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Academic year: 2022

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Medien, Moden, Medizin

olitik gibt nicht nur im Parlament, sondern auch im Praxiswartezimmer zu Reden. Leider ver - halten sich einige Patienten wie deutsche oder italienische Parlamentarier und werden laut. Da bricht schon mal ein Tamile in Tränen aus, wenn ein Xenopho- ber ihn scharf anschaut, während er sich mit einem Mulitkulti-Fan über Zuwanderungsstopp und Sprach- lernobligatorium streitet. Das Wartezimmer wird zum verbalen Schlachtfeld, wenn unsere lokalen Politmata- doren gewählt werden wollen und ihre Unterstützer auf Stimmenfang aus sind. Daher habe ich hochpoli - tische Zeiten mit vielen Abstimmungsvorlagen oder Wahlen gar nicht gerne, denn wenn die Emotion bei Sachfragen hochkocht, müssen meine MPA und ich oft notfallmässig schlichten. Bewusst ist die Praxis als poli- tisches Niemandsland gestylt und wir Dienstleister ver- halten uns als echt Neutrale. Die Räumlichkeiten sind in diskretem Weiss und Beige gehalten. Nur der Warte- zimmerteppich bekennt Farbe – aber Magenta hat noch keine Partei als Kennfarbe in Beschlag genom- men. Meine MPA und ich äussern uns nicht zu politisch brisanten Themen. Auf die Frage, für was wir stimmen oder wen wir wählen, antworten wir sibyllinisch, dass die Wahlen und Abstimmungen allgemein, frei und ge- heim seien. Es liegt bei uns nur garantiert politikfreier Lesestoff aus: pädagogisch wertvolle Gesundheits- heftchen, «Geo», Kreuzworträtsel-Blocks. Einzig die

«Schweizer Illustrierte» könnte mit kolportierten Äusse- rungen von Cervelas-Prominenten polarisieren, aber die Voten von Missen und Misters, von Starlets und Alt- Sportlern nimmt ja glücklicherweise niemand ernst.

Und Politiker dürfen dort nie wirklich zu Wort kommen, sondern allenfalls in einer Homestory ihre Wohnung zeigen. Zwar kann man durchaus geteilter Meinung sein, ob Doris Leuthardt wirklich einen blauen Teppich im Wohnzimmer haben sollte und sich fragen, wie die Blochers ihr Schloss heizen, aber zu heissen Diskussio- nen führt das nicht. Doch trotz aller Mühe, politikfrei zu bleiben, schleicht sich die Politik doch immer wieder ein und sorgt für Zank und Streit. Ständig wollen Pa- tienten Flyer oder Plakätchen auslegen und sind ent- täuscht bis aggressiv, wenn ihnen dies nicht gestattet

wird. «Aber die Sekundarschüler durften auch ein Pla- kat mit der Einladung zu ihrem Blockflötenkonzert auf- hängen! Und der Frauenverein hat Kärtchen mit dem Hinweis auf den Weihnachtsbasar deponiert!», maulen die Polit-Praxis-Lobbyisten. Geduldig versuche ich, Ihnen klar zumachen, dass die flötenden Schüler sich vielleicht im Ton vergreifen mögen, aber dass dies weniger Anstoss erregt, als wenn das politische Ex- trempositionsvertreter tun. Und unser politisch und religiös neutraler Frauenverein sorgt ausschliesslich für das leibliche Wohl der Mitbürger, verkauft garantiert biologisch korrekt hergestellte Produkte, an denen allenfalls die Kalorienzahl bedenklich ist. «Aber Sie soll- ten sich zu politisch wichtigen Themen äussern!», appelliert die Kantonsratskandidatin. «Zumindest ge- sundheitspolitische Anliegen solltest du vermitteln und deine Patienten als Unterstützer gewinnen!», weist mich mein standes- und bundespolitisch aktiver Kol- lege an, der meine Abstinenz nicht versteht. Als ich damals am ersten April auch im weissen Kittel gen Bern marschierte, war er ganz erstaunt. Dass ich sehr wohl eine Meinung zu politischen Themen habe und die in meiner Freizeit auch äussere, aber sie nicht in meine Arbeit als Arzt einfliessen lasse, akzeptiert er nicht. Ver- mutlich hat er einen anderen Zahnarzt als ich, sonst würde er Verständnis haben. Kaum habe ich Speichel - sauger und Watteröllchen im Mund, legt mein Zahnarzt mit seinen politischen Extremmeinungen los. Hilf- und sprachlos sitze ich da, während er bohrt und füllt und schleift. Er regt sich über Bern derartig auf, dass ich hoffe, dass ihm nicht der Bohrer ausrutscht oder er mei- nen Molaren mit einem politischen Gegner verwech- selt. Ich möchte widersprechen, aber kann nur die Klappe aufreissen und Vokale röcheln. Das Macht - gefälle zwischen Arzt und Patient wird mir dann am eigenen Leib immer wieder klar. Und deshalb bin ich gerne bereit, meinen Patienten die Gefahren von Alkohol und Zigaretten in den düstersten Farben aus- zumalen, aber nicht, sie für Abstimmungsvorlagen zu gewinnen, bei denen Vater Staat seine Fürsorge für die Gesundheit der Bürger derartig aus-

dehnt, dass man sich fragen kann, wo die Bevormundung beginnt.

Praxis-Politik

ARSENICUM

P

976

ARS MEDICI 23 2011

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