Workshop
Start-ups und Gründer – rechtliche Basics für Arbeitgeber
- Teil 3: Was Sozialversicherungsträger und Behörden fordern
12. Juli 2021
Silke Brombach
Agenda
‒ Arbeitsschutz
‒ Grenzen der Arbeitszeit (Gewerbeaufsicht)
‒ Sozialversicherung des Geschäftsführers
‒ Abführung von SV-Beiträgen
Dualismus des Arbeitsschutzrechts
Dualismus des Arbeitsschutzrechts
Deutsches Arbeitsschutzsystem
Staatliches Arbeitsschutzrecht
Autonomes Arbeitsschutzrecht
ArbSchG / ASiG / ArbZG / ProdSG Verordnungen
DGUV Vorschriften / UVV Gewerbeaufsichtsämter
Unfallversicherungsträger (BG)
GDA = Gemeinsame Deutsche
Arbeitsschutzstrategie
Gefährdungsbeurteilung
Arbeitsschutzrechtliche Generalklausel
Grundpflichten des Arbeitgebers nach § 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
‒ Alle erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit treffen
‒ Wirksamkeit der Maßnahmen überprüfen und erforderlichenfalls anpassen
‒ Ständige Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten
anstreben
Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 ArbSchG
− Eckpunkte:
− Beurteilung tätigkeits- bzw. arbeitsplatzbezogen
− Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen: Beurteilung eines exemplarischen Arbeitsplatzes
− Delegation an Führungskräfte möglich
− Gefährdungsfaktoren: Insbesondere physikalische, chemische und biologische Einwirkungen etc.
sowie seit 2013 explizit psychische Belastungen
− Vorgehen (§§ 3, 5 ArbSchG):
− Gefährdungen eruieren
− Maßnahmen entwickeln
− Wirksamkeitskontrolle
Grundlagen
Exkurs: Gefährdungsbeurteilung bei außerbetrieblichen Arbeitsplätzen
Frühere Rechtslage
Synopse Telearbeit / Home-Office / Mobilarbeit
Definition Regelung Rechtsfolge
Telearbeit − Fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich
− § 2 Abs.7 ArbStättV − Anwendung der ArbStättV
− Einrichtung durch den Arbeitgeber
− Gefährdungsbeurteilung vor Ort
− Vorgaben für Bildschirmarbeitsplätze gelten
Mobile Arbeit
− Tätigwerden an frei wählbaren Orten
− Keine Telearbeit
− SARS-CoV-2-
Arbeitsschutzregel
− Keine Anwendung der ArbStättV
− Keine arbeitgeberseitige Einrichtung
− Kein Bildschirmarbeitsplatz
− Anpassung der GBU um Gefährdungen des mobilen Arbeitens ohne Vor-Ort- Termin
Home- − Flexibles Arbeiten von zu Hause − SARS-CoV-2 − Wie bei der mobilen Arbeit
Dokumentation und Unterweisung
Dokumentationspflichten
‒ Inhalt
− Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung
− Festgelegte Maßnahmen
− Wirksamkeitskontrolle
‒ Keine gesetzlich normierte Aufbewahrungsfrist
‒ Dokumentationspflicht unabhängig von Betriebsgröße
− Kleinbetriebsklausel in § 6 Abs.1 S. 3 ArbSchG (alte Fassung) ist abgeschafft
‒ Gewährleistung der Verfügbarkeit
Wer?
− Arbeitgeber sowie die verantwortlichen Personen nach § 13 ArbSchG
Worüber?
− „Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit“ basierend auf Gefährdungsbeurteilung
Wie?
− Mündlich
− Verständlichkeitsgebot: Unterweisung „erforderlichenfalls“ in der Muttersprache der Beschäftigten (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.01.2006 – Az: 5 Sa 817/05)
Unterweisung
Wann?
− Während der Arbeitszeit
− Vor Tätigkeitsbeginn bzw. bei Veränderungen im Aufgabenbereich
− Wiederholung mindestens einmal jährlich
Unterweisung
Wichtige Akteure im Arbeitsschutz
Überblick
Besonders Beauftragte Pflichtbeauftragte
Sicherheitsbeauftragte Fachkräfte für
Arbeitssicherheit Betriebsärzte
Arbeitgeber
Aufgaben der Pflichtbeauftragten
‒ Betriebsärzte / SiFa / Sicherheitsbeauftragte: Beratende und unterstützende Funktion
‒ Grundsätzlich keine Pflichtendelegation bei Pflichtbeauftragten
➔ Interessenkonflikt
Arbeitsschutzausschuss
‒ Rechtsgrundlage § 11 ASiG
‒ Verpflichtung zur Bildung eines ASA-Ausschuss für Betriebe ≥ 20 Beschäftigte
‒ Zweck: Besprechung und Diskussion sicherheitsrelevanter Themen und Fragestellungen
‒ Sitzungen mindestens einmal im Quartal
Praxishinweis: ASA-Ausschuss kann als
innerbetriebliches Konfliktlösungsgremium fungieren!
Zuständige Behörden
Staatlich: Gewerbeaufsichtsämter bei den Regierungen
+
Für die dem Unfallverhütungsrecht unterliegenden Unternehmer:
Die Unfallversicherungsträger, § 17 SGB VII
− Auskunftsrecht, § 22 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG
− Keine Ausforschung
− Keine fortlaufende Unterrichtung
− Rechtsbehelfe: Widerspruch und Anfechtungsklage
− Betretungs-und Besichtigungsrechte
− Unfalluntersuchungen
− Probenahme
− Durchsetzung der Überwachungsrechte
− Erlass einer Anordnung nach § 22 Abs. 3 Nr. 1 ArbSchG
− Bei Nichtbefolgung: Untersagung des Betriebs
Überwachungsmaßnahmen
Arbeitsrechtsschutz und Drittpersonaleinsatz
Verantwortlichkeit für Fremd- und Zeitarbeitnehmer
Allgemein
− Gesetzliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit mehrerer Arbeitgeber
Zeitarbeitnehmer
− Verantwortlichkeit des Entleihers gemäß § 11 Abs. 6 AÜG
Fremdarbeitnehmer
− Schutz der in einem fremden Betrieb eingesetzten Arbeitnehmer obliegt grundsätzlich Auftragnehmer
− Anweisungspflicht des Auftragnehmers
− Information und Unterrichtung durch Auftraggeber
− Vergewisserungspflicht des Auftraggebers, § 8 Abs. 2 ArbSchG
Verantwortlichkeit für Fremd- und Zeitarbeitnehmer
Ausnahme: § 9 Abs. 2 S. 2 ArbSchG
!
Grenzen der Arbeitszeit (Gewerbeaufsicht)
Abgrenzung –
Öffentliches Arbeitszeitrecht / Privates Arbeitszeitrecht
− Öffentliche Vorgabe (Arbeitszeitgesetz)
− Wie lange darf ein
Arbeitnehmer höchstens arbeiten?
− Behördlich überwacht
Öffentliches Arbeitszeitrecht (Sozialer
Arbeitsschutz)
− Vertraglich vereinbart
(Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung)
− Von wann bis wann muss ein Arbeitnehmer arbeiten?
− Welche Zeiten erhält ein Arbeitnehmer bezahlt?
Privates
Arbeitszeitrecht (Vergütungs- und Leistungspflicht)
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− Öffentliches und privates Arbeitszeitrecht gehen von unterschiedlichen Arbeitszeitbegriffen aus
− Zeiten, die im Arbeitsschutz als Arbeitszeit gelten, gelten nicht unbedingt als vergütungspflichtige Arbeitszeit und umgekehrt (z. B. Rufbereitschaft, Reisezeiten)
− Jede Form der Arbeitszeitgestaltung muss jeweils nach öffentlichem und privatem Arbeitszeitrecht gesondert geprüft werden
− Ausnahme: Fehlen vertragliche / tarifvertragliche Regelungen zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, greifen die Arbeitsgerichte oft auf das Arbeitszeitgesetz (§ 2 ArbZG) zurück
Abgrenzung –
Öffentliches Arbeitszeitrecht / Privates Arbeitszeitrecht
Achtung: Arbeitszeit ist nicht gleich Arbeitszeit!
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− Arbeitszeitgesetz (ArbZG) bestimmt, wann und wie lange ein Arbeitnehmer höchstens arbeiten darf – auch mit Zustimmung des Arbeitnehmers dürfen die Grenzen nicht überschritten werden
− Schutzgesetz, das der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer dient
− Vorgaben des ArbZG können durch
− tarifliche Regelungen,
− betriebliche Regelungen zur Lage und Verteilung der Arbeitszeit,
− Arbeitsverträge
betrieblich ausgestaltet werden.
Grundlagen
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Zweckbestimmung wichtig bei
− Auslegung des Gesetzes und
−
Zweck des Gesetzes
Zweck des Gesetzes ist es,
1. die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer in der
Bundesrepublik Deutschland … bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten und die Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten zu verbessern sowie 2. den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe
und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer zu schützen.
(§ 1 ArbZG)
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Räumlicher Geltungsbereich
− Innerhalb Deutschlands (Territorialitätsprinzip)
− Gilt nicht für (vorübergehend) im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer
− Gilt auch für ausländische Arbeitnehmer bei Einsätzen in Deutschland
Persönlicher Geltungsbereich
− Für Angestellte / Arbeiter (Arbeitnehmer) und Azubis
− Gilt nicht für
− Jugendliche unter 18 Jahren (hier gilt JArbSchG)
− leitende Angestellte
− Für Schwangere und stillende Mütter gilt zusätzlich Mutterschutzgesetz
Geltungsbereich
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Keine Arbeitszeit
− Wegezeit von der Wohnung zur (festen) Arbeitsstelle im Betrieb
− Umkleide- und Waschzeiten (Ausnahme: Umkleiden ist angeordnet)
− Ruhepausen und Ruhezeiten
− Reisezeit, es sei denn:
− Arbeitnehmer erfüllt durch Reise seine Arbeitspflicht (z. B. als Servicetechniker) oder
− Arbeitnehmer erledigt während Dienstreise die Hauptleistung aus seinem Arbeitsverhältnis (z. B. Bearbeitung von Akten)
− Arbeitgeber ordnet an, dass Arbeitnehmer auf der Reise selbst Auto fahren muss (Achtung: einige Gewerbeaufsichtsämter betrachten jede Selbstfahrt als Arbeitszeit)
→ Maßgeblich für die Abgrenzung Arbeitszeit – Reisezeit ist die tatsächliche Belastung des Arbeitnehmers
Definitionen von Arbeitszeit
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Überblick: Höchstgrenzen, Ausgleichszeitraum, Ruhezeit
Höchstgrenze 10 Stunden Ø 8 Stunden
innerhalb von 6 Monaten oder 24 Wochen
Höchstgrenze 60 Stunden
70 Stunden bei erlaubter Sonntagsarbeit
Ø 48 Stunden
innerhalb von 6 Monaten oder 24 Wochen
Woche
(Montag –Samstag)
144 Stunden
Werktag
(inkl. Samstage))
24 Stunden
Ruhezeit 11 Stunden
Regelfall: § 3 und § 5 ArbZG
Öffnungsklauseln für TV, BV und ggf.
Individualvereinbarungen § 7 ArbZG
− Tägliche Arbeitszeit über 10 Stunden,
§ 7 Abs. 1 Nr. 1 a) ArbZG
Arbeitsbereitschaft oder
→ Bereitschaftsdienst
− Kürzung der täglichen Ruhezeit von 11 Stunden auf 9 Stunden,
§ 7 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG
Weitere Sonderregelungen
z. B. für Landwirtschaft, Pflege und Betreuung, öff. Dienst, Luftfahrt,
Binnenschifffahrt und Straßentransport
Not- und außergewöhnliche Fälle
§ 14 ArbZG
Montagestellen, Saisonbetriebe
§ 15 ArbZG
Abweichungen: Sonntage und gesetzliche Feiertage Sonn- und Feiertagsbeschäftigung
− Grundsatz: Verbot der Arbeit an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, § 9 Abs. 1 ArbZG
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− Lage und Dauer der Ruhepausen müssen im Voraus feststehen
− Zeitkorridor zulässig (z. B. Mittagspause zwischen 12:00 und 14:00 Uhr)
− Aufteilung in Zeitabschnitte von mindestens 15 Minuten möglich
− In Betrieben mit Betriebsrat: Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung der Pause beachten
− Arbeitnehmer hat während Ruhepause weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereit zu halten und kann frei entscheiden, wo und wie er die Zeit verbringen will.
− Arbeit darf nicht mit einer Pause beginnen oder enden Gesetzlich vorgeschriebene Mindestdauer der Ruhepause:
Feststehende Ruhepausen
6 - 9 Stunden / Tag Arbeitszeit → 30 Minuten Ruhepause
> 9 Stunden / Tag Arbeitszeit → 45 Minuten Ruhepause
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Ruhezeit
Nach Ende der täglichen Arbeitszeit muss zwischen zwei Schichten eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden liegen .
Wichtig
Bei Unterbrechung der Ruhezeit beginnt der Elf-Stunden-Zeitraum erneut zu laufen
(Umstritten bei sehr kurzfristigen Unterbrechungen, wie z. B. kurzen E-Mails per Handy etc.)
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Nachtzeit
23:00 bis 06:00 Uhr
Nachtarbeit
Mehr als zwei Stunden Arbeit in der Nachtzeit
Nachtarbeitnehmer
Arbeitnehmer, die normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht oder an mindestens 48 Tagen / Kalenderjahr leisten
Nachtarbeit
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Sonderregelungen für Nachtarbeitnehmer
− Anspruch auf angemessenen Ausgleich in Freizeit oder Geld
− Etwaige tarifvertragliche Regelung geht jedoch vor
− Kürzere Ausgleichsfristen: 48 Stunden / Woche in einem Monat bzw. vier Wochen
− Berücksichtigung gesicherter arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse
− Regelmäßige arbeitsmedizinische Untersuchungen
− Umsetzungsanspruch auf Tagesarbeitsplatz (aus medizinischen Gründen oder bei Betreuungsbedarf)
− Ablehnung bei dringenden betrieblichen Erfordernissen möglich
Nachtarbeit
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− Grundsätzlich verboten
− Bei erlaubter Sonntagsbeschäftigung: bis zu 70 Stunden / Woche (Mo - Sa: 60 + So: zehn) möglich (48-Stunden-Schnitt muss gewahrt bleiben)
− Ausgleichsruhetage bei erlaubter Sonn- und Feiertagsbeschäftigung (Samstage gelten als Ausgleichsruhetage, auch wenn diese regelmäßig arbeitsfrei sind)
− Mind. 15 Sonntage / Jahr müssen beschäftigungsfrei bleiben.
Verschiebung der Sonn- und Feiertagsruhe
− Mehrschichtige Betriebe mit regelmäßiger Tag- und Nachtschicht: Verschiebung um bis zu sechs Stunden möglich
Sonn- und Feiertagsbeschäftigung
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