• Keine Ergebnisse gefunden

Essenzieller Tremor

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Essenzieller Tremor"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

6 3 2 A R S M E D I C I 1 42 0 0 5

F O R T B I L D U N G F O R M A T I O N C O N T I N U E

GÜ N T H E R DE U S C H L, KA R L EB E R I U S

Menschen mit einem essen- ziellen Tremor sind in ihrer Lebensqualität oft massiv eingeschränkt. Viele können wegen des Zitterns nicht mehr ordentlich schreiben, nicht mehr normal essen oder bei einem ausgeprägten Kopfzittern nicht mehr richtig lesen. Bis zu 25 Prozent müs- sen schliesslich wegen des essenziellen Tremors, der noch vor dem Parkinson- tremor die häufigste Zitter- diagnose darstellt, den Beruf wechseln oder vorzeitig in Rente gehen. Umso wichtiger ist es, Zittersymptome ernst zu nehmen und bei der Behandlung ein paar wesent- liche Dinge zu beachten.

Besonders wichtig ist es, den essenziellen Tremor auf keinen Fall mit dem Parkinson- tremor zu verwechseln. Denn die typische Parkinsontherapie mit Levodopa und Ben- serazid ist beim essenziellen Tremor nicht nur wirkungslos, sondern kann sogar zu einer Verschlechterung des Krankheitsbil- des führen. Umgekehrt helfen Medika- mente, die beim essenziellen Tremor zum Einsatz kommen, nicht beim Parkinson.

Als wichtigste klinische Frage ist zu beant- worten, ob ein Ruhetremor vorhanden ist,

da der Parkinsontremor ein klassischer Ruhetremor ist, der bei Bewegungen ver- schwindet oder schwächer wird. Dagegen handelt es sich beim essenziellen Tremor um einen Halte- und Aktionstremor, der in den allermeisten Fällen keinen Ruhe- tremor aufweist. Insgesamt kann man da- von ausgehen, dass bei einem fehlenden Ruhetremor nur selten eine Parkinson- erkrankung vorliegt.

Findet sich ausserdem eine positive Fami- lienanamnese, spricht dies ebenfalls für

Essenzieller Tremor

Was man bei Diagnose und Therapie beachten sollte

M e r k s ä t z e M e r k s ä t z e

●Der essenzielle Tremor ist bei weitem der häufigste Tremor. Erst danach folgen mit grossem Abstand der Parkinsontremor und der physiologische Tremor. Alle anderen Tremorformen sind viel seltener.

●Parkinsontremor und essenzieller Tremor werden unterschiedlich behan- delt und dürfen daher auf keinen Fall miteinander verwechselt werden.

●Typisches Zeichen des essenziellen Tremors: Im Gegensatz zur Parkinson- erkrankung handelt es sich nicht um einen Ruhetremor, sondern um einen Halte- und Bewegungstremor.

●Die meisten Patienten mit einem essenziellen Tremor sind sozial einge- schränkt. Bis zu 25 Prozent gehen vorzeitig in Rente oder wechseln den Beruf.

●Eine Heilung ist beim essenziellen Tremor zwar nicht möglich, jedoch lassen sich mit Medikamenten bei 50 Prozent der Betroffenen langfristig zufrieden stellende Ergebnisse erzielen. Bei weiteren 20 Prozent sind Teilerfolge möglich.

●Bei der medikamentösen Therapie des essenziellen Tremors sind Propra- nolol und Primidon erste Wahl.

●Für sehr schwere Fälle stellt die Tiefenhirnstimulation eine wirkungsvolle Alternative dar.

●Physiotherapeutische und physikalische Therapien sind beim essenziellen Tremor ebenso wie Akupunktur oder Homöopathie nutzlos.

(2)

einen essenziellen Tremor, da der essenzi- elle Tremor in rund 60 Prozent einem au- tosomal-dominanten Erbgang folgt und somit bereits ein anderes Familienmitglied unter dem Zittern gelitten hat. Wichtig ist auch die Frage, ob sich die Symptomatik unter dem Genuss von Alkohol bessert, was beim essenziellen Tremor bei bis zu 70 Prozent der Betroffenen der Fall ist, aber nicht beim Parkinsontremor.

Häufig wird der essenzielle Tremor auch mit dem verstärkten physiologischen Tre- mor verwechselt – deren klinische Bilder können ähnlich aussehen, also beidsei- tiger, symmetrischer Tremor, der nicht in

Ruhe, sondern unter Haltetätigkeiten und Bewegungen zum Vorschein kommt.

Entscheidend sind hier die klinische Ana- mnese und die Ursachenabklärung.

Während beim essenziellen Tremor – ab- gesehen von genetischen Defekten – die Ursache weit gehend unbekannt ist, darf die Diagnose des verstärkten physiologi- schen Tremors per definitionem nur ge- stellt werden, wenn eine zu Grunde lie- gende Ursache gefunden wird.

Typische Verursacher des verstärkten phy- siologischen Tremors sind allen voran Medikamente, die man bei jedem Tremor- patienten genau überprüfen muss. Zum Beispiel Sympathomimetika bei Asthma- patienten oder trizyklische Antidepressiva bei psychiatrischen Patienten.

Zudem müssen neben der Medikamen- tenanamnese verschiedene Laborunter- suchungen erfolgen. Pflicht sind TSH, T3 und T4, da hinter einem gesteigerten phy- siologischen Tremor oft eine Hyper- thyreose steckt, an die man insbesondere denken sollte, wenn neben dem Tremor auch Gewichtsverlust, Durchfall oder Wärmeintoleranz auffallen. Wichtig sind auch die Leber- und Nierenwerte sowie die Bestimmung der Elektrolyte, da zum Beispiel Hyperkaliämien verantwortlich sein können. Je nach Patient ist ausser- dem an toxische Ursachen, den Abusus von Alkohol respektive an andere Drogen als Auslöser zu denken. Erst wenn sich bei diesen Untersuchungen keine Tremor- ursache findet, darf die Diagnose essen- zieller Tremor gestellt werden.

Alarmzeichen: seitenbetonter Tremor

Ist man sich schliesslich trotz intensiver Diagnostik nicht sicher, welche Tremor- diagnose zu stellen ist, empfiehlt sich die Überweisung zu einem neurologischen Kollegen. Äusserst gewissenhaft sollte die neurologische Abklärung zudem bei ei- nem seitenbetonten Tremor erfolgen, da dies ein Zeichen schwerer Erkrankungen sein kann – aber nicht muss. In Frage kommen zum Beispiel neuro-degenera- tive Krankheitsbilder, aber auch seltene Tremorformen.

Wie sind die Heilungschancen?

Beim essenziellen Tremor gibt es keine Heilung. Vielmehr handelt es sich um eine Erkrankung, die meist langsam, aber manchmal auch schnell voranschreitet.

Ein Mittel, mit dem man die Progredienz aufhalten kann, existiert bislang nicht.

Allerdings lassen sich mit einer medika- mentösen Dauertherapie langfristig bei etwa 50 Prozent der Betroffenen zufrie- den stellende Ergebnisse erzielen. Bei wei- teren 20 Prozent sind Teilerfolge möglich, während man bei den restlichen 30 Pro- zent keine Verbesserungen erzielt. In schwe- ren Fällen kann ausserdem über eine tiefe Hirnstimulation nachgedacht werden, bei der Elektroden neurochirurgisch in aus- gewählte Hirnzentren implantiert werden.

Die Langzeiterfolge sind dabei gut, und das Risiko für schwere operations- bedingte Komplikationen liegt je nach Kli- nik mittlerweile unter 1 Prozent.

Auf bewährte Medikamente setzen

Bei der medikamentösen Therapie des es- senziellen Tremors gibt es mittlerweile drei Wege, die sich gut bewährten und die ihre Wirksamkeit in vielen Doppelblind- studien unter Beweis gestellt haben. Die erste Möglichkeit ist der Betablocker Pro- pranolol. Die zweite ist das Antikonvulsi- vum Primidon. Und die dritte ist die Kom- bination aus beiden Wirkstoffen. Diese drei Möglichkeiten sollte man unbedingt ausprobiert haben, bevor man auf irgend- eine andere Therapie umstellt. Eine Alter- native ist Gabapentin, dessen Nutzen beim essenziellen Tremor ebenfalls nach- gewiesen ist. Möglicherweise ist auch Topiramat sinnvoll, was allerdings erst noch in grösseren Studien genauer über- prüft werden muss. Darüber hinaus gibt es einige weitere Substanzen, die ge- legentlich zum Einsatz kommen und teilweise auch Erfolge zeigen, aber bei vielen ist die Datenlage mangelhaft, sodass dazu keine allgemeinen Empfeh- lungen sinnvoll sind.

Neben oral eingenommenen Medikamen- ten ist auch noch die lokale Injektion von

Essenzieller Tremor

6 3 4 A R S M E D I C I 1 42 0 0 5

F O R T B I L D U N G F O R M A T I O N C O N T I N U E

Wa s z i t t e r t beim essenziellen Tremor?

Hände: 94%

Kopf: 33%

Stimme: 16%

Beine: 12%

W i e h ä u f i g i s t d e r e s s e n z i e l l e Tr e m o r ?

Der essenzielle Tremor ist eindeutig die häufigste Tremordiagnose. Erst dahin- ter folgt mit weitem Abstand der Par- kinsontremor, der etwa vier- bis sechs- mal seltener ist. Allerdings ergibt sich in der Praxis oft ein anderes Bild, da Par- kinsonpatienten unter weiteren Proble- men wie zum Beispiel der Akinese leiden und deshalb viel häufiger zum Arzt gehen. In der neurologischen Sprechstunde sind daher Patienten mit einem essenziellen Tremor etwa gleich häufig vertreten wie Parkinsonpatien- ten. Neben diesen beiden Tremores ist als dritte Form auch noch der verstärkte physiologische Tremor zu berücksich- tigen, der ebenfalls häufig ist. Alle an- deren Tremordiagnosen sind sehr viel seltener und spielen nur beim spezia- lisierten Neurologen eine bedeutende Rolle.

(3)

Botulinumtoxin zu nennen, die bei Kopf- oder Stimmtremor sinnvoll sein kann. Um- stritten ist der Einsatz jedoch beim Hände- tremor, für den eine Studie zwar sig- nifikante Verbesserungen gezeigt hat, allerdings stehen den Erfolgen mehr oder

weniger starke Paresen gegenüber, die das Prozedere in Frage stellen.

Immer wieder fragen Patienten auch nach nichtmedikamentösen Therapien, die zum grössten Teil allerdings wirkungslos sind.

Überhaupt keinen Sinn haben zum Bei-

spiel Physiotherapien oder physikalische Massnahmen, die nur Zeit kosten und für Betroffene keine Hilfe darstellen. Das Glei- che gilt für Akupunktur und Homöo- pathie. Das sollte man den Patienten klar sagen, um keine falschen Hoffnungen zu wecken. Sinnvoll kann dagegen das Er- lernen von Coping-Strategien sein, mit denen sich die Alltagsprobleme eines Tremors besser bewältigen lassen. Zudem sind Betroffene, die stark unter den Sym- ptomen leiden, auch oft für eine psycho- logische Unterstützung dankbar. ● Prof. Dr. med. Günther Deuschl Klinik für Neurologie Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Schittenhelmstrasse 10 D-24105 Kiel E-Mail: g.deuschl@neurologie.uni-kiel.de Dr. med. Karl Eberius Silbershohl 18 D-69221 Dossenheim E-Mail: Eberius@Medizinjournalist.com

Interessenkonflikte: keine

Essenzieller Tremor

A R S M E D I C I 1 42 0 0 5 6 3 5

F O R T B I L D U N G F O R M A T I O N C O N T I N U E

Tr e m o r – w i e u n t e r s u c h e n ?

Um bei einem Tremorpatienten die richtige Diagnose zu stellen, ist es entscheidend, die Zittersymptomatik sorgfältig zu untersuchen. Zu klären ist insbesondere, ob es sich um einen Ruhe-, Halte- oder Bewegungstremor handelt.

Der klassische Ruhetremor, wie er typischerweise beim Parkinson auftritt, lässt sich zum Beispiel sehr einfach am liegenden Patienten untersuchen. Dafür fordert man den Betroffenen auf, die Hände ruhig an die Seite zu legen und rückwärts zu zählen, was zu einer leichten inneren Anspannung führt und so den Ruhetremor meist sehr gut zu Tage treten lässt.

Um dagegen einen Haltetremor bestmöglich zu erkennen, bietet sich der Armhalte- versuch an, bei dem die Arme im Stehen waagrecht nach vorne ausgestreckt werden.

Um einen Bewegungs- oder Intentionstremor zu erkennen, eignet sich der Finger- Nase-Test, für den die Patienten bei zunächst seitlich ausgestrecktem Arm den Zeige- finger zur Nase führen. Ebenso kann man die Patienten auch einen Kugelschreiber auf- und wieder zuschrauben lassen, was bei vielen Tremorformen ebenfalls sehr aufschlussreich ist. Weniger empfehlenswert ist dagegen die Aufforderung, Wasser von einem Glas in ein anderes umzufüllen, da dies bei einem ausgeprägten Tremor leicht zu einer Überschwemmung führen kann.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Kaffeebohnen bereithalten Empfehlen Sie Ihren Kunden, bei der Entscheidung für einen neuen Duft, diesen auf die ei- gene Haut aufzusprühen und etwa fünf Minuten zu warten, bis

Diese zeige sich bei Tolokonnikowa durch eine „aktive Lebenseinstellung“ und „übersteiger- tes Anspruchsdenken“, bei Samutse- witsch durch „Beharrlichkeit in der Verfolgung

B Akinese/Bradykinese, asymetrischer Tremor, Monosymptomatischer Tremor, Parkinson Tremor, Holmes Tremor, Pataler Tremor, die sie eingehend erläuterte und anschließend

100 Gramm enthalten 0,25 Gramm Cetyl- stearylalkohol, 3 Gramm Woll- wachsalkohole, 46,75 Gramm weißes Vaselin und 50 Gramm gereinigtes Wasser.. Die beiden ersten

Hierbei ist darauf abzustellen, inwieweit der Private auf Veranlassung der Behörde mit deren Wissen und Wollen tätig geworden ist (BVerwG JuS 2012, 479 = NVwZ 2012, 506)

ausreichend zur Reduktion der Energienachfrage beiträgt, muss nach dem GreenSupreme- Szenario eine mittlere jährliche Sanierungsrate von 2,5 % für den Zeitraum von 2020 bis 2030

Faustregel: 1 g Alkohol pro 10 kg Körpergewicht pro Stunde Pro Stunde reduziert sich beim gesunden Erwachsenen der Blutalkoholspiegel um etwa 0,1 ‰ (Promille)...

Faustregel: 1 g Alkohol pro 10 kg Körpergewicht pro Stunde Pro Stunde reduziert sich beim gesunden Erwachsenen der Blutalkoholspiegel um etwa 0,1 ‰ (Promille).... 2 Standardgläser und