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Archiv "Ignaz Philipp Semmelweis: Retter der Mütter" (20.05.2011)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 20

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20. Mai 2011 A 1129

W

omöglich hatte Lucas Boer, Professor am Wiener Kran- kenhaus, eine Ahnung davon, wie gefährlich es ist, wenn Geburtshel- fer und Hebammen Leichen se - zieren oder an ihnen üben. Unter seiner Leitung der Geburtsklinik betrug die Sterblichkeit an Kind- bettfieber 0,84 Prozent. Boers Nach - folger, Johann Klein, lässt die Heb- ammen wieder an Leichen üben.

Die Folge: Binnen kurzem sterben mehr als sieben von 100 Frauen am Kindbettfieber. Als man 1833 die Klinik in zwei Teile teilt, sterben bald in der Ärzteklinik dreimal so viele Frauen wie in der Hebammen- klinik. In dieser Situation nimmt der junge Arzt Ignaz Semmelweis 1846 seine berufliche Tätigkeit auf.

Die Sterblichkeitsrate unter Boers Leitung sieht er als „natürliche“ an, die man auch mit größter Umsicht nicht verhindern kann.

Das Kindbettfieber ist seit der Antike bekannt. Aber massenweise sterben Frauen erst daran, als sie ihre Kinder im Krankenhaus gebä- ren. Seitdem Ärzte häufiger Leichen sezieren, nimmt die Sterblichkeit weiter zu. Man vermutet atmosphä- rische, kosmische und andere Ein-

flüsse, die der medizinischen For- schung unzugänglich seien. „Alles war unerklärt, alles war zweifelhaft, nur die große Anzahl der Toten war eine unzweifelhafte Wirklichkeit“, schreibt Semmelweis. Im Novem- ber 1846 wird er entlassen und im März 1847 erneut eingestellt. In der Zwischenzeit sinkt die Sterblichkeit der Wöchnerinnen beträchtlich. Doch bereits in seinem ersten Monat steigt sie wieder auf 18 Prozent. Er selbst ist es also, der das Kindbett- fieber verursacht. Zudem stirbt ein Gerichtsmediziner an „Blutvergif- tung“, nachdem er sich bei einer Sektion in den Finger geschnitten hat. Semmelweis versteht, dass die Symptome dieser Sepsis den Sym - ptomen des Kindbettfiebers glei- chen. Von Bakterien weiß er noch nichts – er identifiziert „zersetzte organische Stoffe“ als Krankheits- ursache. Bald ist klar: Waschen mit Seife allein reicht nicht aus, um die Hände zu desinfizieren. Semmel- weis führt verbindlich die Wa- schung mit Chlorkalk ein. Binnen zwei Monaten sinkt die Sterblich- keit auf 1,2 Prozent! Später erkennt er, dass neben Leichenbestandteilen auch eitrige Substanzen lebender

Personen und unzureichend ge - reinigte Laken das Kindbettfieber hervorrufen können.

Als 1861 sein Buch „Die Aetiolo- gie, der Begriff und die Prophylaxis des Kindbettfiebers“ erscheint, ist Semmelweis Professor für Geburts- hilfe an der Universität Pest (heute Budapest). Seine Erkenntnisse set- zen sich zunächst nur langsam durch.

Dazu mag auch beitragen, dass Sem- melweis zweifelnde Kollegen erbit- tert attackiert. 1861 liegen die neuen Erkenntnisse der Bakteriologie gleichsam in der Luft: Drei Jahre zu- vor hat Louis Pasteur entdeckt, dass an der alkoholischen Gärung Mikro- organismen beteiligt sind. Semmel- weis bleibt indes bei seinen Beob- achtungen von 1847 stehen. Den Ge- danken eines „contagium vivum“, einer Ansteckung durch einen leben- den Erreger, erwägt er nicht ernst- haft. Als Vorbote der Bakteriologie kann er daher nicht gelten, ein Vor- läufer der Lehre von der Asepsis ist er zweifellos. Sein Verdienst besteht darin, durch einen streng empiri- schen Zugang zum Kindbettfieber eine äußerst wirkungsvolle Präven - tion entwickelt zu haben. ■ Christof Goddemeier

IGNAZ PHILIPP SEMMELWEIS

Retter der Mütter

Das Verdienst des Geburtshelfers besteht darin, eine wirkungsvolle Prävention des Kindbettfiebers entwickelt zu haben.

Zeichnung: Elke R. Steiner

K U L T U R

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