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Archiv "Reformbilanz: Alles schlechter" (25.03.2005)

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Versorgung finanziell belohnt werden, allerdings auf Kosten bisheriger kollek- tiver Vertragsregelungen. Nach vorläu- figen Rechnungen sind 2004 rund 157 Millionen Euro für die Integrierte Ver- sorgung ausgegeben worden. Finanziert wurden damit insgesamt 342 Projekte, deren Innovationspotenzial allerdings umstritten ist. „Manche machen das quick and dirty“, meint der Vorstands-

vorsitzende der AOK Bayern, Dr. Hel- mut Platzer. Seine Kasse habe sich für Qualität entschieden und mit Hausärz- ten und anderen Partnern intensiv über eine sinnvolle Integrationsversorgung verhandelt.

Ministerin Schmidt ist dennoch über- zeugt, mit diesem Element ihrer Re- form „ins Schwarze getroffen“ zu ha- ben, auch wenn sich die Vertragsärzte

nur mäßig für die neuen Möglichkeiten zu interessieren scheinen. Zumindest zeigt eine Befragung von mehr als 6 000 Ärzten durch den NAV-Virchow-Bund, dass der Informationsstand über die neuen Versorgungsformen mangelhaft ist. Nur wenige Vertragsärzte spielen der Untersuchung zufolge mit dem Ge- danken, sich an der Integrierten Versor- gung zu beteiligen.

Als Erfolgsgeschichte wertete die Bundesgesundheitsministerin auch die Etablierung der Disease-Management- Programme (DMP) zur Versorgung chronisch Kranker. Bereits vor In- Kraft-Treten des GMG gestartet, haben sich bislang über 1,3 Millionen Versi- cherte in 3 275 Programme eingeschrie- ben. Das Interesse der Versicherten dürfte auch daher rühren, dass die Krankenkassen mit dem GMG die Möglichkeit erhielten, für die Teilnah- me an DMP Boni einzuräumen. Doch Kritiker befürchten, die Kopplung der Programme an den Risikostrukturaus- gleich (RSA) berge die Gefahr der

„DMP-Light“, wie es der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Prof. Dr.

med. Jörg-Dietrich Hoppe, ausdrückte.

Die Kassen könnten versucht sein, über den RSA zusätzliche Mittel zu erhalten, ohne die Qualität der Versorgung zu verbessern.

Bundesärztekammer fordert Evaluation der DMP

Deshalb forderte die Bundesärztekam- mer bei der Anhörung vor dem Ge- sundheitsausschuss eine Trennung der DMP vom Finanzausgleich der Kassen.

„Die Kopplung der Chronikerprogram- me an den RSA erweist sich als absolu- te Fehlsteuerung“, heißt es in der Stel- lungnahme der BÄK. Die Bundesärzte- kammer mahnte auch eine fachliche, in- haltliche und logistisch-organisatori- sche Überarbeitung der Krankenkas- sen-Programme und ein zeitnahes Qua- litätsmanagement an. „Die mit einem extremen bürokratischen Aufwand ver- bundenen Programme werden weder wissenschaftlich evaluiert noch beglei- tend erforscht“, kritisierte die BÄK.

Trotz enormer Datensammlungen seien bisher keine Auswertungen vorgelegt

worden. Samir Rabbata

P O L I T I K

A

A796 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 12⏐⏐25. März 2005

Reformbilanz

Alles schlechter

Ulla Schmidt lud ein, Dr. med.

Alex Eisinger blieb zu Hause.

W

ie weit die Einschätzungen eines Arztes und die einer Ministerin auseinander liegen können, zeigt das Beispiel eines Berliner Gynäkologen aus dem Stadtteil Friedrichs- hain. Dr. med. Alex Eisinger, war – wie viele andere Ärzte auch – von Ulla Schmidt zu der Fachtagung im Ministerium eingeladen wor- den, zog es jedoch vor, in seiner Praxis die Sprechstunde für seine Patienten abzuhalten.

In einem offenen Antwortbrief auf die mini- sterielle Einladung zur Reformbilanz gab er unmissverständlich zu verstehen, warum er der Veranstaltung ferngeblieben ist.

„Sehr geehrte Frau Bundesministerin“, beginnt Eisinger seinen Brief, „dankend für Ihre Einladung, sage ich meine Teilnahme aus wichtigen Gründen ab.“ Er werde an diesem Tag Sprechstunde halten und habe allein schon aus diesem Grund keine Zeit „für eine Veranstaltung, deren Ankündigung eine Selbstbejubelungsfeier stark befürchten lässt“. Die besagte Sprechstunde, fügt der Arzt hinzu, halte er im Übrigen ab, „ohne ein Honorar dafür zu bekommen“, weil sein Indi- vidualbudget für das erste Quartal 2005 längst ausgeschöpft sei. Da er seine Patien- ten nicht im Stich lassen wolle, arbeite er eben „umsonst“ weiter, „ziemlich bescheu- ert, Frau Schmidt, was?“ fragt Eisinger die Ministerin. Und er ergänzt: „Kennen Sie ir- gendjemanden außer einem bundesdeut- schen Vertragsarzt, der umsonst arbeitet?“

Es zeuge von „völliger Unkenntnis“ der Mi- nisterin und „erschreckender menschlicher Inkompetenz“, angesichts dieser Situation öffentlich ernsthaft zu äußern, sie könne Ärz- te nun mal nicht zu Millionären machen.

Ebenso realitätsfremd sei die unglaubliche Behauptung, den Patienten hätten die Re- formmaßnahmen „große Vorteile“ gebracht.

„Nun, wenn Sie tatsächlich wissen wollen, was Sie angerichtet haben, dann lesen Sie einfach einmal aufmerksam den Armutsbe- richt [. . .]. Und wenn Sie ihn gelesen haben, dann lade ich Sie ein in meine Praxis. Kom- men Sie nach Friedrichshain, setzen Sie sich eine Perücke und eine Sonnenbrille auf und nehmen Sie für ein paar Stunden still in mei- nem Wartezimmer Platz.“ Dann könne Ulla Schmidt im Original hören, was die Patienten tatsächlich über die Reform denken. „Nein, was Sie da hören würden, übersteigt noch bei weitem Ihre Befürchtungen und ist keine Ausnahme“, schreibt Eisinger. Denn unter der rot-grünen „Herrschaft“, insbesondere durch das von Schmidt geführte Ressort, sei

„alles schlechter“ geworden – „dafür aber teurer“.

Ein weiterer, gravierender Grund für den Gynäkologen, der Einladung nicht zu folgen, und zugleich ein „beredter Audruck der schlechten Politik“ Ulla Schmidts sei das Feh- len eines Vertreters der Fachärzteschaft in der so genannten Interviewrunde. „Aber wozu auch, Frau Ministerin“, fragt Eisinger iro- nisch, künftig erledige doch sowieso alles der Hausarzt mit. Außerdem sei es Teil der Politik Ulla Schmidts, den Zugang zum Facharzt für den Patienten immer schwieriger zu gestalten.

„Nur ein Narr kann nicht erkennen, dass al- lein schon dieses verantwortungslose Tun ei- ne drastische Verschlechterung der Qualität der medizinischen Betreuung für die Men- schen in unserem Land bedeutet.“ Nein, sei- nen eigenen beruflichen und wirtschaftlichen Untergang im Hause der Ministerin zu feiern – das könne nicht wirklich ernst gemeint sein. Längst wäre er unter diesen Umständen ins Ausland ausgewandert, schreibt der Arzt am Briefende, „wenn ich jünger und nicht krank“ wäre. So verbleibt Eisinger „ohne Gruß, verbittert, enttäuscht und müde“, denn

„Sie freundlich zu grüßen wäre eine glatte

Lüge“. Martina Merten

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