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Archiv "Balneotherapie der Inkontinenz bei Deszensus, Zystozele und Rektozele" (21.09.1989)

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Balneotherapie der Inkontinenz

bei Deszensus, Zystozele und Rektozele

Hans Baatz

ie Senkungsbeschwerden mit den Folgen der Bla- seninkontinenz stehen auch heute im Vorder- grund der gynäkologischen Klagen.

In zahlreicher Literatur werden vor- wiegend operative Verfahren für die Therapie der Inkontinenz angege- ben. Bei den Veröffentlichungen im letzten Jahrzehnt über die Möglich- keiten der konservativen Behand- lung steht im Vordergrund nur die medikamentöse Therapie. Es ist er- staunlich, wie schnell bedeutende therapeutische Möglichkeiten der Balneotherapie bei der häufigen In- kontinenz in Vergessenheit geraten sind. Bei kritischer Betrachtung des Krankengutes im Frauenheilbad Pyr- mont in den letzten 30 Jahren ist festzustellen, daß letzten Endes alle Frauen, die später zu einem operati- ven Eingriff wegen schwerer Blasen- inkontinenz überwiesen wurden, sich einmal im ersten Stadium beginnen- der Senkung, sei es Zystozele, Rek- tozele oder Deszensus, befunden ha- ben. Offensichtlich wird in diesem Stadium der leichten und beginnen- den Insuffizienz, der Zystozele I.

Grades, teils aus Unkenntnis thera- peutischer Möglichkeiten oder Nachlässigkeit, nur zu symptomati- scher Medikation geschritten.

Ziel und Zweck nachfolgender Ausführungen ist es, auf die bewährte, seit zirka 50 Jahren stark genutzte the- rapeutische Möglichkeit der Bal- neotherapie mit Sole-Vaginalspülun- gen hinzuweisen. Aus der Anamnese- analyse der Frauen, die wegen Blasen- und Senkungsbeschwerden nach Pyr- mont kamen, ist ersichtlich, daß mit einer Veränderung und Störung des Intraabdominaldruckes oft die ersten Symptome begannen. Auf die Bauch- deckenmuskulatur (Adipositas) und die Verhältnisse der Bauchinnensi- tuation wird zu wenig geachtet.

Wenn der Beckenboden, das Stützorgan der gesamten Beckenor- gane, insuffizient wird, so ist der in- traabdominale Druck verändert.

Hauptursache sind zahlreiche oder sehr schwierige Geburten oder Ver- letzungen, insbesondere Dammrisse.

Wir finden in den Anamnesen häufig Meteorismus, überdehnte Bauch- decken und starke Adipositas. Unter den Klagen, mit denen die Patientin ins Heilbad kommt, haben wir fol- gende: Druckgefühl, häufiges Was- serlassen, sehr heftiges Dranggefühl, die Kombination von häufigem und drängendem Wasserlassen, Wasser- abgang beim Niesen und Husten, Restharngefühl, Senkungsgefühl mit Druck nach unten, Gefühl der Erwei- terung der Scheide, Brennen beim Wasserlassen, beginnender Ausfluß, Scheidenentzündungen, trockene Scheide, Schmerzen beim Verkehr, Orgasmusstörungen, Hypästhesie, Parästhesie; Anästhesie, libidinöse Funktionsstörungen. Von diesen Kla- gen ist mal die eine, mal die andere an erster Stelle zu nennen.

Diagnostisches

Vorgehen im Heilbad

Die gynäkologische Untersu- chung ergibt dann oft eine Zystozele I. Grades mit leichter Wölbung der Blase in die Scheide, die nicht mehr als zwei Zentimeter beträgt. Die Zy- stozele II. Grades zeigt eine Vorwöl- bung von drei bis vier Zentimetern, darüber hinaus bis zum Prolaps be- steht die Zystozele III. Grades. Be- treffend die konservative Therapie unter Einsatz der Sole-Vaginalspü- lungen ist nach unseren Erfahrungen festzustellen, daß nur die Zystozele I. und II. Grades sowie die leichteren Formen des Descensus uteri konser- vativ behandelt werden sollten.

Gauss, Siebke, Döderlein und ande- re waren Vertreter einer primär kon- servativen Therapie mit dem Einsatz der heißen Sole-Vaginalspülung.

Heute liegen besonders umfang- reiche Erfahrungen aus Franzensbad vor. In Pyrmont werden die Sole-Va- ginalspülungen seit 35 Jahren syste- matisch durchgeführt. Beim Descen- sus uteri unterscheiden wir drei Stu- fen: C) beim Pressen ist eine Schei- denöffnung, ein Klaffen zu beobach- ten;

®

Eine Dehiszenz der Vulva be- steht ohne Pressen. Bei diesen Pa- tientinnen finden wir bereits häufig Kolpitiden, Sekundärinfektionen und eine trockene Scheide. ® Eine starke, andauernde Dehiszenz der Vulva und sichtbare Zystozele und Prolaps von Blase oder Portio.

Für die konservative Therapie der Balneologie eignen sich nur der Deszensus der Stufe eins, versuchs- weise Stufe zwei. Stufe drei ist den operativen Verfahren vorzubehal- ten. Auffällig ist die Kombination ei- ner Zystozele mit einer erworbenen oder angeborenen Bindegewebs- und muskulären Schwäche. Man fin- det in den Anamnesen häufig Senk- und Spreizfußangaben, eine sehr starke Adipositas, Meteorismus und chronische Obstipation. Bei Frauen in gebärfähigem Alter und besonders in der Mitte der 40iger Jahre ist zu beobachten, wie sehr die östrogene Situation, Störungen des Hormon- haushaltes auslösend oder fördernd für die Senkungsbeschwerden sind.

Auffällig sind auch die mit den Inkontinenzsymptomen gleichzeitig auftretenden Orgasmusprobleme.

Häufig ist als Grund beginnen- der Inkontinenz eine vegetative Ent- gleisung durch Überforderung fest- zustellen. Die Patientinnen sind Ehe- und Hausfrauen, haben drei bis vier Geburten hinter sich gebracht und sind außerdem noch voll berufs- tätig. Jenseits des 40. Lebensjahres, mit zunehmendem Abfall des Hor- monspiegels, beginnen sich die Sym- ptome der Inkontinenz zu einem Krankheitsbild auszuweiten.

Grundlage für die Konzeption des Behandlungsplanes ist nach Dt. Ärztebl. 86, Heft 38, 21. September 1989 (83) A-2671

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ganzheitlicher Anamnese die gynä- kologische Untersuchung (Inspek- tion, Palpation, bakterioskopischer Vaginalabstrich, Nativ- und Gram- präparat, vaginal-zytologischer Ab- strich, eventuell Krebs-Vorsorgeab- strich und Rektaluntersuchung). Es folgen als obligatorische Laborunter- suchungen: BKS, Leukozyten, rotes Blutbild und Differentialblutbild.

Korrespondierend mit ihnen wird die Vaginotonografie durchgeführt, um in Ergänzung zu Anamnese und Untersuchung einen Eindruck vom Stützmechanismus des Beckenbo- dens zu erhalten (vom Grad der Zy- stozele, eventuelles Vorhandensein einer Rektozele oder eines Descen- sus uteri).

Die Vaginotonografie wird mit dem Vaginotonografen nach Sokol durchgeführt. Mit dieser Untersu- chung läßt sich der Zustand des Scheidenrohres vor und nach der Therapie feststellen, insbesondere kann auch langfristig, etwa nach Ab- lauf eines Jahres, der Therapieerfolg kontrolliert werden. Nachbehand- lung und Kontrolle spielen eine wichtige Rolle. Wir haben vier Para- meter gewählt, die mit dem Vagino- tonographen registriert und in Form einer Kurve aufgezeichnet werden:

C) Funktion des Blasenschließmus- kels, 0 Funktion des Darmschließ- muskels, ® Zustand der Bauch- und Beckenmuskulatur, ® Stärke des ge- samten Abdominaldruckes.

Praxis der

Kurdurchführung bei Inkontinenz

Entscheidend sind: 15 bis 16 hei- ße Sole-Vaginalspülungen, drei bis fünf pro Woche, Beckenbodengym- nastik nach Penning und Semm täg- lich, jeden zweiten Tag Moorthera- pie mit Halbbad, Packung oder Plomben; Sole-, Mineral- oder Be- wegungsbad bei Kontraindikation gegen Moortherapie. Die Sole-Vagi- nalspülungen bedingen entsprechen- de Apparaturen, geeignete Räum- lichkeiten und geschultes Personal.

Die Dosierung erfolgt individuell nach Konstitution und Disposition der Patientin. Man beginnt mit 40 Grad Celsius und steigert allmählich

bis zu 44 Grad. Die Konzentration der Sole beträgt zwei bis vier Pro- zent.

Ebenfalls wichtig ist die Moor- therapie. Es werden nicht mehr als zwei bis drei Bäder pro Woche gege- ben. Die Badetemperatur richtet sich nach der konstitutionell beding- ten Wärmegradverträglichkeit. Man beginnt mit 40 bis 42 Grad, das ist der Typ eins. Typ zwei hat 42 bis 44 Grad, und Typ drei erhält eine Tem- peratur von 43 bis 46 Grad. Unab- hängig von der Konstitution ist auch die Disposition zu berücksichtigen.

Zur vegetativen Entspannung wäh- rend der Kur gehören: Medau-Gym- nastik, Atemtherapie, autogenes Training und die dosierte Terrain- kur. Entscheidend sind die Freiluft- liegekuren mit Rede- und Lesever- bot. Bei schlechter Bauchdecken- muskulatur oder vorhandenem Kreuzschmerz werden Massagen verordnet. Im Sole-Bewegungsbad wird eine Unterwasser-Gymnastik durchgeführt.

Einen weiteren wichtigen Aspekt der Balneotherapie stellen die psychologischen Faktoren des Heilbades dar. In erster Linie sind dies kulturelle Faktoren (musikali- sche Darbietungen, Vorträge, Thea- teraufführungen). Von großer Be- deutung sind Natur und Umfeld. Die Patientin ist fern aller häuslichen Belastung und allem Streß, der letz- ten Endes entscheidend mitverant- wortlich für die Entstehung ihres Deszensus und ihrer Zystozele war.

Die wesentliche Grundlage der The- rapie ist das Arzt-Patienten-Ge- spräch, die Erfassung des bio-psy- cho-sozialen Umfeldes.

Die therapeutischen Erfolge bei Inkontinenz sind gut. Man kann mit vorwiegend beschwerdefreien Pa- tientinnen oder zumindest mit we- sentlicher Besserung der Symptome am Ende einer Kur rechnen. Eine Wiederholungskur ist im allgemei- nen nach einem Jahr angezeigt. Zum Abschluß der Kur bekommt jede Pa- tientin eine kleine Broschüre mit, die ein Fünfzehn-Punkte-Programm über Gymnastik, Diät usw. enthält.

Die sorgfältige häusliche Fortset- zung einiger Therapiemaßnahmen ist für den weiteren, anhaltenden Kurerfolg entscheidend wichtig.

Das Interessante an der Sole- Vaginaltherapie ist, daß auch Pa- tientinnen zwischen 80 und 90 Jah- ren diese als angenehm empfinden und keineswegs überanstrengt sind.

Die Solespülungen sind oft noch durchführbar, wenn die Moorthera- pie bereits nicht mehr vertragen wird.

Literatur

1. Penning, W.; Semm, K.: Prä- und postope- rative Zusatzbehandlung der Beckenboden- Insuffizienz. Therapeutische Umschau 19,9 (1962) 364-372

2. Penning, W.; Semm, K.: Zur Diagnostik und konservativen Behandlung der Beckenbo- den-Insuffizienz. Zentralbatt für Gynäkolo- gie 82, Heft 19 (1960)

3. Breitwieser, P.: Konservative Behandlung der Streßinkontinenz. Therapie-Woche 31 (1981) 7911-7916

4. Wiencke, H.: Erfahrungen in der Therapie der Sole-Vaginalspülungen unter besonde- rer Berücksichtigung des „syndrom de l'o- vair restant". Therapie-Woche 31 (1981 4726-4729

5. Baatz, H.: Vaginale Balneotherapie unter besonderer Berücksichtigung der Sole-Vagi- nalspülungen. Therapie der Gegenwart 99, Heft 11 (1960) 540-546

6. Fikentscher, R.: Funktionsprüfung der Bek- kenbodenkräfte und Behandlung der Bek- kenboden-Insuffizienz. Zentralblatt für Gy- näkologie 83 (1961) 1997

7. Hajek, 0.; Sokol, K.: Vagitonometrie bei der Behandlung der weiblichen Blasenin- kontinenz. Archiv physikalische Therapie 14 (1962) 401

8. Hamann, M.: Konservative Behandlungs- möglichkeit von Blasenfunktionsstörungen in der gynäkologischen Praxis. Frauenarzt 28,3 (1987) 57-62

9. Beck, L.; May, P.; Sökeland, J.; Schwenzer, T.: Harninkontinenz. Dt. Ärztebl. 83, Heft 27 (1986) 1949

10. Wiencke, E.: Die Sole-Vaginalbehandlung.

Zeitschrift f. phys. Med., Balneologie, med.

Klimatologie 14 (1985) 88-93

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. habil. Hans Baatz Leiter des Balneologischen Instituts und des Sanatoriums für Balneo-Gynäkologie Fürsten- hof, Staatsbad Pyrmont, i. R.

Berliner Straße 25 3280 Bad Pyrmont A-2672 (84) Dt. Ärztebl. 86, Heft 38, 21. September 1989

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