiten zu initiieren.

Brady und Schiffmann führten an 26 Pa- tienten mit M. Fabry eine doppelblinde, placebokontrollierte Studie mit rekom- binanter a-Galaktosidase A durch (4):

Unter der Infusion von 0,2 mg/kg KG Enzym (im Abstand von zwei Wochen) kam es innerhalb von sechs Monaten zu einem signifikanten Rückgang der Schmerzsymptomatik und einer Verbes- serung der Kreatinin-Clearance. Derzeit werden weltweit und auch in Deutsch- land weitere klinische Studien zur Enzymsubstitution bei Patienten mit M.

Fabry durchgeführt, deren Ergebnisse noch nicht veröffentlicht sind.

Einen weiteren, Erfolg versprechen- den Kandidaten für die Enzymsupple- mentierung stellt die Glykogen-Spei- cherkrankheit Typ 2 (M. Pompe) dar:

Van den Hout und Mitarbeiter (15) in- fundierten vier Säuglingen mit M. Pom- pe rekombinante a-Glucosidase (15 bis 40 mg/kg KG), die aus Milch von trans- genen Kaninchen gewonnen wurde.

Während der Infusionsbehandlung nor- malisierte sich die Aktivität der a-Glu- cosidase in der Muskulatur, die motori- sche Funktion der Kinder verbesserte sich, sodass eine Ateminsuffizienz ver- hindert werden konnte. Auch auf das Herz wirkte sich die Enzymsubstitution positiv aus: Der linksventrikuläre Mas- senindex nahm auf 30 Prozent des Aus- gangswertes ab.

Therapeutische Fortschritte sind auch auf dem Gebiet der Mukopolysacchari- dosen zu verzeichnen. Versuche zur En- zymersatztherapie wurden zunächst an Tieren durchgeführt. Für die MPS 1 (Iduronidase-Defekt) existiert ein Hun- demodell, an dem die Wirkung einer wöchentlichen Infusion von Iduronidase getestet wurde (10). Nach einer 13 Monate dauernden Behandlung war vor allem eine Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit zu verzeichnen, und histologische Untersuchungen verschiede- ner Organe (Leber, Niere, Lymphknoten) zeigten einen signifikanten Rückgang der Speichersubstanz. Über die er- sten klinischen Versuche an Patienten mit MPS 1 (Typ Hurler/Scheie und Typ Scheie) wurde in diesem Jahr zum ersten Mal be- richtet (11). Unter einer wöchentlichen Infusion von rekombinanter a-Iduro- nidase bildete sich die Hepatosplenome- galie zurück, die Gelenkbeweglichkeit und die Herzfunktion verbesserten sich.

Weitere Kandidaten für eine Enzymer- satztherapie sind die MPS 2 und MPS 6 (5). In welchem Maße Patienten mit ei- ner Mukopolysaccharidose von einer Enzymersatztherapie wirklich profitie- ren, kann erst durch Langzeitbeobach- tungen über mehrere Jahre beurteilt werden.

Substrathemmung

Ein völlig anderer therapeutischer An- satz zur Behandlung lysosomaler Krankheiten geht von der Überlegung aus, die Synthese der Speichersubstanz Abbildung 3: Gaucher-Zelle (Milz)

(5)

durch Inhibitoren wie zum Beispiel 1- phenyl-2-palmitoylamino-3-pyrrolidi- no-1-propanol oder N-butyldeoxynoji- rimycin partiell zu hemmen (Substrat- Deprivation). In-vitro-Studien, die von Abe und Mitarbeitern (1) durchgeführt wurden, belegen, dass durch Zusatz von verschiedenen Inhibitoren der Gluco- sylceramid-Synthase die Konzentration von Globotriaosylceramid in Lympho- zyten von Fabry-Patienten signifikant gesenkt werden kann. Durch Enzymin- hibitoren werden jedoch auch das Pro- cessing (posttranslationale Modifikati- on von Proteinen) und damit auch die Aktivität der a-Galaktosidase verbes- sert (8). Bei Patienten mit M. Gaucher liegen bereits erste klinische Erfahrun- gen mit dem Enzyminhibitor N-butyl- deoxynojirimycin vor: Zwölf Proban- den nahmen ein Jahr lang die Substanz oral ein; nach diesem Versuchszeitraum war ein signifikanter Rückgang der

Größe von Leber und Milz zu verzeich- nen, die hämatologischen Parameter besserten sich jedoch nur geringfügig (7). Ob die Behandlung mittels Sub- stratdeprivation der Enzymersatzthera- pie gleichwertig oder überlegen ist, kann derzeit noch nicht beurteilt wer- den.

Eine Gentherapie erscheint gerade bei lysosomalen Speicherkrankheiten aus verschiedenen Gründen besonders erfolgversprechend:

❃Über verschiedene Rezeptoren (zum Beispiel Mannose-6-Phosphat, Mannose) gelangen die Enzyme in ihre Zielzellen.

❃Die lysosomalen Enzyme unterlie- gen keinen komplexen Regulations- vorgängen.

❃Eine Enzymaktivität von etwa 20 bis 30 Prozent der Norm scheint auszu- reichen, um einen therapeutischen Ef- fekt zu erzielen.

Klinische Versuche zur Gentherapie wurden bei Patienten mit M. Gaucher in die Wege geleitet (2), eine endgültige Bewertung dieser doch eingreifenden Behandlung wird erst in einigen Jahren möglich sein. Während Nutzen und Ge- fahren einer (somatischen) Genthera- pie in der Öffentlichkeit derzeit sehr kontrovers diskutiert werden, setzen die direkt Betroffenen auf diese Be- handlung große Hoffnungen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2001; 98: A 2188–2192 [Heft 34–35]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Michael Beck Universitäts-Kinderklinik Mainz Langenbeckstraße 1 55131 Mainz

E-Mail: Beck@kinder.klinik.uni-mainz.de

Gemäß einer amerikanischen Studie bietet eine an die Elektrokrampfthera- pie anschließende Kombinationsthera- pie aus Nortriptylin und Lithium mit ei- ner Rückfallrate von 39 Prozent den zu- verlässigsten Behandlungserfolg.

Bisher zur Verfügung stehende Stu- dien zeigten, dass etwa die Hälfte aller depressiven Patienten, die sich einer Elektrokrampftherapie unterzogen hat- ten, innerhalb der ersten sechs Monate nach Beendigung des Therapiezyklus- ses einen Rückfall erlitten. Sackeim et al. therapierten daraufhin 84 erfolg- reich mit Elektrokrampftherapie be- handelte Patienten randomisiert, dop- pelt verblindet und placebokontrolliert entweder mit Nortriptylin allein (thera- peutischer Plasmaspiegel 75 bis 125 ng/ml) oder mit einer Kombination aus Lithium (0,5 bis 0,9 mEq/l) und Nor- triptylin oder nur mit Placebo.

Nach einer 24-wöchigen Behand- lungsdauer erlitten 84 Prozent der mit Placebo behandelten Patienten einen

Rückfall. Unter der Nortriptylin-Mo- notherapie kam es in 60 Prozent der Fälle zu einem Rückfall und erst die Kombination aus Lithium und Nortrip- tylin senkte die Rückfallrate auf 39 Pro- zent.

Da sich fast alle Rückfälle innerhalb der ersten fünf Wochen nach Elektro- krampftherapie ereigneten, vermuten die Autoren, dass entweder durch Ver- teilung der Elektrokrampftherapie auf mehrere Wochen die vulnerable Peri- ode überwunden werden kann oder der Beginn einer medikamentösen antide- pressiven Therapie schon während der Elektrokrampftherapie erfolgen und nach Abschluss derselben unter Kom- bination mit Lithium fortgeführt wer-

den muss. goa

Sackeim H A et al: Continuation pharmacotherapy in the prevention of relapse following electroconvulsive thera- py. JAMA. 2001; 285: 1299–1307.

Harold A Sackeim, Departement of Biological Psychiatry, New York State Psychiatric Institute, New York, USA.

Elektrokrampftherapie bei therapieresistenten Depressionen

Referiert

Eine Untersuchung aus den Niederlan- den konnte anhand eines genau recher- chierten Familienstammbaumes mit ent- sprechender Familienanamnese interes- sante Aspekte zur familiären Hypercho- lesterinämie aufzeigen. Es stellte sich heraus, dass Träger des familiären Hy- percholesterinämie-Gens im 19. und frühen 20. Jahrhundert keine erhöhte Sterblichkeit gegenüber Kontrollperso- nen aufwiesen. Die Mortalität stieg erst nach 1915 an, erreichte zwischen 1935 und 1964 ihr Maximum und fiel dann wieder ab. Die Mortalität war auffälliger- weise bei den zwei verschiedenen Zwei- gen dieser Familie unterschiedlich er- höht. Laut Meinung der Autoren unter- streichen diese Beobachtungen die Be- deutung von Umweltfaktoren bei geneti- scher Suszeptibilität. acc Sijbrands EJG et al.: Mortality over two centuries in large pedigree with familial hypercholesterinaemia: family tree mortality study. BMJ 2001; 322: 1019–1023.

Dr. Sijbrands: nrexpert@euronet.nl

Familiäre Hypercholesterinämie

Referiert

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