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F O R T B I L D U N G ● F O R M A T I O N C O N T I N U E
BR I T I S H ME D I C A L JO U R N A L
In einem systematischen Review bisheriger Studien hatten Patienten mit gastro- ösophagealer Refluxkrankheit (GERD) signifikant seltener eine Helicobacter-pylori-In- fektion als solche ohne GERD.
Die gastroösophageale Refluxerkrankung betrifft 25 bis 40 Prozent der Bevölke- rung, wird überwiegend von Grundver- sorgern behandelt und führt zu hohen Therapiekosten. Die Therapie einer Heli- cobacter-pylori-Infektion ist bei der Hei- lung von Duodenalulzera effektiv, ob die Helicobacter-Eradikation auch GERD-Pati- enten etwas bringt, ist hingegen weniger klar, zumal es auch Studien gibt, die der Helicobacter-Infektion sogar einen gewis- sen Schutz gegen GERD zuschreiben. Die aktuellen Maastricht-2-Richtlinien zum Management von Patienten mit einer Helicobacter-pylori-Infektion empfehlen jedoch die Eradikation bei jenen GERD- Patienten, die wahrscheinlich einer Lang- zeittherapie mit einem Protonenpumpen- hemmer (PPI) bedürfen. Diese Empfeh- lung fusst auf dem Konzept, dass eine durchgreifende Säurehemmung den Übergang zu einer atrophischen Gastritis beschleunigen und so das potenzielle Ma- genkarzinomrisiko erhöhen könnte.
Interessant wäre zunächst zu wissen, wie häufig Helicobacter-Infektionen bei GERD
überhaupt sind. Entsprechende Studien hatten oft Designfehler und erbrachten widersprüchliche Ergebnisse. Damit ist ei- gentlich unklar, ob Unterschiede in der Helicobacter-Prävalenz zwischen Patien- ten mit und ohne GERD bestehen.
Der vorliegende systematische Review wollte die Frage beantworten, ob und in welchem Ausmass sich GERD-Patienten hinsichtlich Helicobacter-Prävalenz von Patienten ohne GERD unterscheiden, zu- mal diesem Aspekt in der Allgemeinpraxis wenig Beachtung geschenkt wird, da man die GERD aufgrund von Anamnese und Beschwerdebild diagnostiziert und behandelt.
Nach ausgedehnter Literatursuche in den üblichen Quellen und kritischer Durchsicht der Treffer verblieben den Autoren 20 Studien mit 4134 Patien- ten, von denen 58,5 Prozent in Kon- trollgruppen waren.
Die durchschnittliche Prävalenz einer Helicobacter-Infektion betrug bei GERD-Patienten 38,2 Prozent (Streu- bereich: 20,0% – 82,0%), bei den Kontrollen ohne GERD hingegen 49,5 Prozent (29,0 – 75,6%). Vier Studien zeigten bei GERD-Patienten eine höhere Helicobacter-Prävalenz, der Unterschied war jeweils nicht signifikant. Die restlichen Studien fanden bei GERD-Patienten eine tiefere Helicobacter-Prävalenz, der Unterschied war in sechs Studien statistisch signifikant. Die gepoolte Wahrscheinlichkeit (Odds ratio) war 0,58 (95%-Konfidenzintervall 0,51 – 0,66). Zwischen den Studien bestand auch statistisch eine hohe Heteroge- nität. Die statistische Korrektur in ei- nem Random-Effects-Modell zeigte eine zwar etwas geringere, aber im- mer noch deutliche Evidenz für eine
tiefere Helicobacter-Prävalenz bei GERD- Patienten (Odds ratio 0,60 [95%-KI 0,47 – 0,78]).
Die Abbildungzeigt, dass es zwischen ver- schiedenen geografischen Lokalisationen deutliche Unterschiede gab. Die Autoren stufen die Evidenz für eine tiefere Helico- bacter-Prävalenz bei GERD-Patienten in Nordamerika und Fernost als konsistent ein. Die einzige Studie aus Südamerika (Chile) zeigte im Gegensatz dazu eine höhere Prävalenz. Für Europa, das uns am meisten interessiert, errechneten sie hin- gegen eine Odds ratio von 0,76 (0,61 –
Helicobacter pylori bei GERD-Patienten
Chile, Csendes et al 199736 Western Europe Newton et al 199746 Pieramico and Zanetti 200047 Gisbert et al 200139 Hackelsberger et al 199841 Manes et al 199944 Liston et al 199643 Werdmuller and Loffeld 199710 North America
Vaezi et al 200050 El-Serag et al 199937 Goldblum et al 199840 Varanasi et al 199851 Vicari et al 199852 Schubert and Schnell 198948 Fallone et al 200038 Far Eas t Shirota et al 199949 Wu et al 199953 Mihara et al 199645 Haruma et al 200042 Koike et al35
Summary Study Reference
0,10 0,16 0,25 0,40 0,63 1,00 Odds ratio
1,58 2,51 3,98
Odds ratios mit 95%-Konfidenzintervallen für die Prävalenz einer Helicobacter-Infektion bei GERD- Patienten im Vergleich zu solchen ohne GERD, gruppiert nach geografischer Lokalisation. Die gestrichelte Linie bedeutet keinen Unterschied zwischen den Gruppen.
0,96) und der Heterogenitätstest ergab ein P = 0,88. Damit steht die Evidenz für Europa auf schwachen Füssen.
Warum die Helicobacter-Prävalenz bei GERD-Patienten ausgerechnet in Ländern signifikant niedriger ausfällt, in denen die Durchseuchung mit dem Bakterium hoch ist, bleibt unklar. Die Autoren denken an diätetische und genetische Faktoren.
Ebenso unklar sei die klinische Relevanz einer tieferen Helicobacter-Prävalenz, be- sonders hinsichtlich der Eradikationsthe- rapie, was zur unvermeidlichen Forderung nach gut angelegten Studien führt.
Anan Raghunath et al. (Centre for Integ- rated Health Care Research, Wolfson Re- search Institute, University of Durham, Stockton on Tees/UK): Prevalence of Heli- cobacter pylori in patients with gastro- oesophageal reflux disease: systematic review. Br med J 2003; 326: 737–739. ● Halid Bas
Interessenkonflikte: Die Studie wurde von Ab- bott Pharmaceuticals mitfinanziert. Die Autoren deklarieren Forschungs- und Konferenzzuwen- dungen der Firmen Abbott Pharmaceuticals und Wyeth.
Helicobacter pylori bei GERD-Patienten
M M M
M e e e e r r r r k k k k -- --
p u n k t e p u n k t e
●Gesamthaft ist die Prävalenz von Helicobacter-Infektionen bei Pa- tienten mit GERD tiefer als ohne GERD. Der Unterschied ist beson- ders ausgeprägt in Ländern mit hoher Helicobacter-Prävalenz.
●In Europa ist die Evidenz für eine geringere Helicobacter-Häufig- keit bei GERD-Patienten jedoch wenig überzeugend.
●Geografische Unterschiede könn- ten die disparaten Ergebnisse der bisherigen Studien mit erklären.