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Reproduktionsmedizin in Klinik und Forschung: Der Status des Embryos

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Neue Entwicklungen in der Reproduktionsmedizin

SoÈrenvonOtte(LuÈbeck)

Zusammenfassung

Seit der Geburt des ersten Kindes nachIn-vitro-Fertilisation und Embryonentransfer im Jahre 1978 hat die Reproduktionsmedizin und ihr wissenschaftliches Umfeld groûe Fortschritte in den MoÈglichkeiten der Be- handlung ungewollter Kinderlosigkeit gemacht. Kinderwunschpaaren in Deutschland ist die Partizipation an diesem Fortschritt durch die Restriktionen des deutschen Embryonenschutzgesetzes in vielen Bereichen ver- wehrt. Beispielhaft sei an dieser Stelle das Verbot der Embryonenauswahl oder das Verbot der genetischen Testung des PraÈimplantationsembryos angefuÈhrt. Trotzdem gilt es, die Kinderwunschbehandlung zu opti- mieren, um ihre Effizienz zu steigern, die Mehrlingsraten zu senken, die Nebenwirkungen und Risiken der Eierstockstimulation zu minimieren sowie die Behandlungskosten zu senken. Gerade in den letzten zehn Jahren wurden zahlreiche Fortschritte dokumentiert ± viele haben mittlerweile Eingang in die klinische Pra- xis gefunden. Einige ausgewaÈhlte neuere Entwicklungen der Reproduktionsmedizin werden im Folgenden dargestellt.

Abstract

Since the birth of the first child conceived byin-vitrofertilization (IVF) and embryo transfer in 1978 repro- ductive medicine and its associated research underwent a rapid development concerning diagnostic and ther- apeutic interventions for dealing with female infertility. In many areas infertile couples in Germany are not allowed to participate in these developments due to restrictive legislation in the field of reproductive medi- cine. One example is the prohibition of genetic testing of preimplantation embryos. However, research in re- productive medicine aims at increasing the efficiency of the techniques offered, at a reduction of complica- tions, e. g. the multiple pregnancy rate, at further optimization of ovarian hyperstimulation and at a reduction of treatment costs. During the last years enormous efforts have been made to achieve these goals and new developments have been introduced from basic science into clinical routine. Selected recent efforts in the field of reproductive medicine are presented in the following paragraphs.

1. Eine traurige Entwicklung: Politische Reformen und ihre Folgen

Die Titelgeschichten eines der groÈûten deutschen Nachrichtenmagazine reflektieren sym- bolhaft die dramatische Entwicklung der deutschen Reproduktionsmedizin in den letzten fuÈnf Jahren: WaÈhrend derSpiegel noch im April 2002 in seiner Titelgeschichte von ei- nem kuÈnstlichen Kindersegen, dem ¹Baby-Boom aus der Retorteª, sprach, zierte im Fe- bruar 2004 bereits die Geschichte vom ¹Letzten Deutschen ± auf dem Weg zur Greisen- republikª das Titelbild dieser renommierten Wochenzeitung.

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Die Tatsache, dass auch die Reproduktionsmedizin in Deutschland mittlerweile ihren Beitrag zu dieser demographisch bedenklichen Entwicklung leistet, ist auf die EinfuÈh- rung des Gesundheitssystemmodernisierungsgesetzes (GMG) zum 1. 1. 2004 zuruÈckzu- fuÈhren. Dieses von den Protagonisten Ulla Schmidtund Horst Seehofer initiierte Ge- setz sah u. a. eine Neuregelung der Kostenerstattung von Kinderwunschbehandlungen vor (§ 27a SGB V). Seit dem 1. 1. 2004 muÈssen alle Paare der gesetzlichen Krankenver- sicherung als ¹Eintrittskarteª zur Kinderwunschbehandlung bei ihren Krankenkassen ei- nen sogenannten Behandlungsplan vorlegen, auf dem die anstehenden Maûnahmen, die TherapiebegruÈndung sowie die zu erwartenden Therapiekosten vermerkt werden. Die Krankenkasse beteiligt sich nur noch zu 50 % an den sehr kostenintensiven Behandlun- gen der intrauterinen Insemination sowie assistierten Reproduktion durchIn-vitro-Ferti- lisation (IVF) und Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Lediglich drei Zy- klen werden fuÈr Patientinnen im Alter zwischen 25 und 39 Jahren unterstuÈtzt. Den nicht unerheblichen Kostenanteil, beispielsweise im Rahmen der IVF oder ICSI von 1500 ±1800 Euro pro Behandlungszyklus, traÈgt das Kinderwunschpaar seit dieser Geset- zesaÈnderung selbst.

In der Folge kam es seit 2004 zu einem massiven Einbruch der Behandlungszahlen unter 50 % des Vorjahresniveaus, dieser Trend hat sich in der letzten Analyse des Deut- schen IVF-Registers (DIR) nicht erholt. Im Gegenteil: Die Gesamtzahl der durchgefuÈhr- ten Zyklen zur assistierten Reproduktion durch IVF und ICSI ist weiter fallend (Deut- sches IVF-Register2006).

Als Konsequenz dieser Entwicklung ergibt sich ein GeburtenruÈckgang um etwa 10 000 Kinder pro Jahr, und nicht selten steht die Diskussion des Mehrlingsrisikos im Mittelpunkt des aÈrztlichen AufklaÈrungsgespraÈches vor assistierter Reproduktion, da Paa- re in den AufklaÈrungsgespraÈchen aufgrund des hohen Kostendruckes jetzt haÈufiger die Frage nach dem Transfer von drei Embryonen stellen, um ihre individuelle Schwanger- schaftswahrscheinlichkeit zu erhoÈhen. Die aktuellen Daten des deutschen IVF-Registers zum Mehrlingsrisiko zeigen aber, dass die deutschen Reproduktionsmediziner dem DraÈngen der Kinderwunschpaare im Interesse der Sicherheit der prospektiven Eltern so- wie der Ungeborenen nicht nachkommen.

Eine Zunahme des ¹Kinderwunschtourismusª, d. h. die vermehrte Inanspruchnahme von Therapien mit vermeintlich hoÈheren Erfolgswahrscheinlichkeiten im Ausland, so- wie gezielte Werbeaktionen von Zentren im benachbarten Ausland werden verstaÈrkt registriert.

Bedenklich ist auch, dass Paare wegen der Kosten den Behandlungsbeginn zuneh- mend in eine spaÈtere und damit prognostisch noch unguÈnstigere Lebensphase verschie- ben, da sie zunaÈchst die erforderlichen Finanzmittel ansparen muÈssen.

2. Innovativ: Die ovarielle Stimulation wird einfacher

Die medikamentoÈse Therapie der ovariellen Stimulationsbehandlung wird stetig weiter- entwickelt. So werden zurzeit follikelstimulierendende Hormon-RetardpraÈparate (FSH- RetardpraÈparate) eingesetzt, die eine gleichmaÈûigere Gonadotropinfreisetzung uÈber ei- nen laÈngeren Zeitraum waÈhrend einer ovariellen Stimulation gewaÈhrleisten sollen.

Durch einmalige Applikation zu Beginn des Stimulationszyklus und eine Wirkdauer

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von etwa 7 Tagen, die die taÈglichen Gonadotropininjektionen ersetzen kann, zeichnen sich diese PraÈparate durch eine erhebliche Vereinfachung der AblaÈufe fuÈr die Patientin- nen aus. Nachdem Phase-I- (Machbarkeit) und -II-Studien (Dosisfindung) bereits durch- gefuÈhrt wurden und die Effizienz dieser neuen FSH-PraÈparation belegt haben, findet zur- zeit eine multizentrische internationale Phase-III-Studie zur Evaluation der Sicherheit des neuen FSH-PraÈparates statt (Devroeyet al. 2004, Balenet al. 2004).

Als neue Variante einer einfachen oralen Ovarstimulation werden Aromatasehemmer der 3. Generation erprobt, die fuÈr die Therapie des postmenopausalen hormonrezeptorpo- sitiven Mammakarzinoms zugelassen sind. Die ovarstimulierende Wirkung dieser Sub- stanzen wird durch einen dualen Mechanismus erklaÈrt: Einerseits kommt es durch Inhi- bition der in den Grandulosazellen exprimierten Aromatase, einem SchluÈsselenzym der Ústrogensynthese, in der Peripherie zu einem relativen HypooÈstrogenismus und aufgrund einer Aktivierung vonFeed-Back-Mechanismen konsekutiv zu einer Stimulation der en- dogen-hypophysaÈren FSH-Sekretion. Diese ist in der Lage, die ovarielle Follikelreifung anzuregen. Andererseits wird diesen PraÈparaten durch lokal-ovarielle Kumulation von Androgenen, die sich bei reduzierter Konversion zu Ústrogenen anhaÈufen, ein FSH-sen- sibilisierender Effekt auf den Gonadotropinrezeptor zugeschrieben (Garcia-Velascoet al. 2005).

Aromataseinhibitoren wurden in zahlreichen Studien als Ersatz in der Behandlung der Oligo-Anovulation fuÈr das seit mehr als 50 Jahren als Standard etablierte Clomifen- citrat eingesetzt (Mitwally und Caspar 2006). Ihre theoretische Wirksamkeit in der Ovarstimulation wurde erstmals im Jahr 2000 in einer ¹proof of concept-Studieª der ka- nadischen Arbeitsgruppe um Mitwallyund CasparuÈberpruÈft (Mitwally und Caspar 2000). Im Gegensatz zum Clomifencitrat (CC) zeichnen sich Aromatasehemmer durch das Fehlen der unguÈnstigen peripher-antioÈstrogenen Effekte an Endometrium und Cer- vix aus. Dies sollte ± zumindest theoretisch ± zu hoÈheren Raten eingetretener bzw. an- dauernder Schwangerschaften fuÈhren. In einer retrospektiven Kohortenstudie unter Ein- satz von Letrozol, anderen Stimulationsbehandlungen (CC oder Gonadotropin) zur Ovarstimulation mit und ohne intrauteriner Insemination und unter BeruÈcksichtigung von spontan konzipierten Schwangerschaften als Vergleich lagen in der Letrozolgruppe vergleichbare AborthaÈufigkeiten und Raten ektoper GraviditaÈten vor. Die Mehrlingsrate war in der Letrozolgruppe jedoch signifikant niedriger (Mitwallyund Caspar2006).

Aromatasehemmer wurden seitdem in zahlreichen Studien zur Ovulationsinduktion untersucht, hinsichtlich teratogener Effekte gab es nach der Publikation eines Kurzbei- trags auf der Tagung der Amerikanischen Gesellschaft fuÈr Reproduktionsmedizin (ASRM) 2005 intensive Diskussionen uÈber die Sicherheit dieser Substanzgruppe. Die Gruppe um Biljanverglich 150 Kinder aus Schwangerschaften, die nach Letrozolstimu- lation konzipiert und in einem Zentrum der Maximalversorgung geboren wurden, mit einer Kontrollgruppe von 36 000 spontan konzipierten Kindern, die in HaÈusern der Se- kundaÈrversorgung geboren wurden (Biljanet al. 2005).

WaÈhrend die Gesamtrate an kongenitalen Anomalien identisch war, traten in der Le- trozolgruppe vermehrt kardiale und ossaÈre Anomalien auf. Kritisch anzumerken ist, dass es sich aufgrund der quantitativen Unterschiede in diesem Vergleich mit groûer Wahr- scheinlichkeit um einen Typ-1-Fehler handelt. Der Vergleich einer Kontrollgruppe von Kindern, die in Einrichtungen der SekundaÈrversorgung zur Welt kamen, mit denen der Letrozolgruppe, die in einem Zentrum der Maximalversorgung geboren wurden, ist

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nicht unproblematisch, da in diesem gehaÈuft Hochrisikoschwangerschaften nach praÈna- talsonographischer Diagnostik betreut werden. Daher ist nicht auszuschlieûen, dass die genannten Anomalien in der Kontrollgruppe unterrepraÈsentiert sind. Auûerdem ist der Vergleich zwischen Kollektiven mit und ohne Kinderwunsch nicht sinnvoll, da zahlrei- che Studien zeigten, dass unerfuÈllter Kinderwunsch bereits ein Risikofaktor fuÈr eine HaÈufung kongenitaler Malformationen und komplikationsbehafteter Schwangerschafts- verlaÈufe ist.

Eine kuÈrzlich publizierte Multicenterstudie aus Kanada, die eine weitaus hoÈhere Zahl an Geburten (n = 911) einschloss und die Rate kongenitaler Anomalien nach CC- und Letrozolbehandlung ausschlieûlich in einem Kollektiv infertiler Paare untersuchte, zeigte in der Letrozolgruppe keine erhoÈhte Rate an kongenitalen Fehlbildungen und so- gar eine niedrigere kardiale Anomalierate als in der Clomifengruppe (Tulandi et al.

2006).

Weitere Vorteile der Aromatasehemmer sind die relativ niedrigen Kosten im Ver- gleich zu GonadotropinpraÈparaten und das mildere Nebenwirkungsspektrum (leichte kli- makterische Symptome, gastrointestinale Nebenwirkungen) im Vergleich zum CC (Mit- wallyund Caspar2006).

Erste Untersuchungen zum Einsatz von Aromatasehemmern als Ko-Gonadotropin in der ovariellen Ûberstimulation zur assistierten Reproduktion belegen eine moÈgliche Re- duktion des bisher erforderlichen kostspieligen Hormonverbrauchs (Casparund Mitwally 2006).

DaruÈber hinaus ergeben sich nach ersten Pilotstudien fuÈr den Einsatz von Aromatase- hemmern moÈglicherweise zukuÈnftig neue Indikationen bei Patientinnen mit schlechtem Ansprechen auf die Stimulation aufgrund einer Sensibilisierung der FSH-Rezeptoren durch steigende intraovarielle Androgenkonzentrationen oder eine vermehrte FSH-Re- zeptorexpression, zur Prophylaxe bei Patientinnen mit hohem OHSS-Risiko sowie bei der Behandlung von Endometriosepatientinnen aufgrund des reduzierten Estradiolspie- gels im Vergleich zu reiner Gonadotropinstimulation.

3. DieIn-vitro-Maturation als neue Variante der assistierten Reproduktion

Im Rahmen konventioneller IVF- oder ICSI-Behandlungen werden zur Induktion multi- follikulaÈren Wachstums hochdosierte Gonadotropine appliziert, um die Zahl befruch- tungsfaÈhiger Eizellen zu erhoÈhen. Dieses Verfahren hat allerdings zahlreiche Nachteile:

Behandlungsrisiken, wie beispielsweise das ovarielle Ûberstimulationssyndrom (Ovarian Hyperstimulation Syndrome, OHSS), erhebliche Kosten und hoher Aufwand fuÈr Arzt und Patientin. Die ovarielle Hyperstimulation stellt keine Behandlungsoption bei schlechtem Ansprechen auf die exogene Gonadotropingabe dar (¹Low Responderª), die Behandlung ist haÈufig bei geringer ovarieller Reserve ineffektiv, wie z. B. bei Patientin- nen mit Kinderwunsch in spaÈteren Abschnitten der reproduktiven Lebensphase. DaruÈber hinaus existiert bis heute kein Konzept zur Bewahrung des reproduktiven Potentials praÈ- pubertaÈrer MaÈdchen oder fertiler Frauen, die sich einer gonadotoxischen onkologischen Behandlung (Chemotherapie, Strahlentherapie) unterziehen muÈssen.

Eine LoÈsung dieser Probleme koÈnnte die Verlagerung follikulaÈrer bzw. oozytaÈrer Rei- fungsprozesse von der In-vivo- auf die In-vitro-Ebene durch die Technik der In-vitro-

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Maturation darstellen: Im engeren Sinn bedeutetIn-vitro-Maturation (IVM) die in vitro induzierte meiotische Reifung unreifer Oozyten im Germinalvesikelstadium zur befruch- tungsfaÈhigen Metaphase-II-Oozyte uÈber wenige Stunden. Im weiteren Sinne beschreibt dieses Verfahren auchin vitroinduzierte Reifungsprozesse an primordialen und praÈantra- len Follikeln, isoliert oder umgeben von ovariellem Gewebe (Biopsate, Ovarien), durch unterschiedliche Varianten einer mehrwoÈchigen Follikelkultur. Diese Verfahren werden auch unter der Bezeichnung In vitro Growth, IVG, von der Methode der IVM abge- grenzt.

Das Ideal der vollstaÈndigen Substitution der Follikulogenese durch IVG und IVM, ausgehend von der Gewinnung isolierter primordialer Follikel und deren Reifung bis zum antralen Follikel mit Gewinnung befruchtungs- und entwicklungsfaÈhiger Oozyten, ist auûer im Mausmodell aus verschiedenen GruÈnden mit Hilfe einer kontinuierlichen Langzeitfollikelkultur bisher nicht realisierbar.

3.1 In-vitro-Kultur primordialer Follikel

Einerseits enthaÈlt der ovarielle Kortex einer erwachsenen Frau hunderte primordialer und primaÈrer Follikel pro Quadratmillimeter, und aktuelle Untersuchungen zeigen, dass sich diese Stadien lange und effektiv kryokonservieren lassen, andererseits stellt die Kultur primordialer Follikel nach bisheriger Kenntnis aufgrund der extremen Unreife und erfor- derlichen langen Kulturdauer die groÈûte Herausforderung der Follikelreifungin vitrodar.

Es wurden verschiedene Kultursysteme vorgeschlagen: Kultur ganzer Ovarien oder kleinerer ovarieller Biopsate, Kultur isolierter primordialer Follikel oder als Alternative die Transplantation ovariellen Gewebes als Auto- oder sogar Xenotransplantation auf immundefiziente MaÈuse (Scottet al. 2004).

3.2 In-vitro-Kultur praÈantraler undantraler Follikel

Antrale Follikel lassen sich im Gegensatz zu primordialen Follikeln einzeln kultivieren.

Dieser Ansatz laÈsst fuÈr die Grundlagenforschung wichtige morphologische und bioche- mische Charakterisierungen der Wachstums- und Differenzierungsprozesse zu.

In Tiermodellen wurden in AbhaÈngigkeit von der Zielsetzung Kulturvarianten fuÈr un- terschiedliche Wachstumsmuster praÈantraler oder antraler Follikel etabliert: Zur Untersu- chung follikulaÈrer Interaktionsmechanismen durch Charakterisierung lokal-biochemi- scher und parakriner Regulationen (z. B. Atresie- und Selektionsprozesse) dienen Kulturen ganzer Follikelgruppen in Agar- oder Kollagengelen, die durch direkten Kon- takt oder durch Diffusion in Verbindung stehen. DemgegenuÈber eroÈffnet die Variante der Einzelkultur die MoÈglichkeit, die Auswirkungen von VeraÈnderungen des Kulturmilieus (z. B. FSH-Zusatz) auf Follikel- und EizellqualitaÈt in groÈûerem Maûstab zu untersuchen.

3.3 In-vitro-Maturation isolierter unreifer Eizellen aus antralen Follikeln

Im Gegensatz zur komplexeren Follikelkultur liegen zahlreiche Daten zur nur mehrstuÈn- digen extrakorporalen Nachreifung unreifer Oozyten aus kleinantralen Follikeln vor. Be-

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reits Bob Edwards, der Pionier der klinischen IVF-Behandlung, experimentierte in den 1960er Jahren mit extrakorporalen Reifungsverfahren. Im Rahmen der modernen klini- schen IVF werden im Follikellumen frei flottierende Eizellen durch transvaginale Aspi- ration der FollikelfluÈssigkeiten gewonnen. Da die Reifung der gonadotropinabhaÈngig re- krutierten Follikelkohorte nicht gleichmaÈûig, sondern asynchron erfolgt, lassen sich unterschiedliche Reifegrade aspirierter Oozyten nachweisen. 85±90 % der gewonnenen Oozyten haben bereits das fertilisierbare Metaphase-II-Stadium erreicht, waÈhrend 10±

15 % sich noch im unreifen Germinalvesikel- bzw. Metaphase-I-Stadium befinden.

Diese sind aber in der Lage, die noch ausstehenden Reifungsprozessein vitronachzuho- len und anschlieûend die Fertilisationskaskade zu durchlaufen. Die erste humane Schwangerschaft nach IVM wurde 1983 von Veeckunter den Bedingungen einer kon- ventionellen IVF berichtet (Veecket al. 1983).

Durch Modifikation und Optimierung der Kulturbedingungen werden in juÈngeren Ar- beiten Fertilisationsraten von bis zu 70 % unter Anwendung der ICSI-Methode berichtet, Schwangerschaftsraten pro Transfer zwischen 10 und 50 % werden heute angegeben (Juremaund Nogueira2006).

3.4 Perspektiven der In-vitro-Maturation

Im humanen System ist die Vision derIn-vitro-Reifung nur ansatzweise realisiert, aller- dings zeigt die Datenlage, dass das IVM-Konzept laÈngst nicht mehr nur hypothetisch ist.

Tierexperimentelle und erste praÈliminare Daten im Humansystem demonstrieren die grundsaÈtzliche Machbarkeit. Bei weiterer Etablierung der Systeme und Ûbertragung auf das humane System koÈnnte die IVM langfristig die konventionelle ovarielle Stimulation ersetzten und die gaÈngige IVF-Praxis revolutionieren.

4. Life Style in der Reproduktionsmedizin ± Das Messen der ovariellen Reserve Biologische Marker, wie die zum Zyklusbeginn vorhandene Anzahl antraler Follikel, das Ovarvolumen oder auch der basale FSH-Spiegel, stellen bisher ein wichtiges diagnosti- sches Instrument zur EinschaÈtzung der ovariellen Ansprechbarkeit auf eine Stimulations- behandlung dar. Durch die Verwendung neuer molekularer Marker der Ovarfunktion, wie beispielsweise von Inhibin B oder des ebenfalls ausschlieûlich von Granulosazellen vom PrimaÈr- bis zum antralen Follikelstadium exprimierten Anti-MuÈllerhormons (AMH), fuÈr die Messung entsprechender Parameter im Serum ist nun eine akkuratere EinschaÈtzung der ovariellen Reserve, d. h. der noch vorhandenen Follikeleinheiten, moÈglich (Smeenk et al. 2007).

In juÈngster Zeit wirbt ein britisches Unternehmen fuÈr einen kombinierten Test der drei Parameter AMH, Inhibin B und FSH als prognostisch relevante EinschaÈtzung der ovariellen Reserve unter der Vorstellung, dass so getestete Frauen ihren Kinderwunsch bei abnehmender FertilitaÈt rascher verwirklichen sollten. Dieses Konzept koÈnnte auch im Rahmen der ovariellen Stimulation Anwendung finden, da es ± aufgrund einer praÈthe- rapeutisch subtileren EinschaÈtzbarkeit der ovariellen Reserve und Stimulierbarkeit ± moÈglicherweise eine individualisiertere und damit vertraÈglichere Stimulationsbehand- lung zulieûe.

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5. Das Ende eines Dogmas: die Entdeckung ovarieller Stammzellen eroÈffnet faszinierende Perspektiven fuÈr die Kinderwunschbehandlung

Das bisher guÈltige zentrale Dogma der Reproduktionsbiologie lautete, dass im SaÈuger- ovar ± im Gegensatz zum stammzellhaltigen Hoden ± eine fixe und fest vorgegebene Anzahl an Keimzellen vorhanden ist und diese im Laufe des Lebens kontinuierlich ab- nehme. Die FaÈhigkeit zur Keimzellerneuerung sei im SaÈugerovar nicht vorhanden. An- dere Lebewesen, wie z. B. die Fruchtfliege Drosophila melanogaster, verfuÈgen uÈber Keimbahnstammzellen und sind in der Lage, aus diesen kontinuierlich Eizellen zu gene- rieren.

Die Arbeitsgruppe um Jonathan Tilly aus Boston publizierte erstmals 2004 im re- nommierten Journal NaturerevolutionaÈre Daten zu Follikelquantifizierungen, nach de- nen auch MaÈuse in der Lage sind, mit Hilfe von ovariellen Keimbahnstammzellen Folli- kel bzw. Eizellen postnatal zu bilden und so den stetigen Verlust durch Atresie auszugleichen (Johnsonet al. 2004). Diese zunaÈchst natuÈrlich sehr umstrittene Arbeit, die an den bisherigen Dogmen der Reproduktionsbiologie ¹ruÈttelteª, wurde vor kurzem durch eine Publikation einer australischen Arbeitsgruppe bestaÈtigt: Sie fand im Nager- ovar ebenfalls Hinweise, dass der vorhandene Follikelpool wieder aufgefuÈllt werden kann (Keeret al. 2006).

Beim Menschen sind ovarielle Stammzellen bisher noch nicht beschrieben. Sollte der Nachweis jedoch gelingen, koÈnnte langfristig sich die Perspektive einer ¹WiederauffuÈl- lung der Ovarienª durch therapeutische Stimulation der ovariellen Stammzellprolifera- tion eroÈffnen. Sie waÈre von besonderer Bedeutung bei Patientinnen mit praÈmaturem Ova- rialversagen (z. B. infolge reduzierter ovarieller Reserve nach onkologischer Therapie), bei Patientinnen im Rahmen der assistierten Reproduktion mit einer ± infolge reduzier- ter Reserve schlechten ± Stimulierbarkeit der Ovarien oder auch bei Behandlungen mit dem Ziel der ± unter ethischen Gesichtspunkten sicher nicht unumstrittenen ± VerlaÈnge- rung der reproduktiven Lebensphase der aÈlteren Frau.

6. Fazit

Reproduktionsbiologie und -medizin unterliegen nach wie vor einer rasanten Entwick- lung. Der vorliegende Artikel konnte nur einige Teilaspekte dieses innovativen Gebietes schlaglichtartig beleuchten. Auf weitere Entwicklungen, wie beispielsweise eine sich ab- zeichnenden Renaissance der ¹Natural Cycle IVFª oder der ¹Minimal Stimulation IVFª, die den Einsatz niedriger Hormonmengen zur Ovarstimulation verfolgen, die ausgezeich- neten Ergebnisse mit dem international praktizierten, aber in Deutschland ± aufgrund des Verbots der Embryoselektion ± nicht sinnvollen ¹Single Embryo Transfersª (SET), neue Entwicklungen der genetischen Untersuchung von PraÈimplantationsembryonen und Eizel- len (PraÈimplantationsdiagnostik, PolkoÈrperbiospie), kann an dieser Stelle nicht eingegan- gen werden. Einige der beschriebenen Entwicklungen ruÈcken bereits in greifbare NaÈhe und sind in der taÈglichen Diagnostik und Therapie des unerfuÈllten Kinderwunsches an- wendbar. Andere ± so auch die Entdeckung ovarieller Stammzellen im Nagerovar ± stel- len wissenschaftliche Grundlagen dar, die, wenn sie sich im humanen System bestaÈtigen sollten, langfristig eine faszinierende Perspektive fuÈr die Reproduktionsmedizin eroÈffnen.

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Literatur

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Dr. SoÈrenvonOtte

Klinik fuÈr Frauenheilkunde und Geburtshilfe

UniversitaÈtsklinikum Schleswig-Holstein, Campus LuÈbeck Ratzeburger Allee 160

23538 LuÈbeck

Bundesrepublik Deutschland Tel.: +49 4 51 5 00 21 56 Fax: +49 4 51 5 00 21 39 E-Mail: svonotte@gmx.de

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